Karl Lagerfeld. Ein moderner Dandy

Der Dandy als zeitloses Phänomen


Hausarbeit, 2019

12 Seiten, Note: 1,3


Leseprobe


Inhalt

1 Einleitung: Der Dandy als zeitlose Figur

2 Geschichte

3 Das Verständnis nach Baudelaire
3.1 Lebensphilosophie und Identität des Dandys
3.2 Das Mode- und Stilverständnis des Dandys

4 Der Dandy heute
4.1 Stilwandel im Medienzeitalter
4.2 Der Dandy als Designer: Karl Lagerfeld

5 Fazit

1 Einleitung: Der Dandy als zeitlose Figur

In Modezeitschriften verwenden Journalisten häufig den Begriff Dandy, um gut gekleidete Männer zu beschreiben, die sich durch besondere Eleganz auszeichnen. Die Leser gewinnen den Eindruck, der Dandy existiere noch oder feiere gerade ein Comeback. In trivialer Beschränkung auf den ‚Look‘ wird nur das Äußere des Phänomens wahrgenommen, dem geistigen Auftreten dagegen kaum Bedeutung zugeschrieben. Dabei stellt sich gleichzeitig die Frage, ob der Dandy ein historisches Phänomen ist oder doch eine zeitlose Figur, die sich stets mit ihrer Gesellschaft weiterentwickelt und fortwährend besteht.

Begriffliche Klärung scheint notwendig, um derartigen Missverständnissen vorzubeugen. Aus diesem Grund soll in der folgenden Arbeit die Entstehung dieses Phänomens, Charakter- und Modezüge sowie der Dandy in der heutigen Gesellschaft thematisiert werden. Um den Inhalt dem Umfang der Arbeit anzupassen, wird sich die Ausarbeitung auf den Dandy, wie Charles Baudelaire, Dandy-Theoretiker und prominenter Vertreter des historischen Dandyismus, ihn versteht, beschränken. So soll in der vorliegenden Arbeit geklärt werden, ob und inwiefern der Modezar Karl Lagerfeld ein modernes Beispiel des Dandys ist.

Zu Beginn der Arbeit werden zunächst die Anfänge des Dandys näher erläutert, um den Werdegang dieses Phänomens besser nachvollziehbar zu machen. Es folgt das Verständnis des Dandys, wie Charles Baudelaire ihn definiert, zunächst hinsichtlich seiner Lebensphilosophie und Einstellung und anschließend bezüglich seines Mode- und Stilverständnisses. Um einen konkreten Bezug zur Realität beizubehalten, komme ich der Frage nach, ob und wenn ja, wie sich der Dandy in der heutigen Gesellschaft eingefügt und verändert hat. Hierzu scheint vor allem die Mediengesellschaft eine entscheidende Rolle zu tragen. Als ein Beispiel einer modernen Verkörperung wird sich die Arbeit schließlich mit dem Designer Karl Lagerfeld auseinandersetzen. Zu guter Letzt werden die Ergebnisse kurz in einem Fazit zusammenfassen und mögliche Ausblicke auf weiterführende Untersuchungsschwerpunkte gegeben.

2 Geschichte

Der Dandy ist ein Phänomen, das zum ersten Mal Mitte des 18. Jahrhunderts auftrat. Es handelte sich zunächst um eine britische Gegenbewegung zur französischen Mode und Hofkultur, ausgeführt von einer geistreichen Gruppierung extravaganter Männer im mittleren Alter. Der Ästhetizismus lieferte entscheidende Impulse hinsichtlich der Aspekte des übertriebenen Schönheitskults und der Dekadenzbewegung. Es war eine Erscheinung des immer selbstbewusster auftretenden Bürgertums, das die Lebensgewohnheiten des Adels übernahm, ohne dessen finanzielle oder gesellschaftliche Stellung tatsächlich zu besitzen. Sie thematisierten die Verwischung der Geschlechtergrenzen sowie Verschmelzung von männlichen und weiblichen Eigenschaften.1 Ein neues Körperbewusstsein, das sich durch die Beschäftigung mit antiker Plastik herausbildete, fand seine Umsetzung in der Schneiderei. Diese Einflüsse ließen den modernen Herrenanzug entstehen, so wie er noch heute getragen wird. Die körpernah geschnittene Form, die die V-Silhouette des Mannes hervorhob, war meist aus festem Stoff in gedeckten Farben gefertigt. Dieser Anzug wurde von dem wohl ersten Vertreter des Dandyismus, Beau Brummell, auf die Spitze getrieben. Als der ‚erste Dandy‘ gilt Georg Brummell, genannt Beau Brummell, der das Dandytum exzentrisch lebte und damit zur Legende wurde. Er propagierte bereits die neue Schlichtheit, als adelige Kreise noch ganz der höfischen französischen Mode folgten. Er soll drei Frisöre benötigt haben - für die Seiten, die Stirn und den Hinterkopf. Er wechselte mehrmals täglich die Wäsche und verachtete Parfüm und Schmuck. Ab Mitte der 1790er galt Beau Brummell als die frühe Inkarnation der „Berühmtheit“

Mitte des 19. Jahrhunderts entwickelte sich eine Verfeinerung des englischen Dandys. Die Qualität und Farben der Stoffe, der Glanz der Schuhe und Stiefel rückten immer mehr in den Fokus. All dies gehörte von nun an zu dem Bild eines gut gekleideten englischen Mannes, der sowohl sehr viel Aufwand für sein Äußeres betrieb, gleichzeitig allerdings eine elegante Gleichgültigkeit ausstrahlte.

3 Das Verständnis nach Baudelaire

Seit Charles Baudelaire, Dandy-Theoretiker und prominenter Vertreter des historischen Dandyismus, Mitte des vorletzten Jahrhunderts mit der Unmöglichkeit spielte, das paradoxe Phänomen ‚Dandy‘ in all seiner Komplexität zu bestimmen,2 steht die Frage, was ein oder gar der Dandy denn nun sei, im Zentrum zahlreicher Diskussionen und Forschungsarbeiten.3

Baudelaire hat den Dandy in seinem wegweisenden Moderne-Essay von 1863 als einer „aristokratische[n] Überlegenheit des Geistes“4 ausgestattet markiert. Charles Baudelaire war seit Beginn, an dem Dandyismus interessiert und beschrieb einprägsam, dass ein Dandy „keinen anderen Beruf als Eleganz […] keinen anderen Status kultivieren möchte, als die Idee der Schönheit in ihrer eigenen Person […]“. Andere französische Intellektuelle waren ebenfalls sehr interessiert an den Dandys, die die Straßen und Boulevards von Paris entlangliefen. Baudelaires Konzeption des Dandys beziehen sich in erster Linie auf den aristokratischen Typus des 17. Jahrhunderts und dessen Ethos, erfassen ihn allerdings gleichzeitig auch als Kulturphänomen des 19. Jahrhunderts, das mit nichts anderem zu vergleichen ist: „Das Dandytum ist der letzte Glanz des Heroismus in den Zeiten der Dekadenz.“5

3.1 Lebensphilosophie und Identität des Dandys

Trotz seiner Berühmtheit, oder genau aufgrund dieser, ist der Dandy zur ewigen Einsamkeit verurteilt. Denn Charaktereigenschaften wie kühle Gleichgültigkeit und Überlegenheit, die letztlich seine Person und Popularität ausmachen, führen zu einer bewusst gelebten Absonderung zur Allgemeinheit. Baudelaire spricht davon, dass eine ständige Selbstbetrachtung und Bewusstseinsanalyse notwendig seien, um den Dandy dazu zu befähigen, ein Verhalten zu korrigieren und ihm erlaubt, über seiner Umgebung zu stehen und seiner Überlegenheit Ausdruck zu verleihen. Dies setze eine disziplinierte Kontrolle der Leidenschaft und der Inspiration voraus. Der Charakter des Widerspruchs und der Auflehnung bzw. der Kampf gegen die Trivialität, der für den Dandy so entscheidend sei, erfordere höchste Bewusstheit und Selbstzucht. Aus diesem Grund fordert Baudelaire, dass der Dandy sein ganzes Streben darauf richten müsse, ohne Unterbrechung erhaben zu sein. „Er muss leben und schlafen vor einem Spiegel.“6 Mit seinen Worten räumt Baudelaire dem Dandyismus den Rang einer Philosophie ein, die den überlegenen Geist kennzeichnet, unabhängig von seinem historischen Ort.

Häufig wird der Dandy einem Flaneur gleichgestellt, dabei bestehen entscheidende Unterschiede zwischen diesen beiden Figuren. Ein Flaneur bewahrt stets sein Inkognito, agiert mehr als Beobachter und reflektiert die Welt eher in sich selbst, als dies nach außen zu tragen.7 Der Dandy hingegen ist Mitglied der Menge, ist dennoch durch seine Erscheinung von allen anderen getrennt. Er versucht die eigene Individualität in die Menge einzubringen. Diese Einstellung zeigt einmal mehr das gestörte Verhältnis, das der Dandy zu seinem Umfeld hat.8 Er „lehnt […] alles Gewöhnliche, [alles] Durchschnittliche und [alles] Triviale zugunsten [s]eines […] Ideals ab.“9 Er distanziert sich von der Menge durch selbstgesetzte strenge Regeln10, um schließlich seinem Ziel, der Herausbildung einer neuen Aristokratie und der letzten Chance zum Heldentum, gerecht zu werden. Mit dieser Grundhaltung, sich von der Normalität der Menge abzugrenzen, vereint sich sein narzisstisches Ideal, das fernab von Gemeinschaft steht.11 Dennoch ist es nötig stets einen Blick auf die Gesellschaft um sich zu haben, denn lediglich die „Fixiertheit an der Menge“12 machten es ihm möglich, sich abzugrenzen. Der Dandy benötigt die Menge, damit seiner Provokationen Früchte tragen können, geht aber gleichzeitig nicht in ihr auf und ist sich seine Überlegenheit gegenüber den trivialen Bürgern stets bewusst.13

Baudelaire sinniert währenddessen über die Möglichkeit einer wiedergefundenen kindlichen Unschuld, welche aber, um sich auszudrücken, männliche Organe und eines analytischen Geistes bedürfe. Er sieht den Dandy als Träger der Modernität, allerdings beschränke sich diese nicht auf seine äußerliche Behübschung, wie beispielsweise seiner exklusiven Kleidung, sondern definiert sich viel mehr durch seine Ethik und Technik.14 Gleichzeitig muss der Dandy, Baudelaire zufolge, Kälte ausstrahlen und mit höchstem Aufwand nicht auffallen. Diese Kälte und Gleichmütigkeit setzt der Dandy in Form von Ironie und Zynismus um. Dies bezeichnet Charles Baudelaire gleichzeitig als wichtigste Waffe des Dandys.15 Dieses Paradoxon ist eines der Hauptmerkmale des Dandyismus.

[...]


1 Vgl. Avanessian, Armen: Phänomenologie Ionischen Geistes. Ethik, Poetik und Politik der Moderne. München, 2010, S. 109.

2 Vgl. Baudelaire, Charles: Mein entblößtes Herz, in: Sämtliche Werke/Briefe. Bd. 6, hrsg. v. Friedhelm Kemp und Claude Pichois, München, 1991, S. 222-258

3 Vgl. Schickedanz, Hans-Joachim: Ästhetische Rebellion und rebellische Ästheten. Eine kulturgeschichtliche S tudie über den europäischen Dandyismus. Frankfurt a. M., S. 9

4 Baudelaire, Charles: Der Maler des modernen Lebens. In: Ders.: Sämtliche Werke/Briefe. Bd. 8, hrsg. v. Friedhelm Kemp und Claude Pichois, Darmstadt, 1989, S. 213-258, hier: S. 242

5 Avanessian: Phänomenologie Ionischen Geistes. Ethik, Poetik und Politik der Moderne., S. 109.

6 Baudelaire: Mein entblößtes Herz., S. 224.

7 Vgl. Avanessian: Phänomenologie Ionischen Geistes. Ethik, Poetik und Politik der Moderne., S. 108.

8 Vgl. Neumeister, Sebastian: Der Dichter als Dandy. Kafka, Baudelaire, Thomas Bernhard. München, 1973, S. 66.

9 Neumeister: Der Dichter als Dandy., S. 66.

10 Vgl. Ebd.

11 Vgl. Ebd., S. 67.

12 Ebd.

13 Vgl. Ebd., S. 69.

14 Vgl. Ebd., S. 107 ff.

15 Vgl. Poschardt, Ulf: Anpassung., Hamburg, 1998, S. 133.

Ende der Leseprobe aus 12 Seiten

Details

Titel
Karl Lagerfeld. Ein moderner Dandy
Untertitel
Der Dandy als zeitloses Phänomen
Hochschule
Universität Duisburg-Essen  (Kunst und Kunstwissenschaft)
Veranstaltung
Kunstsoziologie der Moderne. Soziologie der Mode.
Note
1,3
Autor
Jahr
2019
Seiten
12
Katalognummer
V461937
ISBN (eBook)
9783668915282
ISBN (Buch)
9783668915299
Sprache
Deutsch
Schlagworte
Karl Lagerfeld, Mode, Dandy, Soziologie, Chanel, baudelaire, Kunst, Ästhetik, Beau, Brummel, Dandyismus, Designer
Arbeit zitieren
Sophie Hohmann (Autor:in), 2019, Karl Lagerfeld. Ein moderner Dandy, München, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/461937

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