Argumentation in Kommentaren


Hausarbeit, 2017

14 Seiten, Note: 1,3


Leseprobe


Inhaltsverzeichnis

1. Einleitung

2. Thematische Entfaltung von Texten

3. Das Argumentationsschema von Toulimin

4. Textstrukturelle Kategorien in Kommentaren
4.1 Einbettung und Wertbasis nach Brinker
4.2 Orientierung und Opponent nach Lüger

5. Fazit

6. Literaturverzeichnis

1. Einleitung

In journalistischen Publikationsmedien – speziell in der Zeitung, aber auch im Fernsehen und im Radio – nimmt der Kommentar eine besondere Stellung ein. Häufig wird bereits optisch (oder im Radio: akustisch) signalisiert, dass dieser sich von anderen Beiträgen abgrenzt. Der Hintergrund ist klar: Auch wenn sich in anderen Textformen ebenfalls oft Meinungstendenzen herauslesen lassen, so ist es doch eigentlich in erster Linie der Kommentar, der es dem Autor ermöglicht, seine eigene Meinung sachlich widerzugeben und die Rezipienten von seinen Argumenten zu überzeugen. Ein großes Werk, das sich mit sprachlichen Phänomen in der Pressesprache auseinandersetzt, stammt von Lüger. Der für diese Arbeit bedeutsame Teil über die journalistische Textsorte Kommentar erschien auch als Aufsatz.1

Diese Arbeit wird sich mit der Frage beschäftigen, auf welche Weise in Kommentaren argumentiert wird, also welche Textstruktur für diese Textsorte charakteristisch ist. Ein ausführliches Werk zur Einführung in die linguistische Textanalyse stammt von Klaus Brinker, Hermann Cölfen und Steffen Pappert.2 Brinker u.a. unterscheiden hinsichtlich der Textstruktur zwischen der grammatischen und der thematischen Ebene.3 Für diese Arbeit relevant ist letztere, wobei der Fokus auf die von Brinker u.a. beschriebene thematische Entfaltung gerichtet wird. Es wird also nach logisch-semantisch definierbaren Kategorien in der Textsorte Kommentar gesucht, die beschreiben, wie einzelne Textsegmente in Relation zum Gesamtthema des Textes stehen.4 Also: Nach welchem (wiederkehrenden) Schema wollen die Emittenten die Rezipienten von ihrem Standpunkt überzeugen?

In der linguistischen Forschung gibt es bereits verschiedene Schemata, nach denen argumentative Texte – zu denen Kommentare gehören – kategorisiert werden können. Eine Auswahl der dort angewendeten Kategorien soll nachfolgend anhand einer textstrukturellen Analyse eines Kommentars auf ihre Funktionalität überprüft werden. Dabei sollen die verschiedenen Textelemente identifiziert werden. Darüber hinaus soll überprüft werden, ob Kommentare tatsächlich ausschließlich argumentativ entfaltet werden, oder ob sich Argumente auch in anderen Formen formulieren und auf schlagkräftige Weise untermauern lassen.

2. Thematische Entfaltung von Texten

Brinker u.a. gehen davon aus, „dass sich der Textinhalt (die ‚Gesamtformation‘ eines Textes) als Ergebnis eines ‚Ableitungsprozesses‘ auffassen lässt.“5 Sie nehmen an, dass es Prinzipien gibt, nach denen sich der Inhalt eines Textes von einem Grundthema ausgehend erschließen lässt. Wie genau das Zusammenspiel von Textthema und der Entfaltung funktioniert, kann an dieser Stelle nicht ausführlich erläutert werden.6 Wichtig im Kontext dieser Arbeit ist, dass Brinker u.a. nach verschiedenen Grundformen der thematischen Entfaltung unterscheiden: der argumentativen, der deskriptiven, der narrativen und der explikativen.7 Es steht zu erwarten, dass der Fokus in einer Arbeit über Kommentare hauptsächlich auf die argumentative Themenentfaltung gerichtet sein wird. Brinker weist allerdings darauf hin, dass Kommentare in Abschnitten auch deskriptiv entfaltet sein könnten.8 Dieser interessante Aspekt wird an späterer Stelle noch einmal aufzugreifen sein. Entscheidend wird jedoch sein, jene Kategorien zu identifizieren, die sich innerhalb der Grundformen der thematischen Entfaltung als charakteristisch erweisen und sich unabhängig vom Thema aufgrund ihrer Eigenschaften zuordnen lassen.

Lüger kategorisiert den journalistischen Kommentar zunächst grundsätzlich als meinungsbetonten Text, der darauf abzielt, „beim Adressaten bestimmte Einstellungen zu fördern oder zu verändern.“9 Der Emittent unterstützt also einen Standpunkt und versucht seine Ausführungen so darzulegen, dass er den Rezipienten ebenfalls davon überzeugen kann. Lüger sieht hier ein Zusammenspielt von Rechtfertigungen und Begründungen, die in eine argumentative Textstruktur münden. Um eine solche zu identifizieren, nennt er als einfaches Schema den Syllogismus, bei dem eine Schlussfolgerung aus einer allgemeingültigen Prämisse und einer konkreten Unterprämisse gezogen wird.10 Vorausgreifend auf den Kommentar, der nachfolgend in dieser Arbeit besprochen wird, würde sich das Schema so umsetzen lassen:

Allgemeingültige Prämisse: Wenn Menschen durch äußere Einwirkungen Leid erfahren, muss die Verantwortlichkeit dafür gerichtlich geklärt werden. Unterprämisse: Die Loveparade-Katastrophe hat bei Menschen Leid verursacht.

Schlussfolgerung: Ein Gerichtsprozess muss die Verantwortlichkeit für die Loveparade-Katastrophe klären.

Es handelt sich beim Syllogismus also um eine ganz einfache Form der Argumentation, die aber immerhin jenes von Lüger beschriebenes Zusammenspiel von Rechtfertigungen und Begründungen bestätigt. Allerdings, und das wird man wohl auch ohne ausführliche Analyse behaupten dürfen, ist der Aufbau der Argumentationsstruktur in Kommentaren in der Regel durchaus etwas komplexer, als dass er mit dem Syllogismus ausreichend beschrieben wäre. Für besser geeignet, weil flexibler anwendbar, hält Lüger daher das Argumentationsmodell nach Toulmin.11 Auf das stützt sich auch das Verfahren von Brinker. Beide ergänzen dieses Schema jedoch noch um einige weitere Kategorien.

3. Das Argumentationsschema von Toulmin

Bevor eine Auseinandersetzung mit den textstrukturellen Kategorien von Brinker und Lüger Sinn macht, soll es daher nun zunächst um das Toulminsche Argumentationsschema gehen, das auf das Jahr 1958 zurückgeht. In seiner ursprünglichen Form werden in diesem Modell These, Argumente, Schlussregel, Stützung, Modaloperator und Ausnahmebedingung berücksichtigt. Die Schlussregel besagt dabei: Wenn die Argumente gelten, muss man annehmen, dass die These gegeben ist. Dabei kann die Schlussregel durch den Verweis auf Regeln, Gesetze, Normen und Werte gestützt (Stützung) werden. Der Modaloperator gibt an, mit welcher Wahrscheinlichkeit die These gilt. Die Ausnahmeregel verweist auf mögliche Einschränkungen bezüglich der Gültigkeit der Schlussregel.12 Anhand des nachfolgenden Kommentars soll überprüft werden, ob sich die genannten Kategorien wiederfinden lassen:

(1)

Loveparade-Unglück

Der Anspruch der Opfer

[1] Gestorben sind 21 Menschen, Hunderte haben Verletzungen davongetragen, manche von ihnen wurden fürs Leben gezeichnet. [2] Fast sieben Jahre sind seit dem Loveparade-Unglück von Duisburg vergangen. [3] 60 000 Seiten Akten, vier Jahre Ermittlungen, fast drei Jahre gerichtlicher Streit über deren Ergebnisse – [3a] doch wer die Verantwortung für das Leid der Opfer trägt, ist immer noch nicht klar. [4] Womöglich wird sich eine rechtliche Schuld niemals jemandem zuschreiben lassen, nicht den Veranstaltern, nicht den Sicherheitsplanern der Stadt, nicht der Polizei. [5] Doch immerhin hat das Landesgericht Düsseldorf jetzt sichergestellt, dass es wenigstens versucht wird, und den Duisburger Richtern unmissverständlich klargemacht: Dieser Aufgabe dürfen sie sich nicht entziehen. [6] Und das ist richtig so. [7] Natürlich hat die Anklage, die das Duisburger Landgericht nicht zulassen wollte, ihre Lücken. [8] Sie klammert die Rolle der Polizei weitgehend aus, das zentrale Gutachten eines britischen Experten ist sicher kein Vorbild professoraler Gründlichkeit. [9] Aber ob es zu gebrauchen ist, sollte eben nicht vor einem, sondern in einem Prozess entschieden werden. [10] Selbst wenn es am Ende für einen Schuldspruch nicht reicht: Auf diesen Prozess und auf dieses Urteil haben die Opfer und ihre Angehörigen einen Anspruch. [11] Auch wenn es bis dahin noch weitere Jahre dauert. (Jan Bielicki, Süddeutsche Zeitung vom 25. April 2017)

Die nachfolgende Tabelle zeigt auf, welche Zuordnungen zu den Toulminschen Kategorien sinnvoll erscheinen:

Die These des Autors ist relativ einfach zu identifizieren. Er hält es für nötig, dass es einen Prozess gibt, der versucht, die Loveparade-Katastrophe aufzuklären. Wichtigstes Argument ist die Tatsache, dass noch immer nicht klar ist, wer dafür verantwortlich ist. Zudem solle der Prozess klären, ob und wozu das Gutachten des britischen Experten zu gebrauchen ist. Wenn diese beiden Argumente gelten, dann muss die These, nämlich, dass es einen Prozess geben muss, nach dem Toulminschen Modell gegeben sein. Gestützt wird die Schlussregel durch die Aussage, dass Opfer und Angehörige einen Anspruch auf diesen Prozess hätten. Mindestens in den Normen und Werten unserer Gesellschaft ist dieser Gedanke verankert, und offenbar auch in den Gesetzen. Sonst hätten die Richter des Landesgerichts ja nicht so entschieden. Die Aussage, dass es richtig sei, dass die Duisburger Richter sich dem Prozess nicht entziehen dürfen, ist hier wohl Modaloperator. Der Autor lässt dadurch keinen Zweifel aufkommen und stellt seine These mit 100 prozentiger Wahrscheinlichkeit als korrekt dar. Diese Analyse zeigt: Das Argumentationsschema von Toulmin lässt sich durchaus auf Pressekommentare anwenden. Allerdings bleiben auch Fragen offen. Eine Ausnahmeregel lässt sich in diesem Kommentar nicht identifizieren. Zudem könnte man durchaus überlegen, ob das Auslassen weiterer expliziter Modaloperatoren nicht auch eine Wertung ist, der Autor in diesem Fall also noch über [6] hinaus seine These als Fakt darstellt. Trotzdem dürfen Überlegungen angestellt werden, ob die beiden letztgenannten Kategorien wichtige charakteristische Eigenschaften in Kommentaren darstellen. Viel interessanter ist es jedoch, zu überprüfen, ob jene Textsegmente, die hier nun nicht kategorisiert wurden, nicht ebenfalls charakteristisch für einen Kommentar sind und sich somit eine explizite Benennung verdient haben.

[...]


1 Vgl. Lüger (1995b), zur Funktion von journalistischen Textsorten insbesondere Kapitel 4, S. 77-151 sowie Lüger (1995a).

2 Brinker u.a. (2014).

3 Ebd., S. 24.

4 Ebd., S. 57.

5 Ebd., S. 24.

6 Dazu ausführlich Brinker u.a. (2014), S. 52ff. Mit der Thematik auseinander setzt sich auch Brinker

(1994).

7 Brinker u.a. (2014), S. 60ff.

8 Ebd., S. 78

9 Lüger (1995a), S. 111.

10 Ebd., S. 112.

11 Ebd., S. 113.

12 Vgl. ebd, S. 73. und Toulmin (1958), S. 97ff.

Ende der Leseprobe aus 14 Seiten

Details

Titel
Argumentation in Kommentaren
Hochschule
Universität Duisburg-Essen
Note
1,3
Autor
Jahr
2017
Seiten
14
Katalognummer
V463741
ISBN (eBook)
9783668929050
ISBN (Buch)
9783668929067
Sprache
Deutsch
Schlagworte
argumentation, kommentaren
Arbeit zitieren
Marcel Kling (Autor:in), 2017, Argumentation in Kommentaren, München, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/463741

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