Leseprobe
Inhalt
0. Einleitung
1. Klassik
1.1 Der Begriff der Klassik
1.2 Klassik als Epoche
1.2.1 historischer Kontext zur Epoche der Klassik
1.3 Vergleich Romantik und Klassik
2. Humanität und der klassische Mensch für Goethe
3. Die Klassik in der Iphigenie auf Tauris
3.1 kurze inhaltliche Gliederung des Werkes
4. Schluss
5. Literaturliste
0. Einleitung
Johann Wolfgang von Goethe (1749-1832) und Friedrich Schiller (1759-1805) gelten als zwei der größten Dichter der deutschen Sprache. Während der Schulzeit kommt kein Schüler darum herum, diese beiden Persönlichkeiten kennen zu lernen. Noch heute werden durch viele Denkmäler, Theateraufführungen, Bücher, Gemälde, Filme und Namensgebungen von Straßen oder Gebäuden an sie und ihre geschaffenen Werke erinnert. Sie gelten als Meilenstein der deutschen Literatur und werden in vielen Ländern dieser Welt für ihr Schaffen verehrt. Ihre unzähligen Werke sind bis heute sehr bekannt und man kann sagen, dass durch die Dichter Goethe und Schiller Deutschland ein großes Kulturgut erhalten hat.
Obwohl Goethe und Schiller vor allem in den Epochen des Sturm und Drang und der Romantik gearbeitet haben, sagt unter anderem Volker C. Dörr, dass nicht zu Letzt Goethes Iphigenie auf Tauris, die schon 1776 in Rom fertiggestellt wurde, nicht zu Unrecht als eines der klassischen Dramen schlechthin gilt1. Doch warum ist das so? Was macht dieses Werk zu einem klassischen Drama und was genau ist die Klassik, da sie als Epoche beinahe parallel zur Romantik verläuft? Vor allem der Hauptfigur, Iphigenie, wird nachgesagt, dass sie die klassischen Ideale in sich vereint. In meiner Hausarbeit untersuche ich, inwieweit die Kriterien der Klassik in Goethes Iphigenie auf Tauris zu finden sind. Dabei werde ich mich in erster Linie auf die Versfassung dieses Werkes von Johann Wolfgang von Goethe aus dem Jahr 1787 beziehen. Dieses Schauspiel und die zusätzlich verwendete Literatur kann in meiner Literaturliste nachvollzogen werden.
1. Klassik
Um genauer zu verstehen und analysieren zu können, inwieweit die Iphigenie auf Tauris die Klassik verkörpert, muss zuerst untersucht werden, was unter dem Begriff der Klassik genau zu verstehen ist. Generell gibt es laut Rolf Selbermann2 drei Gebrauchsformen der Klassik: die historische, die auf die Antike zurückgreift und die normative, die als Verhaltensmuster dienen soll. Die dritte Gebrauchsform ist die des Epochenbegriffs, in welcher ein Zeitraum eingeschränkt wird.
1.1 Der Begriff der Klassik
Während der Duden3 die Klassik als „Kultur und Kunst der griechisch-römischen Antike“, „ Epoche kultureller Höchstleistung“ oder „ Epoche, die sich Kultur und Kunst der Antike zum Vorbild genommen hat“ umschreibt, gibt es in jedem literarischen Werk andere Umschreibungen für den Begriff der Klassik.
Allgemein lässt sich sagen, dass es zunächst ein politischer Begriff war. Er wurde zuerst im alten Rom mit dem Begriff civis classicus (lat.) benutzt, was eine Umschreibung für einen Angehörigen der höchsten oder ersten Steuerklasse war. Somit lässt sich schlussfolgern, dass die Klassik ein Synonym für etwas Höheres oder Besonderes darstellt. Später kam die Bezeichnung des scriptor classicus (lat.) hinzu. Hierbei handelte es sich um einen Autor, der die Norm erfüllte oder als Vorbild für den richtigen Gebrauch der Sprache galt. Ab dem 18. Jahrhundert dient die Klassik als Synonym für die vorbildliche Antike, hier ist vor allem die griechische Kultur gemeint. Dabei ist sie gleichzusetzen mit den Adjektiven vorbildlich, musterhaft und der reinen Harmonie.
Noch heute reden wir oft von den sogenannten Klassikern, die wir beispielsweise im Unterricht behandeln. Zu Ihnen gehören Texte von Goethe und Schiller im Deutschunterricht ebenso wie von Immanuel Kant und Platon im Ethikunterricht. Es handelt sich um jene Werke, die traditionell behandelt werden, weil sie besondere oder typische Merkmale aufweisen oder für die Leser bzw. Schüler als Vorbild gelten sollen und dabei so zeitlos sind, dass sie in jeder Generation genutzt werden können.
1.2 Klassik als Epoche
Die Klassik als Epoche der deutschen Literatur erstreckt sich über den Zeitraum von 1786-18324. Sie umfasst die Zeitspanne vom Beginn der Italienreise von Johann Wolfgang bis zu seinem Tod. Somit ist deutlich zu erkennen, dass dieser Dichter ein wichtiger Vertreter dieser Epoche darstellt. Zumeist wird die Klassik in Deutschland, speziell die Weimarer Klassik, als Zeitraum der engen Freundschaft zwischen Goethe und Schiller verstanden. Diese beiden Dichter prägen den Begriff der Klassik. Dieser Umstand wird als Commercium bezeichnet. Volker C. Dörr5 sagt, dass Schiller in seinen Briefen an Goethe zweimal vom gemeinsamen Commercium gesprochen habe. Es lässt sich schlussfolgern, dass dieser Begriff ein Synonym für den Briefwechsel und die Freundschaft dieser beiden Männer darstellt. Dennoch ist es sicherlich nicht möglich, eine ganze Epoche nur nach dem Wirken zweier Männer zu definieren. Aus diesem Grund wird die Klassik als Epoche oftmals stark kritisiert. Zudem verläuft die Epoche der Romantik in dem Zeitraum 1797-18356 fast parallel. Hinzuzufügen ist, dass der Prozess der Aufklärung zu dieser Zeit noch nicht abgeschlossen war, da um 1800 noch Aufklärungsliteratur entstand. Dadurch kann die Klassik nicht als alleinstehende Epoche betrachtet werden. Während sich die Romantik mit allen fantasievollen und unwirklichen Dingen beschäftigte und der Ausdruck der Gefühle und der Natur betont wird, steht in der Klassik die Vernunft im Vordergrund. Gefühle und Leidenschaften sollen nach außen hin so gering wie möglich gehalten werden. Beide Epochen haben durchaus ihre Berührungspunkte. Sowohl die Vertreter der Klassik, als auch der Romantik reagieren mit ihren Werken, Stücken und Beiträgen auf die Veränderungen in der bürgerlichen Gesellschaft, die sich um 1800 entwickelten. Doch was genau ist zu dieser Zeit passiert?
1.2.1 historischer Kontext zur Epoche der Klassik
Um 1800 war Deutschland keine geeinte Nation. Es gab etwa 314 Splitterstaaten, die zu großer kultureller Vielfalt im Heiligen römischen Reich deutscher Nationen führten. Grund dafür war, dass jeder Herrscher über sein Territorium andere Gesetze schaffen und durchsetzen konnte. Dies führte zu politischen, sprachlichen, wirtschaftlichen und sozialen Ungleichheiten. Jedoch trug der Buchdruck und somit der Verkauf von Büchern und Zeitschriften dazu bei, die Ideen der Aufklärung zu verbreiten. In Salons wurde über politische Themen diskutiert. Es wurden Museen gegründet, um das Wissen zu sichern und der Bevölkerung Bildung zu ermöglichen. Somit hatten es Dichter wie Goethe im Vergleich zu den Jahrzehnten zuvor relativ leicht, ihre Gedanken und Texte zu verbreiten.
Auch die Französische Revolution (1789-17947 ) und die napoleonische Fremdherrschaft wirkten sich auf Deutschland und deren Bevölkerung aus. Das Heilige römische Reich deutscher Nationen gab es nicht mehr. Es wurde unter anderem durch den Rheinbund ersetzt. Die Kirche musste viel Macht abgeben und war nur noch für die Seelsorge zuständig. Dies führte zu Entwicklungen, die teilweise bis heute zu spüren sind. So entschied über die soziale Stellung nicht mehr nur der Stand, in den man geboren wurde, da das Ständemodell abgelöst wurde. Gesellschaftliche Auf- und Abstiege waren also möglich. Die Bevölkerung Deutschlands begann eine Nation zu werden. Dies wurde dadurch erleichtert, dass es keine Splitterterritorien mehr gab. Frankreich wurde das neue Leitbild für Deutschland. Man schuf soziale Systeme, wie Politik, Wirtschaft und Recht, die miteinander kommunizierten und sich gegenseitig überwachten, indem sie die eigens aufgestellten Regeln kontrollierten. Es wurden neue Reformen geschaffen, die dazu beitrugen, die Wirtschaft Deutschlands voranzutreiben. Wirtschaftlich gesehen war Deutschland vor diesen Veränderungen sehr rückständig, da die Folgen des 30jährigen Krieges auch noch 100 Jahre später spürbar waren. Dieses Land hatte in der Vergangenheit viele brutale und kriegerische Erfahrungen machen müssen. Obwohl die daraus entstandenen Neuerungen für Deutschland durchaus positiv waren, vertraten die romantischen und klassischen Dichter alle ein und dieselbe Meinung: sie hegten Sympathie für die Ideen der französischen Revolution, jedoch war die Umsetzung dieser entgegen aller Vernunft. Sie lehnten die Gewalt ab und hätten lieber eine Evolution anstelle der Revolution gehabt. Deshalb entschieden sich die Vertreter dieser Epochen dazu, nach Harmonie und Sittlichkeit zu streben. Sie entwickelten ein „kulturpädagogisches Programm zur ästhetischen Erziehung des Menschen“8. Ziel dessen war es, den Menschen zu bilden und durch eine Erziehung zur Humanität einen ästhetischen Menschen, der nach Vernunft handelt, zu schaffen. Die Französische Revolution ist also mitverantwortlich für das Entstehen dieser beiden Epochen.
1.3 Vergleich Romantik und Klassik
Trotz ihrer Gemeinsamkeiten haben die Epochen der Klassik und Romantik durchaus Unterschiede, sodass viele Literaturwissenschaftler, wie Rolf Selbmann der Meinung sind, man könne den Begriff der Klassik auch in Goethezeit ändern9. Schulbücher hingegen schreiben, dass man die Romantik und die Klassik auch einfach als Literatur um 1800 10 bezeichnen sollte, damit es keine Verwirrungen bezüglich der richtigen Zuordnung von Werken gibt. Dies erscheint mir als durchaus sinnvoller, da Goethe trotz seines Schaffens nicht der einzige Dichter in dieser Zeit war und es noch andere großartige Denker wie ihn gab. Deshalb ist es schwierig eine Begründung zu finden, weshalb man diese Zeit nun, wenn es nach Herrn Rolf Selbmann11 geht, Goethezeit nennen sollte. Ebenfalls denkbar wären Schiller-, Herder-, oder Hölderlinzeit, die alle ebenfalls wichtige literarische Beiträge und Werke verfassten. Es ist sicherlich schwierig den richtigen Begriff für diese Zeit zu finden und deshalb hat man diese Epochen parallel zu einander existieren lassen, da sie unterschiedliche Merkmale aufweisen.
Es ist jedoch anzumerken, dass Epochen erst nach ihrer festgelegten Zeitspanne von Literaturwissenschaftlern, Historikern und Experten benannt und durch Merkmale in einer begrenzten Zeit definiert werden. Kein Autor und kein Mensch könnte in der Zeit in der er lebt, den richtigen Begriff bzw. Titel seiner Epoche nennen. Auch Johann Wolfgang von Goethe verwendete nie den Begriff der Klassik, während er die antiken Ideale für seine Werke adaptierte. Er bezeichnete diese Ideale eher als klassisch12. Epochen gelten also als historische Hilfsbegriffe und werden erst später konstruiert. Grund dafür ist, dass es den Menschen leichter gemacht wird, Werke und Literatur in die richtige Zeit einzuordnen und zu verstehen, warum der Autor eine bestimmte Intuition oder Schreibweise verfolgt. Jedoch gibt es oft Verwirrung, wie beispielsweise mit der beinahe parallelen Existenz der Epochen der Romantik und Klassik. Deshalb sollte man sich nicht zu sehr auf die Epochen versteifen und in Werken besonders nach den für die Epoche spezifischen Merkmalen suchen. Es kann durchaus vorkommen, dass es Merkmale gibt, die abweichend der eigentlich festgelegten Epoche sind oder in mehrere Epochen, die zu ähnlicher Zeit verliefen, passen.
Wolfgang Aleker hat mit seinen Mitarbeiterinnen mit folgenden, sehr treffenden Worten gut zusammengefasst, was ich zuvor erörtert habe: „ Klassik ist also zweierlei: Sie ist eine überzeitliche Norm, die zur verlässlichen Orientierung dient, die bildet und Bildungsgut wird, aber andererseits ist sie durch die Fixierung auf die Autoren Goethe und Schiller zugleich auch ein historisches Phänomen.“13
2. Humanität und der klassische Mensch für Goethe
Da die Epoche der Klassik sehr stark an der antiken Kunst und deren Idealen und Verhaltensweisen orientiert ist, bekannte man sich in Deutschland zum vollkommenden Menschen und zur Humanität und wollte durch Werke wie Iphigenie auf Tauris dazu ermutigen, nach diesem Ideal zu handeln. Doch was bedeutet für Goethe Humanität und der vollkommende Mensch? Wie muss für Goethe ein solcher Mensch handeln?
Durch die Reise nach Italien lernte der Autor die antike Kunst und Kultur genau kennen und adaptierte sie oft in seine Werke. Er arbeitete mehr als sieben Jahre an der Iphigenie auf Tauris, bis er sie schließlich 1779 fertigstellte. Er bezeichnet dieses Stück selbst als „ganz verteufelt human“14 Die Antike diente in diesem Stück sehr stark als Vorbild. Dabei veränderte Goethe jedoch die einstigen Sagen um Iphigenie etwas, denn er war nicht der erste, der ihre Geschichte niederschrieb. Autoren wie Euripides und Sophokles hatten dies vor ihm getan. Der hauptsächliche Unterschied zwischen Goethes Fassung und der von, beispielsweise, Euripides ist, dass bei Goethe der Mensch als freies und autonomes Wesen sein Handeln selbstbestimmt. Dies tut er mithilfe der Humanität und Vernunft, welche in der Klassik wichtige Ideale darstellen. Bei Euripides bestimmten die Götter das Schicksal. Sie spielen jedoch bei Goethe nur eine untergeordnete Rolle und greifen nicht direkt in die Entscheidungen der Menschen ein. Goethe arbeitet stark nach dem Pantheismus, in welchem das Göttliche in der weltlichen Atmosphäre, also in allem Seienden vorhanden ist. Somit ist der Mensch nichts weiter, als ein Abbild Gottes. Um als eine gute Kopie Gottes zu gelten, muss der Mensch in Goethes Werken sittlich und dem antiken Vorbild getreu durch die Vernunft handeln. Das Reine, Schöne und Wahrhaftige sind Umschreibungen für den ästhetisch, humanen Menschen in Goethes Werken. Während die Personen in romantischen Werken von Gefühlen geprägt sind und diese sehr deutlich zeigen, stehen diese lustvollen Äußerungen in der Klassik im Hintergrund. Natürlich fühlen auch die Charaktere der klassischen Literatur, jedoch erfährt der Leser oder Zuschauer eines Stückes dies nur durch die inneren Monologe, die vorgetragen werden. In den Dialogen haben sich die idealen klassischen Akteure im Griff und handeln stets sittlich und ohne Gewalt oder Zorn. Sie entscheiden gemäß der Vernunft, welche Goethe sicherlich neben dem antiken Vorbild auch aus der Zeit der Aufklärung geschöpft hat.
[...]
1 Dörr, Volker C.(Hrsg.)2007: Weimarer Klassik.1.Aufl. Paderborn: UTB (Literaturwissenschaft elementar)
2 Selbermann, Rolf (Hg.) 2005: Deutsche Klassik. Paderborn: UTB (Kultur Kompakt)
3 Klassik aus Duden online. URL: https://www.duden.de/node/655511/revisions/1619359/view, zuletzt aufgerufen am 28.02.2018, 21:28 Uhr
4 Huber,Judith; Sabinger, Mia; Niemuth-Engelmann,Susanne (Hg.) (o.Jahr):Klassik(1786-1832).die Epoche der Klassik,https://www.inhaltsangabe.de/wissen/literatureochen/klassik/. zuletzt geprüft am 14.02.2018,19:00 Uhr
5 Dörr, Volker C. (Hrsg.) 2007: Weimarer Klassik.1.Aufl. Paderborn: UTB (Literaturwissenschaft elementar)
6 Aleker,Wolfgang; Krebsbach,Kirsten; Kuntz, Elfriede 2010: Blickfeld Deutsch. Oberstufe.5. Auflage. Paderborn: Westermannverlag
7 Teubner-Nicolai, Gabriele (2004): Abiturwissen kompakt Geschichte. Berlin: CorneslenVerlag in Abiturwissen kompakt.
8 Greif, Stefan (Hg.)2008: Arbeitsbuch Deutsche Klassik.1.Auflage.Paderborn:UTB (Literaturwissenschaft)
9 Selbmann, Rolf (Hg.) (2005): Deutsche Klassik. Paderborn: UTB (Kultur Kompakt).
10 Aleker, Wolfgang; Krebsbach, Kirsten; Kuntz, Elfriede (2010): Blickfeld Deutsch. Oberstufe. 5. Aufl. Paderborn: Westermannverlag
11 Selbmann, Rolf (Hg.) (2005): Deutsche Klassik. Paderborn: UTB (Kultur Kompakt).
12 Dörr, Volker C.(Hrsg.)2007: Weimarer Klassik.1.Aufl. Paderborn: UTB (Literaturwissenschaft elementar)
13 Aleker, Wolfgang; Krebsbach, Kirsten; Kuntz, Elfriede (2010): Blickfeld Deutsch. Oberstufe. 5. Auflage. Paderborn: Westermannverlag
14 Goethe, Johann Wolfgang: Briefwechsel zwischen Schiller und Goethe. 2011. Projekt Gutenberg. Hamburg