Vorbereitung eines Bestrahlungsplatzes für die Behandlung von Hauttumoren mit Protonen am Tandembeschleuniger Garching


Diplomarbeit, 2002

93 Seiten, Note: 1,3


Leseprobe


Inhaltsverzeichnis

Abbildungsverzeichnis

Tabellenverzeichnis

1. Tumorerkrankungen und -behandlung
1.1 Krebsstatistik in Deutschland
1.2 Therapieansätze
1.3 Protonentherapie

2. Wechselwirkung von Protonen mit Gewebe
2.1 Dosimetrische Grundlagen
2.2 Die Tiefendosiskurve beschleunigter Ionen in Materie
2.3 Biologische Wirkung von Protonenstrahlung
2.3.1 Deterministische Wirkungen
2.3.2 Stochastische Wirkungen

3. Tumortherapie mit Protonen
3.1 Vorteile der Tumortherapie gegenüber der Therapie mit Röntgen- strahlen
3.2 Ablauf einer Tumortherapie mit Protonen

4. Beschreibung der vorhandenen Geräte und Einrichtungen
4.1 Tandem - van - de - Graaff Beschleuniger
4.2 Senkrechtstrahlplatz
4.2.1 Senkrechter Strahl
4.2.2 Strahlaufweitung
4.2.3 Strahlüberwachung
4.3 Messgeräte
4.3.1 Markuskammer (PTW 23343)
4.3.2 Monitorkammern (PTW 7862)
4.3.3 PTW Unidos - Universaldosimeter (PTW 10001)
4.3.4 Der Monitordetektor

5. Doppelte Dosimetrie mit zwei Monitorkammern
5.1 Versuchsaufbau und verwendete Geräte
5.2 Messung des Strahlprofils
5.3 Vermessung der Tiefendosiskurven in drei Kammern
5.4 Protonenflussmessung mit den Monitorkammern
5.4.1 Vorüberlegungen
5.4.2 Experimentelle Bestimmung des LTF - Faktors
5.4.3 Abschätzung des Einflusses der Form des Strahl- profils
5.4.4 Untersuchung des Zeitverhaltens des LTF - Faktors

6. Entwicklung einer Prozedur zur Bestrahlungskontrolle mit den Monitorkammern
6.1 Einstellungen des Tandembeschleunigers
6.2 Aufbau des Dosismonitorsystems
6.3 Äußere Messbedingungen
6.4 Bestimmung der Stopping - Power im Target
6.5 Bestimmung des LTF - Faktors
6.6 Vorbereitung der Bestrahlung
6.7 Zusammenfassung

7. Bestrahlung von Zellproben

8. Zusammenfassung der Ergebnisse

Anhang A Technische Daten und Abbildungen
Anhang B Grundlagen der Fehlerrechnung
Anhang C Sicherheitsanforderungen nach IEC 60601-2-1

Literaturverzeichnis

Selbständigkeitserklärung

Abbildungsverzeichnis

Abbildung 1.1: Therapie von Tumorneuerkrankungen in Europa 1991

Abbildung 2.1: Tiefendosiskurven für Protonen unterschiedlicher Energien

Abbildung 2.2: Ablauf der Schädigung durch ionisierende Strahlung

Abbildung 2.3: Auftrittswahrscheinlichkeit von stochastischen und determinis- tischen Strahlenwirkungen in Abhängigkeit der verabreichten Dosis

Abbildung 3.1: Relative Tiefendosisverteilung von 200 MeV Protonen, 20 MeV Elektronen und 8 MV Photonen im Vergleich

Abbildung. 3.2: Rasterscan - Verfahren bei der GSI: Zerlegung des Tumors in Querschnittsflächen und Abtastung der Tumorquerschnitte mit dem Strahl

Abbildung 4.1: Übersichtsskizze des Tandembeschleunigers

Abbildung 4.2: Aufbau des Messplatzes am senkrechten Strahlrohr

Abbildung 5.1: Messanordnung, nicht am Austrittsfenster montiert

Abbildung 5.2: Strahlprofil in Richtung des Ablenkmagneten, vermessen am 26.8.2001

Abbildung 5.3: Strahlprofil in Richtung des Wobblingsystems, vermessen am 26.8.2001

Abbildung 5.4: Strahlprofil in Richtung des Ablenkmagneten, vermessen am 5.3.2002, exponentiell genähert

Abbildung 5.5: Vergleich der Tiefendosiskurven aller drei Ionisationskammern

Abbildung 5.6: Proportionalität der Messwerte von Markus- und Monitorkam- mer, ohne Abschwächer

Abbildung 5.7: Proportionalität der Messwerte von Markus- und Monitorkam- mer, mit Abschwächer

Abbildung 5.8: Zeitabhängigkeit des Monitorkammersignals, ohne Abschwächer

Abbildung 5.9: Zeitabhängigkeit des Monitorkammersignals, mit Abschwächer

Abbildung 5.10: Zeitliche Abhängigkeit des Faktors γ für unterschiedliche Protonenströme

Abbildung 5.11: Zeitverhalten von γ für lange Messzeiten, mit Abschwächer im Strahl

Abbildung 5.12: Relative Abweichung von γ vom Plateauwert in Abhängigkeit der Messzeit

Abbildung 7.1: Strahlprofil in Richtung der Wobblervorrichtung, vermessen am 6.3.2002

Abbildung 7.2: Applizierte Dosis 10 Gray, ohne Absorber

Abbildung 7.3: Applizierte Dosis 1 Gray, mit Absorber

Abbildung 7.4: Applizierte Dosis 0,5 Gray, mit Absorber

Abbildung 7.5: Abschätzung der applizierten Dosis für kurze Bestrahlungen

Abbildung A.1: Skizze der Markuskammer (PTW 23343)

Abbildung A.2: Konstruktionsskizze der Monitorkammern (PTW 7862)

Abbildung C.1: Der Behandlungsverlauf in normalem und im fehlerbedingten Ablauf

Tabellenverzeichnis

Tabelle 1.1: Etablierte Strahlenarten in der Radioonkologie

Tabelle 2.1: Konstanten und Variablen in der Bethe - Bloch - Formel (2.6)

Tabelle 5.1: Strahlprofil in Richtung des Ablenkmagneten: Auswirkung des Öff- nungsdurchmessers der eingesetzten Blende auf die Homogenität

Tabelle 5.2: Energieverluste in der Messanordnung und resultierende Stopping Power in der Markuskammer

Tabelle 5.3: Berechnete Faktoren und zugehörige relative Streuung

Tabelle 5.4: Strahlprofilabhängiger Umrechnungsfaktor für die Fluenzbestim- mung mit den Monitorkammern am 5.3.2002

Tabelle 5.5: Rein kammerabhängiger LTF - Faktor für die Fluenzbestimmung mit den Monitorkammern

Tabelle 5.6: Energieverluste in der Anordnung und resultierende Stopping Power in der Markuskammer

Tabelle 6.1: Prozedur zur Bestrahlungskontrolle mit den Monitorkammern

Tabelle 7.1: Energieverluste in der Anordnung und resultierende Stopping Power in der Markuskammer

Tabelle 7.2: Experimentell bestimmter Faktor γ (Plateauwert)

Tabelle 7.3: Vergleich der LTF - Faktoren aus allen Messungen

Tabelle A.1: Technische Daten der Markuskammer (PTW 23343)

Tabelle A.2: Werte und Fehlerabschätzungen für die Dosimetrie mit der Markus- kammer

Tabelle A.3: Technische Daten der Monitorkammern (PTW 7862)

Tabelle A.4: PTW-Unidos, Verwendete Messbereiche und ihre digitale Auflösung

1. Tumorerkrankungen und -behandlung

1.1 Krebsstatistik in Deutschland

Jedes Jahr erkranken in Deutschland etwa 350.000 Menschen an Krebs.1 Nur bei etwa 50 % aller Patienten kann eine Heilung erzielt werden,2 und allein 1999 starben über 210.800 Menschen in der BRD an den Folgen einer Tumorerkrankung. Somit ist Krebs in den westlichen Industrienationen die zweithäufigste Todesursache nach Herz - Kreis- lauferkrankungen.3 Nach Einschätzung von Experten wird die Zahl der Krebskranken in Deutschland künftig pro Jahr um 6.000 steigen. So werden Tumorerkrankungen in etwa 10 Jahren an der Spitze der Todesursachenstatistik stehen.4

Unter dem Oberbegriff Krebs werden eine Vielzahl von Erkrankungen zusammenge- fasst, die auf unkontrolliertes Zellwachstum zurückzuführen sind. Im Normalfall wird das Zellwachstum durch eine Reihe spezifischer Gene, sogenannte Onkogene, kontrol- liert, die das zelluläre Wachstum stoppen, sobald ein Organ seine normale Größe er- reicht hat. Kommt es in einer Zelle zu einer irreparablen Schädigung der Onkogene und wird diese defekte Zelle durch das Immunsystem nicht ausgeschaltet, tritt eine unkon- trollierte Teilung auf: ein Tumor wächst. Mit zunehmendem Alter nimmt die Effektivi- tät des Immunsystems ab. Da sich die Lebenserwartung in Deutschland in den letzten 150 Jahren verdoppelt hat und so der Bevölkerungsanteil alter Menschen zunimmt, kommt es zu dem oben erwähnten Anstieg von Tumorerkrankungen.5

1.2 Therapieansätze

Diese zu erwartende Zunahme von Krebserkrankungen zeigt, wie wichtig effektive The- rapiemöglichkeiten sind. Die moderne Krebsbehandlung stützt sich auf drei Säulen:

- Operation
- Strahlenbehandlung
- Medikamentöse Therapie mit zellwachstumshemmenden Substanzen.

Da es nicht "den" Krebs gibt, existiert natürlich auch nicht "die" Krebstherapie. Je nach Art des Tumors wird eine individuelle Kombination der drei Methoden angewandt.6

Die Operation, die älteste Methode in der Krebstherapie, stellt in der Regel die Grundlage der Behandlung dar. Wenn möglich wird der Tumor zusammen mit einer Sicherheitsschicht von umgebendem gesunden Gewebe entfernt. Durch die Einführung neuer Techniken, zum Beispiel der Lasertechnik, konnten die Operationsmethoden in den letzten Jahren so weit verbessert werden, dass heute fast überall im Körper auch komplizierte Eingriffe vorgenommen werden können. Die Grenze des Machbaren scheint indessen auf diesem Gebiet fast erreicht zu sein.7

Meistens reicht ein operativer Eingriff allein nicht zur erfolgreichen Tumorbekämpfung aus, sondern ist zusätzlich eine Strahlentherapie oder medikamentöse Behandlung nötig. Die Chirurgie versagt, wenn Tumore weit in empfindliches Gewebe, zum Beispiel im Gehirn, eingedrungen sind, oder wenn sich bereits Tochtertumore, sogenannte Metasta- sen, gebildet haben.

Die zweite Säule der Krebstherapie ist die Strahlenbehandlung, die ebenfalls schon lange im Einsatz ist. Schon 1899, vier Jahre nach der Entdeckung der gleichnamigen Strahlung durch W.C. Röntgen, wird von der ersten erfolgreichen Behandlung von Hautkrebs mit der elektromagnetischen Strahlung einer elektrischen Entladungsröhre berichtet.8 Erst in den letzten Jahren jedoch hat sich die Radioonkologie zu einer eigenständigen Disziplin entwickelt und eine rasante Weiterentwicklung erfahren. Strahlentherapie ist in der modernen Onkologie unterdessen üblich: fast 60 % aller Krebspatienten werden im Verlauf ihrer Krankheit damit behandelt.9

In der klinischen Strahlentherapie werden heute hauptsächlich drei Strahlungsarten ein gesetzt:

Tabelle 1.1: Etablierte Strahlenarten in der Radioonkologie10

Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten

Die etablierte Therapie mit Röntgenstrahlung führt zu Nebenwirkungen, die die Lebensqualität des Patienten erheblich mindern können, und im Bereich der bestrahlten Region treten oft Schmerzen auf. Strahlentherapie schädigt zwangsläufig auch gesundes Gewebe um den Tumor und ist in der Nähe kritischer Stellen wie Nerven, Gehirn oder Augen nur bedingt einsetzbar.

Im Gegensatz zur Operation und der Strahlentherapie ist die medikamentöse Therapie von Tumoren noch jung. Das erste Krebsmedikament wurde Ende der 40er Jahre entwi- ckelt. Seitdem ist eine Vielzahl neuer wirksamer Substanzen hinzugekommen. Meist werden Zellgifte, sogenannte Zytostatika, eingesetzt, die auf molekularer Ebene die Zellteilung stören. Das Behandlungsprinzip zielt nicht nur auf den erkrankten Bereich, sondern erfasst den gesamten Organismus (systemisch).11 Deshalb erstreckt sich die Wirkung der Zytostatika nicht nur auf die Tumorzellen sondern insbesondere auch auf solche gesunde Körperzellen, die sich häufig teilen. Das führt zu den häufigsten Ne- benwirkungen bzw. unerwünschten Wirkungen der Behandlung: Schädigung der Schleimhäute, der Haarwurzeln und des Knochenmarks und in der Folge Beschwerden im Bereich des Verdauungstrakts, Haarausfall und Veränderung der Blutwerte.12

Die Entwicklungen im Bereich der Tumortherapie haben in den letzten Jahren zu gro ßen Erfolgen geführt. Es gibt aber immer noch Krebsarten, bei denen die oben beschriebenen Methoden versagen.

Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten

Abbildung 1.1: Therapie von Tumorneuerkrankungen in Europa 1991

Quelle: Zahlen aus: Kraft, G. et al., Proton and Heavy Ion Beam Therapy, 2002

Abbildung 1.1 zeigt den Therapieverlauf der über 1.000.000 Tumorneuerkrankungen in Europa im Jahr 1991. In 42 % der Fälle handelte es sich zum Zeitpunkt der Diagnose um eine nicht - lokalisierte Tumorerkrankung, bei der also bereits Metastasen vorhan- den waren. In nur einem Achtel dieser Fälle konnte der Patient nach Chemotherapie mindestens fünf Jahre ohne Wiederauftreten eines Tumors überleben. In 58 % aller Neuerkrankungen wurde ein einziger, lokalisierter Tumor diagnostiziert. In ca. zwei Drittel dieser Fälle konnte eine erfolgreiche Behandlung durch etablierte Methoden erfolgen: Operation, Bestrahlung oder eine Kombination dieser beiden. Bei dem restlichen Drittel, also 18 % aller Neuerkrankungen, war eine Heilung nicht mög- lich. Es ist davon auszugehen, dass sich diese Verhältnisse mit neueren Methoden der letzten 10 Jahre nicht wesentlich verändert haben.

Die aufgeführten Zahlen zeigen die Notwendigkeit der Entwicklung neuer, effektiverer Therapieformen und der Weiterentwicklung etablierter Methoden. Neben der medika mentösen Behandlung bietet das Gebiet der Radioonkologie das größte Potential für neue Therapieansätze. Der Einsatz anderer Strahlenarten hat in den letzten Jahren zu- nehmend Beachtung gefunden. Ziel der Entwicklung auf diesem Gebiet ist, die Schädi- gung des Tumors zu erhöhen und gleichzeitig die Belastung des umliegenden gesunden Gewebes zu senken.

1.3 Protonentherapie

Bereits im Jahr 1946 wies R. Wilson von der Universität Berkeley in einem Artikel auf die möglichen Vorteile einer Anwendung von Protonen in der Medizin hin: [...] the specific ionization or dose is many times less where the proton enters the tissue at high energy than it is in the last centimeter of the path where the ion is brought to rest; [...] these properties make it possible to irradiate intensely a strictly localized region within the body, with but little skin dose; [...] since the range of the beam is easily controllable, precision exposure of well defined small volumes within the body will soon be feasible.13

In den folgenden Jahren erwiesen radiobiologische Studien, dass Protonenstrahlung eine exaktere Deponierung der Dosis in einem kleinen Zielvolumen ermöglichte, als dies mit Photonen der Fall war. Schon 1954 wurde der erste Patient am Lawrence Berkeley La- boratory, Berkeley, CA (USA) behandelt.14 Drei Jahre später wurde in Uppsala (Schweden) Protonentherapie angeboten. Das Harvard Cyclotron Laboratory in Zu- sammenarbeit mit dem Massachusetts General Hospital begann 1961 und behandelt bis heute Patienten. Zwischen 1977 und 1992 wurden 223 Patienten mit Schädelbasistumo- ren am Lawrence Berkeley Laboratory, Berkeley, CA (USA) mit Protonen therapiert.15 Im Jahr 1985 schlossen sich Mediziner, Physiker und Ingenieure zur Proton Therapy Cooperative Group, kurz PTCOG, zusammen, um die Protonentherapie weiter zu erfor- schen und zu fördern. 1988 wurde in Loma Linda, CA (USA) der Bau der ersten klini- schen Therapieeinrichtung mit Protonen begonnen. Im Oktober 1990 wurde dort der erste Patient bestrahlt.16

Die Protonentherapie hat sich also in erster Linie in den USA einen Platz in der Reihe der Behandlungsmethoden für Tumorerkrankungen gesichert. In Europa beschäftigen sich zur Zeit nur wenige Forschungszentren mit dieser Therapieform, obwohl das Po- tential groß ist.

Es ist zu erwarten, dass sich die Protonentherapie in den kommenden Jahren auch in Europa durchsetzen wird. Eine gründliche Erforschung der Dosimetrie von Protonen während einer Bestrahlung ist deshalb von großer Wichtigkeit, um die Patientensicher- heit gewährleisten zu können. Mit der Thematik einer Dosimetrievorrichtung für den konkreten Fall eines Bestrahlungsplatzes am Tandem - van - de - Graaff - Beschleuni- ger des Maier - Leibnitz - Laboratoriums der Münchner Universitäten beschäftigt sich die vorliegende Diplomarbeit.

2. Wechselwirkung von Protonen mit Gewebe

Die Dosimetrie liefert die grundlegenden Zusammenhänge, um die Wechselwirkung ionisierender Strahlung mit Materie zu beschreiben. Die in späteren Kapiteln benötigten Beziehungen werden in Abschnitt 2.1 dargelegt. Im Anschluss daran wird auf die Tie- fendosiskurve und auf die speziellen Prozesse bei der Wechselwirkung von Protonen mit Zellen eingegangen.

2.1 Dosimetrische Grundlagen

Jede Art ionisierender Strahlung gibt beim Durchdringen von Materie Energie ab. Pro- tonen werden auch als direkt ionisierende Teilchen bezeichnet, da sie aufgrund ihrer Ladung Atome oder Moleküle direkt in Stößen ionisieren können.17 Der grundlegende Parameter für die Beschreibung radiologischer Effekte ist die Dosis D, ein Maß für die in Materie absorbierte Energie ΔE pro Masseneinheit Δm.

Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten

Ist ρ die Dichte des absorbierenden Mediums, A die bestrahlte Fläche und Δx die Dicke des Mediums, dann lässt sich diese Beziehung auch in folgender Weise schreiben:

Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten

Weiter nimmt man an, dass sich die insgesamt absorbierte Energie ΔEges aus der Summe der Energieverluste pro Proton ΔEProton ergibt. Ist NProton die Gesamtzahl der das Medi um durchdringenden Protonen, so ergibt sich:

Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten

ist die Teilchenfluenz Φ durch das Medium, also die Gesamtzahl der Protonen, die die betrachtete Fläche A durchquert haben.

Das Integral des differentiellen Energieverlustes, der auch als Bremsvermögen oder Stopping Power bezeichnet wird, über den zurückgelegten Weg eines Teilchens durch das Medium liefert den Energieverlust ΔEProton:

Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten

Das Bremsvermögen ist energieabhängig. Da die Protonen beim Durchqueren einer Schicht kontinuierlich Energie verlieren, ändert sich auch der Wert des Bremsvermö gens. Der Quotient ΔEPr Schicht dar. oton Δx stellt also die mittlere Stopping Power in der betrachteten

Der differentielle Energieverlust kann näherungsweise mit Hilfe der Bethe - Bloch - Formel berechnet werden:18

Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten

Die verwendeten Parameter und Konstanten dieser Formel sind:

Tabelle 2.1: Konstanten und Variablen in der Bethe - Bloch - Formel (2.6)

Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten

Ieff Mittleres effektives Ionisationspotential des durchstrahlten Materialabhängig

Mediums

In früheren Versuchen zur Dosimetrie, die am Senkrechtstrahlplatz durchgeführt wurden, hat sich die Berechnung des Energieverlusts mit der Bethe - Bloch - Formel als gute Näherung erwiesen.19

Obige Betrachtungen berücksichtigen lediglich die physikalischen Vorgänge bei der Wechselwirkung ionisierender Strahlung mit Materie. Im Spezialfall von lebendem Gewebe weisen die verschiedenen Strahlungsarten Unterschiede in der Effektivität der Wechselwirkung auf. Dieser Tatsache wird in der Strahlenbiologie durch die relative biologische Wirksamkeit, kurz RBE (Relative Biological Effectiveness) Rechnung ge- tragen.

Per Definition ist die RBE das reziproke Verhältnis der Strahlendosis D der angewandten Strahlung zur Dosis D0 einer Referenzstrahlung (in der Regel60 Co - Gammastrahlung), wobei D und D0 denselben biologischen Schaden verursachen:20

Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten

Die RBE ist auch von der Gewebeart abhängig und kann nur durch klinische Studien ermittelt werden. Eine beschreibende Theorie existiert nicht. Auf die RBE von Protonen wird in Kapitel 3.1 näher eingegangen.

2.2 Die Tiefendosiskurve beschleunigter Ionen in Materie

Nach Gleichung (2.4) hängt die applizierte Dosis in einer Materialschicht von der Stop- ping Power in dieser Schicht ab, die wiederum eine Funktion der Geschwindigkeit des Protons ist (vgl. (2.6)). Die Wechselwirkung von beschleunigten Ionen mit Materie wird umso effektiver, je geringer die Energie des Ions ist. Mit zunehmender Eindringtiefe nimmt also die Geschwindigkeit durch den Energieverlust ab und die Stopping Power steigt.

Abbildung 2.1: Tiefendosiskurven für Protonen unterschiedlicher Energien 1,2

Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten

Wasserschichtdicke in mm

Aufgrund dieser Tatsache zeigt die applizierte Dosis in Abhängigkeit der Eindringtiefe, die sogenannte Tiefendosiskurve, eine für Ionen charakteristische Form: die Dosis steigt mit wachsender Tiefe an, um im sogenannten Bragg - Peak ein scharfes Maximum zu erreichen. Nach dem Peak fällt die Dosis auf Null ab, da die Energie der Ionen vollstän- dig verbraucht ist. Geladene Teilchen deponieren also den größten Teil ihrer Energie unmittelbar vor Erreichen ihrer maximalen Eindringtiefe.

Die Lage des Bragg - Peaks ist abhängig von der Anfangsenergie der Ionen und kann so sehr gut gesteuert werden:

2.3 Biologische Wirkung von Protonenstrahlung

Nach der dosimetrischen Betrachtung der Interaktion von Protonen mit Materie soll nun auf die konkreten Prozesse eingegangen werden, die bei der Bestrahlung von Gewebe ablaufen. Protonen unterliegen in Materie drei Arten der Wechselwirkung: der elektromagnetischen, der starken und der schwachen. In Gewebe ist nur die elektromagnetische Wechselwirkung von Bedeutung.

Die Wirkung der Strahlentherapie beruht einerseits auf der direkten Ionisation von Gewebemolekülen, die zu einer Schädigung des Zellkerns, der Kernmembran und anderer Zellbestandteile führt. Dies führt letztlich zu einer Unterbrechung der Zellteilung oder sogar zum Absterben der Zelle. Andererseits werden etwa zwei Drittel der Schädigung der Zelle durch freie Radikale verursacht, die durch Ionisierung von Molekülen (hauptsächlich Wasser) im Gewebe entstehen. Da Peroxyd, das unter Strahleneinwirkung aus molekularem Sauerstoff gebildet wird, die Zelle besonders effektiv schädigt, ist die Sauerstoffversorgung des Gewebes ein wesentlicher Faktor für seine Strahlenempfindlichkeit.21 Besonders kritisch ist die Strahlenwirkung auf die Erbsubstanz der Zelle, die Desoxynukleinsäure (DNA). Zellen verfügen zwar über Reparaturmechanismen, um entstandene DNA-Schäden zu beheben, aber auch nach erfolgter Reparatur können Veränderungen des Erbmaterials zurückbleiben.

Klinisch werden Strahlungsschäden in Akut- und Spätfolgen eingeteilt. Zusätzlich un- terscheidet man deterministische und stochastische Strahlenwirkungen. Der zeitliche Ablauf einer Gewebeschädigung durch ionisierende Strahlung ist dem folgenden Sche- ma zu entnehmen.

Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten

Abbildung 2.2: Ablauf der Schädigung durch ionisierende Strahlung Nach: Koller, U., Fachinformation, 1996

2.3.1 Deterministische Wirkungen

Diese auch als nichtstochastisch bezeichneten Folgen werden durch den Untergang gan- zer Zellverbände ausgelöst. Sie führen sowohl zu akuten Schäden (Erythem, Strahlen- krankheit) als auch zu Spätschäden (Gewebeveränderungen, Trübungen der Augenlin- se).

Charakteristisch ist die Existenz einer Schwellendosis: Im Gewebe werden Zellen ständig erneuert, deshalb treten Schäden erst oberhalb einer Schwelle auf. Die Strahlentherapie nutzt ausschließlich die deterministische Wirkung von Strahlen.22

Unter dem Begriff stochastische Effekte werden all diejenigen Wirkungen ionisierender Strahlung zusammengefasst, deren Eintrittswahrscheinlichkeit proportional zur Dosis steigt. Nach heutigem Wissen existiert für sie keine Schwellendosis. Stochastische Ef- fekte beruhen auf Veränderungen in der Erbsubstanz einzelner Zellen. Mit ihnen wer- den die Induktion von Leukämie- und Krebserkrankungen und Veränderungen des Erb- guts in Verbindung gebracht.23

Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten

Abbildung 2.3: Auftrittswahrscheinlichkeit von stochastischen und deterministischen Strahlenwirkungen in Abhängigkeit der verabreichten Dosis

Quelle: Kinzelmann, T., Herbstseminar, 2001, Fig. 1

Die stochastische Wirkung von Strahlen führt ausschließlich zu Spätfolgen, die in der Strahlentherapie bis jetzt mangels Langzeitstudien noch nicht berücksichtigt werden.

3. Tumortherapie mit Protonen

3.1 Vorteile der Protonentherapie gegenüber der Therapie mit Röntgen strahlen

Die Tumortherapie mit Protonen weist gegenüber der herkömmlichen Strahlentherapie mit Röntgenphotonen eine Reihe von Vorteilen auf. Diese liegen vor allem in der Mög- lichkeit der exakten räumlichen Applikation der Dosis, die auf zwei Effekte zurückzu- führen ist:

- Beschleunigte Ionen lassen sich mittels magnetischer Felder sehr genau positionieren. Setzt man dagegen Photonen ein, so muss die zu bestrahlende Fläche durch Blenden räumlich begrenzt werden. Dies ist bei Tumoren, die eine komplexe Geometrie besitzen, nicht einfach.
- Die charakteristische Form der Tiefendosiskurve von Protonen mit der maxima- len Dosisapplikation im Bragg - Peak ermöglicht eine nahezu optimale Tumor- bekämpfung, indem durch geeignete Wahl der Protonenenergie der Bragg - Peak in den Tumor gelegt wird. Röntgenstrahlung hingegen zeigt einen expo- nentiellen Abfall ihrer Intensität bei zunehmender Tiefe des bestrahlten Medi- ums.

Wie in Abbildung 3.1 zu sehen ist, erhält bei der Anwendung von Röntgenstrahlung das Gewebe vor dem Tumor eine höhere Dosis als der Tumor selbst. Dieser Effekt kann dadurch gemildert werden, dass Strahlung aus verschiedenen Richtungen appliziert wird, ist aber nie völlig zu umgehen. Durch Ausnutzen des Bragg - Peaks in der Tiefendosiskurve von Protonen, der in den Tumor gelegt wird, kann gesundes Gewebe geschont werden. Gewebe hinter dem Tumor liegt außerhalb der Protonenreichweite und erhält somit keine Dosis, Gewebestrukturen vor dem Tumor werden einer weit geringeren Dosis ausgesetzt als der Tumor selbst.

Verwendet man statt monochromatischer Protonen eine Überlagerung von Protonen geringfügig unterschiedlicher Energien, so verbreitert sich der scharfe Bragg - Peak und man spricht von Spread-Out-Bragg-Peak Verfahren (SOBP).

Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten

Abbildung 3.1: Relative Tiefendosisverteilung von 200 MeV Protonen, 20 MeV Elektronen und 8 MV Photonen im Vergleich

Quelle: Indiana University, Midwest Proton Radiation Institute, Proton Therapy, 2002, "Physics of Proton Therapy"

Das physikalische Verhalten von Protonen erlaubt also eine zielgenaue Anwendung im Körper und prädestiniert Protonen für die Behandlung von Tumoren nahe empfindlicher Gewebe, wie etwa im Bereich der Augen und des zentralen Nervensystems. Die Scho- nung des umliegenden gesunden Gewebes erlaubt unter Umständen eine höhere Dosie- rung, wobei klinische Erfahrungen zeigen, dass schon eine kleine Erhöhung der Strah- lendosis den Grad der Tumorvernichtung deutlich steigern kann.24 Dementsprechend größer sind die Heilungschancen: Mit der Protonentherapie steigt die Heilquote bei in- operablen Tumoren von bisher 20 auf 85 Prozent, bei anderen Tumoren auf bis zu 99 Prozent.25 Obwohl der Tumor höher bestrahlt wird, ist die unerwünschte Strahlendosis zwei bis drei Mal geringer als bei der etablierten Röntgentherapie.

Die Wirkung von Protonen auf Tumorgewebe unterscheidet sich kaum von der Wirkung bislang eingesetzter Strahlung. Die Relative Biological Effectiveness RBE, in Kapitel 2.1 beschrieben, liegt für Protonen in der Größenordnung 1,026 und unterscheidet sich so nur unwesentlich von der RBE anderer medizinisch eingesetzter Strahlenarten wie Röntgenphotonen oder Elektronen. In der Therapieplanung wird in der Regel mit einer RBE von 1 bis 1,2 gerechnet. Nach neueren Studien zeigt sie jedoch eine Abhängigkeit von der Eindringtiefe: Im Bereich des Plateaus der Tiefendosiskurve liegt der Wert etwa bei 1, im Zentrum des Bragg - Peaks erreicht sie mit Werten zwischen 1,1 (250 MeV Protonen, Darmzellen von Mäusen) bis zu 1,9 (70 MeV, V79 Zellen von chinesischen Hamstern) ein Maximum.27 Dieses Verhalten unterstützt die günstige Tiefendosisvertei- lung noch zusätzlich: Im Bereich des Bragg - Peaks, in dem der Hauptteil der Energie an das Gewebe abgegeben wird, ist die Wirkung der Protonen am effektivsten.

Die Protonentherapie ist eine in der Klinik eingeführte Therapie und kein eigentlicher Gegenstand der Grundlagenforschung. Die bisherigen Erfahrungen stützen sich zum Teil auf Patientendaten aus physikalischen Forschungszentren. Hier steht meist nur ein kleiner Teil der Strahlzeit des Beschleunigers für medizinische Zwecke zur Verfügung. Kernphysikalische Anlagen mit Bestrahlungsplätzen gibt es vor allem in den Vereinig- ten Staaten und Russland, aber auch in England, Japan, Italien und der Schweiz.

Über 30.000 Patienten sind mittlerweile mit Protonen therapiert worden28, der Großteil davon in den USA. Das Universitätskrankenhaus im kalifornischen Loma Linda hat 1990 eine Protonenbeschleuniger - Anlage in Betrieb genommen, die ausschließlich zur Tumortherapie verwendet wird und in der bis heute etwa 7.000 Patienten behandelt wurden29. Besonders bei inoperablen Tumoren in der Nähe kritischer Gewebsstrukturen wie Auge, Hirn oder Rückenmark zeugen die Ergebnisse vom durchschlagenden Erfolg der Protonentherapie.

Am Paul - Scherrer - Institut in Villigen (Schweiz) wurden zwischen 1985 und 2000 im Rahmen einer Zusammenarbeit mit dem Hôpital Opthalmique der Universität Lausanne etwa 3500 Patienten, bei denen Aderhautmelanome diagnostiziert worden waren, mit Protonen therapiert. In mehr als 98 Prozent der Fälle konnte das Tumorwachstum ge- stoppt oder der Tumor zum Verschwinden gebracht werden. Bei über 90 Prozent der Patienten konnte das tumorkranke Auge gerettet werden.30 Weiter wurden zwischen 1996 und Ende 2000 72 Patienten mit Hirn-, Schädelbasis- oder Wirbelsäulentumoren oder mit Sarkomen im Beckenbereich31 am PSI - Gantry für tiefliegende Tumore be- handelt. In über 95 Prozent der Fälle konnte das Tumorwachstum gestoppt werden bzw. trat eine Tumor - Rückbildung auf.32 In allen Fällen, in denen die Therapie nicht erfolg- reich, war, war das Tumorvolumen zum Zeitpunkt der Behandlung bereits größer als 25 ml.33

3.2 Ablauf einer Tumortherapie mit Protonen

Die Bestrahlung eines Tumors mit Protonen erfolgt von außen durch die Haut. Wegen der Präzision der Dosisapplikation ist eine entsprechend genaue Lokalisierung des Tumors mittels Kernspintomographie oder Computertomographie erforderlich. Ziel der Therapie ist die gleichmäßige Bestrahlung des gesamten Tumorvolumens. Hier ist einerseits die Tumortiefe, andererseits der Tumorquerschnitt, also der gedachte Schnitt durch den Tumor senkrecht zur Strahlrichtung zu unterscheiden.

Durch die Variation der Protonenenergie können Tumorzellen in verschiedenen Tiefen bestrahlt werden, da auf diese Weise die maximale Eindringtiefe der Protonen und da- mit die Lage des Bragg - Peaks verändert werden. In der Therapieplanung wird das Tumorvolumen meist computergestützt in zwanzig bis vierzig Querschnitte zerlegt, die je einer definierten Ionenreichweite und somit -energie entsprechen. Die Tumorquer- schnitte werden nacheinander bestrahlt, jeder mit der nötigen Protonenenergie.34 Die Bestrahlung der einzelnen Tumorquerschnitte erfolgt mittels der unten beschriebenen Verfahren.

In vielen Behandlungszentren, so auch in den Versuchen am Garchinger Tandembeschleuniger, wird der Protonenstrahl vor dem Patienten aufgeweitet, um eine gleichmäßige Intensität über die gesamte Tumorfläche zu gewährleisten. Verwendet man einen aufgeweiteten Strahl und das Spread-Out-Bragg-Peak Verfahren (vgl. Kapitel 3.1), so kann der ganze Tumor auf einmal bestrahlt werden.

Am Paul - Scherrer - Institut35 und bei der Gesellschaft für Schwerionenforschung GSI36 wird jedoch eine neuartige Technik, das sogenannte Rasterscanning- oder SpotScanning - Verfahren, angewendet. Mittels Magneten wird ein Protonenstrahl geringen Durchmessers an verschiedene Stellen des Tumorgewebes gelenkt. Durch Wahl einer Protonenenergie wird ein Querschnitt durch den Tumor in einer genau definierten Tiefe ausgewählt. Mit einem schnellen Sweepermagneten kann nun dieser Querschnitt mit dem Protonenstrahl abgetastet werden.

Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten

Abbildung. 3.2: Rasterscan - Verfahren bei der GSI: Zerlegung des Tumors in Quer- schnittsflächen und Abtastung der Tumorquerschnitte mit dem Strahl

Quelle: Gesellschaft für Schwerionenforschung, GSI, 2001

Da gesunde Zellen über effektivere Reparaturmechanismen zur Beseitigung strahleninduzierter Schäden als Tumorzellen verfügen, wird die Bestrahlung meist auf mehrere Sitzungen, die sogenannten Fraktionen, aufgeteilt. Die Pause von in der Regel 24 Stunden zwischen den einzelnen Fraktionen erlaubt eine Reparatur der entstandenen Zellschäden im gesunden Gewebe, während sich die Schäden in den Tumorzellen akkumulieren.37 Meist sind zwischen 25 und 35 Fraktionen nötig, abhängig von der Art und Beschaffenheit des Tumors.38

Die Höhe der verabreichten Dosis richtet sich nach der Strahlenempfindlichkeit des zu vernichtenden Tumors und wird vor Behandlungsbeginn durch den zuständigen Radioonkologen festgelegt. Sie liegt normalerweise zwischen 40 und 70 Gray. Pro Fraktion wird meist eine Dosis von 2 Gray appliziert. Je kleiner die Einzeldosis jeder Fraktion ist, desto verträglicher ist die Therapie und desto kleiner ist das Risiko von Komplikationen und Nebenwirkungen.39

4. Beschreibung der vorhandenen Geräte und Einrichtungen

4.1 Tandem - van - de - Graaff Beschleuniger

Die vorliegende Arbeit wurde im Maier - Leibnitz - Laboratorium in Garching bei München angefertigt. Dieses gemeinsame Beschleunigerlaboratorium der Ludwig - Maximilans - Universität und der Technischen Universität München wurde 1971 in Betrieb genommen.

Das zentrale Gerät ist der Tandem - van - de - Graaff Beschleuniger. Er befindet sich in einem 25 m langen Drucktank, der mit SF6 befüllt ist. Dieses isolierende Gas ermög- licht den Aufbau hoher Potentialdifferenzen, die beim Münchner Tandembeschleuniger 15 MV erreichen können. Die Potentialdifferenz wird mittels eines van - de - Graaff Generators elektrostatisch erzeugt, die Aufladung erfolgt durch mit Geschwindigkeiten von etwa 30 bis 40 km/h umlaufende Ladeketten.

Verschiedene Quellen ermöglichen das Experimentieren mit unterschiedlichen Ionenar- ten von Protonen bis hin zum Blei. Da sich die vorliegende Arbeit auf die Wirkung von Protonen bezieht, werden schwerere Ionen an dieser Stelle nicht besprochen. In der Pro- tonenquelle werden aus einem Wasserstoffgas zunächst negativ geladene Wasserstoffi- onen H- erzeugt. Nach einer Vorbeschleunigung in der Ionenquelle wird der H- - Strahl in den Tandembeschleuniger eingespeist. Die negativ geladenen Ionen werden im Po- tential auf das zentral gelegene Terminal hin beschleunigt. Dort passieren sie eine hauchdünne Stripperfolie aus Kohlenstoff, die die beiden Elektronen abstreift. Die nunmehr positiv geladenen Protonen erfahren abermals eine Beschleunigung im Potentialgefälle. Die anliegende Potentialdifferenz wird also doppelt durchlaufen, so dass theoretisch Protonenenergien bis zu 30 MeV möglich sind. In der Praxis werden Energien bis zu 26 MeV erreicht.

Nach der Beschleunigung passieren die Protonen einen Magneten, der den Strahl in der Horizontalen um 90° ablenkt. Die Feldstärke des Magneten ist auf die Ionenart und gewünschte Energie exakt einzustellen. So fungiert er als Analysator, der nur Teilchen der gewünschten Energie passieren lässt und auch Verunreinigungen durch andere Elemente im Strahl weitgehend beseitigt.

Dies ist vor allem für Elemente höherer Ordnungszahl relevant, da die Zahl der durch die Stripperfolie abgestreiften Elektronen nicht konstant ist. Ionen desselben Elements aber unterschiedlicher Ladung durchlaufen so die zweite Hälfte des Beschleunigungsvorgangs. Da der Zuwachs an Energie von Teilchen der Ladung q, die eine beschleunigende Spannung UB durchlaufen haben, durch die Beziehung gegeben ist, weisen höher geladene Ionen nach dem Beschleunigungsvorgang eine grö- ßere Energie auf. Ohne Analysemagnet wäre der Strahl somit nicht monoenergetisch.

Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten

Nach dem Ablenkmagneten erreichen die Protonen einen zentralen Verteilerknoten, der das Ansteuern genau eines Experimentierplatzes ermöglicht. Der Strahl im Strahlrohr wird mit Hilfe sogenannter Quadrupollinsen fokussiert. Ein Quadrupolmagnet besteht aus vier Magnetpolen, die so angeordnet sind, dass das Magnetfeld im Zentrum ver- schwindet. Je nach Magnetisierung der Pole kann die fokussierende Wirkung in hori- zontaler oder vertikaler Richtung erreicht werden. Schaltet man einen horizontal und einen vertikal fokussierenden Quadrupol hintereinander, erhält man eine Linse. Durch- quert ein geladenes Teilchen eine solche Anordnung nicht exakt zentriert, so wirkt eine Kraft in Richtung zum Zentrum und der Ionenstrahl wird fokussiert.40

Eine Überwachung der Lage des Strahls im Strahlrohr durch Strahlmonitore ermöglicht gegebenenfalls eine zusätzliche Korrektur durch Magnetspulen.

Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten

Abbildung 4.1: Übersichtsskizze des Tandembeschleunigers

Quelle: Beschleunigerlabor der LMU und TU München, Beschleuniger, 12.02.2002, "Grundriss Strahlführungssystem"

Die Strahlintensität ist über einen weiten Bereich bis zu einem Maximum von etwa 10 µA kontinuierlich variabel. Durch Änderung der Spannung am zentralen Terminal der Beschleunigungseinheit ist auch die Energie der Protonen über einen weiten Bereich abstimmbar. Aufgrund geeigneter Stabilisierungsmechanismen beträgt die Energiebreite weniger als 0,01 %. Ähnliche Genauigkeiten werden bei den Strömen erzielt.

4.2 Senkrechtstrahlplatz

4.2.1 Senkrechter Strahl

Der Senkrechtstrahlplatz wurde speziell für die Untersuchung der strahlenbiologischen Wirkung von Protonen auf Zellen eingerichtet. Im Gegensatz zu herkömmlichen hori- zontalen Strahlrohren können am vertikalen Strahlrohr Zellkulturen im Medium, also zum Beispiel in einer Nährlösung bestrahlt werden. Für frühere Experimente wurden eigens angefertigte Petrischalen verwendet, deren Boden aus einer dünnen Plastikfolie bestand.41

Bei einer horizontalen Strahlführung müsste zur Bestrahlung die Nährflüssigkeit abgegossen werden, was zu einer Schädigung der Zelltargets durch Austrocknung führen kann. Weiter können bei waagerechten Strahlrohren keine frei in Lösung schwimmenden Zellen oder Zellklumpen bestrahlt werden.

Es existiert noch ein weiterer negativer Effekt bei der horizontalen Strahlführung: Zellen, die sich nach dem Abkippen der Nährlösung in dem in der Petrischale verbliebenen Resttropfen befinden, haben eine höhere Überlebenschance als Zellen, die am Boden der Schale ohne Flüssigkeitsmantel bestrahlt werden. Der zurückgebliebene Flüssigkeitstropfen bietet Schutz vor beschleunigten Ionen, die eine so geringe Reichweite in Flüssigkeit aufweisen, wie es am Tandembeschleuniger in Garching der Fall ist. Dieser Effekt wird am Senkrechtstrahlplatz vermieden.

Das horizontale Strahlrohr, das zum Senkrechtstrahlplatz führt, ist neben den üblichen Strahlüberwachungen mit einem schnellen mechanischen Shutter ausgestattet, der das Unterbrechen des Strahls vom Kontrollraum aus ermöglicht. Hauptbestandteil des Senk- rechtstrahlplatzes ist ein 16 t - Dipolmagnet, der den Ionenstrahl um 90° in die Vertika- le ablenkt. Eine Plattform, die in 4 m Höhe um das vertikale Strahlrohr montiert ist, erlaubt den Zugang von allen Seiten zum Abschlussstück des Rohres mit dem Austritts- fenster. Das Austrittsfenster misst 60 mm im Durchmesser und besteht aus einer 25 µm dicken Kaptonfolie, die wegen des im Rohrs herrschenden Vakuums konkav gewölbt ist. Bohrungen im Endflansch gestatten eine stabile Montage von Messanordnungen.

[...]


1 Vgl. Deutsche Krebshilfe e.V., Zahlen, 2000

2 Vgl. Krebsinformationsdienst, Einführung, 2002, "Früherkennung"

3 Vgl. Beardsley, T., Krebs -Bilanz, 1994

4 Vgl. Deutsche Krebshilfe e.V., Zahlen, 2000

5 Vgl. Deutsche Krebshilfe e.V., Zahlen, 2000

6 Vgl. Krebsinformationsdienst, Einführung, 2002, "Behandlungsmöglichkeiten"

7 Vgl. Krebsinformationsdienst, Einführung, 2002, "Chirurgische Krebsbehandlung"

8 Vgl. Krebsinformationsdienst, Strahlentherapie, 2001

9 Vgl. Deutsche Krebshilfe e.V., Strahlentherapie, 2001 9

10 Vgl. Sautter-Bihl, M.L. et al., Strahlen, 2002, Kapitel 9.1

11 Vgl. Sautter-Bihl, M.L. et al., Strahlen, 2002, Kapitel 5

12 Vgl. Krebsinformationsdienst: Einführung, 2002, "Medikamentöse Krebsbehandlung und Chemothera- pie"

13 Aus: Wilson, R.R., Fast Protons, 1946

14 Vgl. Loma Linda University Medical Center, Milestones, 2002

15 Vgl. Indiana University, Midwest Proton Radiation Institute, Proton Therapy, 2002, "History of Proton Therapy"

16 Vgl. Loma Linda University Medical Center, Milestones, 2002 12

17 Vgl. Reich, H. et al., Dosimetrie, 1990, S. 31

18 Herleitung nachzulesen in: Leo, W.R., Techniques, 1994 14

19 Vgl. Quicken, P., Dosimetrie, 1997, S. 16

20 Vgl. Paul, S. et al., Teilchen und Kerne, 2001, "Zellschädigung durch ionisierende Strahlung" 15

21 Vgl. Paul - Scherrer - Institut, Eigenschaften, 2001 17

22 Vgl. Kinzelmann, T., Herbstseminar, 2001; Medicine Worldwide, Enzyklopädie, 2001 18

23 Vgl. Kinzelmann, T., Herbstseminar, 2001; Medicine Worldwide, Enzyklopädie, 2001 19

24 Thurm, H., Interview Protonentherapie, 18.02.1999

25 Thurm, H., Interview Protonentherapie, 18.02.1999

26 Vgl. Paganetti, H., et al., Relative Biological Effectiveness, 1997 21

27 Vgl. Paganetti, H., et al., Relative Biological Effectiveness, 1997

28 Vgl. Paul - Scherrer - Institut, Tumorbehandlung, 2001

29 Vgl. Loma Linda University Medical Center, Milestones, 2002

30 Vgl. Paul - Scherrer - Institut, PSI, 2001

31 Vgl. Paul - Scherrer - Institut, Klinikerfahrung, 2001

32 Vgl. Paul - Scherrer - Institut, PSI, 2001

33 Vgl. Metz, J., OncoLink, 2001

34 Vgl. Gesellschaft für Schwerionenforschung, GSI, 2001 23

35 Vgl. Paul - Scherrer - Institut, Spot - Scanning, 2001

36 Vgl. Gesellschaft für Schwerionenforschung, GSI, 2001

37 Vgl. Sautter-Bihl, M.L. et al., Strahlen, 2002, Kapitel 7

38 Vgl. Krebsinformationsdienst, Krebsinformation, 2001 24

39 Vgl. Sautter-Bihl, M.L. et al., Strahlen, 2002, Kapitel 7

40 Vgl. Feynman, R. et al., Physics, 1966, S. 29-6 f.

41 Vgl. Besserer, J. et al., Irradiation facility, 1999

Ende der Leseprobe aus 93 Seiten

Details

Titel
Vorbereitung eines Bestrahlungsplatzes für die Behandlung von Hauttumoren mit Protonen am Tandembeschleuniger Garching
Hochschule
Universität Regensburg  (Angewandte Physik)
Note
1,3
Autor
Jahr
2002
Seiten
93
Katalognummer
V4642
ISBN (eBook)
9783638128483
Dateigröße
2381 KB
Sprache
Deutsch
Schlagworte
Proton Protonen Dosimetrie Krebstherapie Strahlentherapie Radioonkologie Radiotherapie
Arbeit zitieren
Sonja Froschauer (Autor:in), 2002, Vorbereitung eines Bestrahlungsplatzes für die Behandlung von Hauttumoren mit Protonen am Tandembeschleuniger Garching, München, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/4642

Kommentare

  • Noch keine Kommentare.
Blick ins Buch
Titel: Vorbereitung eines Bestrahlungsplatzes für die Behandlung von Hauttumoren mit Protonen am Tandembeschleuniger Garching



Ihre Arbeit hochladen

Ihre Hausarbeit / Abschlussarbeit:

- Publikation als eBook und Buch
- Hohes Honorar auf die Verkäufe
- Für Sie komplett kostenlos – mit ISBN
- Es dauert nur 5 Minuten
- Jede Arbeit findet Leser

Kostenlos Autor werden