Entwicklung innovativer Geschäftsmodelle einer digitalisierten Imkerei


Masterarbeit, 2018

143 Seiten, Note: 1.0


Leseprobe


Inhaltsverzeichnis

Abbildungsverzeichnis

Tabellenverzeichnis

Abkürzungsverzeichnis

1. Einleitung
1.1 Ausgangssituation und Problemstellung
1.2 Motivation und Relevanz
1.3 Zielsetzung und Vorgehensweise

2. Geschäftsmodellinnovationen
2.1 Innovation und Innovationsmanagment
2.2 Geschäftsmodellinnovationen
2.2.1 Beschreibung von Geschäftsmodellen
2.2.2 Vorgehensweise zur Innovation von Geschäftsmodellen
2.2.3 Digitalisierung als Befähiger von Geschäftsmodellinnovationen

3. Das Geschäftsmodell der heutigen Imkerei
3.1 Kernelemente des heutigen Geschäftsmodells der Imkerei
3.1.1 Nutzenversprechen
3.1.2 Kunde
3.1.3 Wertschöpfungskette
3.1.4 Ertragsmechanik
3.2 Umfeld des heutigen Geschäftsmodells der Imkerei
3.2.1 Schüsseltrends
3.2.2 Marktkräfte
3.2.3 Makroökonomische Kräfte
3.2.4 Branchenkräfte
3.3 Analyse des heutigen Geschäftsmodels der Imkerei
3.3.1 Stärken und Schwächen
3.3.2 Möglichkeiten und Bedrohungen
3.3.3 Definition der strategischen Stoßrichtung für die Entwicklung innovativer Geschäftsmodelle der Imkerei

4. Ideenfindung für eine digitalisierte Imkerei
4.1 Generierung innovativer Geschäftsmodellideen
4.2 Selektion von Geschäftsmodellideen einer digitalisierten Imkerei

5. Ausgestaltung von Ideen einer digitalisierten Imkerei
5.1 Der smarte Bienenstock
5.1.1 Interne Konsistenz
5.1.2 Externe Konsistenz
5.2 Der smarte Bienenstock als Basis von innovativen Geschäftsmodellen
5.2.1 Bestäubungsdienstleistung mit ergebnisabhängiger Vergütung
5.2.2 Dienstleistungen der professionellen Bienenvölkerführung

6. Implementierung der Idee des smarten Bienenstocks
6.1 Überprüfung getroffener Grundannahmen über primäre Marktforschung
6.2 Kundenuntersuchungen eines minimal funktionsfähiger Demonstrators

7. Diskussion
7.1 Einordnung der Ergebnisse im Kontext des Innovationsmanagements
7.2 Entwicklungsprozess innovativer Geschäftsmodelle

8. Zusammenfassung und Ausblick
8.1 Zusammenfassung
8.2 Ausblick

Literatur

Anhang

Abbildungsverzeichnis

Abbildung 1: Neun Kernelemente des Geschäftsmodells in der Business Model Canvas Darstellung nach Osterwalder und Pigneur (vgl. Osterwalder / Pigneur 2010 S. 18-19)

Abbildung 2:Entwicklungsprozess für neue Geschäftsmodelle mit dem St. Galler Business Model Navigator Ansatz (vgl. Gassmann et al. 2017 S. 22)

Abbildung 3: Aufbau der vier Geschäftsmodelldimensionen (Kreise) von Gassmann at al. auf Basis der Kernelemente des Business Model Canvas (vgl. Gassmann et al. 2017 S. 6 – 7; Osterwalder und Pigneur 2010 S. 18 – 19)

Abbildung 4: Kernelement der Lean-Startup Methode nach Eric Ries (vgl. Ries 2011 S. 75)

Abbildung 5: Entwicklung der digitalen Revolution (vgl. Berman/Bell 2011 S. 2)

Abbildung 6: Digitalisierungsgrad unterschiedlicher Industrien (vgl. vgl. Berman / Bell 2011 S. 4). .

Abbildung 7: Business Model Canvas des heutigen Geschäftsmodells der Imkerei

Abbildung 8: Ertragssteigerung durch Bestäubungsleistung der der Honigbiene (vgl. Radtke 2013 S. 1)

Abbildung 9: Ernährungsstile, Lebensphasen und Interesse an Ernährungsfragen nach Stieß und Hayn (vgl. Stieß / Hayn 2005 S. 34)

Abbildung 10: Umsatzanteil unterschiedlicher Vermarktungswege der heutiger Freizeitimkerei (vgl. Wildraut 2012 S. 22)

Abbildung 11: Die wesentlichen imkerlichen Arbeitsschwerpunkte im Jahresverlauf (vgl. Kroll 2013 S. 16)

Abbildung 12: Externe Einflussfaktoren auf ein Geschäftsmodell (vgl. Osterwalder / Pigneur et al. 2010 S. 201)

Abbildung 13: Google Patents Suchergebnis vom 15.01.2018 mit den Schlüsselworten „sensor“ (englisch für Sensor) und „apiculture“ (englisch für Imkerei)

Abbildung 14: Entwicklung der Anzahl in Deutschland aktiv bewirtschafteten Bienenstöcke (vgl. Food and Agriculture Organization of the United Nations 2018)

Abbildung 15: Altersstruktur der Mitglieder des Deutschen Imkervereins im Jahr 2016 (vgl. Deutscher Imkerverein e.V. 2017 S. 22)

Abbildung 16: Bienenvölker pro Mitglied im Deutschen Imkerverein (vgl. Deutscher Imkerverein e.V. 2017 S. 20)

Abbildung 17: Ergebnisse der Befragung „wie häufig wird in Ihrem Haushalt Honig gekauft?“ (vgl. Statista GmbH 2008)

Abbildung 18: Kaufentscheidende Aspekte von Honig (vgl. Statista GmbH 2015)

Abbildung 19: Häufigkeit des Honigkonsums in den Jahren 2014 bis 2017 in Millionen (vgl. Statista GmbH 2017)

Abbildung 20: Ergebnisse der Befragung „Was schätzen Sie am Honig besonders?“ (vgl. Statista GmbH 2015)

Abbildung 21: Pro-Kopf-Konsum von Honig in Deutschland in den Jahren 2008 bis 2017 in Gramm (vgl. Statista GmbH Pro-Kopf Konsum 2018)

Abbildung 22: Befragung zur Wahl des Brotaufstrichs „Wie oft essen Sie selbst folgende Produkte?“ (vgl. o.V. Verbraucher Analyse 2012)

Abbildung 23: Stärken (Werte > 5) und Schwächen (Werte < 5) der Kernelemente des Geschäftsmodells der Imkerei

Abbildung 24: Risikoprofil der Kernelemente des Geschäftsmodells der Imkerei

Abbildung 25: Möglichkeiten der Kernelemente des Geschäftsmodells der Imkerei

Abbildung 26: SWOT Analyse mit strategischen Handlungsoptionen zur Entwicklung des Geschäftsmodells der Imkerei

Abbildung 27: Beispiel des Aufbaus eines Arbeitsblatts zur Erklärung und Visualisierung eines Geschäftsmodellmusters

Abbildung 28: Business Model Canvas des Geschäftsmodells „smarter Bienenstock“

Abbildung 29: Business Model Canvas des Geschäftsmodells „Bestäubungsdienstleistungmit ergebnisabhängiger Vergütung“.

Abbildung 30: Business Model Canvas des Geschäftsmodells „Dienstleistungen der professionellen Bienenvölkerführung“

Abbildung 31: Befragungsergebnisse zu limitierenden Faktoren einer Expansion der Imkerei

Abbildung 32: Befragungsergebnisse zu sich bietenden digitalisierten Möglichkeiten in der Imkerei

Abbildung 33: Investitionsbereitschaft für ein die Imkerei unterstützendes, digitales Messsystem

Abbildung 34: Hardware-Komponenten der Produktinnovation des minimal funktionsfähigen Demonstrators. .. 90

Abbildung 35: Softwareschnittstelle der Produktinnovation des minimal funktionsfähigen Demonstrators zur Visualisierung gemessener Daten

Abbildung 36: Installation der Hardware-Komponenten des minimal funktionsfähigen Demonstrators des smarten Bienenstocks bei einem Nutzer

Abbildung 37: Kommunikation mit Kunden während des Entwicklungsprozesses über einen Kurznachrichtendienst

Abbildung 38: Prozessablauf zur Geschäftsmodellentwicklung

Abbildung 39: Entwicklung des in Deutschland produzierten Honigs (vgl. Food and Agriculture Organization of the United Nations 2018)

Abbildung 40: Ein- und Ausfuhrmenge von Honig auf dem deutschen Honigmarkt in den Jahren 2007 bis 2016 (vgl. Statista GmbH 2017)

Tabellenverzeichnis

Tabelle 1: Durchschnittspreise für unterschiedliche Honigsorten deutscher Imker in Euro für ein 500 g Glas im Verlauf der Jahre (vgl. Deutscher Imkerbund e. V 2017 S. 84)

Tabelle 2: Teilnehmer des Workshops zur Generierung von Ideen für eine digitalisierte Imkerei.

Tabelle 3: Ablauf des Workshops zur Generierung von Ideen für eine digitalisierte Imkerei

Tabelle 4: Geschäftsmodellideen im Verlauf der Selektionsphasen

Tabelle 5: Fragen zu limitierenden Faktoren einer Expansion der Imkerei.

Tabelle 6: Fragen zu sich bietenden digitalen Möglichkeiten in der Imkerei

Tabelle 7: Bienenvölker pro Mitglied im Deutschen Imkerverein (vgl. Deutscher Imkerverein e.V. 2017 S. 20)

Tabelle 8: Altersstruktur der Mitglieder im Deutschen Imker Bund (vgl. Deutscher Imkerbund e. V. 2017 S. 22)

Tabelle 9: Stärken (Werte > 5) und Schwächen (Werte < 5) der Kernelemente des Geschäftsmodells der Imkerei 1/2

Tabelle 10: Stärken (Werte > 5) und Schwächen (Werte < 5) der Kernelemente des Geschäftsmodells der Imkere 2/2

Tabelle 11: Risiken der Kernelemente des Geschäftsmodells der Imkerei

Tabelle 12: Möglichkeiten der Kernelemente des Geschäftsmodells der Imkerei 1/2

Tabelle 13: Möglichkeiten der Kernelemente des Geschäftsmodell der Imkerei 2/2

Tabelle 14: Generierte Geschäftsmodellideen 1 bis 7.

Tabelle 15: Generierte Geschäftsmodellideen 8 bis

Tabelle 16: Generierte Geschäftsmodellideen 15 bis 23

Tabelle 17: Generierte Geschäftsmodellideen 24 bis

Tabelle 18: Generierte Geschäftsmodellideen 32 bis

Tabelle 19: Generierte Geschäftsmodellideen 40 bis

Tabelle 20: Generierte Geschäftsmodellideen 47 bis

Tabelle 21: Generierte Geschäftsmodellideen 53 bis

Tabelle 22: Generierte Geschäftsmodellideen 61 bis

Tabelle 23: Generierte Geschäftsmodellideen 67 bis

Tabelle 24: Generierte Geschäftsmodellideen 71 bis

Abkürzungsverzeichnis

Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten

1. Einleitung

1.1 Ausgangssituation und Problemstellung

Bienen werden seit Jahrtausenden wegen des durch sie produzierten Honigs und Wachses durch die Menschheit genutzt. Die Imkerei widmet sich heutzutage der Haltung und Züchtung leistungsfähiger Bienen vornehmlich zur Herstellung des Nahrungsmittels Honig. In Deutschland wird der Imkerei weitestgehend als Frei- zeitbeschäftigung nachgegangen. Weniger als 0,1 % der in Deutschland tätigen Imker können als Erwerbsimker eingestuft werden (vgl. Deutscher Imkerbund e. V. 2017 S. 21). Die Gründe hierfür sind überwiegend in der geringen finanziellen Attraktivität des bestehenden Geschäftsmodells der Imkerei zu sehen. Dies ist vor dem Hintergrund der großen Bedeutung der Bienen für die Landwirtschaft bemerkenswert. Durch ihre Bestäubungsfunktion sind sie für viele Nutzpflanzen ein wichtiger Einflussfaktor auf die Ertragssicherung und somit von signifikanter Relevanz für die Welternährung (vgl. Potts et al. 2010 S. 346 – 347, Tscharntke et al. 2012 S. 55). In Deutschland wird der Wert der erbrachten Bestäubungsleis- tung durch die von Imkern betreuten Honigbienen auf rund 2 Milliarden Euro jähr- lich geschätzt (vgl. Koll 2013 S. 36). Dies begründet zudem den Stellenwert der Biene als dritt-wichtigstes Nutztier direkt hinter Rind und Schwein.

Eine der Herausforderungen, welche sich die heutige Imkerei stellt, ist das zu- nehmende Bienensterben. Die Ursachen liegen unter anderem in dem anstei- genden Einsatz von Gentechnik und Pflanzenschutzmitteln in der Landwirtschaft, ebenso wie in der weiteren Verbreitung von Parasiten wie der Varroa-Milbe (vgl. Spürgin 2015 S. 1011-1013). Die Überwachung und entsprechende Pflege der Gesundheit der durch den Imker betreuten Bienenvölker wird somit zu einem zentralen Element der imkerlichen Tätigkeit. Die fortscheitende Digitalisierung eröffnet neue technologische Möglichkeiten imkerliche Arbeiten hierbei zu unter- stützen. Die Digitalisierungen der Imkerei wird in der jüngeren Literatur verstärkt diskutiert (vgl. Bromenshenk et. al. 2015, Gil-Lebrero et al. 2017). Der Fokus liegt hierbei bisher vornehmlich auf der Beschreibung, welche Informationen über ein Bienenvolk beziehungsweise dessen Gesundheit anhand von Sensoren gewon- nen werden können.

1.2 Motivation und Relevanz

Während die Digitalisierung der Imkerei in den Anfängen steckt, hat die voran- schreitende digitale Transformation in den vergangenen Jahren bereits zu einem Veränderungsprozess des gesellschaftlichen Lebens geführt (vgl. Bundesminis- terium für Bildung und Forschung 2017, S. 4). Die zunehmende Digitalisierung begünstigte die Entwicklung von Geschäftsmodellen in den unterschiedlichsten Branchen wie beispielsweise dem Mediensektor oder dem Dienstleistungsbe- reich. Hierüber hat sich die Art und Weise wie wir heute einkaufen, mit anderen Personen kommunizieren oder unterschiedlichste Medien konsumieren grundle- gend verändert. Die Triebkraft dieser Entwicklung sind digitale Technologien. So erlaubt die Technologie des Cloud Computing ortsunabhängig Zugang zu zentral verfügbaren Informationsinhalten zu erhalten. Leistungsfähige mobile Endgeräte wie Tablets und Smartphones aber auch mobile Sensortechnologien finden durch stetig günstiger werdende Komponenten eine zunehmend größere Verbrei- tung. Mit einer kontinuierlich steigenden Rechnerleistung lassen sich großen Da- tenmengen in Echtzeit analysieren. Nicht zuletzt gestatten soziale Medien eine schnelle und für den Anwender unkomplizierte Kommunikation in definierten Nut- zergruppen.

Die aufgeführten digitalen Technologien eröffnen Möglichkeiten für signifikante Änderungen traditioneller Geschäftsmodelle. Vor dem Hintergrund der geringen finanziellen Attraktivität des bestehenden Geschäftsmodells der heutigen Imkerei sowie der bedeutenden Relevanz der Pflege der Bienengesundheit durch den Imker für die Landwirtschaft, stellt sich die Frage, inwieweit sich basierend auf digitalen Technologien profitable Geschäftsmodelle für die Imkerei in Deutsch- land entwickeln lassen. Um das bestehende Potential der sich durch die Digitali- sierung ergebenden Innovationsmöglichkeiten auszuschöpfen, eignen sich Me- thoden, welche den Prozess der Geschäftsmodellentwicklung unterstützen. Hier- zu haben sich in den vergangen Jahren Rahmenwerke etabliert, welche einen strukturierten Ansatz bieten und im Rahmen dieser Arbeit angewendet werden. Die sich durch die fortschreitende Digitalisierung bietenden Optionen einer Ge- schäftsmodelanpassung der Imkerei sind zum Zeitpunkt der Erstellung dieser Arbeit in der Literatur nicht diskutiert. Diese Arbeit soll einen ersten Beitrag leis- ten, um bestehende Möglichkeiten für eine Entwicklung neuer Geschäftsmodelle der digitalisierten Imkerei aufzuzeigen.

1.3 Zielsetzung und Vorgehensweise

Im Rahmen dieser Arbeit soll die Fragestellung

„Wie verändert die fortschreitende Digitalisierung das Geschäftsmodell der Imkerei?“

bearbeitet werden. Um diese Frage zu beantworten, wird im 2. Kapitel nach einer Einführung in die Begriffe des Innovationmanagements und den im weiteren Ver- lauf verwendeten Rahmenwerken der Geschäftsmodellinnovation die Bedeutung digitaler Technologien diskutiert. Der weitere Aufbau der Arbeit orientiert sich an der von den Autoren Gassmann et al. vorgeschlagenen Vorgehensweise des St. Galler Business Model Navigator (vgl. Gassmann et al. 2017 S. 22). Im 3. Kapitel der vorliegenden Arbeit werden die Kernelemente des heutigen Geschäftsmo- dells sowie die Geschäftsmodellumwelt der Imkerei dargestellt. Eine Analyse vorhandener Stärken und Schwächen ebenso wie die Identifikation sich bieten- der Möglichkeiten und bestehender Risiken runden dieses Kapitel ab. Basierend auf den gewonnenen Erkenntnissen fasst das 4. Kapitel die im Rahmen dieser Arbeit generierten und selektierten Ideen, welche das heutige Geschäftsmodell ergänzen können, zusammen. Im darauffolgenden Kapitel werden diese Ideen ausgestaltet und hinsichtlich ihres Einflusses auf die Kernelemente des Ge- schäftsmodells erörtert. Das 6. Kapitel widmet sich der Implementierung der ge- wonnen Ideen. Eine Diskussion der Ergebnisse ebenso wie des Prozesses zur Geschäftsmodellentwicklung findet sich in Kapitel 7. Eine abschließende Zu- sammenfassung der gewonnenen Erkenntnisse sowie der Ausblick auf weiteren Forschungsbedarf bilden den Abschluss dieser Forschungsarbeit.

2. Geschäftsmodellinnovationen

Das folgende Kapitel ordnet den Begriff der Geschäftsmodellinnovation im Kon- text des Innovationsmanagements ein. Hieran schließt sich eine Einführung in das Geschäftsmodellkonzept an. Aufbauend auf dieser Beschreibung wird das im weiteren Verlauf dieser Arbeit verwendete Rahmenwerk zur Entwicklung von Geschäftsmodellen erläutert und die diese Entwicklung begünstigenden digitalen Technologien vorgestellt.

2.1 Innovation und Innovationsmanagment

Unternehmen der heutigen Zeit müssen sich den Herausforderungen des immer schnelleren technologischen Wandels, der fortschreitenden Globalisierung sowie einem immer leichter zugänglichen Wissen stellen, um auch langfristig mit ihren Produkten und Dienstleistungen wettbewerbsfähig zu bleiben (vgl. Bundesminis- terium für Bildung und Forschung 2014, S. 10). Hieraus erwächst die Notwendig- keit, Innovationszyklen, d.h. den Zeitraum von einer zur nächsten Markteinfüh- rung einer Innovation, zu verkürzen. Um diesem Anspruch gerecht zu werden, ist das Management von Innovationen ein wesentlicher Erfolgsfaktor für Unterneh- men. Dieses Innovationsmanagement umfasst hierbei die Aufgaben der Planung, Umsetzung und Kontrolle der Innovationstätigkeit eines Unternehmens (vgl. Vahs/Brem 2015, S. 2).

Der Begriff der Innovation ist vom Begriff der Invention abzugrenzen, welcher eine vielversprechende Idee beschreibt (vgl. Schumpeter 1911, S. 100). Die In- novation bezieht zudem die kommerzielle Vermarktung einer Invention mit ein. In der Literatur werden Innovationen gemeinhin nach ihrem Gegenstandsbereich, dem Auslöser der Innovation, dem Neuheitsgrad sowie dem mit der Innovation einhergehenden Veränderungsaufwand klassifiziert (vgl. Vahs/Brem 2015, S. 52). Anhand der Differenzierung der Innovation nach dem Gegenstand auf wel- chen sie sich bezieht, ergeben sich folgenden vier Innovationskategorien (vgl. Higgins/Wiese 1998, S. 9):

- Produkt-Innovationen zeichnen sich durch für den Markt neue und / oder verbesserte Produkte und Dienstleistungen aus.
- Prozess-Innovationen sind durch neuartige Veränderungen, durch welche sich effizientere und effektivere Prozesse realisieren lassen, charakteri- siert.
- Marketing-Innovationen beziehen sich auf verbesserte Marketingkonzepte bzw.-aktivitäten in den Bereichen Preispolitik, Produktpolitik, Kommunika- tionspolitik und Distributionspolitik.
- Geschäftsmodellinnovationen sind grundlegende Veränderungen eines bestehenden Geschäftsmodells, welche zu einer gesteigerten Bedürfnis- befriedigung des Kunden ebenso wie einem Wettbewerbsvorteil auf Un- ternehmensseite führen können.

Erfolgt eine Unterscheidung von Innovationen nach dem Auslöser der Entwick- lungstätigkeit, so gibt es hierzu zwei Triebkräfte (vgl. Chidamber/Kon 1994, S. 94). Dies sind zum einen zweckinduzierte Innovationen, welche durch am Markt vorhandene und noch nicht hinreichend befriedigte Kundenbedürfnisse entstehen („Market Pull“). Im Gegensatz hierzu zeichnen sich mittelinduzierte Innovationen vornehmlich durch neue technische Möglichkeiten („Technology Push“) aus, wel- che ein Unternehmen bis zum Einsatz in marktreifen Produkten in neuen Anwen- dungsgebieten für die entsprechende Technologie entwickelt.

Der Neuheitsgrad von Innovationen lässt sich in Basisinnovationen und den hie- rauf aufbauenden Nachfolgeinnovationen unterteilen (vgl. Pleschak/Sabisch 1996 S. 4). Basisinnovationen beruhen auf technologischen Durchbrüchen oder radikalen Änderungen von Organisationsprinzipien, welche weitreichende wirt- schaftliche und gesellschaftliche Konsequenzen nach sich ziehen. Die von einer Basisinnovation ausgelösten Nachfolgeinnovationen können in weitere vier Kate- gorien unterteilt werden (vgl. Vahs/Brem 2015, S. 64 – S. 65):

- Verbesserungsinnovationen sind Verbesserungen einzelner oder mehrere Nutzenparameter eines bereits existierenden Produkts, ohne dass die grundlegenden Funktionen und Eigenschaften verändert werden.
- Anpassungsinnovationen resultieren aus der Anpassung vorhandener Leistungen oder Erzeugnissen auf Kundenwunsch.
- Scheininnovationen ändern nicht den eigentlichen Kundennutzen des Produktes oder des Leistungsangebots, jedoch das Erscheinungsbild desselbigen.
- Imitationen sind durch die beabsichtigte Nachahmung von Problemlösun- gen, welche andere Unternehmen bereits erfolgreich einsetzen, charakte- risiert.

Abschließend sei die Klassifizierung des Veränderungsumfangs, welchen eine Innovation auf ein Unternehmen, eine gesamte Branche oder die gesamte Um- welt bewirkt, erwähnt. Hierzu zählen die drei Innovationskategorien Inkrementa- linnovationen, Radikalinnovationen und disruptive Innovationen, welche im Fol- genden erläutert werden (vgl. Christensen/Raynor 2004 S. 1; Pleschak/Sabisch 1996 S. 3; Zillner/Krusche 2012 S. 37):

- Inkrementalinnovationen sind schrittweise Weiterentwicklungen bereits existierender Produkte, Dienstleistungen, Prozesse oder Geschäftsmodel- le. Durch diese werden Kundenbedürfnisse in bereits bestehenden Märk- ten befriedigt. Die hervorgebrachten Innovationen sind vornehmlich ge- mäß der Kategorisierung nach dem Neuheitsgrad der Verbesserungs- und der Anpassungsinnovation hinzuzurechnen.
- Radikalinnovationen führen zu einer radikalen Veränderung bestehender Märkte und können ebenfalls die Schaffung von neuen Märkten bewirken. Gemäß dem Neuheitsgrad der Innovation ist dieser Typus der Basisinno- vation zuzurechnen.
- Disruptive Innovationen besitzen den weitreichendsten Veränderungsum- fang, da diese neben der radikalen Veränderung bestehender Märkte auch zu einer vollständigen Verdrängung bestehender Technologien, Produkte, oder Dienstleistungen führen.

2.2 Geschäftsmodellinnovationen

Um langfristig konkurrenzfähig zu bleiben, reicht eine alleinige Fokussierung von Unternehmen auf Produkt- oder Prozessinnovationen in der Zukunft nicht mehr aus (vgl. Gassman et al., 2017, S. 4). Für Unternehmen gilt es, kontinuierlich die Wettbewerbsfähigkeit ihres Geschäftsmodels zu validieren, und entsprechend zu innovieren, um den sich verändernden Marktbedingungen gerecht zu werden. Im Innovationsprozess müssen die Schlüsselkomponenten des bisherigen Ge- schäftsmodels in Frage gestellt, abgeändert oder ersetzt werden. Die Entwick- lung neuer Geschäftsmodelle geht hierbei mit einer großen Unsicherheit des zu- künftigen Markterfolgs einher.

2.2.1 Beschreibung von Geschäftsmodellen

Modelle dienen der vereinfachten Darstellung der Wirklichkeit, um die für ein Sys- tem relevanten Komponenten und deren Zusammenwirken zu verstehen, zu ana- lysieren und zu kommunizieren (vgl. Stachowiak 1973, S. 131–133). Dies gilt ebenso für Modelle von Unternehmen, den sogenannten Geschäftsmodellen. In der wissenschaftlichen Literatur fehlt bisher eine einheitliche Definition des Be- griffs „Geschäftsmodell“ (vgl. Nägele 2017 S. 39; Schallmo 2013 S. 15, Johnson et al. 2008 S. 58, Zott et al. 2011 S. 1022). Die existierenden Definitionen unter- scheiden sich durch den für sie gültigen Anwendungsfall, welcher sowohl den Abstraktionsgrad der Geschäftsmodelbeschreibung als auch dessen aufgeführte Kernelemente festlegt (vgl. Osterwalder et al. 2005 S. 5, Zollenkop, 2009 S. 40).

Im weiteren Verlauf der vorliegenden Arbeit wird sich an der von den Autoren Osterwalder und Pigneur (vgl. Osterwalder / Pigneur 2010 S. 14) vorgeschlage- nen Definition des Geschäftsmodel-Begriffs „ Ein Geschäftsmodell beschreibt die Art und Weise nach dem eine Organisation Werte schafft, vermittelt und erfasst.“ orientiert. Nach Ansicht des Autors dieser Arbeit bietet dieses Verständnis des Geschäftsmodell-Begriffs im Hinblick existierender Definitionen in der Literatur (vgl. Schallmo 2013 S. 13 -14) ein hinreichendes Abstraktionsniveau, um die Ausgangsbasis für die weiterfolgenden Betrachtungen zu bilden.

Zur Beschreibung, Visualisierung und Bewertung eines Geschäftsmodels schla- gen die Autoren Osterwalder und Pigneur ein Modell aus neun zentralen Bau- steinen, das sogenannte Business Model Canvas, vor (vgl. Osterwalder / Pig- neur, 2010 S. 18-19). Diese Geschäftsmodellbeschreibung findet sowohl in der wissenschaftlichen Literatur (vgl. Eckert 2017 S. 138) als auch in der praktischen Anwendung (vgl. Trapp 2014 S. 23) breiten Anklang. Die graphische Darstellung dieses Modells findet sich in Abbildung 1. Der Kundenmehrwert (Value Propositi- on) steht im Zentrum des Geschäftsmodells. Hieran ordnen sich die marktrele- vanten Elemente der Kundensegmente, der Beziehungen zu Kunden dieser Segmente sowie die Kommunikations- und Distributionskanäle, über welche die- se erreicht werden, an. Auf der Unternehmensseite bilden die Kernaktivitäten und die zur Ausführung notwendigen Ressourcen sowie Partner die wesentlichen Bausteine. Die finanzielle Perspektive eines Unternehmens wird zum einen durch die Kostenstruktur, sowie von den aus der Geschäftstätigkeit resultierenden Ein- nahmequellen gebildet.

Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten

Abbildung 1: Neun Kernelemente des Geschäftsmodells in der Business Model Canvas Darstellung nach Osterwalder und Pigneur (vgl. Osterwalder / Pigneur 2010 S. 18-19).

2.2.2 Vorgehensweise zur Innovation von Geschäftsmodellen

Wie bereits ausgeführt, sind kontinuierliche Innovationen für ein Unternehmen notwendig, um langfristig wettbewerbsfähig zu bleiben. Dies schließt die Weiter- entwicklung bestehender Geschäftsmodelle, die sogenannten Geschäftsmo- dellinnovationen, mit ein. Die große Herausforderung einer Geschäftsmodellinno- vation besteht nun darin die Schlüsselkomponenten des bisherigen Geschäfts- models in Frage zu stellen, abzuändern oder zu ersetzen, um hierdurch eine ge- steigerte Bedürfnisbefriedigung des Kunden ebenso wie einen Wettbewerbsvor- teil für das Unternehmen zu erzielen.

Eines der Haupthindernisse, welches einer Geschäftsmodellinnovation entge- gensteht, ist die dominierende Branchenlogik (vgl. Chesbrough 2010 S. 358). Diese Logik definiert die Basis, auf welcher das aktuelle Geschäftsmodel fußt. Sie bestimmt welche Informationen von einem Unternehmen als relevant betracht werden und welche nicht. Hierdurch baut sich eine kognitive Barriere auf, welche allem Neuen und nicht dieser Branchenlogik Entsprechenden, entgegensteht. Zur Überwindung dieser Herausforderung wird ein strukturierter Ansatz als hilf- reich angesehen (vgl. Hoegl et al. 2008 S. 1387). Das im vorhergehenden Ab- schnitt beschriebene Rahmenwerk des Business Model Canvas eignet sich, um die wesentlichen Komponenten eines Geschäftsmodells auf leicht verständliche Weise darzustellen und auf den Prüfstand zu stellen (vgl. Eppler et al. 2011 S. 1332). Die Kombination dieser Business Model Canvas Darstellung mit kreativi- tätsfördernden Methoden zur Generierung von neuen Geschäftsmodellideen hat sich in der Praxis bewährt (vgl. Eppler et al. 2011 S. 1336).

Der durch die Autoren Gassmann et al. entwickelte St. Galler Business Model Navigator beschreibt eine Vorgehensweise, welche sowohl kreativitätsfördernde Methoden als auch einen in Phasen unterteilten Ablaufplan zur Entwicklung neu- er Geschäftsmodelle beinhaltet. Er findet sich in Abbildung 2 (vgl. Gassmann et al. 2017 S. 22) grafisch dargestellt und gliedert sich in einen aus den vier Schrit- ten

1. Initiierung: Umfeld analysieren
2. Ideenfindung: Muster Adaptieren
3. Integration: Geschäftsmodelle ausgestalten
4. Implementierung: Plan umsetzen

bestehenden Entwicklungsprozess für neue Geschäftsmodelle. Diese Vorge- hensweise eignet sich für die Bearbeitung der dieser Arbeit zugrundeliegenden Fragestellung, dient somit der weiteren Orientierung und soll im Folgenden hier- für skizziert werden.

Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten

Abbildung 2:Entwicklungsprozess für neue Geschäftsmodelle mit dem St. Galler Business Model Navigator Ansatz (vgl. Gassmann et al. 2017 S. 22).

Die Entwicklungsschritte der Initiierung, der Ideenfindung sowie der Integration bilden die Designphase des neuen Geschäftsmodells. Der vierte abschießende Schritt der Implementierung wird der Realisierungsphase hinzugerechnet. Der Initiierungsschritt fokussiert sich auf die Analyse der Umgebung, in welche das bestehende Geschäftsmodell eingebettet ist. Hierbei gilt es, die potentielle Aus- wirkung entscheidender externer Einflussfaktoren wie Technologie- und Me- gatrends zu verstehen und einzuschätzen. Ebenso erfolgt in diesem Prozess- schritt eine Betrachtung der Interessen relevanter Anspruchsgruppen im Unter-nehmensumfeld wie Mitbewerber, Kunden, Partner, regulierende Behörden, Lie- feranten, Kapitalgeber oder Mitarbeiter.

Der zweite Prozessschritt des von den Autoren Gassmann et al. vorgeschlage- nen Business Model Navigators beinhaltet eine kreativitätsfördernde Methode, welche sich speziell auf die Generierung von Ideen für innovative Geschäftsmo- delle fokussiert (Gassmann et al. 2017 S. 23). Diese Methode basiert auf der Untersuchung erfolgreicher Geschäftsmodelle der vergangenen 50 Jahre bezüg- lich erkennbarer Muster. Die Autoren gelangen zu der Erkenntnis, dass neue Geschäftsmodelle sich über kreative Imitation und Rekombination entwerfen las- sen (Gassmann et al. 2017 S. 22). 55 identifizierte Kategorien von bestehenden Geschäftsmodellen bilden die Vorlage für einen Rekombinationsprozess, um innovative Geschäftsmodelle zu kreieren (vgl. Gassmann et al. 2013 S. 8 - 12). Ein Bewertungs- und Selektionsverfahren rundet den Prozessschritt der Ideen- generierung ab und bildet den Startpunkt der anschließenden Konkretisierung vielversprechender Geschäftsmodellideen.

Bei der Ausgestaltung neuer aussichtsreicher Geschäftsmodelle im dritten Pro- zessschritt des Business Model Navigators werden unternehmensexterne und unternehmensinterne Auswirkungen sowie Einflüsse betrachtet. Bei der Untersu- chung des unternehmerischen Umfelds werden existierende Wettbewerbskräfte der relevanten Branche mit Hilfe von Methoden wie beispielsweise der Bran- chenstrukturanalyse untersucht (vgl. Porter 2008 S. 27). Unternehmensinterne Zusammenhänge lassen sich anhand der für ein Geschäftsmodell charakteristi- schen Schlüsselkomponenten analysieren. Geschäftsmodelle werden durch die Autoren Gassmann et al. anhand von vier Dimensionen beschrieben (Gassmann et al. 2017 S. 6 - 7). Diese vier Dimensionen setzten sich aus den neun Kernbausteinen, welche sich ebenfalls im Business Model Canvas von Osterwalder und Pigneur wiederfinden, zusammen (vgl. Osterwalder / Pigneur 2010 S. 18 - 19). Der Zusammenhang beider Geschäftsmodeldarstellungen ist in Abbildung 3 wiedergegeben. Die Dimension des Kunden steht im Zentrum des Geschäftsmodells der Autoren Gassmann et al. und wird neben den für das Unternehmen relevanten Anspruchsgruppen durch die entsprechenden Kundensegemente sowie Vertriebskanäle definiert. Die zweite Dimension umfasst das Leistungsangebot, das sogenannte Nutzenversprechen, des Unternehmens. Die dritte Dimension der Wertschöpfungskette wird aus Partnern, internen Ressourcen, Aktiviäten und Fähigkeiten des Unternehmens gebildet. Die Ertragsmechanik ist die vierte Dimension und setzt sich aus der Umsatz- und Kostenstruktur zusammen.

Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten

Abbildung 3: Aufbau der vier Geschäftsmodelldimensionen (Kreise) von Gass- mann at al. auf Basis der Kernelemente des Business Model Canvas (vgl. Gassmann et al. 2017 S. 6 – 7; Osterwalder und Pigneur 2010 S. 18 – 19).

Nachdem die ersten drei Designphasen des Entwicklungsprozesses des Business Model Navigators durchlaufen sind, wird in der abschließenden Realisationsphase die Implementation des neu entworfenen Geschäftsmodels addressiert. Richtet sich das neue Geschäftsmodell entgegen der vorhandenen Brachenlogik, ist mit ihm ebenfalls eine große Unsicherheit über den zukünfigen Markterfolg verbunden. In einem iterativen Prozess, werden die getroffenen Grundannahmen, unter denen das Geschäftmodell sich am Markt etablieren kann, gezielt validiert. Das Vorgehen des „validierten Lernens“ ist ein Kernbaustein der in der Literatur unter dem Begriff „Lean-Start-Up“ bezeichneten Methode (vgl. Ries 2011 S. 75-78, Blank 2013 S. 69). Diese agile Managementmethode eigent sich zur Entwicklung digitaler Geschäftsmodelle und bietet hiefür die nötige strategische Flexibilität, um mit vorhandenen Unsicherheiten umzugehen (Müller 2017 S. 28).

Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten

Abbildung 4: Kernelement der Lean-Startup Methode nach Eric Ries (vgl. Ries 2011 S. 75).

Das wesentliche Element der Lean-Start-Up Methode ist die in Abbildung 4 skizzierte „Entwickeln-Messen-Lernen-Feedbackschleife“ (vgl. Ries 2011 S. 76). Am Anfang des Prozesses stehen erste Annahmen über Kundenbedürfnisse, welche die neue Geschäftsmodellidee addressieren soll. Um die Reaktion von Kunden auf ein neues Geschäftsmodell zu messen, muss ein minimal funktionsfähiger Demonstrator entwickelt werden. Die Messung der Kundensicht beziehungsweise des Kundenverhaltens bei Nutzung des Geschäftmodell- demonstrators kann unter Anwendung von Instrumenten der primären Markforschung wie der Beobachtungen, oder etwa der Befragung erfolgen. Die hierdurch gewonnenen Erkennisse und Daten führen zu einem Lerneffekt, welcher zu einer weiteren Optimierung der ursprünglichen Geschäftsidee genutzt werden kann. Vorgenommene Korrekturen müssen zu einer Verbesserung des Kundenverhaltens führen und sind der Ausgangspunkt für einen erneuten Durchlauf des Zyklus. Durch das schrittweise Vorgehen der Lean-Start-Up Methode können Unsicherheiten gezielt iterativ untersucht, verstanden und addressiert werden, um einzelne Elemente des Geschäftsmodells zu verbessern. Sind Verbesserungsmöglichkeiten hinreichend ausgeschöpft, ist die Entscheidung zu treffen, ob die Geschäftsmodellidee verworfen oder im Idealfall eine Markteinführung erfolgen kann. Die Markteinführung bildet den Abschluss des von den Autoren Gassmann et al. entworfenen Vorgehens des St. Galler Business Model Navigators (vgl. Gassmann et al. 2017 S. 23).

2.2.3 Digitalisierung als Befähiger von Geschäftsmodellinnovationen

Neue Technologien sind häufig die Triebkräfte für neue Geschäftsmodelle, wobei deren Anwendung und der sich hieraus erschließende wirtschaftliche Nutzen für ein Unternehmen als der kreative Schritt anzusehen ist (vgl. Chesbrough 2010 S. 354, Zott et al. 2011 S. 1034, Gassmann et al. 2017 S. 19). Die fortschreitende Digitalisierung lässt physische Produkte und Dienstleistungen intelligent werden und schafft eine Vielzahl neuer Innovationsmöglichkeiten. Hierdurch verändern sich sowohl traditionelle Geschäftsmodelle als auch Produkte. Vier grundlegende digitale Technologien haben signifikante Auswirkungen auf traditionelle Ge- schäftsmodelle (vgl. Hanelt et al. 2015 S. 1315, Bharadwaj et al. 2013 S. 474):

1. Cloud Computing ermöglicht den ortsunabhängigen Zugang zu zentral verfügbaren Informationsinhalten.
2. Soziale Medien schaffen die Voraussetzung zur Vernetzung von Nutzern, um in einer definierten Gemeinschaft Informationen auszutauschen.
3. Mobile Technologien bewirken die Verbreitung von leistungsfähigen mo- bilen Endgeräten wie Tablets und Smartphones ebenso wie von intelli- genten Sensorsystemen des Internets der Dinge (Internet of Things/IoT).
4. Big Data bietet die Möglichkeit, eine große Menge von detaillierten In- formationen in Echtzeit auszuwerten, um hiermit gezielte Schlussfolge- rungen zu treffen, welche die Basis für Entscheidungen oder Handlungs- empfehlungen bilden.

Auf diesen Technologiebausteinen fußen beispielsweise Systeme von miteinan- der verbundenen physikalischen Objekten oder Menschen, welche Informatio-nen austauschen, ohne dass hierfür eine Mensch-zu-Mensch oder Mensch-zu- Maschine-Interaktion notwendig ist. Die vier Kerntechnologien öffnen hierüber einen breiten Handlungsspielraum für neue digitalisierte Geschäftsmodelle (vgl. Wittpahl 2016 S. 177). Diesen Raum zu nutzen, um sich vom Mitbewerbern ab- zusetzen, erfordert auf der Seite der Unternehmen eine digitale Transformation, welche die Nutzung der sich neu bietenden Chance ermöglicht. Die Herausfor- derung besteht darin festzulegen, in welcher Geschwindigkeit und wie weit die digitale Transformation in unterschiedlichen Unternehmensbereichen vorange- trieben wird (vgl. Berman/Bell 2011 S. 1).

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Abbildung 5: Entwicklung der digitalen Revolution (vgl. Berman/Bell 2011 S. 2).

Während die digitale Transformation für ein Unternehmen in der Vergangenheit durch digitalisierte Produkte, eine digitale Infrastruktur, elektronischen Handel oder etwa den Effizienzgewinn im Unternehmen durch digital automatisierte Prozesse gegenzeichnet war, können die vier Technologietrends das komplette Geschäftsmodell beeinflussen (siehe Abbildung 5). Im Gegensatz zu den zu- rückliegenden digitalen Transformationsphasen sind heute durch die neuen technologischen Möglichkeiten die Erwartungen auf der Kundenseite zu einem entscheidenden Faktor geworden (vgl. Berman/Bell 2011 S. 2). Die zunehmende Digitalisierung ändert zudem auch das gesellschaftliche Zusammenleben, da es beispielsweise die Kommunikation zwischen Individuen, die Art wie eingekauft oder gearbeitet wird, beeinflusst (vgl. McDonald /Russel-Jones 2012 S. 17-18).

Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten

Abbildung 6: Digitalisierungsgrad unterschiedlicher Industrien (vgl. vgl. Berman / Bell 2011 S. 4).

Der bisherige Stand der Forschung über die Auswirkung der Digitalisierung auf traditionelle Geschäftsmodelle fokussiert sich weitestgehend auf den Wandel in Branchen, deren Produkte sich vollständig digitalisieren lassen. Exemplarisch sei an dieser Stelle die voranschreitende Digitalisierung in der Musik- (vgl. Huang 2005 S. 37), oder in der Fotoindustrie (vgl. Lucas/Goh 2009 S. 46) genannt. Im Vergleich zu einer Branche, in welcher sich physische Produkte vollständig digitalisieren lassen, enthält eine Branche wie die der Imkerei physische Schlüsselelemente. Der Einfluss der Digitalisierung auf physische Produkte ist hingegen bisher nur wenig in der Literatur behandelt (vgl. Yoo et. al 2010 S. 727). Eine erstmalige Diskussion des Wandels von Branchen, deren Produkte sich nicht vollständig digitalisieren lassen, wurde in der Literatur am Beispiel der Digitalisierung der Automotive Industrie aufgegriffen (vgl. Hanelt et al. 2015). Nach einer digitalen Transformation besitzen die entsprechenden Geschäftsmodelle sowohl digitale als auch physische Kernelemente. Mit fortschreitendem digitalen Wandel werden Industrien, welche heute einen geringen Digitalsierungsgrad aufweisen, sich im „physisch-digitalen Kontinuum“ zur digitalen Seite verschieben (siehe Abbildung 6). Dieser entstehenden Verflechtung von digitalen Inhalten mit physikalischen Elementen in einem Geschäftsmodel muss entsprechend Rechnung getragen werden (vgl. Berman / Bell 2011 S. 4).

3. Das Geschäftsmodell der heutigen Imkerei

3.1 Kernelemente des heutigen Geschäftsmodells der Imkerei

Um neue Geschäftsmodelle zu entwickeln, müssen die Schlüsselkomponenten des bisherigen Geschäftsmodels in Frage gestellt, entsprechend abgeändert o- der ersetzen werden. Das bestehende Geschäftsmodell der Imkerei bildet somit den Ausgangpunkt der weiteren Betrachtung. Zu dessen Beschreibung wird sich an dem in Abschnitt 2.2.1 erläuterten Ansatz des Business Model Canvas von Osterwalder und Pigneur orientiert (vgl. Osterwalder / Pigneur, 2010 S. 18-19). Die zentralen Geschäftsmodelbausteine der Imkerei finden sich in Abbildung 7 zusammengefasst und werden im weiteren Textverlauf diskutiert.

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Abbildung 7: Business Model Canvas des heutigen Geschäftsmodells der Imke- rei.

3.1.1 Nutzenversprechen

Das Wertangebot des heutigen Geschäftsmodells beruht auf zwei Komponenten. Dies sind zum einen die Produkte, welche durch imkerliche Arbeiten hergestellt werden, wie Honig, Bienenwachs und diverse Nebenprodukte. Auf der anderen Seite steht die Dienstleistung der Bestäubung für die Landwirtschaft.

Der Mehrwert des Dienstleistungsangebots der Imkerei beruht auf der Tatsache, dass Bienenvölker durch ihre Bestäubungstätigkeit den Ertrag landwirtschaftli- cher Nutzflächen erhöhen (vgl. Mandl, 2017 S. 7). Somit profitieren alle zwei- keimblättrigen Arten in Landwirtschaft und Obstbau von der Bestäubung durch Bienen (siehe Abbildung 8). Nach Radtke führt der Einsatz von Bienen zur Be- stäubung neben der verbesserten Ertragssicherheit auch zu qualitativ hochwerti- gen Früchten wie beispielsweise rundherum gleichmäßig ausgebildete Äpfel, ebenso wie einem schnelleren und gleichmäßigeren Abblühen und damit einer gleichmäßigere Reife (vgl. Radtke 2013 S. 1).

Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten

Abbildung 8: Ertragssteigerung durch Bestäubungsleistung der der Honigbiene (vgl. Radtke 2013 S. 1)

Die zweite Komponente des Wertangebots wird durch die von der Imkerei pro- zierten Produkte definiert. Der durch die Bienen produzierte Honig stellt das Hauptprodukt der heutigen Imkerei dar. Er kann in unterschiedlichen Sorten vor- liegen. Diese unterscheiden sich neben mikroskopischen und physikalisch- chemischen Merkmalen für den Endverbraucher leicht erkennbar auch farblich, geschmacklich und ebenso durch ihre Konsistenz. Die Sorten werden nach dem gebräuchlichen Pflanzennamen bezeichnet, von denen dieser Honig stammt (Deutscher Imkerbund e. V. 2015 S. 1). Typische Sortenbezeichnungen sind Wald-, Raps-, Akazien-, Linden- oder Löwenzahnhonig.

Neben dem Hauptprodukt Honig gibt es weitere Imkereiprodukte wie Bienen- wachs, Pollen, Propolis, Gelée Royal, und Bienengift, die das Wertangebot der Imkerei ergänzen können. Im Vergleich zum Nahrungsmittel Honig kann die kommerzielle Bedeutung dieser in der folgenden Auflistung beschriebenen Ne- benprodukte für die heutige Imkerei als gering eingeschätzt werden.

- Bienenwachs - Bienen produzieren mit ihren Drüsen Wachs, welches sie zum Wabenbau benötigen. Das in Waben verarbeitete Bienenwachs, kann nach der Honigernte durch den Imker gewonnen werden und wird zur Herstellung von Kerzen, Kosmetika oder Möbelpolituren verwendet (vgl. Benjamin et al. 2009 S. 104).
- Pollen - Blütenpollen, welche ebenfalls von Bienen eingelagert werden, enthalten unter anderem ein breites Spektrum an Vitaminen, eine große Zahl von Enzymen sowie antibiotische Stoffe (vgl. Spürgin et al. 2015 S. 911). Hierdurch eignen sie sich zur Behandlung unterschiedlicher Krank- heitsbilder wie beispielsweise Wachstumsstörungen oder Herz- und Kreislauferkrankungen.
- Propolis - Propolis, welches ebenfalls als Kittharz bezeichnet wird, setzt sich aus von Bienen gesammelten und verarbeiteten Pflanzenharzen zu- sammen (vgl. Benjamin et al. 2009 S. 125). Es wird in kosmetischen Mit- teln wie beispielsweise Hauptcremen oder Ölen verarbeitet. Propolis wird eine antivirale, antibakterielle und antiparasitäre Wirkung zugeschrieben (vgl. Spürgin et al. 2015 S. 912).
- Gelée Royal - Gelée Royal ist ein Sekret der Futtersaftdrüse der Biene, mit welchem die sogenannten Ammenbienen heranwachsende Bienen ernähren (vgl. Benjamin et al. 2009 S. 124). Gelée Royal, welches in Arz- neimitteln Verwendung findet, wird eine steigernde Wirkung der körperli- chen und geistigen Leistungsfähigkeit zugemessen (vgl. Spürgin et al. 2015 S. 912). Sowohl Propolis als auch Gelee Royal enthalten Stoffe, welche in kosmetischer und medikamentöser Anwendung in Einzelfällen zu teilweise schweren allergischen Reaktionen führen können. Sie gelten primär nicht als Lebensmittel und unterliegen hinsichtlich Herstellung, Vertrieb und Verkauf dem Arzneimittelgesetz (vgl. Bundesinstitut für Risi- kobewertung 2008 S. 1).
- Bienengift - Das von Bienen produzierte Bienengift, wird durch ihren Sta- chel von Bienen injiziert. Es ist sehr aufwendig zu gewinnen und kann in pharmazeutischen Produkten zur Rheumabehandlung eingesetzt werden (vgl. Spürgin et al. 2015 S. 911).

3.1.2 Kunde

Kundensegmente

Die heutzutage adressierten Kundensegmente der Imkerei werden durch das existierende Wertangebot definiert. Wie unter Abschnitt 3.1.1 eingehender be- schrieben, setzt sich dieses aus den beiden Elementen der Bestäubungsdienst- leistung und den Imkereiprodukten zusammen. Kunden in der Landwirtschaft und im Obstbau bilden das relevante Marktsegment für die Bestäubungsleistung. Die primäre Einnahmequelle des Imkers resultiert jedoch aus dem Verkauf des pro- duzierten Honigs. Die Lebensmittelindustrie bildet eines der beiden Marktseg- mente des Imkerhonigs. Honig wird hier als Süßstoff beispielsweise zur Herstel- lung von Frühstücksflocken, Backwaren verwendet. Das zweite bedeutendere Marktsegment ist das des sogenannten Tafelhonigs (vgl. Wildraut 2012 S. 22). 85% der gesamten in Deutschland produzierten Honigmenge wird als Tafelhonig direkt in Haushalten konsumiert (vgl. Efken / Bernhardt 2016 S.6).

Eine feinere Unterteilung des Segments der Tafelhonigkonsumenten kann an- hand der von Stieß und Hayn vorgeschlagenen Einteilung der Ernährungsstile im Zusammenhang zu der Lebensphase erfolgen (vgl. Stieß / Hayn 2005 S. 34). In dem in Abbildung 9 dargestellten Modell sind in horizontaler Richtung die Le- bensphasen (Sozialisation, berufliche Phase, Ruhestand) ebenso wie der Famili- enzyklus berücksichtigt. Das Interesse an Ernährungsfragen wird durch die verti- kale Einordnung wiedergegeben. Stieß und Hayn definieren sieben Ernährungs- typen, welche sich durch die hinter dem gewählten Ernährungsstil stehende Mo-tivation unterscheiden und entsprechend in dem Diagramm positioniert sind (vgl. Stieß / Hayn 2005 S. 19 - 33). Die für das Produkt Honig empfänglichen Kunden- gruppen sind die Ernährungstypen der ernährungsbewussten Anspruchsvollen, fitnessorientierten Ambitionierten, des gestressten Alltagsmanagers/managerin sowie der konventionell Gesundheitsorientierten. Diese identifizierten Kunden- segmente für Honig werden durch die im Jahr 2012 durchgeführten Verbraucher Analyse sowie der von dem Markt- und Meinungsforschungsinstitut Forsa durch- geführten Umfrage aus dem Jahr 2013 bestätigt (vgl. o.V. Verbraucher Analyse 2012, Eder 2014).

Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten

Abbildung 9: Ernährungsstile, Lebensphasen und Interesse an Ernährungsfragen nach Stieß und Hayn (vgl. Stieß / Hayn 2005 S. 34).

Kundenbeziehungen

Das heutige Geschäftsmodell der Imkerei für Honig sowie die Bestäubungs- dienstleistung ist im Wesentlichen durch persönliche Kontakte zu einer regional ansässigen Kundenbasis geprägt. Hierbei bietet die Selbstvermarktung für das Produkt Honig ein Alleinstellungsmerkmal gegenüber dem aus dem Ausland im- portierten Honig.

Kommunikations- und Distributionskanäle

Die Hauptabsatzwege für Imkerhonig in Deutschland sind die Direktvermarktung, die Vermarktung über Erzeugergemeinschaften und der Verkauf im Einzelhandel (vgl. Efken. / Bernhardt 2016 S. 10). Wie Abbildung 10 zeigt, ist für Freizeitimker der direkte Verkauf des Honigs ohne einen Zwischenhändler an den Endver- braucher mit einem Umsatzanteil von 89% der dominierende Vertriebskanal (vgl. Wildraut 2012 S. 22).

Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten

Abbildung 10: Umsatzanteil unterschiedlicher Vermarktungswege der heutiger Freizeitimkerei (vgl. Wildraut 2012 S. 22).

Zur Vermarktung der Bestäubungsdienstleistung treten Imker in persönlichen Kontakt zu Landwirten und Obstbauern. Aufgrund der für den Imker in Deutsch- land im Gegensatz zu anderen Ländern geringen wirtschaftlichen Bedeutung bildet eine Vermarkung dieser Dienstleistung über das Internet eher die Ausnah- me (vgl. Boecking 2010 S. 2 - 3).

3.1.3 Wertschöpfungskette

Schlüsselressourcen

Die wichtigste Ressource der Imkerei sind Bienen, welche die Basis des Ge- schäftsmodells der Imkerei bilden. Ein kompetenter Imker ist mit seiner Art der Honigbienenhaltung sowohl entscheidend für den Ertrag der Imkerei, als auch für die Gesundheit der Bienenvölker (vgl. Günther 2017). Ebenso sind die soge- nannten Trachtpflanzen, welche mit ihren Blüten die Nahrungsquelle der Bienen bilden, unverzichtbar für die Herstellung sämtlicher Imkereiprodukte.

Kernaktivitäten

Die wichtigsten Aktivitäten der Imkerei stehen in Zusammenhang mit der Bienen- völkerführung. Unter der Völkerführung wird die Durchführung der richtigen Arbei- ten zum richtigen Zeitpunkt, um die Entwicklung der Bienenvölker zu fördern, verstanden. Diese Arbeiten sind hierbei von der Jahreszeit abhängig und be- schränken sich nicht alleinig auf die Ernte des durch die Bienen produzierten Honigs (siehe Abbildung 11).

Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten

Abbildung 11: Die wesentlichen imkerlichen Arbeitsschwerpunkte im Jahresver- lauf (vgl. Kroll 2013 S. 16).

Um den Zustand des Bienenvolks beziehungsweise dessen Gesundheit zu kon- trollieren, werden in regelmäßigen Abständen durch den Imker Sichtkontrollen durchgeführt. Ein Hauptaugenmerk richtet sich bei der imkerlichen Arbeit der Kontrolle des Bienenvolks hinsichtlich dem Befall durch die Varroamilbe. Eine nicht ausreichende Behandlung dieses die Honigbiene befallenden Parasits kann zu einem vollständigen Verlust des Bienenvolks und somit zum Ausfall der Ho- nigernte führen. Des Weiteren sind abhängig von der Entwicklung der Volkgröße Anpassungen des Bienenstocks durch sogenannte Magazine vorzunehmen. Der Einfluss äußerer Witterungsbedingungen wie beispielsweise Kaltwettereinbrüche, welche die Volkstärke reduzieren können, werden durch ein vom Imker zur Ver- fügung gestelltes Futterangebot gemildert.

Partner

Wichtigste Partner des einzelnen Imkers sind der lokale Imkerverein bezie- hungsweise die Mitglieder dieses Vereins. Der Organisationsgrad von Imkern in Vereinen, welche sich zum Dachverband des Deutschen Imkerbund e.V. zu- sammenfassen, wird mit 97% angenommen (vgl. Efken / Bernhardt 2016 S. 16). Dieser hohe Organisationsgrad gewährleistet eine rasche Informationsverbrei- tung und in der Regel vielfältige Informations- sowie Aus- und Fortbildungsange- bote.

3.1.4 Ertragsmechanik

Einnahmequellen

Die Haupteinnahmequelle der Imkerei ist der Honigverkauf. Während in anderen Ländern wie beispielsweise in den Vereinigten Staaten von Amerika ebenfalls die Bestäubungsdienstleistung finanziell honoriert wird, bildet dies in Deutschland noch kein etabliertes Ertragsmodell (vgl. Boecking 2010 S. 2). Die Nebenproduk- te der Imkerei wie Pollen, Propolis, Gelée Royal, Bienenwachs und Bienengift besitzen aufgrund der aus dem Ausland stammenden Importprodukte eine gerin- ge wirtschaftliche Bedeutung für die deutsche Imkerei.

Kostenstruktur

Ein Großteil der Kosten des aktuellen Geschäftsmodells der Imkerei wird durch Lohnkosten zur Kontrolle und Pflege der Bienengesundheit bestimmt. Hinzu kommen Aufwendungen für Verbrauchsmaterial wie beispielsweise Oxalsäure oder Ameisensäure zur Behandlung der Bienen gegen Befall durch die Varroa- Milbe. Investitionen für unterschiedlichste Betriebsmaterialien wie Bienenbeuten, Schutzanzüge oder Honigschleudern haben eine Nutzungsdauer von mehreren Jahren und sind bei einer finanziellen Betrachtung entsprechend einzubeziehen. Im Fall der Erbringung der Dienstleistung der Bestäubung von Nutzpflanzen sind Aufwendungen für den Transport der Bienenstöcke zu berücksichtigen.

3.2 Umfeld des heutigen Geschäftsmodells der Imkerei

Zur Analyse der Unternehmensumgebung schlagen die Autoren Ostenwalder und Pigneuer vor, sich auf die in Abbildung 12 graphisch dargestellten vier Per- spektiven

1. Schlüsseltrends
2. Marktkräfte
3. Makroskopische Kräfte
4. Branchenkräfte

zu konzentrieren, welche mit einem bestehenden Geschäftsmodel wechselwirken (vgl. Ostenwalder und Pigneuer 2011 S. 200). Die Schlüsseltrends wirken vor- nehmlich auf das Wertangebot des Geschäftsmodels. Die Berücksichtigung vor- handener Marktkräfte ist von Relevanz, um Änderung auf Seiten der Kundendi- mension Rechnung zu tragen. Makroökonomische Trends können entstehende Kosten zur Ausübung des Geschäftsmodells ebenso wie den zu erzielenden Um- satz und somit die Ertragsmechanik beeinflussen. Branchenkräfte bestimmen die Dynamik in der bestehenden Wertschöpfungskette. Basierend auf des bei dieser Bestandsaufnahme gewonnenen Verständnisses der externen Unternehmen- sumgebung lassen sich unterschiedliche Zukunftsszenarien neu entwickelter Geschäftsmodelle bewerten.

Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten

Abbildung 12: Externe Einflussfaktoren auf ein Geschäftsmodell (vgl. Osterwalder / Pigneur et al. 2010 S. 201).

3.2.1 Schüsseltrends

Technologietrends

Die fortschreitende Digitalisierung, welche auf den in Kapitel 2.2.3 beschrieben vier grundlegenden digitalen Technologien Cloud Computing, Soziale Medien, Mobile Technologien und Big Data basiert, bietet eine Vielzahl neuer Möglichkei- ten für die weitere Entwicklung des heutigen Geschäftsmodells der Imkerei. Die Digitalisierung der Imkerei wird in der jüngeren Literatur verstärkt diskutiert (vgl. Bromenshenk et. al. 2015, Gil-Lebrero et al. 2017). Der Fokus liegt hierbei auf der Beschreibung von Informationen, welche über ein Bienenvolk anhand von Sensoren gewonnen werden können, nicht jedoch auf der hiermit verbundenen Auswirkungen auf das Geschäftsmodel. Die kontinuierliche Beobachtung rele- vanter Parameter von Bienenvölkern wird durch stetig günstiger werdende elekt- ronische Sensoren, welche eine immer höhere Leistungsfähigkeit und Präzision aufweisen, einer größer werdenden Zahl von Imkern sowie Forschern zugänglich gemacht. Die zunehmende Relevanz dieser Technologien spiegelt sich ebenso an dem signifikanten Anstieg der Anzahl erteilter Patente in den vergangen Jah- ren, welche im Zusammenhang mit der Sensorik und der Imkerei stehen, wieder (siehe Abbildung 13).

Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten

Abbildung 13: Google Patents Suchergebnis vom 15.01.2018 mit den Schlüssel- worten „sensor“ (englisch für Sensor) und „apiculture“ (englisch für Imkerei).

Einen umfassenden Überblick über den Stand der Technik in der Literatur geben Meikle und Holst in ihrer 2015 erschienen Veröffentlichung „ Application of conti- nuous monitoring of honeybee colonies “ (vgl. Meikle / Holst 2015 S. 10 -22). Die aufgeführten Sensoren gestatten eine Aufzeichnung quantifizierbarer Daten des beobachteten Bienenvolks. Die gewonnenen Informationen lassen Rückschlüsse auf die Bienengesundheit zu und können hiermit konventionelle Sichtkontrollen des Imkers ergänzen. Die Kombination von Daten unterschiedlicher Messpara- meter kann hierbei zu wertvollen Einsichten führen. Im Gegensatz zu den Kon- trollaktivitäten des Imkers, bei welchen durch Öffnen des Bienenstocks in das Leben des Bienenvolks eingegriffen wird, bietet die Messdatenerfassung mit Hilfe von zuvor installierten Sensoren den Vorteil, dass hierdurch das Leben der Bie- nen nicht beeinflusst wird. Über Funktechnologie können die erfassten Daten drahtlos in Echtzeit an einen couldbasierten Datenspeicher übertragen werden.

Diese Daten können nun wiederum von Imkern über an dieses Netzwerk ange- schlossene Rechner entsprechend ausgewertet werden.

Die für die Imkerei relevanten Parameter zur Überwachung eines Bienenvolks mithilfe von Sensoren lassen sich nach den Forschern Meikle und Holst in die vier Hauptgruppen zusammenfassen,

1. Gewicht
2. Temperatur, Luftfeuchte und Gaskonzentration
3. Akustische Informationen und Schwingungen
4. Aktivitäten von Flugbienen

welche im Folgenden beschrieben werden (vgl. Meikle / Holst 2015 S. 11). Über den Gewichtszustand beziehungsweise dessen zeitliche Veränderung lässt sich der Zeitpunkt der Honigernte ebenso wie der Zustand der für die Überwinterung notwendigen Futterreserven abschätzen (vgl. Meikle et al. 2008 S. 705). Im Kol- lektiv regulieren Bienen Temperatur und Feuchtigkeit in ihrem Bienenstock (vgl. Human et al. 2006 S. 399). Wie gut diese Zusammenarbeit bei der Regulierung beider Parameter funktioniert, hängt von der Phänologie, dem Gesundheitszu- stand, sowie der Bienenrasse ab und kann hierüber Rückschlüsse ermöglichen (vgl. Meikle / Holst 2015 S. 11). Der Ort der Messung relativ zum Aufenthaltsort des Bienenvolks im Stock ist von entscheidender Bedeutung. Um diesem Effekt Rechnung zu tragen, wird eine Anordnung mehrerer Sensoren im Inneren des Bienenstock empfohlen (vgl. Meikle / Holst 2015 S. 14). Ebenso können Abwei- chungen der Sauerstoffgaskonzentration, welche durch das Bienenvolk im Stock aktiv auf 15% reguliert wird, einen Hinweis auf eine Änderung des Gesundheits- zustands geben (vgl. van Nerum / Buelens 1997 S. 445).

Für die Entdeckung der Tanzsprache, des sogenannten Schwänzeltanzes der Bienen, welcher zu deren Organisation und entsprechend zur Auslösung von individueller und sozialer Verhaltensmustern führt, erhielt der Verhaltensforscher Karl von Frisch im Jahre 1973 den Nobelpreis für Physiologie und Medizin (vgl. The Nobel Foundation 1973). Über dieses „Tanzen“ der Bienen werden unter- schiedliche Arten von Informationen, wie beispielsweise die Lage von Futterquel- len, vermittelt. Die beiden Hauptfrequenzen, welche während des Schwänzeltan-zes durch Bienen produziert werden und über geeignete Sensoren registriert werden können, sind 15 Hz durch Bewegungen des Hinterleibes und 250 Hz durch Bewegungen des Oberkörpers. Hierbei ist darauf zu achten, dass diese akustischen Informationen von Geräuschen zu unterscheiden sind, welche vom Bienenvolk produziert werden, aber nicht der Kommunikation dienen. Untersu- chungen von Bienenbeinen zeigen, dass diese Rezeptoren besitzen, welche für die Wahrnehmung von Frequenzen unterhalb von 300 Hz besonders geeignet sind (vgl. Sandeman et al. 1996 S. 2585).

Die Aktivität der für die Nahrungsversorgung des Bienenvolkes zuständigen Flugbienen wird durch dessen Nahrungsbedarf ebenso wie durch das Nahrungs- angebot definiert. Weitere Einflussgrößen auf die Flugaktivität des Volkes sind neben externen Faktoren wie der Wetterbedingungen auch interne Ereignisse, wie der Verlust der Bienenkönigin, der Schwarmtrieb des Bienenvolkes nach dem Heranziehen einer zweiten Königin oder eine gesteigerte Brutproduktion. Die zur Schädlingsbekämpfung in der Landwirtschaft eingesetzten Pestizide können zu einer Abnahme Aktivität der Flugbienen führen (vgl. Rortais et al. 2005 S. 78 - 79). Sensoren können in den Stock einfliegende und ausfliegende Bienen detek- tieren.

Bisherige Studien beziehen sich auf die Untersuchung unterschiedlicher Parame- ter von bis zu 40 Bienenvölkern (vgl. Meikle / Holst 2015 S. 12 - 13). Die syste- matische Verarbeitung gewonnener Daten unterschiedlichster Sensoren mit Hilfe von geeigneten „Big Data“ Analysewerkzeugen zur verbesserten Handlungsemp- fehlung für den Imker ist bereits als zukünftiges Forschungsfeld in der jüngeren Literatur identifiziert (vgl. Zacepins / Brusbardis 2015 S. 135; Zacepins et al. 2016 S. 812). Es wird vorgeschlagen, die in der Landwirtschaft unter dem englischen Begriff „precision farming“ fallenden Ansätze ebenso auf die Bienenhaltung zu übertragen. Unter „precision framing“ versteht man die ortsdifferenzierte und ziel- gerichtete Bewirtschaftung landwirtschaftlicher Nutzflächen, welche unter ande- rem durch die in Echtzeit stattfindende Analyse und Interpretation unterschied- lichster Sensordaten möglich ist.

Soziale Medien stellen die vierte grundlegende digitale Technologie dar, welche einen signifikanten Einfluss auf den digitalen Wandel von Geschäftsmodellen hat.

Die Sozialen Medien sind nach den Autoren Kaplan und Haenlein internetbasier- te Applikationen, welche die Schaffung und den Austausch von benutzergene- rierten Inhalten ermöglichen (vgl. Kaplan / Haenlein 2010 S. 60 - 63). Diese Me- dien werden bereits heute zur Unterstützung der Kommunikation im Rahmen des Imkereigeschäftsmodells eingesetzt. Eigene Präsenzseiten im Internet erlauben dem einzelnen Imker, zum einen auf sein Leistungsangebot aufmerksam zu ma- chen, sowie über Foren, Blogs oder Gästebücher mit Kunden in Kontakt zu tre- ten, beziehungsweise existierende Kundenbeziehungen zu pflegen. Instant Mes- saging kann heute auch in der Imkerei sinnvoll eingesetzt werden, um Aktivitäten und Abläufe innerhalb der Wertschöpfungskette zu koordinieren. Einen Informati- onsaustausch in diesem Medium kann über sogenannte Chats stattfinden. For- mate wie Internetforen oder Videoanleitungen eignen sich wie in anderen Berei- chen zum Wissenstransfer, wie beispielsweise über Methoden der Bienenvölker- führung.

Gesetzliche Trends

Die Produktion von Nahrungsmittel ist in den vergangenen Jahren mit einer schärferen Rechtsprechung in den Bereichen Umwelt- und Produkthaftung eben- so wie einem gesteigerten Anspruchsniveau von Kunden konfrontiert (vgl. Schaffner 2006 S. 229). Die Rückverfolgbarkeit und die hierdurch entstehende Transparenz der Wertschöpfungskette spielt zunehmend eine wichtigere Rolle bei Lebensmitteln, welche regulierende Behörden durch entsprechende Gesetze adressieren.

Gesellschaftliche und kulturelle Trends

Es ist in der Vergangenheit ein Trend zu einer gesunden Lebensweise und einer gesünderen Ernährung zu verzeichnen (vgl. Efken / Bernhardt 2016 S. 6). Der Verzehr des natürlichen Produkts Honig trägt diesem Trend Rechnung. Gegen- über anderen natürlichen Süßstoffen besitzt Honig zudem vielfältige gesundheits- fördernde Eigenschaften.

Durch eine erhöhte Präsenz der Themen des Insekten- und Bienensterbens in den öffentlichen Medien besteht eine zunehmend erhöhte Sensibilisierung der Bevölkerung über die Bedeutung der Imkerei für das Ökosystem (vgl. vgl. Hall- mann et al. 2017, Willinger 2018). Das Bewusstsein der Verbraucher über die nachteiligen Auswirkungen einer immer intensiver betriebenen Landwirtschaft nimmt zu (vgl. Efken / Bernhardt 2016 S. 7). Dies wiederum fördert das Interesse an ökologisch produziertem Honig.

Die Nachfrage an unter ethischen Gesichtspunkten gehandelten sogenannten „fair trade“ Produkten nimmt zu. Hierbei wird den an der Wertschöpfung des Pro- duktes beteiligenden Produzenten ein meist von Fair-Trade Organisationen zuvor definierter Mindestpreis gezahlt. Die Absicht ist, dass auch bei einem niedrigen Preisniveau des Weltmarktes ein verlässliches Einkommen des Produzenten garantiert ist.

Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten

Abbildung 14: Entwicklung der Anzahl in Deutschland aktiv bewirtschafteten Bie- nenstöcke (vgl. Food and Agriculture Organization of the United Nations 2018).

Richten man den Blick auf die Entwicklung der in Deutschland durch Imker be- wirtschafteten Bienenstöcke, so wurde die kontinuierliche Abnahme im vergan- gen Jahrzehnt gestoppt (siehe Abbildung 14). Vergleicht man die Gesamtzahl der heutigen Bestände mit denen der Jahre vor 1990, so haben sich diese auf einem deutlich niedrigeren Niveau eingependelt und weisen auf eine geringere gesell- schaftliche Popularität der heutigen Imkerei im Vergleich zur Vergangenheit hin.

[...]

Ende der Leseprobe aus 143 Seiten

Details

Titel
Entwicklung innovativer Geschäftsmodelle einer digitalisierten Imkerei
Hochschule
Fachhochschule Kaiserslautern  (Betriebswirtschaft)
Veranstaltung
Master of Business Administration
Note
1.0
Autor
Jahr
2018
Seiten
143
Katalognummer
V463238
ISBN (eBook)
9783668925441
ISBN (Buch)
9783668925458
Sprache
Deutsch
Schlagworte
Imkerei, Business Model, Innovation, Digitalisierung, digital, apiculture
Arbeit zitieren
Christian Winde (Autor:in), 2018, Entwicklung innovativer Geschäftsmodelle einer digitalisierten Imkerei, München, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/463238

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