Soziale Organisation in Minahasa. Verwandtschaftsbeziehungen und das Mapalus-System


Hausarbeit, 2002

13 Seiten, Note: 1,7


Leseprobe


Inhaltsverzeichnis:

Einleitung

1 Traditionelle soziale Einheiten in Minahasa

2 Die Bedeutung der verwandtschaftlichen Beziehungen
2.1 Die Kategorisierung von Verwandtschaft – darah
2.2 Verpflichtungen gegenüber Verwandten
2.3 Regeln der Vererbung
2.4 Hochzeiten
2.5 Das Adat -Gesetz

3 Das Mapalus-System
3.1 Allgemeine Definition
3.2 Mapalus wang

4 Schlussbemerkung

5 Literaturverzeichnis

Einleitung

Minahasa, das im nördlichen Teil von Sulawesi, Indonesien liegt, nimmt einen besonderen Status innerhalb der Geschichte Indonesiens ein. Kein anderes Volk in Indonesien hat innerhalb der letzten 200 Jahre solch radikale Veränderungen durchlebt, wie die Bewohner von Minahasa. Während der niederländischen Kolonialzeit wurden sie fast vollständig christianisiert, leben heute nach protestantischen Moralvorstellungen und praktizieren einen von den Niederländern adaptierten Lebensstil, der sehr „westlich“ anmutet. Dadurch nehmen sie eine besondere Stellung im vorwiegend islamischen Indonesien ein.

In folgender Arbeit soll untersucht werden, inwiefern traditionelle Vorstellungen und Kategorien in der heutigen Gesellschaft Minahasas noch immer eine wichtige Rolle spielen. Dabei soll besonders auf Verwandtschaftsbeziehungen, das Adat-Gesetz und das auf Reziprozität beruhende Prinzip gegenseitiger Unterstützung, das Mapalus genannt wird, eingegangen werden. Die nachfolgenden Ausführungen beziehen sich im Wesentlichen auf die ländliche Gesellschaft, in der der Großteil der Bewohner Minahasas lebt.

1 Traditionelle soziale Einheiten in Minahasa

Minahasa ist eine egalitäre Gesellschaft und es existiert dort ein starkes Gefühl von Gruppenzugehörigkeit. Die Bewohner von Minahasa definieren sich über bestimmte soziale Gruppen, welche im Folgenden einzeln vorgestellt werden sollen:

Die kleinste Einheit in der minahasischen Gesellschaft ist die „Herd-Gruppe“ (dapur = Herd, Küche). Sie bezeichnet im Wesentlichen eine Gruppe von Leuten, die manchmal zusammen Nahrung anbauen, sich aber immer eine Kochstelle teilen und gemeinsam essen. Sie besteht gewöhnlich aus einem Ehepaar, seinen unverheirateten Kindern und möglicherweise einem anderen Verwandten oder Freund, der verwitwet ist und im Haushalt mithilft (Lundström-Burghoorn 1981: 72)

Die nächst größere Einheit bezeichnet die Kernfamilie, ein Begriff, der die nächsten Blutsverwandten bezeichnet. Die nächste Gruppe heißt familie; der aus dem Niederländischen entlehnte Begriff benennt alle lebenden Verwandten einer Person, auch diejenigen, die durch Heirat hinzugekommen sind. Die nächste Einheit bildet das turunan, eine Bezeichnung für eine Gruppe mehrerer Familien, die ihre Herkunft auf einen gemeinsamen Vorfahren zurückführen können, der gleichzeitig auch einer der Begründer des Dorfes war. (Lundström-Burghoorn 1981: 74)

Auf diese Einheit folgt dann das Dorf oder alle Bewohner eines Dorfes und als nächst größere Einheit das walak, ein Begriff, der eine Gruppe von Dörfern bezeichnet, die miteinander in Beziehung stehen und deren Bewohner als „Blutsverwandte“ betrachtet werden, bzw. sich auf einen gemeinsamen Ursprung berufen. Der Begriff gilt heute als veraltet, die Einheit als solche ist jedoch immer noch vorhanden, insofern, dass man sich einer gemeinsamen Herkunft bewusst ist und die Dörfer, die ursprünglich als walak bezeichnet wurden, diejenigen sind, in der man sich gewöhnlich einen Ehepartner sucht.

Als größte Einheit werden zuletzt die einzelnen ethnischen Gruppen genannt, in die die Einwohner Minahasas eingeteilt wurden und in die sie sich selbst auch immer noch einteilen. Es gibt acht ethnische Gruppen: Tonsea, Tombuluh, Toulour, Tontemboan, Tonsawang, Bentenan, Ponosaken, und Bantik. Von ersteren fünf wird gesagt, dass sie die Ureinwohner Minahasas seien, die anderen seien erst später zugewandert. Jeder dieser Gruppen wird ein bestimmtes Territorium und eine eigene Sprache zugeordnet. (Lundström-Burghoorn 1981: 54-57)

2 Die Bedeutung der verwandtschaftlichen Beziehungen

Da die Bewohner von Minahasa sich stark über Gruppenzugehörigkeiten definieren, kommt den verwandtschaftlichen Bindungen eine große Bedeutung zu. Diese sind reziproker Natur, was beinhaltet, dass Verwandte sich gegenseitig unterstützen sollen. Es existieren bestimmte Regeln, Rechte und Pflichten, Verantwortlichkeiten und Erwartungen im Hinblick auf Verwandtschaftsbeziehungen, die in der Regel auch akzeptiert werden.

Es wird beispielsweise auch erwartet, dass ein Verwandter, der in der Stadt lebt und ein besseres Einkommen hat, seine Angehörigen auf dem Land unterstützt, indem er Geld schickt oder erlaubt, dass man sein ererbtes Land nutzt, das er selbst nicht direkt nutzen kann. Des Weiteren wird von ihm erwartet, dass er an wichtigen familiären Ereignissen teilnimmt, wie zum Beispiel an Hochzeiten und Beerdigungen und, dass er die Kinder der Verwandten auf dem Land unterstützt, falls diese in die Stadt ziehen, um eine bessere Ausbildung zu erhalten, sei es dadurch, dass er ihnen eine Unterkunft gewährt oder dadurch, dass er ihnen finanzielle Unterstützung zukommen lässt (Lundström-Burghoorn 1981: 127)

2.1 Die Kategorisierung von Verwandtschaft – darah

Als enge Verwandten werden diejenigen bezeichnet, die eine gewisse Substanz als charakteristisches Merkmal miteinander gemeinsam haben. Diese Substanz wird darah (=Blut) genannt und beinhaltet alle substanziellen genetischen Charakteristika, die von den Vorfahren an die Nachkommen vererbt werden. Jedes Individuum bekommt sein spezielles darah von seiner Mutter und von seinem Vater und überträgt dieses wiederum seinen Kindern. Es wird geglaubt, dass dieses darah durch die Kombination mit anderen Linien und im Laufe der Generationen immer dünner wird, und somit jede Generation anders ist.

Eine andere Sicht von darah ist, dass es bedeutet einen gemeinsamen Vorfahren zu haben.

Die Bewohner von Minahasa berufen sich auf darah, um ihre engen und entfernten Verwandten zu definieren. Allerdings gibt es hier die Einschränkung, dass sie oftmals ihre verwandtschaftlichen Beziehungen absichtlich umstrukturieren und dann einen Verwandten, auf den sie besonders stolz sind, als engen Verwandten bezeichnen, einen anderen, der eigentlich als enger Verwandter zu bezeichnen ist, aber für den sie sich aus irgendeinem Grund schämen, verleugnen. Eltern, Großeltern und Geschwister können jedoch immer nur als nahe Verwandte bezeichnet werden.

Das Konzept von darah spielt auch eine Rolle bei der Wahl eines Ehepartners. So sollten Cousins 1. Grades nicht heiraten, weil sie die gleichen Großeltern haben. Sie teilen somit eine große Menge an darah; wenn sie eigene Kinder bekommen, ist deren darah so dick wie ihr eigenes und wird nicht verdünnt. Dies wird jedoch noch nicht als so schlimm erachtet, weil es immer noch dünner ist, als das ihrer Eltern, die Geschwister sind und auf keinen Fall heiraten dürfen (Lundström-Burghoorn 1981: 129).

2.2 Verpflichtungen gegenüber Verwandten

Die Kategorie “enge Verwandte“ beschränkt sich nicht allein auf Eltern, Großeltern und Geschwister, sondern kann auch auf andere blutsverwandtschaftlich miteinander verbundene Personen ausgedehnt werden. Die Einteilung in enge und entfernte Verwandte ist sehr wichtig, denn sie kann Auswirkungen auf den gesellschaftlichen Umgang miteinander haben. Kooperation und Hilfe unter nahen Verwandten ist mit enger moralischer Bindung verknüpft, von ihnen erwartet man Solidarität.

Wenn man beispielsweise eine bedürftige Verwandte bei sich aufnimmt, und diese die gleichen Aufgaben übernimmt, wie etwa ein Bediensteter, beispielsweise Kochen, Waschen oder auf die Kinder Aufpassen, so wird sie sich nicht in einem Anstellungsverhältnis befinden. Es wird dann gerne gesagt, dass sie ihnen helfen möchte oder, wenn sie in der Stadt leben, dass dies eine wunderbare Gelegenheit für sie wäre, die Welt kennen zu lernen. Eine Bezahlung wäre in diesem Fall sehr unpassend, denn das würde den Charakter der Verwandtschaftsbeziehung zerstören. Dieses Beispiel zeigt, dass es trotz der reziproken Aspekte, die die Beziehung von engen Verwandten regeln, eine hohe Toleranz von Unausgeglichenheit gibt.

Da Herkunft und Vorfahren eine große Rolle im sozialen Leben spielen, besteht in Minahasa ein deutliches Interesse an Genealogien. Die Menschen können in den meisten Fällen ihre acht Urgroßeltern beim Namen nennen. Wenn zwei Minahasier sich treffen oder kennen lernen, dann tauschen sie gewöhnlich erst einmal Informationen über ihren Familiennamen, ihr Heimatdorf, ihre Eltern und Großeltern und manchmal sogar ihre Stammbäume aus, um eine eventuelle verwandtschaftliche Beziehung festzustellen, die dann Auswirkungen auf ihren Umgang miteinander haben würde.

Durch Hochzeit innerhalb eines Dorfes bekommt jeder noch zusätzliche Verwandte, vor allem mit der Kernfamilie des Ehepartners entstehen dann enge Bindungen (Lundström-Burghoorn 1981: 131)

2.3 Regeln der Vererbung

Das Verwandtschaftssystem in Minahasa ist ein Kognatisches, das heißt bei der Erbfolge wird sowohl die männliche, als auch die weibliche Linie berücksichtigt. Vom Vater erbt man den Familiennamen, von Vater und Mutter das Ansehen, das mit diesem Familiennamen verknüpft ist, wie beispielsweise Intelligenz, aber auch Feigheit und Aggressivität.

Alle Kinder, Söhne und Töchter, erben zu gleichen Teilen von ihren Eltern, es werden auch keine Unterschiede zwischen legitimen und illegitimen Kindern gemacht, genauso werden adoptierte Kinder berücksichtigt.

Durch diese Art der Vererbung wird das Land immer mehr aufgesplittert, in Minahasa existiert jedoch die Idee, dass das geteilte Land wieder vereint werden soll. Deswegen zahlt oft einer der Erben die anderen aus.

Es gibt auch Gebiete, Ländereien oder, beispielsweise auch ein Haus, die nicht unter den Erben aufgeteilt werden, sie werden als Gesamtes an die ganze Familie vererbt. Diese Gebiete heißen kalakeran, sie können zu einer Art Treffpunkt für die ganze Familie werden, aber auch von einem Familienmitglied alleine genutzt werden. Es wird als sehr wichtig empfunden, einen solchen Ort zu haben, der die Familienbande symbolisiert. Kalakeran-Gebiete können auch mit der Zeit wieder in den Privatbesitz übergehen.

Wenn zwei Personen heiraten, behalten sie das Land, das sie geerbt haben und, wenn sie während ihrer Ehe gemeinsam Grundstücke erwerben, gehören sie ihnen zusammen. Sollten sie sich scheiden lassen, behält jeder von ihnen sein geerbtes Land, das gemeinsame Eigentum wird unter ihnen aufgeteilt.

[...]

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Details

Titel
Soziale Organisation in Minahasa. Verwandtschaftsbeziehungen und das Mapalus-System
Hochschule
Ruprecht-Karls-Universität Heidelberg  (Institut für Ethnologie)
Note
1,7
Autor
Jahr
2002
Seiten
13
Katalognummer
V463261
ISBN (eBook)
9783668926684
ISBN (Buch)
9783668926691
Sprache
Deutsch
Schlagworte
Indonesien, Verwandtschaftsbeziehungen, kinship, Minahasa, Kolonien
Arbeit zitieren
Julia Peemöller (Autor:in), 2002, Soziale Organisation in Minahasa. Verwandtschaftsbeziehungen und das Mapalus-System, München, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/463261

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