Leseprobe
Inhaltsverzeichnis
Einleitung
1. Einführung in das Thema
2. Vorstellung der exegetischen Methoden
3. Aufbau der Arbeit
1. Exegese von Mk 4,35-41
1.1 Präsentation des Textes nach ÄE
1.2 Analyse des Textabschnitts
1.2.1 Textabgrenzung
1.2.2 Formanalyse
1.2.3 Gattungsanalyse
1.2.4 Erzählanalyse
1.3 Interpretation des Textabschnitts
1.3.1 Vers-für-Vers-Exegese
1.3.2 Theologische Schwerpunkte
2. Einleitungsfragen zum Mk
2.1 Verfasser
2.2 Abfassungsort
2.3 Abfassungszeit
2.4 Struktur des Mk
Fazit
Literaturverzeichnis
1. Quellen und Hilfsmittel
2. Sekundärliteratur
Einleitung
1. Einführung in das Thema
Die vorliegende exegetische Hausarbeit behandelt die Perikope Mk 4,35-41. In dieser geht es um die Stillung eines Sturms durch Jesus, während er sich mit den zwölf Aposteln, seinen Jüngern, auf dem Meer befindet. Jesus stillt den Sturm, indem er zum Wind und zum Meer spricht. Doch was bedeutet es genau, einen Sturm zu stillen, eine Naturmacht zu besiegen? Wie reagieren die Jünger auf dieses Geschehen und was bedeutet dies für ihr Verhältnis zu Jesus? Um das heraus zu finden, ist es Ziel dieser Hausarbeit, durch exegetische Methoden die syntaktischen, semantischen und weitere Merkmale im Textabschnitt zu analysieren und zu interpretieren.
2. Vorstellung der exegetischen Methoden
Der Schwerpunkt dieser exegetischen Arbeit bezüglich Mk 4,35-41 liegt auf der historisch-kritischen Methode. Als Instrument zur Analyse biblischer Texte dient sie der diachronen Betrachtung von Texten, während der Bezug zur heutigen Zeit nicht aufgegriffen wird. Sie ist darauf bedacht, auch einzelne Perikopen zu untersuchen und dadurch die Vielfalt des Kanons darzustellen1. In der vorliegenden Hausarbeit werden vor allem die Methodenschritte Semantik einzelner Wörter, Sätze und des Gesamttextes, Formkritik, Traditionskritik sowie Redaktionskritik und Literarkritik behandelt.2
3. Aufbau der Arbeit
Im ersten Teil der Hausarbeit geht es um die Exegese von Mk 4,35-41. Zunächst wird der Textabschnitt nach seinen Äußerungseinheiten präsentiert, anschließend wird er anhand von verschiedenen Kriterien analysiert. Bis zu diesem Punkt wird der Textabschnitt rein formal betrachtet und bearbeitet. Darauf folgt eine Interpretation des Textes.
Im zweiten Teil geht es um Einleitungsfragen zum Markusevangelium, die sich auf den Verfasser, den Abfassungsort, die Abfassungszeit und die Struktur des Markusevangeliums beziehen.
Den Abschluss der Arbeit bildet ein Fazit.
1 Exegese von Mk 4,35-41
Für die Exegese von Mk 4,35-41 wird die Übersetzung des Münchener Neuen Testaments verwendet.
1.1 Präsentation des Textes nach Äußerungseinheiten
Aufbruch zum Gegenüber
Einleitende Motive: Kommen des Wundertäters, Auftreten der Menge, Auftreten von Hilfsbedürftigen
35 a Und er sagt ihnen an jenem Tag, 12 Apostel
b als es Abend geworden war:
c Laßt uns hinüberfahren zum Gegenüber! Von Kafarnaum (Mk 4,1) in das
36 a Und lassend die Volksmenge, Land der Gerasener (Mk 5,1)
b mitnehmen sie ihn,
c wie er war, Rückführung auf Mk 4,1
d im Boot,
e und andere Boote waren mit ihm.
Sturm auf dem Meer und mangelndes Vertrauen der Apostel
Expositionelles Motiv: Charakterisierung der Not
37 a Und (es) entsteht ein großer Sturmwind,
b und die Wellen warfen sich auf ins Boot,
c so daß schon gefüllt wurde das Boot.
38 a Und er selbst war im Heck auf dem Kopfkissen schlafend.
Expositionelles Motiv: Annäherung an den Wundertäter durch Hilferufe
b Und sie wecken ihn
c und sagen ihm:
d Lehrer,
e nicht kümmert dich,
f daß wir vernichtet werden?
Stillen des Sturms und Reaktion Jesu
Zentrales Motiv: Wunderhandlung durch wunderwirkendes Wort
39 a Und aufgeweckt,
b anfuhr er den Wind
c und sprach zum Meer:
d Schweig,
e sei stumm! Rahmung der Wunder-
Zentrales Motiv: Konstatierung des Wunders handlung durch Skepsis
f Und nachließ der Wind, der Hilfsbedürftigen
g und (es) wurde große Stille.
Finales Motiv: Entlassung
40 a Und er sprach zu ihnen:
b Was seid ihr feige?
C Noch nicht habt ihr Glauben?
Reaktion der Apostel
Finales Motiv: Ablehnende Reaktion
41 a Und sie fürchteten sich in großer Furcht,
b und sie sagten zueinander:
c Wer also ist dieser,
d daß auch der Wind und das Meer ihm gehorcht?
1.2 Analyse des Textabschnitts
Diese Analyse des Textabschnitts gliedert sich in die Unterpunkte Textabgrenzung, Formanalyse, Gattungsanalyse und Erzählanalyse.
1.2.1 Textabgrenzung
In Hinblick auf die Abgrenzung des Textabschnitts Mk 4,35-41 nach vorne und nach hinten sind die Textsignale Personen-, Orts-, Gattungs- und Zeitwechsel erkennbar.
In Mk 4,1-34 werden in V.1 Jesus und viele Menschen, die Volksmenge, eingeführt. In V. 10 wird die Anwesenheit von den Zwölf Aposteln, den Jüngern Jesu, deutlich. Sie befinden sich am Meer in Kafarnaum, beziehungsweise Jesus in einem Boot auf dem Meer (V. 1.). Im Textabschnitt Mk 4,35-41 sind nur noch Jesus und seine Jünger die handelnden Akteure. Sie befinden sich in Booten mitten auf dem Meer (V. 36e.). Die zuvor anwesende Volksmenge wird ausgegrenzt (V. 36a.).
Nach diesem Textabschnitt, ab Mk 5,1, wird zusätzlich ein „Mensch in unreinem Geist“ eingeführt (V. 2.). In diesem Zusammenhang kommt etwas später eine Menschengruppe hinzu (V. 14.). Der Ort dieses Textabschnitts ist das Land der Gerasener auf der angesiedelten gegenüber liegenden Seite des Meeres von Kafarnaum (V. 1.).
Die Zeitangaben und -wechsel sind, falls vorhanden, sehr ungenau. Die einzige Zeitangabe steht im Textabschnitt Mk 4,35-41 selbst. Sie drückt allerdings nur aus, dass es sich um einen Abend an jenem Tag handelt (V. 35a.). Aufgrund der Aspekte, dass Jesus, die Jünger und zunächst die Volksmenge noch anwesend sind sowie die Rückführung auf Mk 4,1, nämlich dass Jesus im Boot sitzt, besteht die Möglichkeit der Interpretation, dass es sich im Textabschnitt Mk 4,35-41 noch um den gleichen Tag handelt wie in Mk 4,1-34.
1.2.2 Formanalyse
Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten
In der Perikope Mk 4,35-41 sind klassische Motive einer Wundererzählung nach Gerd Theißen enthalten. Einleitende Motive sind zu Beginn in dreifacher Weise enthalten, indem alle beteiligten Personen zu Beginn des Textabschnitts anwesend sind. Es folgen jeweils zwei expositionelle Motive, zentrale Motive und finale Motive. Im ersten expositionellen Motiv, bei der Charakterisierung der Not, ist eine Steigerung enthalten. Die einzelnen Verse bauen aufeinander auf und steigern die Not mit jeweils einem neuen problematischeren Aspekt (VV. 37-38a.). Das zweite expositionelle Motiv ist die Reaktion der Jünger (V. 38b-f.). Darauf folgt die Gegenreaktion Jesu als erstes zentrales Motiv, welches die Voraussetzung für das zweite zentrale Motiv ist (V. 39fg.). Von den zentralen Motiven kommen somit nur ein wunderwirkendes Wort und die Konstatierung des Wunders vor. Durch die finalen Motive wird eine Struktur des Textes erkennbar, die die Reaktionen der Aktanten immer dynamischer werden lässt. Der konkrete Inhalt des ersten finalen Motivs ist nach dem Motivarsenal einer Wundererzählung nach Theißen jedoch fragwürdig. Die Bezeichnung „Entlassung“ kann verwendet werden, insofern man diese als keine weitere Beachtung bezüglich der Jünger versteht. Jesus beendet sein Handeln mit einer rhetorischen Frage an die Jünger (V. 40c.) und es findet keine weitere Kommunikation zwischen ihnen und Jesus statt. Zudem werden die Jünger im folgenden Kapitel nicht erwähnt. Die rhetorische Frage „Noch nicht habt ihr Glauben?“ bildet den Höhepunkt des Textabschnitts (V. 40c.). Der Wendepunkt liegt in der Konstatierung des Wunders, also im Übergang von der Not zu der Stillung der Sturms (V. 39fg.). Diese beiden Teile, Not und Rettung, bilden gleichzeitig einen Kontrast zueinander. Das zweite finale Motiv (V. 41.) ist die Reaktion auf das erste.
Die Jünger und Jesus machen sich gegenseitig einen Vorwurf (VV. 38d-f.40c.). Die Wunderhandlung durch Jesus wird durch die Skepsis der Jünger gerahmt (VV. 38d-f.41cd.). Diese beiden rahmenden Teile zeigen ebenfalls einen Kontrast zueinander. Zunächst brauchen die Jünger die Hilfe Jesu (V. 38b-f.), danach fürchten sie sich aufgrund seiner Hilfe durch die Wundertat vor ihm (V. 41.). Ein weiterer Kontrast wird in VV. 36a-d.38b-f. deutlich. Das anfängliche Vertrauen in Jesus, weshalb sie ihn ohne weiteres begleiten, wird während der Entstehung der Not gebrochen.
Die Gliederung betreffend kann der Textabschnitt auch als eine fünfteilige Einheit gesehen werden. Dabei bilden VV. 35.36. als Exposition und VV. 40.41. als Tadelung Jesu einen äußeren Rahmen, dessen Teile jeweils durch eine Rede eingeleitet werden. Den Mittelteil bildet V. 38. Dieser wird von einem inneren Rahmen durch VV. 37.39. mit den Themen Sturm und Sturmstillung umschlossen.3
Von der Dramatik her betrachtet liegt der Höhepunkt des Textabschnitts im Mittelteil (V. 38). Der gattungstypische Höhepunkt am Ende der Wundererzählung weist auf die Hoheit Jesu hin.4
Guelich kritisiert die Form und den Aufbau von Mk 4,35-41 hinsichtlich der Bezeichnung als Wundererzählung. Zwar bestehe seiner Ansicht nach der elementare Aufbau aus einer Situation (VV. 35-38.), einem Wunder (V. 39.) und einem Resultat (VV. 40.41.), dennoch fehle der typische Hilferuf der Hilfsbedürftigen. Es sei höchstens eine indirekte Bitte in V. 38 enthalten. Ebenso der schimpfende Ton Jesu (V. 40.) widerspreche dem typischen Aufbau einer Wundererzählung.5
1.2.3 Gattungsanalyse
Im Textabschnitt Mk 4,35-41 handelt es sich um eine Wundererzählung. Dies lässt sich durch die Anwendung des Motivarsenals einer Wundererzählung nach Gerd Theißen, wie aus der Formanalyse hervorgeht, abgesehen von Guelich, belegen.
Die Untergattung ist ein Rettungswunder. Die Rettung findet hier durch den schützenden Passagier Jesus statt.6
Wunder wurden in den verschiedenen Zeitepochen unterschiedlich gedeutet. So entstanden verschiedene Modelle der Wunderhermeneutik. Das älteste Modell stammt aus der Zeit des Supernaturalismus. Es reicht bis zum Beginn der Aufklärung. In diesem Modell wurden Wunder als Eingriff in die Natur und das Naturgeschehen durch Gott interpretiert. Nur durch Gott konnten die unveränderlichen Gesetze der Natur durchbrochen werden. Im Mittelpunkt des Supernaturalismus stand folglich der Wunderglaube, während noch keine Naturwissenschaften existierten.7 Das Bild Gottes ist somit im Supernaturalismus von Allmächtigkeit geprägt.
Dieser supernaturalistische Wunderglaube wurde durch das Aufkommen von Naturwissenschaften mit Beginn der Aufklärung im 18. Jahrhundert durchbrochen. Es handelt sich dabei um das Modell des Rationalismus. Vor allem ging es dabei um die Vernunft als Richtschnur des Glaubens und um natürliche Erklärungen über die Wunder Jesu, während das Gottesbild in den Hintergrund verschwindet. Die Erklärungen beziehen sich auf Tatsachen, die in der Bibel zwar nicht genannt werden, aber durch die Loslösung des wörtlichen Lesens als erkennbar bezeichnet werden.
In Folge des supernaturalistischen Modells wurden Wunder durch David Friedrich Strauß als ungeschichtliche Mythen erklärt. Andere Ansätze basierten auf der Annahme von der Umbildung beziehungsweise Übernahme nichtchristlicher Geschichten und auf der Entfaltung von urchristlicher und verborgener Glaubensbotschaft. Daraufhin herrschte über einen langen Zeitraum eine redaktionsgeschichtliche Wunderforschung, in welcher man sich auf die Evangelisten und deren Stellung gegenüber der Wunderüberlieferung konzentrierte.8
Theißen entwickelte einen sozialgeschichtlich orientierten Neuansatz, welcher besagt, dass es sich bei Wundererzählungen um Protest- und Hoffnungsgeschichten handelt. Symbolisch waren sie gegen die Not gerichtet und dienten als Ansporn, die Negativität im Alltag durch praktisches Handeln zu bewältigen. In diesem Modell sind Wunder gegen die realen Verhältnisse und auf die Besiegung der Not gerichtet und propagieren zu einer anderen sozialen Praxis. Wunder zeigen Möglichkeiten alternativer Lebenswelten, die der Verwirklichung bedürfen.9
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1 Vgl. Reiser, Marius: Bibelkritik und Auslegung der Heiligen Schrift. Beiträge zur Geschichte der biblischen Exegese und Hermeneutik, 2007, S. 374.
2 Vgl. Wiegard, Jesaja Michael: Art. Bibelwissenschaft. In: Kogler, Franz: Herders neues Bibellexikon (2008).
3 Vgl. Dschlunigg, Peter: Das Markusevangelium, 2007, S. 149.
4 Vgl. ebd.
5 Vgl. Bayer, Hans F.: Das Evangelium des Markus, 2008, S. 216.
6 Vgl. Richardt, Michael: Art. Wunder. In: Kogler, Bibellexikon.
7 Vgl. Kollmann, Bernd: Von der Rehabilitierung mythischen Denkens und der Wiederentdeckung Jesu als Wundertäter. Meilensteine der Wunderdebatte von der Aufklärung bis zur Gegenwart. In: Kollmann, Bernd / Zimmermann, Ruben: Hermeneutik der frühchristlichen Wundererzählungen. Geschichtliche, literarische und rezeptionsorientierte Perspektiven, 2014, S. 4f.
8 Vgl. ebd. S. 8ff.
9 Vgl. Kollmann, Rehabilitierung, S. 10f.