Außerschulische Lernorte im Geschichtsunterricht

Geschichtsdidaktische Möglichkeiten und Grenzen


Hausarbeit, 2018

16 Seiten, Note: 1,7


Leseprobe


Inhaltsverzeichnis:

1. Einleitung und Fragestellung

2. Geschichtskultur
2.1 Geschichtskultur im Geschichtsunterricht

3. Die Ordensburg Vogelsang und die Dauerausstellung „Bestimmung: Herrenmensch“
3.1 Die Geschichte des historischen Ortes
3.2 Das fachdidaktische Konzept des Museums

4. Perspektiven für historisches Lernen im Museum der Burg Vogelsang
4.1 Möglichkeiten
4.2 Grenzen

5. Fazit

6. Literaturverzeichnis

1. Einleitung

Die Ordensburg Vogelsang ist ein historischer Ort zwischen Erinnerung und Zukunftgestal- tung und wird im wissenschaftlichen Diskurs auch als die „Steingewordene Diskursver- weigerung“1 bezeichnet. Doch eignet sich ein solcher Ort als außerschulischer Lernort?

Für mich persönlich hat die NS-Ordensburg vor diesem Hintergrund eine sehr große Be- deutung, da mein ehemaliges Gymnasium, das St. Angela Gymnasium in Bad Münsterei- fel, seit 2017 einen Kooperationsvertrag in Form einer Bildungspartnerschaft mit der Aka- demie Vogelsang IP hat. Festgeschrieben wurde, dass das schulinterne Curriculum so ange- passt wird, dass in Zukuft Geschichtskurse der Jahrgangsstufe 9 und 11 Studientage an der Ordensburg verbringen werden.2

Dies ist vor allem auch ein Indiz dafür, dass das Thema von einer großen Aktualität zeugt.

In dieser Hausarbeit möchte ich herausarbeiten, ob und wie Geschichtskultur im Ge- schichtsunterricht eine Rolle spielt und ob die 2016 eröffnete Dauerausstellung „Bestim- mung: Herrenmensch. NS-Ordensburgen zwischen Faszination und Verbrechen“ den ge- schichtsdidaktischen Anforderungen eines „historisch korrekt[en]“3 Museums entspricht und wie das fachdidaktische Kozept einer Ausstellung aussieht, die sich mit einem auch heute noch heiklen Thema auseinandersetzt. Anschließend möchte ich noch darauf einge- gehen, wo die Möglichkeiten und Grenzen eines Bildungsausfluges zur Burg Vogelsang und bei der Besichtigung der Ausstellung liegen.

Hierbei wird im ersten Teil das Buch „Geschichtskultur. Die Anwesenheit von Vergangen- heit in der Gegenwart“ von Vadim Oswalt und Hans-Jürgen Pandel (Hrsg.) und „Ge- schichtskultur im Geschichtsunterrricht. Begründungen und Perspektiven“ von Dietmar von Reeken als zentrale Literatur dienen.

Für die Untersuchung der Geschichte des historischen Ortes und der Entstehungs- und Konzeptionsgeschichte des Museum werde ich hauptsächlich das Begleitheft „Die NS-Or- densburg. Begleitheft zu Gelände und Ausstellung“ von der Akademie Vogelsang IP unter Leitung von Stefan Wunsch und dem Ausstellungskatalog „Bestimmung: Herrenmensch.

NS-Ordensburgen zwischen Faszination und Verbrechen“, ebensfalls herausgegeben von Stefan Wunsch und Klaus Ring für die Vogelsang IP, nutzen.

Abschließend nutze ich „De[n] kritschen Museumsführer. Neun Historische Museen im Fokus.“ und den Textauszug „Wann ist ein Museum 'historisch korrekt'? 'Offenes Ge - schichtsbild', Kontroversität, Multiperspektivität und 'Überwältigungsverbot' als Grund- prinzipien musealer Geschichtspräsentation“ von Karl Heinrich Pohl um die Möglichkeiten und Grenzen eines Ausstellungsbesuches mit Schülern analysieren zu können.

2. Geschichtskultur

Laut Jörn Rüsen handelt es sich bei Geschichtskultur um „die praktisch wirksame Artikula- tion von Geschichtsbewusstsein in einer Gesellschaft“.4 Doch neben dieser wissenschaftli- chen Betrachtungsweise spielen auch gernerell alle Vermittlungsprozesse von Geschichte in der Gesellschaft und auch in der Schule eine Rolle. Die Grenzziehung zwischen diesen beiden Formen von Geschichtskultur ist mittlerweile durchlässiger geworden, da auch die rein wissenschaftliche Arbeit von Historikern heutzutage nicht mehr unbeeinflusst von Me- dien ist.5

Aus diesem Grund spricht man heute von einer „wechselseitige[n] intermediale[n] Beein- flussung“6 in der Geschichtskultur. Einen Vorteil bietet diese Beeinflussung darin, dass Historiker damit die Möglichkeit besitzen ihre Erkenntnisse auf unterschiedlichste Weise zu vermitteln.7

Seit der kulturwissenschaftlichen Wende in der zweiten Hälfte des 20. Jahrhunderts ist klar, dass sich die Geschichtskultur, also die Geschichte in der Alltagswelt, nicht mehr unter der wissenschaftlichen Kategorisierungen unterzuodnen hat, sondern dass sie sich auf unter- schiedlichste Art und Weise manifestiert hat, egal ob kulturell oder kommerziell.8

Beispiele für Letzteres stellen Museen, aber auch „Events“ wie zum Mittelaltermärkte, dar.9

All dies zeigt, dass Geschichtskultur heute mehr ist als nur Forschungswissen. Die Bindung an die akademische Geschichtswissenschaft fällt dabei je nach Medium und Erschaf- fer unterschiedlich prädnant aus.10

2.1 Geschichtskultur in Geschichtsunterricht

Die Geschichtsdidaktik geht davon aus, dass die Arbeit von Lehrern über den akademi - schen Geschichtsunterricht hinaus oft geschichtskulturell geprägt sind und es somit auch zu Verfälschungen kommen kann. Da Geschichte heute aus den Medien nicht mehr wegzu- denken ist, wird eher dafür plädiert, den Umgang und Gebrauch von Geschichte in der me - diale Welt zu verstehen und zu fördern. Dies zeigt, dass Lehrkräfte auch geschichtskultu- relle Kompetenzen besitzen müssen um historische Vermittlung gewährleisten zu können.11 Das stellt sich als besonders wichtig heraus, wenn es darum geht, Schüler auf spätere Be- gegnungen mit Geschichte vorzubereiten und einen reflektierten Umgang mit Geschichts- kultur zu ermöglichen.12

Entgegengestellt zu der Behauptung, dass Geschichtsunterricht ja nicht jedem gesellschaft- lichen Trend nachlaufen müsse, stellt Dietmar von Reeken einge Argumente dafür auf, warum eine geschichtskulturelle Ausbildung von Schülern sich als durchaus vorteilhaft er- weisen könnte.13

Es ist mittlerweile erforscht, dass geschichtskulturelle Phänomene und die darin vorhande- nen Motive Assoziationen bei Kindern manifestieren unabhängig von ihrem Wahrheitsge- halt. Ein Beispiel dafür ist die stark positive Konnotation des Mittelalters im Zusammen- hang mit den bei Kindern beliebten Rittertum.14

Hans-Jürgen Pandel spricht sogar von einer „Auswanderung des Sinns aus dem Ge- schichtsunterricht in die außerschulische Geschichtskultur“15 und meint damit, dass die au- ßersschulischen Angebote geschichtskultureller Natur attraktiver wirken, da sich eher Par- allelen zu der eigenen Lebenswelt verzeichnen lassen.16

Genau aus diesem Grund besteht auch die Möglichkeit, die Attraktivität des Geschichtsunterrichts durch die Integration von Geschichtskultur zu steigern. Zwar hat der Geschichts- unterricht kein wirtschaftliches oder kommerzielles Interesse, doch aufgrund der verbreite- ten Unbeliebtheit des Faches könnte der Lernfaktor trotzdem erhöht werden, wenn die Schüler einen Sinn sehen und die vermeidlich trockene Theorie mit ihrem Lebensalltag kombinieren können.17

Des Weiteren sollte bedacht werden, dass eben die meisten Schüler und später nicht Histo- riker werden. Das heißt, für sie wird später wohlmöglich nie die Wissenschaft der Ge- schichte von Bedeutung sein, wohl aber unterschiedlichste Formen der Geschichtskultur. Die Inklusion von geschichtskulturellen Phänomenen in den Geschichtsunterricht fördert deshalb die eigenständige Urteilsbildung in einem besonderen Maße.18

3. Die Ordensburg Vogelsang und die Daueraustellung

„Bestimmung: Herrenmensch“

„Was macht die Attraktion eines Ortes wie Vogelsang während der NS-Zeit aus? Welche Versprechungen wurden hier jungen Männern von der Führung hinsichtlich ihrer Zukunft gemacht? Von welchen Hoffnungen und Sehnsüchten nach sozialem Aufstieg waren sie be- wegt? Waren sie durch Drill und Formatierung dazu vorbestimmt, sich an Verbrechen zu beteiligen oder konnten sie auch nein sagen? Sahen sie sich selbst als Herrenmenschen und handelten auch so?“19

Die Dauerausstellung „Bestimmung: Herrenmensch. NS-Ordensburgen zwischen Faszina- tion und Verbrechen“ wurde rund um diese Fragen errichtet und stellt dabei die jungen Männer in den Vordergrund, die ausgewählt wurden, um zu Führungspersönichkeiten der NSDAP geformt zu werden. Sie befindet sich im ehemaligen NS-Gebäudekomplex und verdeutlicht damit auch die Nutzung von Architektur als Machtinstument.20

Thematisiert wird der organsisatorische Aufbau der Schulungsstätte, die Aufstiegsverspre- chungen und die ideologische Prägung des Alltags der Ordensjunker, dessen Endresultat die Schaffung eines „Neuen Menschen“ sein sollte.21

Zudem wird auch die berufliche Zukunft der ehemaligen Ordensjunker beleuchtet und die Verbrechen, an denen sie beteiligt waren, entlarvt. Entlarvt deshalb, weil die Justiz sich erst viele Jahre nach dem Krieg für die Verbrechen der Besatzungsverwalter zu interessieren begann.22

3.1 Geschichte des historischen Ortes

Der historische Ort der Ordensburg Vogelsang hat eine bewegte Vergangenheit. Ursprüng- lich wurde sie gebaut um zukünftige Parteifunktionäre der NSDAP zu schulen und auszu- bilden. Nach der Einnahme durch die US-Army 1945 war der Ort bis vor einiger Zeit von militärischer Nutzung geprägt. Die Anlage wurde von 1946-1950 als Truppenübungsplatz der britischen Armee genutzt, ab 1950 dann von der belgischen Armee und schließlich für Truppen der NATO. Somit spiegelt die Burg Vogelsang nicht nur die Zeit des Nationalsozi- alismus, sondern auch die Zeit des Kalten Krieges wider.23

Im März 1934 begannen die Bauarbeiten in Vogelsang unter dem Reichsorganisationsleiter der NSDAP Robert Ley, der außerdem Leiter der Deutschen Arbeitsfront war. Doch anstatt ursprünglich geplanten Holzbaracken wurden Repräsentationsbauten errichtet. Ursprüng- lich waren noch weitere Großbauten geplant, doch 1941 wurden die Bauarbeiten kriegs- bedingt eingestellt.24

Die Bezeichnung „Ordensburg“ soll das Schulungszentrum begrifflich in die Tradition des mittelalterlichen Deutschen Ordens stellen und so auf ideologisch umbedeutete Weise die deutsche Gebietsausweitung nach Orden legitimieren.25

Bei der Ausbildung der so genannten „Ordensjunker“ war ein dreijähriges Programm vor- gesehen, dass ein Jahr in Vogelsang und jeweils ein Jahr an einer der anderen beiden Or- densburgen in Sonthofen im Oberallgau und Krössinsee bei Falkenburg verbracht werden sollte. Zuvor fand ein „Ausleseverfahren“ der zukünftigen NS-Funktionäre statt. Doch bei der der Eröffnung der Ordenburgen 1936 konnte der Schulungsbetrieb nicht wie geplant beginnen, da das Stammpersonal dafür fehlte. Infolgedessen fand die Ausbildung haupt- sächlich in Kurzlehrgängen statt. Die Absolventen dessen wurden Mitarbeiter der Kreis- und Gauleitungen oder wurden „Kameradschaftsführer“ im Dienst der Ordernsburgen.26

[...]


1 Ring, Klaus, Wunsch, Stefan, Vorwort, in: Ring, Klaus, Wunsch, Stefan (Hrsg.), Bestimmung: Herren- mensch. NS-Ordensburg zwischen Faszination und Verbrechen, Dresden 2016, S. 10.

2 Vgl. https://www.st-angela.de/gymnasium/schulleben/veranstaltungen/sonstige-veranstaltungen/partner-schaft-vogelsang/, 09.09.2018.

3 Pohl, Karl Heinrich, Wann ist ein Museum „historisch korrekt“? „Offenes Geschichtsbild“, Kontroversi- tät, Multipersepektivität und „Überwältigungsverbot“ als Grundprinzipien musealer Geschichtspräsentati- onen, in: Olaf Hartung (Hrsg.), Museum und Geschichtskultur. Ästhetik – Politik – Wissenschaft, Biele- feld 2006, S.1.

4 Oswalt, Vadim, Pandel, Hans-Jürgen, Einführung, in: Oswalt, Vadim, Pandel, Hans-Jürgen (Hrsg.), Ge- schichtskultur. Die Anwesenheit von Vergangenheit in der Gegenwart, Schwalbach/Ts 2009, S.8.

5 Vgl. Ebd., S. 8f.

6 Vgl. Ebd., S. 10.

7 Vgl. Ebd.

8 Vgl. Ebd., S. 11.

9 Vgl. Ebd.

10 Vgl. Ebd., S. 12.

11 Vgl. Ebd., S. 9f.

12 Vgl. Ebd., S. 13.

13 Vgl. Von Reeken, Dietmar, Geschichtskultur im Geschichtsunterricht. Begründungen und Perspektiven, in: Rohlfes, Joachim, Sauer, Michael, Schulze, Winfried (Hrsg.), Geschichte in Wissenschaft und Unter- richt, Heft 4, Freiburg 2004, S. 235.

14 Vgl. Ebd., S.235f.

15 Ebd., S. 236.

16 Vgl. Ebd.

17 Vgl. Ebd., S. 237.

18 Vgl. Ebd.

19 Ring, Klaus, Wunsch, Stefan, Die Ausstellung. Schwerpunkte und Fragen. „Bestimmung Herrenmensch. NS-Ordensburgen zwischen Faszination und Verbrechen“, in: Ring, Klaus, Wunsch, Stefan, Die NS-Or- densburg Vogelsang. Begleitheft zu Gelände und Ausstellung, Dresden 2016, S 33.

20 Vgl. Ebd.

21 Vgl. Ebd.

22 Vgl. Ebd., S. 34.

23 Vgl. Ring, Klaus, Wunsch, Stefan, Von der NS-Ordensburg zum internationalen Platz, in: Ring, Klaus, Wunsch, Stefan, Die NS-Ordensburg Vogelsang, Dresden 2016, S. 5.

24 Vgl. Engelhausen, Frank, Die Ordensburgschulung – Eine Geschichte von Improvisation und Scheitern, in: Ebd., S. 37f.

25 Vgl. Ring, Klaus, Wunsch, Stefan (Hrsg.), Exkurs. Deutscher Orden und die NS-Ordensburgen, in: Ring, Klaus, Wunsch, Stefan (Hrsg.), Bestimmung: Herrenmensch. NS-Ordensburg zwischen Faszination und

26 Vgl. Engelhausen, Frank, Die Ordensburgschulung – Eine Geschichte von Improvisation und Scheitern, in: Die NS-Ordensburg Vogelsang, Dresden 2016 , S. 38f.

Ende der Leseprobe aus 16 Seiten

Details

Titel
Außerschulische Lernorte im Geschichtsunterricht
Untertitel
Geschichtsdidaktische Möglichkeiten und Grenzen
Hochschule
Universität zu Köln  (Historisches Institut)
Veranstaltung
Einführung in die Didaktik der Geschichte: Historisches Lernen diagnostizieren
Note
1,7
Autor
Jahr
2018
Seiten
16
Katalognummer
V462811
ISBN (eBook)
9783668923461
ISBN (Buch)
9783668923478
Sprache
Deutsch
Schlagworte
außerschulische, lernorte, geschichtsunterricht, geschichtsdidaktische, möglichkeiten, grenzen
Arbeit zitieren
Lea Herriger (Autor:in), 2018, Außerschulische Lernorte im Geschichtsunterricht, München, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/462811

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