Bei unternehmerischen Entscheidungen kommt es häufig zu Interessenkonflikten zwischen den Betriebsparteien. Um die Belange der Belegschaft besser vertreten zu können, hat der Betriebsrat nach dem Betriebsverfassungsgesetz verschieden „starke“ Rechte, die vom Informationsrecht, über das zwingende Anhörungsrecht, bis hin zum zwingenden Mitbestimmungsrecht reichen. Das erzwingbare Mitbestimmungsrecht gilt für die in § 87 BetrVG aufgeführten sozialen Angelegenheiten und wurde geschaffen, um die Würde des Menschen und den Schutz der Persönlichkeit zu gewährleisten. Gäbe es keine Beteiligung des BR bei Regelungen der sozialen Angelegenheiten, könnte der AG kraft seines Direktionsrechts Da Unternehmen meist die Arbeitsbedingungen einseitig bestimmen.
unter wirtschaftlichen Gesichtspunkten handeln, kann durch Beteiligung des Betriebsrates ein ausgewogenes Verhältnis aus wirtschaftlichen und sozialen Gesichtspunkten geschaffen werden. Zugleich wird hierbei eine Kontrolle der betrieblichen Maßnahmen ermöglicht. Es wird gerade in konjunkturell schwierigen Zeiten diskutiert, ob das Mitbestimmungsrecht zu weitreichend ist, bzw. ob es den Entscheidungsfreiraum des Arbeitgebers zu sehr einschränkt. Um diese Frage beantworten zu können, stelle ich im Folgenden die einzelnen Mitbestimmungsrechte kurz dar und nehme auf dieser Basis am Schluß der Seminararbeit eine kritische Würdigung vor.
Inhaltsverzeichnis
Abkürzungsverzeichnis
1 Einleitung
2 Allgemeingültiges zur Mitbestimmung in sozialen Angelegenheiten
2.1 Geltungsbereich
2.2 Mitbestimmung als Wirksamkeitsvoraussetzung
2.3 Initiativrecht
2.4 Gesetzes- und Tarifvorrang
2.5 Kollektive Maßnahmen
2.6 Mitbestimmung in Eilfällen und Notfällen
2.7 Streitigkeiten
3 Mitbestimmungspflichtige Angelegenheiten
3.1 Fragen der Ordnung des Betriebes und des Verhaltens der Arbeitnehmer im Betrieb, § 87 I Nr. 1 BetrVG
3.2 Arbeitszeit, Pausen und Verteilung der Arbeitszeit, § 87 I Nr. 2 BetrVG
3.3 Vorübergehende Verkürzung oder Verlängerung der Arbeitszeit, § 87 I Nr. 3 BetrVG
3.4 Auszahlung der Arbeitsentgelte, § 87 I Nr. 4 BetrVG
3.5 Aufstellung allgemeiner Urlaubsgrundsätze und des Urlaubsplanes sowie die Festsetzung der zeitlichen Lage des Urlaubs, § 87 I Nr. 5 BetrVG
3.6 Technische Einrichtungen zur Verhaltens- und Leistungsüberwachung, § 87 I Nr. 6 BetrVG
3.7 Arbeitsunfälle, Berufskrankheiten und Gesundheitsschutz, § 87 I Nr. 7 BetrVG
3.8 Form, Ausgestaltung und Verwaltung von Sozialeinrichtungen, § 87 I Nr. 8 BetrVG
3.9 Zuweisung, Kündigung und Nutzung von Wohnräumen, § 87 I Nr. 9 BetrVG
3.10 Betriebliche Lohngestaltung, § 87 I Nr. 10 BetrVG
3.11 Leistungsbezogene Entgelte, § 87 I Nr. 11 BetrVG
3.12 Betriebliches Vorschlagswesen, § 87 I Nr. 12 BetrVG
3.13 Durchführung von Gruppenarbeit, § 87 I Nr. 13 BetrVG
4 Kritische Würdigung des Mitbestimmungsrechtes
Literatur- und Quellenverzeichnis
Abkürzungsverzeichnis
Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten
1 Einleitung
Bei unternehmerischen Entscheidungen kommt es häufig zu Interessenkonflikten zwischen den Betriebsparteien. Um die Belange der Belegschaft besser vertreten zu können, hat der Betriebsrat nach dem Betriebsverfassungsgesetz verschieden „starke“ Rechte, die vom Informationsrecht, über das zwingende Anhörungsrecht, bis hin zum zwingenden Mitbestimmungsrecht reichen.[1]
Das erzwingbare Mitbestimmungsrecht gilt für die in § 87 BetrVG aufgeführten sozialen Angelegenheiten und wurde geschaffen, um die Würde des Menschen und den Schutz der Persönlichkeit zu gewährleisten. Gäbe es keine Beteiligung des BR bei Regelungen der sozialen Angelegenheiten, könnte der AG kraft seines Direktionsrechts die Arbeitsbedingungen einseitig bestimmen.[2] Da Unternehmen meist unter wirtschaftlichen Gesichtspunkten handeln, kann durch Beteiligung des Betriebsrates ein ausgewogenes Verhältnis aus wirtschaftlichen und sozialen Gesichtspunkten geschaffen werden. Zugleich wird hierbei eine Kontrolle der betrieblichen Maßnahmen ermöglicht.
Es wird gerade in konjunkturell schwierigen Zeiten diskutiert, ob das Mitbestimmungsrecht zu weitreichend ist, bzw. ob es den Entscheidungsfreiraum des Arbeitgebers zu sehr einschränkt. Um diese Frage beantworten zu können, stelle ich im Folgenden die einzelnen Mitbestimmungsrechte kurz dar und nehme auf dieser Basis am Schluß der Seminararbeit eine kritische Würdigung vor.
2 Allgemeingültiges zur Mitbestimmung in sozialen Angelegenheiten
2.1 Geltungsbereich
Das Mitbestimmungsrecht in sozialen Angelegenheiten gilt für alle Arbeitnehmer im Betrieb mit Ausnahme der leitenden Angestellten i.S.d. § 5 III BetrVG. Dem Mitbestimmungsrecht sind auch Maßnahmen unterworfen, die Leiharbeiter betreffen, sofern der Normzweck und das dem Entleiherbetrieb zuständige Weisungsrecht eine betriebs-verfassungsrechtliche Zuordnung zum Entleiherbetrieb erforderlich machen. Wäre dies nicht der Fall, hätten die Leiharbeitnehmer in diesen Fällen keinen Schutz einer Interessenvertretung der Arbeitnehmer.[3]
2.2 Mitbestimmung als Wirksamkeitsvoraussetzung
In § 87 BetrVG sind die mitbestimmungspflichtigen Tatbestände in sozialen Angelegenheiten geregelt. Der Arbeitgeber kann bei Vorhandensein eines Betriebsrats keine der 13 in § 87 BetrVG abschließend[4] aufgeführten Maßnahmen ohne Beteiligung des Betriebsrates durchführen.[5] Tut er dies dennoch, so sind seine getroffenen Maßnahmen rechtsunwirksam.[6]
Dies gilt auch dann, wenn keine Einigung zwischen den Betriebsparteien erzielt werden konnte und der Arbeitgeber die Maßnahme mittels Änderungskündigung in den Einzelarbeitsverträgen der Arbeitnehmer durchsetzen will.[7]
2.3 Initiativrecht
Dem Betriebsrat steht ein Initiativrecht in den mitbestimmungspflichtigen Tatbeständen zu. D. h. er kann an den Arbeitgeber herantreten um eine Regelung herbeizuführen.[8] Eine Regelung kann in Form von Betriebsvereinbarungen oder formlosen Regelungsabreden getroffen werden.[9] In der betrieblichen Praxis wird der Betriebsrat sein Intitiativrecht jedoch nicht in allen Punkten beanspruchen, weil dies in vielen Fällen nicht im Interesse der AN liegen würde. Ungewöhnlich wäre es zum Beispiel, wenn er selbst eine Überwachung durch eine technische Kontrolleinrichtung nach § 87 I Nr. 6 BetrVG verlangen würde.[10] Es ist möglich, dass der Betriebsrat durch die Ausübung seines Intitiativrechts die unternehmerische Entscheidungsfreiheit einschränkt (z.B. durch Arbeitszeitregelungen die sich auf die Öffnungszeiten eines Kaufhauses auswirken).[11]
2.4 Gesetzes- und Tarifvorrang
Ausgeschlossen ist das Mitbestimmungsrecht nach § 87 I Einleitungssatz BetrVG, wenn bereits eine gesetzliche Regelung oder ein für den Betrieb gültiger Tarifvertrag vorhanden ist, der die Punkte abschließend regelt, die ansonsten durch das MBR in sozialen Angelegenheiten geregelt würden.[12]
Unter einer gesetzlichen Regelung ist ein Gesetz im materiellen Sinne zu verstehen, also auch Rechtsverordnungen oder Unfallverhütungsvorschriften.[13] Der Gesetzgeber geht davon aus, dass der Arbeitnehmer bei Vorliegen bereits bestehender Regelungen ausreichend geschützt ist.[14]
Es ist häufig der Fall, dass Tarifverträge lediglich Rahmenbedingungen beinhalten, die den Betriebsparteien Gestaltungsmöglichkeiten hinsichtlich einer genauen Regelung erlauben.[15]
2.5 Kollektive Maßnahmen
Das Mitbestimmungsrecht des BR in sozialen Angelegenheiten besteht grundsätzlich nur bei kollektiven Maßnahmen. D.h. es besteht kein Mitbestimmungsrecht, wenn zwischen Arbeitgeber und Arbeitnehmer individualrechtliche Vereinbarungen ohne kollektiven Bezug getroffen werden.[16] Ausnahmen des Grundsatzes kollektiver Mitbestimmung sind § 87 I Nr. 5 und § 87 I Nr. 6 BetrVG. In § 87 I Nr. 5 bestimmt der Betriebsrat bei der Festsetzung der zeitlichen Lage des Urlaubs für einzelne Arbeitnehmer mit, falls keine Einigung zwischen AG und AN erzielt wird. In § 87 I Nr. 9 wird die Zuweisung und Kündigung von Wohnräumen mitbestimmt, wobei auch einzelne Arbeitnehmer betroffen sind.
2.6 Mitbestimmung in Eilfällen und Notfällen
Das Mitbestimmungsrecht entfällt auch nicht in sogenannten Eilfällen. Ein Eilfall ist ein Ereignis, in dem eine Regelung umgehend erfolgen muss.[17] Der Grund für diese Regelung liegt darin begründet, dass Eilfälle häufig aufgrund fehlender oder schlechter betrieblicher Organisation auftreten. Der AG hat die Zeit der Mitbestimmung von vornherein angemessen zu berücksichtigen.[18] Da es keine Formvorschrift für die Ausübung der Mitbestimmung gibt, können Betriebsratsbeschlüsse auch formlos getroffen werden. D.h. der Arbeitgeber kann unter Mitwirkung des Betriebsrates auch kurzfristige Maßnahmen treffen.[19] Ein Beispiel für einen Eilfall ist die Anordnung von Überstunden wegen eines eilig zu erledigenden Auftrags.[20]
Nur in Notfällen kann der Arbeitgeber eine einseitige Anordnung, die in den Bereich des § 87 fällt, tätigen.[21] Als Notfall wird eine nicht vorhersehbare schwierige Situation verstanden, die zur Abwendung von Schaden eine sofortige Reaktion erfordert.[22] Beispiele hierfür sind Brand oder Überschwemmung.[23]
2.7 Streitigkeiten
Kann keine Einigung zwischen den Betriebsparteien erzielt werden, entscheidet die Einigungsstelle.[24] Nach § 87 II BetrVG ersetzt die Entscheidung der Einigungsstelle die bis dahin fehlende Einigung. Die Einigungsstelle setzt sich paritätisch aus Mitgliedern der Arbeitnehmervertretung und aus Mitgliedern der Arbeitgebervertretung zusammen, unter dem Vorsitz einer neutralen Person.[25] Eine Person gilt als neutral, wenn sie weder dem Betrieb, noch dem Unternehmen angehört. Beide Parteien müssen sich in der Wahl der neutralen Person einig sein. In der Praxis sind dies häufig Arbeitsrichter.[26] Tätig wird die Einigungsstelle gem. § 76 VI BetrVG nur auf Antrag einer der Betriebsparteien. Führt der Arbeitgeber eine Maßnahme durch, die dem Einigungsverfahren bereits zugeleitet wurde, die aber noch nicht entschieden ist, hat der Betriebsrat einen Anspruch auf Unterlassung zur Wahrung des Mitbestimmungsrechts gem. § 23 III BetrVG.
[...]
[1] Vgl. Personalmagazin 8/2002, S. 33
[2] Vgl. FKHE, Betriebsverfassungsgesetz, § 87 Rn 2
[3] Vgl. FKHE, Betriebsverfassungsgesetz, § 87, Rn 11
[4] Vgl. Kania in Erfurter Kommentar zum Arbeitsrecht, Nr. 210, Rn 2
[5] Vgl. Dachrodt; Engelbert; Handkommentar zum Betriebsverfassungsgesetz, § 87, Rn 12
[6] Vgl BAG 03.12.1991, GS 2/90 = DB 1992, S. 1579
[7] Vgl. BAG 19.9.1995, 1 AZR 208/95 = DB 1996, S. 1576
[8] Vgl. BAG 08.08.1989, 1 ABR 62/88 = NZA 1990, S. 322
[9] Vgl. DKK, Betriebsverfassungsgesetz, § 87, Rn 9
[10] Vgl. FKHE, Betriebsverfassungsgesetz, § 87, Rn 589
[11] Vgl. Etzel, Gerhard, Betriebsverfassungsrecht, S. 216, Rn 500
[12] Vgl. DKK, Betriebsverfassungsgesetz, § 87, Rn 29
[13] Vgl. DKK, Betriebsverfassungsgesetz, § 87, Rn 26
[14] Vgl. Matthes in Münchner Handbuch zum Arbeitsrecht, § 332, Rn 11
[15] Vgl. Matthes in Münchner Handbuch zum Arbeitsrecht, § 332, Rn 19
[16] Vgl. DKK, Betriebsverfassungsgesetz, § 87, Rn 15
[17] Vgl. FKHE, Betriebsverfassungsgesetz, § 87, Rn 24
[18] Vgl. Simitis; Weiss in DB 1973, S. 1240 [1243]
[19] Vgl. FKHE, Betriebsverfassungsgesetz, § 87 Rn 25
[20] Vgl. Kania in Erfurter Kommentar zum Arbeitsrecht, Nr. 210, Rn 7
[21] Vgl. LAG Hamm 23.04.1975, 2 Sa 182/75 = DB 1975, S. 1515
[22] Vgl. BAG 02.03.1982, 1 ABR 74/79 = DB 1982, S. 1115
[23] Vgl. Kania in Erfurter Kommentar zum Arbeitsrecht, Nr.210, Rn 8
[24] Vgl. DKK, Betriebsverfassungsgesetz, § 87, Rn 311
[25] Vgl. Däubler, Wolfgang, Arbeitsrecht, S. 92, Rn 274
[26] Vgl. DKK, Betriebsverfassungsgesetz, § 76, Rn 21
- Arbeit zitieren
- Andreas Lippert (Autor:in), 2004, Darstellung und kritische Würdigung des § 87 BetrVG Mitbestimmung des Betriebsrates, München, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/46304
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