Die Korrekturen an der rheinland-pfälzischen Kommunalverfassung Mitte der 1990er Jahre waren moderater Natur - wenigstens im Vergleich zum „revolutionären“ Umbruch, der parallel in Nordrhein-Westfalen stattfand, wo sich der Gesetzgeber nach über fünfzig Jahren endgültig von der britisch inspirierten norddeutschen Ratsverfassung verabschiedet hat.
Die von Hans-Georg WEHLING und Andreas KOST attestierte „starke Angleichung der kommunalen Verfassungssyteme in Deutschland“ (2003: 9) hat Rheinland-Pfalz weniger stark erschüttert als seinen nördlichen Nachbarn. Daher scheint es wenig verwunderlich, dass auf den ersten Blick die politik- oder kommunalwissenschaftliche Auseinandersetzung mit den Folgen der institutionellen Umbrüche an den Hochschulen in Bochum, Hagen oder Köln wesentlich intensiver erfolgte als in Mainz oder Trier. Die empirisch fundierte Beantwortung der geradezu „klassischen Fragestellung“, die Untersuchung der Folgen der geänderten institutionellen Rahmenbedingungen auf die kommunalpolitischen Prozesse („does polity matter?“) haben Wissenschaftler in Nordrhein-Westfalen bereits in Angriff genommen. Für Rheinland-Pfalz steht die Beantwortung der Frage noch weitgehend aus.
Aber bedarf es überhaupt einer separaten, landesspezifischen Betrachtung? Können die nordrhein-westfälischen Ergebnisse nicht getrost übernommen werden? Wahrscheinlich nicht. Die Änderung oder Angleichung institutioneller Arrangements per Gesetz ist eine Sache, deren Auswirkung auf die kommunalpolitische Wirklichkeit eine völlig andere. Erst recht, wenn man bedenkt, dass der über 50 Jahre geübte Umgang mit tradierten institutionellen Arrangements seinerseits zur Herausbildung regionaler politischer Traditionen oder Handlungsmuster geführt haben dürfte. Polity, politics und policy sind auch innerhalb der Kommunalpolitik in ihrer Wirkungsweise interdependent.
Ziel dieser Arbeit ist daher, die bestehende Lücke zu schließen und für Rheinland-Pfalz die Auswirkungen der kommunalverfassungsrechtlichen Neuerungen auf die Konfliktregulierungsmuster in der Gemeinde zu untersuchen.
Inhaltsverzeichnis
- Einführung
- Erklärungfaktoren kommunaler Entscheidungsprozesse
- Polity
- Kommunalverfassung
- Typologie der traditionellen Kommunalverfassungen
- Einfluss der Kommunalverfassung auf kommunale Entscheidungen: Stand der Forschung
- Gemeindegröße
- Politics
- Lokale politische Kultur
- Lokaler Problemdruck
- Geändertes Selbstverständnis der Akteure
- Akteursorientierter Institutionalismus und lokale Politik?
- Änderung der lokalpolitischen Konfliktregulierungsmuster durch die Direktwahl der Bürgermeister?
- Ausgangslage: Änderungen der kommunalverfassungsrechtlichen Rahmenbedingungen
- Kommunale Gliederung und Kommunalverfassung in Rheinland-Pfalz
- Die Kommunalverfassungsreform in Rheinland-Pfalz
- Erwartungen der Landespolitik an die Direktwahl der Bürgermeister
- Direktwahl der Bürgermeister und Parteipolitisierung in der politikwissenschaftlichen Diskussion
- Hypothesenbildung
- Entwicklung der Parteipolitisierung seit Beginn der 1990er Jahre: Eine empirische Analyse am Beispiel von 49 Gemeinden in Rheinland-Pfalz
- Untersuchungsdesign
- Mehrheits- oder Wettbewerbsdemokratie vs. Konsensdemokratie
- Verhältnis von Parteipolitisierung und kommunalpolitischem Demokratietypus
- Indikatorbildung
- Ergebnisse
- Bedeutung der Freien Wählergruppen
- Fraktionalisierung des lokalen Parteiensystems
- Fallstudien: Entwicklung des Abstimmverhaltens im Rat zweier ausgesuchter rheinland-pfälzischen Städte
- Untersuchungsdesign, Indikatorbildung und Operationalisierung
- Untersuchungsdesign
- Indikatoren und Operationalisierung
- Die Fallstudienstädte
- Auswahlkriterien
- Strukturdaten
- Ergebnisse der Ratswahlen in den Fallstudienstädten 1989 - 2004
- Ergebnisse der Fallstudien
- Stadt Bingen am Rhein
- Stadt Cochem
- Einfluss der Kommunalverfassung auf kommunale Entscheidungen
- Entwicklung der Parteipolitisierung in Rheinland-Pfalz
- Auswirkungen der Direktwahl von Bürgermeistern auf Konfliktregulierungsmuster
- Vergleichende Analyse von Fallstudien in Bingen am Rhein und Cochem
- Regionale Unterschiede in der kommunalpolitischen Praxis
Zielsetzung und Themenschwerpunkte
Diese Arbeit untersucht die Auswirkungen der kommunalverfassungsrechtlichen Neuerungen in Rheinland-Pfalz auf die Konfliktregulierungsmuster in der Gemeinde. Sie analysiert die Folgen der Änderungen des „Polity"-Rahmens auf die „Politics" der Gemeinden und befasst sich mit der Frage, ob die Ergebnisse der nordrhein-westfälischen Forschung auf Rheinland-Pfalz übertragen werden können.
Zusammenfassung der Kapitel
Die Einführung stellt die Relevanz der Arbeit dar und erläutert die Forschungslücke im Kontext der Veränderungen der kommunalverfassungsrechtlichen Rahmenbedingungen in Rheinland-Pfalz. Anschließend werden die wichtigsten Einflussfaktoren auf kommunale Entscheidungsprozesse, wie "Polity", "Politics" und "Policy", im Detail dargestellt. Im dritten Kapitel wird die Änderung der kommunalpolitischen Konfliktregulierungsmuster durch die Direktwahl der Bürgermeister untersucht, wobei die Ausgangslage, die Erwartungen der Landespolitik und die politikwissenschaftliche Diskussion im Vordergrund stehen. Kapitel 3.5 befasst sich empirisch mit der Entwicklung der Parteipolitisierung seit Beginn der 1990er Jahre, anhand von 49 Gemeinden in Rheinland-Pfalz. In zwei Fallstudien in Bingen am Rhein und Cochem werden schließlich die möglicherweise mit der Änderung des "Polity"-Rahmens vor Ort eingetretenen Veränderungen analysiert.
Schlüsselwörter
Kommunalverfassung, Konfliktregulierung, Direktwahl, Parteipolitisierung, Kommunalpolitik, Rheinland-Pfalz, Fallstudie, Bingen am Rhein, Cochem, Politikwissenschaft, "Polity", "Politics", "Policy".
- Quote paper
- Dominic Daub (Author), 2005, Studie zur Entwicklung kommunalpolitischer Konfliktregulierungsmuster und die institutionellen Rahmenbedingungen während der 1990er Jahre, Munich, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/46266