Wie Social Networks unsere Sozialbeziehungen verändern. Und warum die Plattformen in der Schule genutzt werden sollten


Fachbuch, 2019

124 Seiten


Leseprobe


Inhaltsverzeichnis

Abkürzungsverzeichnis

Abbildungsverzeichnis

Tabellenverzeichnis

1 Einleitung

2 Ursprung und Definition sozialer Beziehungen

3 Grundlagen der sozialen Kommunikation

4 Internet und soziale Online-Netzwerke
4.1 Entwicklungsgeschichte des Internets
4.2 Web 2.0 und Social Media
4.3 Soziale Online-Netzwerke

5 Auswirkungen sozialer Online-Netzwerke auf die soziale Kommunikation und Sozialbeziehungen
5.1 Auswirkungen sozialer Online-Netzwerke auf die soziale Kommunikation
5.2 Auswirkungen sozialer Online-Netzwerke auf Sozialbeziehungen

6 Soziale Online-Netzwerke in der Schule
6.1 Reize sozialer Online-Netzwerke im schulischen Kontext
6.2 Wie Schülerinnen, Schüler und Schulen soziale Online-Netzwerke nutzen
6.3 Auswirkungen sozialer Online-Netzwerke auf schulische Leistungen
6.4 Soziale Online-Netzwerke als Herausforderung für die Schulentwicklung

7 Fazit

8 Ausblick

Quellenverzeichnis

Anhang

Bibliografische Information der Deutschen Nationalbibliothek:

Die Deutsche Nationalbibliothek verzeichnet diese Publikation in der Deutschen Nationalbibliografie; detaillierte bibliografische Daten sind im Internet über http://dnb.d-nb.de abrufbar.

Impressum:

Copyright ©Science Factory 2019

Ein Imprint der GRIN Publishing GmbH, München

Druck und Bindung: Books on Demand GmbH, Norderstedt, Germany

Covergestaltung: GRIN Publishing GmbH

Abkürzungsverzeichnis

Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten

Abbildungsverzeichnis

Abb. 1Maslowsche Bedürfnispyramide 9

Abb. 2 Netzwerk von Facebook 23

Abb. 3 Die wichtigsten Online-Anwendungen (Frage: „Nutzen Sie diese Themen und Angebote häufig, gelegentlich, selten oder nie?”) 35

Abb. 4 Deutschsprachige Nutzer sozialer Online-Netzwerke (Frage: „Sind Sie online in sozialen Netzwerken angemeldet?”) 35

Abb. 5 Erlaubnis der Smartphone-Nutzung 78

Abb. 6 Hürden der Digitalisierung aus Sicht der Lehrkräfte 83

Abb. 7 Anzahl an Internetnutzern weltweit (2002-2017*) 110

Abb. 8 Liebste Internetangebote 2017 111

Abb. 9 Aktivitäten im Internet – Schwerpunkt: Kommunikation 111

Abb. 10 Möglichkeiten der Verwendung des Smartphones in der Schule 112

Abb. 11 Nutzung bestimmter Technologien und Anwendungen durch Lehrkräfte. 113

Abb. 12 Nutzung verschiedener Medien zum Lernen. 114

Tabellenverzeichnis

Tab. 1 Nonverbale Durchlässigkeit - Durch Kopf und Körper kommunizierte Merkmale 115

Tab. 2 Vergleich zwischen Web 1.0 und Web 2.0 116

1 Einleitung

Um sich den Herausforderungen der jeweiligen Epoche zu stellen, schlossen sich die Menschen seit jeher zu sozialen Netzwerken zusammen. Was den Homo sapiens dabei von anderen Lebewesen unterschied, war, dass er diese Netzwerke aufgrund seiner ausgeprägten kommunikativen Fähigkeiten gut zu organisieren wusste und ständig erweiterte. Im Rahmen der Industrialisierung Mitte des 19. Jahrhunderts erreichte diese Entwicklung ihren vorzeitigen Höhepunkt. Der Übergang von der agrarischen hin zur industriellen Produktionsweise trieb viele Menschen, die sich erhofften dort Arbeit zu finden, in die Städte. Diese Urbanisierung führte nicht nur zum Wachstum der Städte, sondern brachte auch infrastrukturelle sowie technische Innovationen, wie bspw. das Telefon, mit sich. Jene technische Neuerung sollte es von nun an ermöglichen Informationen schneller übertragen zu können. Das Leben in den Städten wurde schnelllebiger und technische Entwicklungen zur medienvermittelten Kommunikation veränderten zunehmend die soziale Kommunikation.

Dabei war kaum eine Innovation so einschneidend wie das knapp 100 Jahre nach dem Telefon entwickelte Internet. Das 1969 unter dem Namen ARPANET gegründete Medium sollte dem US-amerikanischen Militär ursprünglich als reines Forschungsnetzwerk dienen (Schelz 2010: 13). Erst die Entwicklung des World Wide Webs im Jahre 1993 (ebd.: 15) und die zehn Jahre später verfügbaren Möglichkeiten des Webs 2.0 sowie die damit einhergehende vereinfachte Nutzbarkeit machten es zu einem beliebten Hilfsmittel der Informationsübertragung für den gemeinen Nutzer (Gronenthal 2011: XII). Das von Kritikern ursprünglich als virtueller Rückzugsort definierte Internet entwickelte sich stetig weiter und etablierte sich mehr und mehr im Alltag der Menschen, die sich inzwischen selbstverständlich im Netz bewegen. Seit einigen Jahren rücken die sozialen Medien und dabei primär soziale Online-Netzwerke1 in den Fokus der Nutzung. Die durch die Entwicklungen der Mobiltelefon-Branche unterstützte ubiquitäre Verfügbarkeit der Internets begünstigt den Zugriff auf die neuen Medien, die inzwischen zu den beliebtesten internetbasierten Anwendungen zählen und den größten Wachstum aller Plattformen verzeichnen (vgl. Schelske 2007: 125).

„Wir haben auf Bauernhöfen gelebt, dann lebten wir in Städten und jetzt werden wir im Internet leben.”2

- Sean Parker, gespielt von Justin Timberlake in „The Social Network” (Fincher 2010) –

Mit dieser Aussage macht der von Justin Timberlake gespielte Facebook-Berater und Napster-Mitbegründer Sean Parker im Film „The Social Network” auf einer Unternehmensfeier anlässlich des millionsten Nutzers darauf aufmerksam, welchen enormen Effekt das soziale Online-Netzwerk Facebook bereits zu jenem Zeitpunkt auf die gesellschaftliche Entwicklung hatte. Zwar bezeichnete Parker den Film später als „ein komplett fiktionales Werk”3 (Butcher 2011), die Botschaft, die David Fincher und Co. mit ihrem Werk vermitteln wollten ist dennoch klar: Das Internet ist kein virtueller Raum, sondern schon längst ein Teil der Realität. Die Anwender machen keinen Gebrauch vom Internet, sondern leben darin und haben einen Großteil ihrer sozialen Kontakte in soziale Online-Netzwerke verlagert. Die Plattformen sind in der heutigen Gesellschaft allgegenwärtig und wie der Großteil technologischer Neuerungen bringen auch sie Diskussionen mit sich. Während Gegner der webbasierten Netzwerke bspw. davor warnen, dass diese die Face-to-face-Kommunikation verdrängten und tiefgründige Gespräche verhinderten (vgl. Dittrich 2011: 100), erwähnen Befürworter der Plattformen, dass sie trotz geographischer Distanzen Menschen weltweit vernetzten und Sozialbeziehungen damit, entgegen der Meinung der Kritiker, bereicherten (vgl. Schipper 2012: 100).

So umfangreich und kontrovers wie die Liste der Reize und Risiken sozialer Online-Netzwerke sind auch die gesellschaftlichen Debatten, die diesbezüglich geführt werden. Selbst Institutionen wie die Schule müssen sich der Frage stellen, welche Vorteile webbasierte Netzwerke möglicherweise für sie bereithalten.

Die vorliegende Arbeit greift den Diskurs um die neuen Medien auf und widmet sich dabei vorrangig der folgenden leitenden Fragestellung: Welche Auswirkungen haben soziale Online-Netzwerke auf Sozialbeziehungen und die soziale Kommunikation und wie können sie in Schulen genutzt werden?

Die Aktualität der Thematik, die unter anderem auf die kurze Zeitspanne, zurückzuführen ist, die zwischen der Veröffentlichung des ersten sozialen Online-Netzwerks und dem Verfassen dieser Arbeit liegt, kann sowohl als Grund dafür gesehen werden, dass die Auswirkungen der Plattformen auf ein großes Interesse verschiedenster Fachbereiche (Soziologie, Politik, Bildungswissenschaft) stoßen, als auch dafür, dass sie bislang wenig erforscht wurden. Besonders die zur Überprüfung der Auswirkungen webbasierter Netzwerke so entscheidenden Langzeitstudien fehlen.

Die Intention des Autors ist es daher, die unterschiedlichsten literatur- und onlinebasierten Beiträge zu der oben aufgeführten Fragestellung zusammenzutragen und die Thematik in einen theoretischen Kontext einzubetten. Dabei soll nicht nur der Diversität wissenschaftlicher Bereiche, sondern vor allem auch beiden Seiten der dualistischen gesellschaftlichen Debatte bezüglich sozialer Online-Netzwerke Beachtung geschenkt werden. Die Kompilation dient neben der Beantwortung der leitenden Fragestellung auch der Darstellung des Verhältnisses zwischen dem Medium Internet in seiner Ganzheit und der sozialen Kommunikation. Zwar hat die vorliegende Arbeit allgemeine gesellschaftliche Relevanz, allerdings ist sie aufgrund der im pädagogischen Teil aufgeführten Denkansätze zur Nutzung sozialer Online-Netzwerke in der Schule im Besonderen für Lehrkräfte interessant. Die Auswirkungen der Online-Dienste auf die weitere Arbeitswelt sowie Unternehmen werden hingegen nur peripher thematisiert.

Um die Auswirkungen von Social Networks auf soziale Beziehungen verdeutlichen zu können, wird im nachfolgenden zweiten Kapitel der vorliegenden Arbeit vorerst definiert, was man unter einer Sozialbeziehung versteht. Neben der Frage danach, warum der Mensch seit jeher danach trachtet, eine Verbindung zu anderen aufzubauen, steht an dieser Stelle auch die Verbindung zwischen Sozialbeziehungen und der sozialen Kommunikation im Fokus.

Kapitel 3 greift das Verhältnis der beiden Begrifflichkeiten auf und beleuchtet wie wachsende Netzwerke sozialer Beziehungen mithilfe von Kommunikation reguliert werden. Neben den Bestandteilen des Kommunikationsprozesses wird auch die Bedeutsamkeit verschiedener Eigenschaften der sozialen Kommunikation verdeutlicht, bevor abschließend im Rahmen eines historischen Rückblicks eine Verbindung zwischen der menschlichen Entwicklung und kommunikativen Fähigkeiten im Vordergrund steht.

Das Verlangen des Menschen nach einer immer schneller erfolgenden Informationsübermittlung schafft die Überleitung zum vierten Kapitel, welches sich dem Internet widmet. Beginnend mit der Entwicklungsgeschichte und der Erklärung, wie ein ausschließlich vom US-amerikanischen Militär genutztes Medium schließlich nahezu der gesamten Erdbevölkerung zur Verfügung stehen konnte, widmet sich dieses Kapitel im Anschluss den Neuerungen, die die Entwicklung des Word Wide Web und Web 2.0 mit sich brachten. Es stellt sich hier die Frage danach, worauf die stetig steigenden (Internet-)Nutzerzahlen zurückzuführen waren. Lag es daran, dass die vorher passiven Nutzer im Web 2.0 aktiv partizipieren konnten oder doch an der Entwicklung der sozialen Medien? Im nachfolgenden Teilkapitel wird ein Bestandteil sozialer Medien, genauer gesagt das soziale Online-Netzwerk, definiert. Neben der Historie und den Eigenschaften ausgewählter Netzwerke, wie Facebook, Google+ oder Instagram, ist auch der Status quo der Nutzerzahlen Bestandteil dieses Abschnitts. Dabei interessiert unter anderem die Frage danach, was speziell Facebook als Marktführer so reizvoll für die Nutzer macht. Wie konnte es sich von der Masse an Konkurrenten absetzen und in kürzester Zeit 2,2 Milliarden aktive Nutzer vereinen? Bevor der Fragestellung nachgegangen wird, was diese User allgemein zum Mitwirken in sozialen Online-Netzwerken bewegt und welche möglichen Risiken dort auf sie warten, wird vorerst beleuchtet, welchen Tätigkeiten sie dort nachgehen und wie viel Zeit sie dafür täglich investieren.

Nachdem die theoretischen Grundlagen geschaffen wurden, steht in Kapitel 5 der Effekt sozialer Online-Netzwerke auf Sozialbeziehungen sowie die soziale Kommunikation und somit die Beantwortung der übergeordneten Fragestellung im Fokus. Neben den allgemeinen Auswirkungen der Social Networks interessiert an dieser Stelle auch die Frage danach, inwieweit die Online-Dienste traditionelle Kommunikationskanäle beeinflussen. Verdrängen sie möglicherweise die Face-to-face-Kommunikation oder stellen sie lediglich eine Alternative dar? Und welche Auswirkungen zeigen sich in Bezug auf Beziehungen? Dienen die Plattformen der Bereicherung bestehender sowie dem Aufbau neuer Beziehungen? Welche Art der sozialen Beziehung profitiert besonders von den neuen Kommunikationsmöglichkeiten?

Im Anschluss an die Beantwortung der oben aufgeführten Fragestellungen folgt im sechsten Kapitel der pädagogische Teil dieser Arbeit. Im Anschluss an die Definition der Begriffe E-Learning und Mobile Learning stellt sich der Autor die Frage danach, warum soziale Online-Netzwerke in schulische Prozesse integriert werden sollten. Folglich stehen an dieser Stelle vorerst die Reize der technologischen Netzwerke im schulischen Kontext im Vordergrund. Welchen potenziellen Nutzen können Schulen und Lehrkräfte aus ihnen ziehen? Auch die Rolle des Smartphones als favorisiertes Endgerät zum Aufruf der Plattformen wird an dieser Stelle genauer beleuchtet. Und wie werden die Online-Dienste von den Schülern im schulischen Kontext aktuell überhaupt genutzt? Wirkt sich die Nutzung negativ auf schulische Leistungen aus? Nachdem aktuelle Forschungsergebnisse zu diesen Fragen präsentiert wurden, folgt die Erklärung, warum sich die Bildung durch die Entwicklung der sozialen Online-Netzwerke vor einer Herausforderung befindet. Neben Faktoren wie der Bereitschaft der Lehrer, die neuen Medien anzuwenden und dem speziellen Verhältnis zwischen Lehrenden und Lernenden in technisierten Netzwerken, werden hier auch schulinterne Regularien, Datenschutzrichtlinien und gesetzliche Vorgaben thematisiert.

Kapitel 7 liefert mit dem Fazit einen resümierenden Überblick über die bisherigen Inhalte, bevor im Ausblick Hinweise bezüglich möglicher Anknüpfpunkte einer Folgearbeit gegeben und Szenarien vorgestellt werden, die mögliche zukünftige Entwicklungen der sozialen Online-Netzwerke beleuchten.

2 Ursprung und Definition sozialer Beziehungen

Um der Fragestellung nachgehen zu können, inwiefern sich die Nutzung sozialer Online-Netzwerke auf Sozialbeziehungen und die soziale Kommunikation auswirken kann, sollte vorerst dargestellt werden, wie die soeben erwähnten Begrifflichkeiten in der Literatur definiert werden und warum der Mensch generell das Bedürfnis danach hat, soziale Beziehungen aufzubauen. Im folgenden Kapitel wird klar, dass die beiden Begriffe „Sozialbeziehung” und „soziale Kommunikation”, nach deren Definition gesucht wird, miteinander korrelieren und insbesondere in Bezug auf die Frage nach dem Ursprung von Sozialbeziehungen als interdependent zu betrachten sind.

Beim Versuch, für den Begriff „soziale Beziehung” eine Beschreibung in der Literatur zu finden wird schnell klar, dass diese abhängig vom Forschungsgebiet sehr stark variiert. Mit Blick auf den Schwerpunkt dieser Arbeit, wird die folgende Definition auf die Interpretation der Sozialpsychologin Nicola Döring und die eines der Gründerväter der deutschen Soziologie, Max Weber, reduziert.

Döring (1999) beschreibt eine Sozialbeziehung als einen sich wiederholenden Kontakt zwischen zwei oder mehreren Bezugspersonen. Dieser multiple Kontakt wird weiter definiert als eine zeitgleiche oder zeitversetzte Interaktion und sei immer an bestimmte Erwartungen gebunden, die sich im Verlauf der Wechselbeziehung entwickeln. Diese Erwartungen würden durch den weiteren Kontakt und gegenseitigen Austausch genauer kommuniziert, wodurch die Bezugspersonen den Status ihrer Beziehung definieren. Hier wird auch die Relation zwischen Sozialbeziehungen und der sozialen Kommunikation deutlich, denn laut Döring (ebd.) sei sowohl das Niveau als auch die Beständigkeit der Beziehung abhängig von Kommunikationsprozessen. Dabei sei außerdem die Entwicklung einer gewissen Emotionalität und die Motivation beider Partner, sich auf die Beziehung einzulassen und in diese zu investieren, von Bedeutung, wobei eine gesteigerte positive Emotionalität nicht unbedingt mit vermehrter Kommunikation korreliere, sondern in einigen Fällen sogar durch längere Interaktionspausen bewirkt werde.

Weber (2002: 13) definiert die Sozialbeziehung wie folgt: „Soziale Beziehung soll ein seinem Sinngehalt nach aufeinander gegenseitig eingestelltes und dadurch orientiertes Sichverhalten mehrerer heißen. Die soziale Beziehung besteht also durchaus und ganz ausschließlich: in der Chance, dass in einer (sinnhaft) angebbaren Art sozial gehandelt wird, einerlei zunächst: worauf diese Chance beruht.” Auch in dieser Definition wird die oben bereits erwähnte Wechselwirkung der verschiedenen Beziehungspartner deutlich, wobei Weber den Fokus nicht auf Interaktion beschränkt, sondern vielmehr allgemein von einem gegenseitig aufeinander abgestimmten sozialen Handeln spricht. Dieses Handeln sei beidseitig und, je nach Art der Sozialbeziehung, unterschiedlicher Natur sowie nicht immer von beiden Seiten gleichermaßen ausgeprägt. Als möglichen Gegenstand der Wechselbeziehung listet der Autor im weiteren Verlauf seines Werkes neben Kampf, Feindschaft, Geschlechtsliebe und Freundschaft auch Inhalte wie Marktaustausch, Vereinbarungen sowie Konkurrenz (erotisch, ökonomisch etc.) und verschiedene Arten der Gemeinschaft (Stand, Nationalität, Klasse etc.) auf. Der auch von Döring erwähnte auszuhandelnde Status und Sinn der Beziehung könne je nach Einstellung der Handelnden variieren, da dieser individuell festgelegt werde. Er sei aber durch die bereits erwähnten Erwartungen und die Wechselwirkung bestimmter Eigenschaften dennoch aufeinander bezogen und aneinander orientiert. Im Verlauf einer durch Interaktion forcierten Wechselwirkung könne sich somit also der Charakter einer Sozialbeziehung bzw. die Einstellung zu einem bestimmten Inhalt ändern, was eine Umbildung des Verhältnisses zwischen den Partnern zur Folge hätte. Diese Umbildung inkludiere weiterhin, dass eine Sozialbeziehung nicht immer auf Dauer bestehe, sondern z.T. vorläufigen, dynamischen Charakter aufweise (ebd.). Die Dauer der Relation hänge neben weiteren Faktoren ferner davon ab, ob es sich um eine formale (Arbeitskollegen, Verkäufer-Käufer-Verhältnis etc.) oder eine persönliche (Freunde, Familie etc.) Beziehung handelt (vgl. Döring 2003: 405). Die Autorin unterscheidet an dieser Stelle auch zwischen schwachen / lockeren und starken / engen Bindungen. In der Literatur werden diese Bindungen parallel als weak ties bzw. strong ties bezeichnet (ebd.).4

Nachdem oben beschrieben wurde, was allgemein unter einer sozialen Beziehung verstanden wird und welche Eigenschaften diese mit sich bringt, bleibt noch die Frage nach ihrem Ursprung bzw. danach, warum der Mensch seit jeher das Verlangen hat, eine Sozialbeziehung zu seinen Mitmenschen aufzubauen.

Diesen Drang erklärt Kneidinger (2010: 19) wie folgt: Für den Homo sapiens als soziales Wesen spielten Interaktion und soziale Kontakte nicht nur in der frühen Entwicklungsphase seines Lebens eine große Rolle. Diese beeinflussten auch den weiteren Werdegang in seiner Lebensführung und seinen Stand in der Gesellschaft. So könnten bspw. Freunde und Familie sowie auch Bekannte und Arbeitskolleginnen und –kollegen in entscheidenden Situationen Unterstützung und Sicherheit gewährleisten. Soziale Kontakte inkludierten also einen praktischen Nutzen und könnten zudem einen positiven Effekt auf Einstellungen und Interessen, also eine Bereicherung für die individuelle und gemeinsame Lebensführung sowie die Selbstverwirklichung, mit sich bringen.

Werden die oben aufgeführten Effekte mit der vom Psychologen Abraham Maslow entwickelten Maslowschen Bedürfnis-pyramide5 in Beziehung gesetzt, so lässt sich festhalten, dass Sozialbeziehungen sowie die aus ihnen aufgebauten sozialen Netzwerke, denen sich das vierte Kapitel dieser Arbeit im Detail widmet, die Grundbedürfnisse des Menschen zu einem Großteil erfüllen oder zumindest zu deren Befriedigung beitragen können. Unabhängig von der Reihenfolge, listet Maslow hier neben dem bereits erwähnten Bedürfnis nach Selbstverwirklichung, Sicherheit und Sozialität zusätzlich das physiologische und Individualbedürfnis6 auf, welche beide bspw. durch einen sozialen Kontakt, mit dem individuell oder im Verein Sport betrieben wird, befriedigt werden können. Die Grundlage sozialer Beziehungen stellt also neben dem Bedürfnis nach Selbstverwirklichung und -wertschätzung sowie Sicherheit und physiologischen Bedürfnissen auch das Bedürfnis nach Gesellschaft dar (vgl. Wolak et al. 2003).

Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten

Abb. 1 Maslowsche Bedürfnispyramide (In Anlehnung an Maslow 1981)

Dieses Grundbedürfnis nach Gesellschaft sowie nach dem Aufbau sozialer Beziehungen und Netzwerke sei laut Wanhoff (2011: 11) evolutionär bedingt, da sich der homo sapiens bereits vor ca. 300.000 Jahren gezielt zur Beutejagd und zum Aufbau von Lebensgemeinschaften zusammengetan habe. Doch wie konnten die immer größer werdenden Netzwerke an Sozialbeziehungen koordiniert werden? Und wie kann eine Gesellschaft, deren Individuen neben Gemeinschaft und Sicherheit vor allem nach Selbstverwirklichung streben, im Sinne des allgemeinen Wohls funktionieren? Der Schlüssel liegt in der (sozialen) Kommunikation, deren Definition und Ursprung im Folgenden dargelegt werden.

3 Grundlagen der sozialen Kommunikation

Etymologisch entstammt der Begriff „Kommunikation” dem lateinischen „communicare” und bedeutet so viel wie sich mitteilen / verständigen oder auch teilhaben lassen (Hoyer 2014: 13). Hoyer definiert kommunizieren weiter als „[g]emeinschaftliches Handeln, in dem Gedanken, Ideen, Wissen, Erkenntnisse, Erlebnisse (mit-)geteilt werden und auch neu entstehen” (ebd.). Der hier implizierte prozessorientierte Bestandteil bzw. die Wechselwirkung der Interaktionspartner wird von Strangl (2018), der den Begriff der Kommunikation mit dem Zusatz sozial bzw. interpersonell ergänzt, genauer erläutert. In seiner Definition klammert er die intrapersonelle Kommunikation (Selbstgespräche und stilles bzw. lautes Denken) und die Massenkommunikation folgerichtig aus und beschreibt die soziale Kommunikation als „den Austausch, die Vermittlung und Aufnahme von Informationen zwischen Menschen, wobei der Begriff der Information nicht nur sachliche Inhalte wie Nachrichten oder Aufforderungen enthält, sondern auch Gefühle, Empfindungen, Wünsche und Bedürfnisse umfasst” (ebd.).

Der interpersonelle Kommunikationsprozess besteht demnach aus drei Elementen: Dem Sender der Information, der diese kodiert über einen Kanal an den Empfänger weiterleitet. Vom Empfänger wird die Information anschließend aufgenommen, dekodiert und verarbeitet (Forgas 1999: 106f.). Da es sich um einen dynamischen Vorgang handelt, wird im Verlauf einer Unterhaltung der Sender zum Empfänger und umgekehrt. Neben den Charakterzügen und dem gemeinsamen Vorwissen7 der Kommunikationspartner seien dabei auch die Eigenschaften des Kommunikationskanals entscheidend für den Kommunikationsprozess. So fehlen bspw. beim Telefon die Gestik und Mimik. Wie diese Bestandteile die Konversation unterstützen, kann bspw. dadurch verdeutlicht werden, dass eine Unterhaltung in einer fremden Sprache am Telefon ungleich komplizierter ist als eine durch Körpersprache unterstützte „Face-to-face-Kommunikation”. „Ohne die Fähigkeit, solche nonverbalen Botschaften zu senden und zu empfangen, ist, wie wir sehen werden, erfolgreiche soziale Interaktion unmöglich”, erwähnt auch Forgas (1999: 126ff.). Diese Signale könnten nicht nur das Gesagte unterstützen, sondern darüber hinaus durch die sogenannte nonverbale „Durchlässigkeit” Informationen über die Gefühlslage und Einstellung der Kommunikationspartner preisgeben8 (ebd.).

Neben Freundschaft, Partnerschaft, Liebe, Sexualität und Fürsorge zählt auch die Kommunikation zu den Grundbedürfnissen des Menschen. Mit der Aussage „Man kann nicht nicht kommunizieren” gaben Paul Watzlawick et al. (1969: 53) bereits 1969 zu verstehen, dass die soziale Kommunikation sehr eng an das Dasein der Menschen geknüpft ist. Sie sei aus der aktuellen Gesellschaft als Grundlage für den Informationsaustausch sowie Grundbedingung sozialer Gemeinschaften nicht mehr wegzudenken. Auch zur Entwicklung der eigenen Persönlichkeit trage der interpersonelle Austausch bei (Schipper 2012: 96)9.

Bei einer genaueren Beleuchtung der Geschichte verschiedener Kommunikationswege offenbart sich, wie stark die menschliche Evolution und die soziale Kommunikation schon immer korrelierten. Und hier wird deutlich, dass die menschliche Sprache, die heute eine der Eigenschaften darstellt, die den Homo sapiens am stärksten von anderen Lebensformen unterscheidet, zu Beginn der Entwicklung oraler Kommunikation den Lauten ebendieser Lebensformen bzw. Tiere gar nicht sehr unähnlich war (Fleischhack et al. 2012: 122). Diese ursprüngliche akustische Signalsprache und damit das Entstehen der Sprachfähigkeit kann laut einiger Forscher, wie unter anderem Trotzke (2017: 12), auf einen Zeitraum von vor 200.000 bis 80.000 Jahren10 eingegrenzt werden. Dabei ist zu erwähnen, dass diese Einordnung in der Forschung insgesamt als sehr umstritten gilt (Hillert 2018: 11). Entscheidend ist, dass der Mensch aus den Lauten anschließend Wörter und später ganze Sprachen bildete.

Für diese Arbeit interessant ist, dass der Mensch das, was so lange nur oral überliefert worden war, nach einiger Zeit in Form von Höhlenmalereien verbildlichte und mit der Entwicklung von Buchstaben auch verschriftlichte. Um die Informationen der Niederschriften schneller zu verbreiten, wurde in der Antike ein Läufer und im späten Mittelalter, genauer gesagt seit seiner Erfindung im Jahr 1445, der Buchdruck genutzt. Durch den multiplen Druck von Informationen wurde der Fluss ebendieser auf ein damaliges Maximum gesteigert. Dies wurde auch von den neuen Medien bzw. der Presse genutzt – das erste Massenmedium war entstanden (vgl. Fleischhack et al. 2012: 122ff.). Das Verlangen danach, Informationen immer schneller zu verbreiten, ging einher mit der Entwicklung des Postbriefs, gefolgt von der des Telegraphen, Radios und des zum Zeitpunkt der Erfindung revolutionären Telefons im 19. Jahrhundert. Den Höhepunkt in der Steigerung der Geschwindigkeit der Informationsübertragung stellte allerdings das nachfolgend genauer thematisierte Internet dar, welches, ähnlich wie die Face-to-face-Kommunikation, einen annähernd simultanen Informationsaustausch ermöglicht.

4 Internet und soziale Online-Netzwerke

Das Internet ist inzwischen für einen Großteil der Gesellschaft zu einem unverzichtbaren Kommunikationskanal geworden. Mit seiner ständigen Weiterentwicklung, einer Datenmenge, die nahezu unermesslich erscheint und der Kombination aller zuvor voneinander isolierten Medien, erreicht es Mitglieder sämtlicher Altersgruppen und Interessengemeinschaften11. Doch dies war nicht immer so, denn zu Beginn war das Internet ein exklusiv für das US-amerikanische Militär geschaffenes Medium.

Um zu verstehen, wie es sich zu einem für die Allgemeinheit frei verfügbaren Datennetzwerk entwickelte und dabei ganz nebenbei die soziale Kommunikation revolutionierte, folgt ein historischer Rückblick zur Entstehung des Internets und des Webs 2.0, bevor anschließend neben den Social Media in aller Ausführlichkeit das für diese Arbeit so bedeutsame soziale Online-Netzwerk thematisiert wird.

4.1 Entwicklungsgeschichte des Internets

Den ersten Stein bei der Erschaffung des Internets legte die vom Verteidigungsministerium der USA 1958 gegründete Advanced Research Project Agency, kurz ARPA (Ryan 2010: 24), indem sie 1969 das ARPANET entwickelte. Dieses autark funktionierende Netzwerk stellte vorerst als reines Forschungsnetzwerk eine Verbindung zwischen vier US-amerikanischen Universitäten12 her und sollte den USA 1972 im Kalten Krieg helfen, auch nach einem Atomschlag der UdSSR noch eine Kommunikation zwischen seinen wichtigsten Regierungssektoren sicherzustellen (Schelz 2010: 13). Das ARPANET vernetzte zu diesem Zeitpunkt 40 Computer13 und dabei auch das Militär mit wissenschaftlichen Institutionen sowie ausgewählten Wirtschaftssektoren. Im selben Jahr gelang es Ray Tomlinson die E-Mail als Vorläufer des Chats zu entwickeln und ein Jahr später wurde auch Europa mit den Vorreitern London und Norwegen an das Netz angebunden (Ryan 2010: 36). Im Jahr 1974 machten es Robert Kahn und Vint Cerf durch die Entwicklung des Transmission Control Protocols, kurz TCP, möglich, Daten auch zwischen verschiedenen Betriebssystemen zu übertragen (Ryan 2010: 38). Fünf Jahre später entwickelten Tom Truscott und Jim Ellist das USENET14 und ermöglichen damit, ähnlich wie die heutigen Webforen, einen Austausch in Newsgroups. Besonders in der akademischen Gemeinde fand dies Anklang (vgl. Janko 1998: 319) und ließ den Datenverkehr im Internet weiter wachsen. Auch die Kabel- und Satellitenverbindungen wurden weiter ausgebaut, so dass 1984 bereits 1000 Computer an das Netz angebunden waren. Dies war auch das Jahr der ersten Personal Computer, die für den privaten Gebrauch genutzt werden konnten (Schelz 2010: 14). Die private Nutzung des Internets sowie das von der 1986 gegründeten RARE15 entwickelte erste paneuropäische Netzwerk führten dazu, dass die Anzahl der Knoten bis zum Jahr 1989 auf 100.000 anstieg.

Einen Meilenstein in der Entwicklungsgeschichte hin zum Internet, wie wir und die Digital Natives16 es heutzutage kennen, setzte das von Tim Berners-Lee 1990 in Genf erfundene und 1993 durch das CERN (europäisches Kernforschungszentrum) für die Öffentlichkeit freigegebene World Wide Web (WWW)17. „HTML, Browser und Multimedia-Anwendungen bestimmen jetzt den Datenverkehr im Internet” (Schelz 2010: 15). Die Erfindung des WWW stellte mit seiner verbesserten Nutzbarkeit für Ryan (2010: 106) „one of the most important advances in human communication history” dar und führte dazu, dass sich nun durch eine leichtere Handhabung vermehrt auch Privatpersonen und Firmen einschalteten. So verzeichnete das Internet im Oktober 1994 3,8 Millionen und im Juli 1995 bereits 6,6 Millionen vernetzte Computer (Ryan 2010: 115). Bevor im Juli 1997 dann sogar 19,6 Millionen Computer am Netz waren, revidierte Bill Gates 1996 seine Aussage „Internet ist nur ein Hype” (Haunhorst 2012) und stieg mit Microsoft in das Internet-Geschäft ein.

Jedoch waren die Anwender, auch User genannt, auch zu diesem Zeitpunkt nur Nutzer der im damaligen Web 1.0 verfügbaren Dienste. Sie konnten nach Informationen suchen, E-Mails versenden, Newsletter empfangen und sogar chatten, die Inhalte die sie im Internet vorfanden jedoch nicht mitgestalten. Der entscheidende Schritt hin zum sogenannten Web 2.018 änderte dies grundlegend.

4.2 Web 2.0 und Social Media

Mit der Einführung des Web 2.0 im Jahr 2003 wurde aus dem passiven plötzlich ein aktiver User, der im „Mitmach-Internet” (Gronenthal 2011: XII) eigenes Material kreieren und der Öffentlichkeit zur Verfügung stellen konnte. Technische Innovationen, ein günstigerer Zugang sowie eine Jahr für Jahr steigende Konnektivität ermöglichten auch dem nichtkundigen Internet-Neuling ohne besonderes Vorwissen das Erstellen einer eigenen Homepage sowie das Hochladen von Bildern und Videos (vgl. Behrendt/Zeppenfeld 2008: 17).

Doch das Kreieren der eigenen Website war nicht alles, was die Neuerungen des Webs 2.0 mit sich brachten. Unter Verwendung des Internets entwickelte sich unter den Usern ein interaktiver und verstärkt sozialer Umgang miteinander. Der Vorteil des „Mitmach-Webs” war schnell klar: Ein „Demokratisierungsprozess von Kommunikation und Meinungsaustausch” (Burger 2013: 16). Es gab nun statt einem Sender und vielen Konsumenten (one-to-many) die Möglichkeit für jeden User, Informationen zu kommunizieren oder die der anderen zu konsumieren (many-to-many) (Burger 2013: 15). Neben (Video-) Podcasts und Blogs, in denen die Anwender der Öffentlichkeit frei und unzensiert ihre persönlichen Botschaften und Meinungen verkünden konnten, waren sie nun auch dazu in der Lage, auf sogenannten Wiki-Webseiten Informationen zu einem bestimmten, mitunter wissenschaftlichen, Thema frei zu erstellen oder bereits existierende Beiträge zu bearbeiten (vgl. Orth 2009). Auf diese Art und Weise entstand ein, zum Großteil von unprofessionellen Usern erzeugtes, unübersichtliches Netz aus Informationen. Dies kann unter anderem dadurch belegt werden, dass die englische Version der Webseite Wikipedia im Januar 2002 noch 20.000 und sieben Jahre später bereits 2,5 Millionen Artikel umfasste (Ryan 2010: 138)19.

Neben der grundlegenden Neugestaltung des Internets brachte die Einführung des Webs 2.0 auch eine stetige Steigerung der Nutzerzahlen mit sich. Die Angebote des WWW sorgten zwar dafür, dass bereits im Jahr 2002, dem Jahr vor der Freigabe des Webs 2.0, weltweit 677 Millionen Personen das Internet nutzten. Jedoch konnte die Erweiterung hin zum „Mitmach-Internet” diese Anzahl bis zum Jahr 2016 auf das fünffache erhöhen20. 2016 nutzten somit 3,385 Milliarden und Schätzungen zufolge 2017 sogar 3,578 Milliarden Menschen weltweit das Internet (International Telecommunication Union (ITU) 2018). Dieser Anstieg konnte im Rahmen einer Onlinestudie auch für Deutschland bestätigt werden. Laut Erhebung der ARD/ZDF-Medienkommission (2018) seien 2017 mit 62,4 Millionen Menschen knapp 90 Prozent der deutschen Bevölkerung ab einem Alter von 14 Jahren online gewesen. Im Vergleich zum Vorjahr entspricht dies einem Anstieg von 6 Prozent.

Aber worauf lässt sich dieses Wachstum der Internetgemeinde zurückführen? Lag es daran, dass die User aktiv partizipieren konnten? Oder basiert die Zunahme darauf, dass nun gemäß dem Many-to-many-Prinzip auf Augenhöhe kommuniziert wurde?

Definitiv spielt die soziale Interaktion, die im Web 2.0 in den Vordergrund rückte, eine entscheidende Rolle (vgl. Wampfler 2013: 31). Im Werk von Behrendt und Zeppenfeld (2008: 16) wird erwähnt, dass „das Web 1.0 Computer verbunden hat, während das Web 2.0 Menschen verbindet.” In diesem Zusammenhang ist besonders auf die durch den gemeinsamen Gebrauch entstandenen Sozialen Medien (Social Media) und die ihnen untergeordnete Social Software zu verweisen. Der Begriff Social Media wird häufig fälschlicherweise mit dem Begriff Web 2.0 oder auch dem, im folgenden Kapitel erläuterten, Begriff Social Network gleichgesetzt. Zwar legen all diese Bestandteile des Internets den Fokus auf die Kommunikation und Kollaboration der User, allerdings können die Begrifflichkeiten dennoch nicht synonym verwendet werden. Social Media definieren Kaplan und Haenlein (2010) als „eine Gruppe von Internetanwendungen, die auf den technologischen und ideologischen Grundlagen des Web 2.0 aufbauen und das Erstellen und den Austausch von User Generated Content21 ermöglichen”. Unterteilt werden können Social Media dabei in (Mikro-)Blogs (z.B. Twitter), Content Communities (z.B. YouTube), Kollektivprojekte (z.B. Wikipedia), MMORPGs22 sowie soziale virtuelle Welten (Bsp. Second Life) und soziale Netzwerke (Kaplan & Haenlein 2010).

Sie umfassen unter anderem die Social Software, also die technischen Werkzeuge und Anwendungen, die den Informationsaustausch sowie die Interaktion und Zusammenarbeit zwischen den Anwendern ermöglichen (Hippner 2006, 10). Koch und Richter (2009: 12) definieren Social Software genauer als Anwendungsprogramme, „die unter Ausnutzung von Netzwerk- und Skaleneffekten indirekte und direkte zwischenmenschliche Kommunikation (Koexistenz, Kommunikation, Koordination, Kooperation) auf breiter Basis ermöglichen und die Identitäten und Beziehungen ihrer Nutzer im Internet abbilden und unterstützen”.

Social Media sowie die Social Software sind also insgesamt sehr stark am, in Kapitel 2 bereits erwähnten, sozialen Grundbedürfnis des Menschen orientiert und spielen, wie wir im folgenden Kapitel sehen werden, auch für die Befriedigung anderer Bedürfnisse eine entscheidende Rolle. Dies erklärt auch den Zuwachs an Internetnutzern – zumindest zum Teil, denn auch die Weiterentwicklung in der Mobilfunkbranche ist dafür von entscheidender Bedeutung. Steve Jobs erwähnte bei der Einführung des iPhones 2007: „Heute schreiben wir ein bisschen Geschichte” und deutete damit die großen Veränderungen an, die das mobile Netzwerk mit sich bringen sollte und die sich zu diesem Zeitpunkt nur erahnen ließen. Soziale Beziehungen konnten nun ohne großen Zeitaufwand und zudem ortsunabhängig gepflegt werden, denn das Internet war auf den neuen internetfähigen Mobiltelefonen plötzlich überall verfügbar (vgl. Schelske 2007: 125). Besonders ein Bestandteil der Social Media sollte davon profitieren und den Anstieg der Internetnutzer-Zahlen weiter forcieren: Die sozialen Online-Netzwerke.

4.3 Soziale Online-Netzwerke

Der Begriff „soziales Netzwerk” findet nicht nur in öffentlichen Diskursen zu Themen wie bspw. dem Datenschutz, sondern inzwischen auch vermehrt in politischen Angelegenheiten immer wieder seinen Platz. Doch was genau ist dieses auch als webbasiertes soziales Netzwerk bezeichnete Element des Internets? Im Folgenden soll durch den Vergleich ausgewählter Literatur eine allgemeingültige Definition gefunden werden. Im Anschluss an die nachfolgend dargestellte Entstehungsgeschichte einiger ausgewählter virtueller Netzwerke werden neben den möglichen Gründen der Partizipation auch aktuelle Nutzungszahlen sowie die Reize und Risiken der Plattformen vorgestellt.

4.3.1 Begriffsbestimmung des sozialen Online-Netzwerks

Neben den, zu Beginn des dritten Kapitels erwähnten, verschiedenen Begrifflichkeiten weist die Literatur auch in Bezug auf die Definition des „sozialen Online-Netzwerks” eine umfangreiche Diversität auf. Eine einheitliche Definition existiert dementsprechend nicht. Genähert wird sich dieser, indem vorerst das reale soziale Netzwerk determiniert und die entsprechende Erläuterung anschließend auf den Onlinebereich übertragen wird.

Jansen (2003: 13) definiert ein Netzwerk allgemein als „ein abgegrenztes Set von Knoten und ein Set der für diese Knoten definierter Kanten”, wobei Menschen im Netzwerk die Knoten und ihre sozialen Beziehungen die Kanten darstellen. Für ein soziales Netzwerk ist mindestens die Anwesenheit von zwei Kanten und somit eine Triade an Akteuren notwendig. Genauer gesagt beschreibt der Begriff also die Summe aller sozialen Beziehungen eines Akteurs, der sich selber in der Mitte des Netzwerkes befindet (Döring 2003: 404). Im Gegensatz zu einer sozialen Gruppe weisen soziale Netzwerke keine Hierarchie, sondern Gleichrangigkeit auf (Schelske 2007: 123). Dabei sind zwischen fast allen Mitgliedern eine direkte, wenn auch z.T. lockere, soziale Beziehung sowie die Verknüpfung unterschiedlichster Ziele nachzuweisen (Mörl & Groß 2008: 40). Zu unterscheiden sind in einem solchen Netzwerk persönliche und unpersönliche Kontakte. Zu den persönlichen Kontakten zählen neben der Familie auch enge Freunde. Der Akteur im Zentrum des Netzwerks hat zu diesen Personen eine starke emotionale Bindung (strong ties). Die unpersönlichen Kontakte, zu denen bspw. Arbeitskollegen zählen, zeichnen sich hingegen durch eine schwächere Bindung aus (weak ties) (vgl. Kneidinger 2010: 57). Häufig fehlt in dieser Art sozialer Beziehung die Vertrauensbasis. Stattdessen erhoffen sich die einzelnen Akteure eher, dass der Kontakt einen Vorteil für das eigene Wohl mit sich bringt.

Das soziale Online-Netzwerk wird von Boyd und Ellison (2007: 211) definiert als „web-based services that allow individuals to (1) construct a public or semi-public profile within a bounded system, (2) articulate a list of other users with whom they share a connection, and (3) view and traverse their list of connections and those made by others within the system”. Zwar können auch diese virtuellen Netzwerke einen persönlichen Nutzen in Bezug auf soziale Ressourcen mit sich bringen, besonders zeigt sich an dieser Stelle jedoch die Divergenz zu den sozialen Netzwerken des realen Lebens. Während Letztere nämlich der unmittelbare Kontakt und die synchrone Kommunikation im direkten Gegenüber (face-to-face) oder per Telefon auszeichnen, setzen die Anwender in sozialen Online-Netzwerken auf die computervermittelte Kommunikation per Chat oder Mail. Hierdurch bietet sich ihnen so die Möglichkeit zur asynchronen, ortsunabhängigen Kommunikation. Mörl und Groß (2008: 51) präzisieren webbasierte Netzwerke weiter als geschlossenes soziales System, welches neben dem Aufbau und der Erhaltung von Sozialbeziehungen besonders dazu dienen soll, diese abzubilden. Durch diese Abbildung könnte dann auch die Vernetzung von Kontakten zweiten, dritten oder auch vierten Grades realisiert werden23, wodurch das Netzwerk an Reichweite gewinne.

Nach der obligatorischen Registrierung im Social Network geht es neben der Beziehungspflege unter anderem um die (Selbst-)Darstellung sowie die Darbietung der eigenen Identität und Interessen. Dafür legt jeder User bzw. die Personengruppe oder das Unternehmen, welches das technologische Netzwerk nutzen möchte, ein eigens kreiertes Profil an. Dieses kann im Anschluss durch allgemeine Informationen zur Person, Biografie sowie möglichen Hobbies und Interessen erweitert und mit Bildern ausgestaltet werden. Durch Sichtbarkeitseinstellungen wird festgelegt, wer dieses Nutzerprofil im sozialen Online-Netzwerk finden und sich gegebenenfalls verbinden kann (vgl. Burger 2013: 17ff.). Die Suchfunktion der meisten Social Networks ermöglicht es den Anwendern dabei, sich nicht nur über die Eingabe des Namens, sondern auch über Gemeinsamkeiten bezüglich bestimmter Informationen, wie bspw. dem Arbeitgeber, der besuchten Schule oder des Heimatorts zu finden.

Über die letzten Jahre sind die sozialen Online-Netzwerke nicht nur durch die Entwicklung in der Mobilfunkbranche zu den meistbesuchten Websites avanciert (ebd.). Neben der Tatsache, dass diese Plattformen eine orts- und zeitunabhängige Kommunikation ermöglichen und Jahr für Jahr um Applikationen wie bspw. Tauschbörsen und Spiele erweitert werden (ebd.), decken sie durch den jeweils speziellen Fokus (privater Informationsaustausch, geschäftliche Beziehungen etc.) auch sehr gezielt die Wünsche nahezu jeder Alters- und Interessengemeinschaft ab.

Im Folgenden sollen, stellvertretend für die unterschiedlichen Bereiche, sowohl die Entwicklungsgeschichte als auch die Eigenschaften einiger der, den Nutzerzahlen zufolge, in Deutschland signifikantesten sozialen Online-Netzwerke vorgestellt werden.

4.3.2 Historie und Eigenschaften ausgewählter Netzwerke

Die Entwicklungsgeschichte der Social Networks beginnt bereits Ende der 70er Jahre, denn als Ward Christensen und Randy Suess im Jahr 1978 das erste Bulletin-Board-System (BBS) entwickelten, ermöglichten sie dadurch der, unter anderem aufgrund der hohen Kosten, zu diesem Zeitpunkt überschaubaren Anzahl an Internetanwendern sowohl den Austausch als auch das öffentliche Bereitstellen von Daten und Nachrichten. Applikationen wie CompuServe oder AOL erweiterten ab Ende der 80er Jahre die Funktionen derartiger Plattformen um das Erstellen von Profilen, den Chat, das Veröffentlichen von Veranstaltungen sowie das Versenden privater Nachrichten und schufen damit ein Angebot, welches sich dem der sozialen Online-Netzwerke, wie wir es heute kennen, bereits näherte (Zarrella 2010: 61).

Nachdem sich mit der Freigabe des WWW 1993 das Social Networking auf Web-Angebote verlagert hatte und 1995 mit den Seiten classmates.com und match.com die ersten webbasierten Vorläufer entstanden waren (Zarrella 2010: 63), veröffentlichte Andrew Weinreich mit sixdegrees.com im Jahr 1997 das erste offizielle soziale Online-Netzwerk (Ellison & Boyd 2007: 213). Weinreichs Produkt sollte noch Ende der 90er Jahre mehrere Million Mitglieder zählen (Fleischhack 2012: 121). In diesem virtuellen Netzwerk konnten die User ihre Freunde in einer Liste veröffentlichen und ein Jahr später war es außerdem möglich, die Freundeslisten anderer Anwender zu durchsuchen, um gemeinsame Bekanntschaften und Freunde zu finden. Sixdegrees.com schien seiner Zeit voraus zu sein und wurde, da es den Usern nach dem Akzeptieren der sporadischen Freundschaftsanfragen nicht mehr viele Möglichkeiten der Nutzung bot, im Jahr 2000 vom Betreiber eingestellt.

Nur zwei Jahre später gründete Jonathan Abrams mit Friendster eine moderne Ausführung des sozialen Online-Netzwerks. Konkurrenz bekam Friendster, dessen Betreiber kurz nach der Gründung ein Ankaufsangebot des Internetriesen Google über 30 Millionen Dollar ablehnte, durch das vom Unternehmen Intermix Media 200324 veröffentlichte MySpace (Zarrella 2010: 63). Während sich MySpace schnell zum populärsten webbasierten Netzwerk entwickelte, startete der Amerikaner Mark Zuckerberg noch im selben Jahr eine Seite namens Facemash. Auf dieser Plattform wurden die Bilder zweier Studierender, die Zuckerberg mithilfe des Einhackens in die Datenbank der Harvard-Universität beschaffte, in Bezug auf Attraktivität verglichen, wobei der Gewinner daraufhin ein höheres Rating erlangte. Auch sein anschließendes Projekt The Facebook war zum Zeitpunkt der Veröffentlichung nur Harvard-Student(in)en zugänglich. Da dieses technisierte Netzwerk jedoch ziemlich schnell einen großen Anstieg der Nutzerzahlen verzeichnen konnte, wurde es 2006, dem Jahr, in dem auch Twitter gegründet wurde, für jeden Internetnutzer frei zugänglich (ebd.).

Im Konkurrenzkampf um User, in dem auch die speziell für deutsche Nutzer kreierten VZ-Netzwerke (vorrangig in Form von SchülerVZ) seit dem Jahr 200525 mitmischten, überholte The Facebook, dessen Name zu diesem Zeitpunkt bereits auf Facebook reduziert worden war, in den Jahren 2008 und 2009 MySpace als bekanntestes Netzwerk und entwickelte sich schnell zum alleinigen Marktführer (Schmidt & Taddicken 2017: 10). Zu Facebook gehört seit 2012 auch das 2010 gegründete Online-Netzwerk Instagram, so dass als ernstzunehmender Konkurrent auf dem deutschen Markt26 aktuell nur die 2011 veröffentlichte Plattform Google+, die von der Einbettung in den Google-Account profitiert, zu erwähnen ist. Aufgrund von Bedenken bezüglich des Datenschutzes werden zudem interne soziale Netzwerke immer beliebter (Burger 2013: 18).

Nach diesem Überblick über die Entwicklungsgeschichte des sozialen Online-Netzwerks sollen im Folgenden neben der detaillierteren Historie auch die Bestandteile und Eigenschaften ausgewählter, großer Netzwerke genauer dargestellt werden.

4.3.2.1 Facebook

Wie bereits erwähnt wurde, ist Facebook weltweit das meistgenutzte und bekannteste soziale Online-Netzwerk. Bekannt ist es nicht nur aufgrund seiner großen Nutzeranzahl in sämtlichen Altersgruppen, sondern vor allem durch die beständige Medienpräsenz. Die Plattform polarisiert, wobei hohe Einnahmen, der Börsengang im Mai 2012 und die Unterstützung wohltätiger Organisationen undurchsichtigen Datenschutzrichtlinien und der Beeinflussung der US-amerikanischen Präsidentschaftswahlen durch Freigabe persönlicher Nutzerdaten im Jahr 2017 gegenüberstehen. Veröffentlicht als virtuelles Jahrbuch unter dem Namen The Facebook, verbindet es nun weit mehr als die Studentenschaft der Universität Harvard. Aufgrund seiner extremen Beliebtheit war die 2004 gegründete Seite bereits sechs Jahre später die meistbesuchte Website überhaupt und generierte somit mehr Klicks als Google.com (Neuberger & Gehrau 2011: 33).

Unter dem Motto „Give people the power to build community and bring the world closer together” (Facebook 2018a) vereint Facebook aktuell27 ca. 2,2 Milliarden aktive Nutzer28, von denen 1,45 Milliarden das soziale Online-Netzwerk täglich besuchen (Facebook 2018b). Alleine in Deutschland sind 32 Millionen Menschen mindestens einmal im Monat und 24 Millionen sogar jeden Tag auf der Plattform aktiv. Dass das Netzwerk dabei unter anderem von der Entwicklung hin zu mobilem Internet profitiert, belegen die 28 Millionen deutsche Nutzer, die die Website über ihr internetfähiges Mobiltelefon abrufen (Roth 2018). Abbildung 2 zeigt das von Facebook veröffentlichte Soziogramm29, welches wiederum sämtliche Beziehungen veranschaulicht, die über das webbasierte Netzwerk aufgebaut und seitdem gepflegt wurden.

Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten

Abb. 2 Netzwerk von Facebook (Facebook 2012)

„Die Menschen verwenden Facebook, um mit Freunden und Menschen in Verbindung zu bleiben, zu erfahren, was auf der Welt los ist und Inhalte zu teilen, die ihnen wichtig sind”, verkündet das Unternehmen auf seiner Homepage (Facebook 2018b). Um dies zu realisieren, gibt es das Netzwerk seit 2008 in verschiedenen sprachlichen Ausführungen. Bereits acht Jahre später hatten sich so 100 unterschiedliche Versionen entwickelt (vgl. Wanhoff 2011: 18). Dabei ist der Aufbau immer gleich. Neben der allgemeinen Info-Rubrik, in der der User persönliche Informationen zu Arbeit und Ausbildung, Orte, an denen er gelebt hat, allgemeine Kontaktinformationen etc. präsentiert und somit anderen Nutzern ermöglicht, ihn über die Suchleiste der Website zu finden, gibt es zudem die Rubriken Fotos, Freunde und auch die sogenannte Chronik. In der Chronik werden seit 2012 sämtliche selbst veröffentlichte Statusmeldungen, Fotos, Videos, Links und auch die eigens oder von Freunden und Bekannten kreierten Kommentare angezeigt. Auch Lebensereignisse können nach Belieben angezeigt werden, so dass nach und nach ein virtueller Lebenslauf entsteht. Diese Chronik ist nicht nur für Privatpersonen sondern mittlerweile auch für Organisationen und Unternehmen sehr bedeutsam geworden, da die von ihnen veröffentlichten Inhalte durch das „Liken”30 oder Teilen anderer Nutzer auch in ihrer Chronik angezeigt werden31. Im Sinne eines viralen Marketings erweitert sich so kostenlos das Publikum für organisations- oder unternehmenseigene Beiträge und Werbebotschaften. Da diese somit von immer mehr Freunden und Bekannten gesehen werden, die eventuell ebenfalls auf „like” drücken, verbreiten sich die Inhalte in Form eines Schneeballeffekts anschließend umso schneller (vgl. Burger 2013: 20). Drückt ein Nutzer auf dem Facebook-Profil einer Organisation auf „like”, so erscheint zusätzlich die Gesamtheit an neuen Posts auf seiner Startseite bzw. im Newsstream, der dort angezeigt wird. Hier erscheinen auch die Updates von Freunden und Bekannten. Das „Liken” einer Seite entspricht also dem Eingehen einer Beziehung im sozialen Online-Netzwerk. Nach dem beidseitigen Einverständnis zum Eingehen der Verbindung kann anschließend privat über den Messenger oder öffentlich über die Chronik kommuniziert werden. Auch das Bilden von bzw. das Beitreten zu bereits existierenden Gruppen ist möglich. Hier können sich die User Informationen einholen oder über gemeinsame Interessen debattieren. Mit zusätzlichen Applikationen wie bspw. Tauschbörsen und Browser-Spielen kann Facebook im Vergleich zu anderen webbasierten Netzwerken als Multitalent bezeichnet werden.

4.3.2.2 Google+

Mit Google+ wurde im Juni 2011 einer der, wenn auch von vielen Experten sowie dem Gründer selbst nicht dementsprechend eingeordnete, aktuell stärksten Facebook-Konkurrenten eingeführt, der innerhalb kürzester Zeit zu den drei größten Social Networks zählte (Reynol 2014: 20). Die Ansicht darüber, ob die neue Plattform wirklich zum sogenannten „Facebook-Killer” werden kann, ist weiterhin umstritten (Faber 2013: 13f.). Allerdings kann der große Anstieg an Usern sowie die Tatsache, dass Facebook auf die Markteinführung von Google+ mit Anpassungen am eigenen Netzwerk reagierte (Schwindt 2012: 15), nur schwer übersehen werden. Durch ein dynamisches Erscheinungsbild, welches durch kontinuierliche Anpassungen an die Interessen und Vorlieben der Nutzer angepasst wird, sowie die Fokussierung auf transparente Datenschutzrichtlinien und Privatsphäreneinstellungen konnte sich Google+ schnell von der Rolle als Facebook-Kopie distanzieren (Faber 2013: 1). Und dennoch ist zu erkennen, dass sich die Gründer nach dem Scheitern früherer sozialer Online-Netzwerke, wie bspw. Google Wave und Google Buzz, in diesem Projekt am Modell der erfolgreicheren Plattformen orientiert haben. So erinnert das grundlegende Erscheinungsbild an eine Version von Facebook vor der Ergänzung der Timeline und die Streams, auf die im Folgenden noch genauer eingegangen wird, an die Mikroblog-Seite Twitter (Schwindt 2012: 13). Neben den Bestandteilen einiger der bekanntesten webbasierten sozialen Netzwerke vereint Google+ darüber hinaus Dienste wie die Bildverwaltungssoftware Picasa, das Videoportal YouTube, den E-Mail-Dienst Gmail, die Blog-Plattform Blogger sowie das Steckenpferd des Unternehmens Google LLC, die Google-Suchmaschine (ebd.: 15) und kann es sich zudem leisten, werbefrei zu bleiben (Faber 2013: 8). Auch die in anderen Social Networks oft zu sehenden Gewinnspiele, die dem Generieren von Aufmerksamkeit und mehr Followern32 dienen sollen, unterliegen in Google+ einem Verbot, was das Netzwerk insgesamt seriöser erscheinen lässt. Diese Seriosität wird durch die Klarnamenpflicht33 (ebd.: 36) und die Ausgliederung der beliebten Browser-Spiele in eine eigene Unterkategorie unterstützt (Tantau 2012: 105).

Google+ etablierte sich, mit der Gesamtheit an Innovationen, die es mit sich brachte, auf dem Markt als am schnellsten wachsendes Netzwerk und konnte im dritten Quartal des Gründungsjahrs 2011 bereits 40 Millionen Mitglieder verzeichnen. Im April 2012 war diese Zahl bereits auf 170 Millionen (Faber 2013: 20) und fünf Jahre später sogar auf ca. 3,36 Milliarden angestiegen (Statista GmbH 2018). In Bezug auf diese Mitgliederzahlen sollte allerdings nicht außer Acht gelassen werden, dass die Nutzung der meisten Google-Produkte direkt mit dem Erstellen eines Google+-Accounts verbunden ist. Zwar können YouTube und Gmail auch ohne ein entsprechendes Konto genutzt werden, es wird allerdings direkt auf die Vorteile des technisierten Netzwerks, wie unter anderem die Möglichkeit zum Kommentieren von YouTube-Videos, verwiesen. Auch die 2 Milliarden Menschen, die das Betriebssystem Android auf ihrem Smartphone nutzen, sind durch das automatische Erstellen eines Google-Accounts nur ein paar Klicks von einer Registrierung in der vorinstallierten Google+-App entfernt. Zum Vergleich der unterschiedlichen Netzwerke von entscheidenderer Bedeutung als die Gesamtzahl von über drei Milliarden Mitglieder sind also eher die monatlich aktiven Nutzer und ebendiese sind nur schwer zu erfassen, da es diesbezüglich keine offiziellen Zahlen von Google gibt. Ein Blick in die internetbasierte Literatur zeigt ein sehr divergentes Bild. Während von Seiten Googles erwähnt wurde, dass 540 Millionen Nutzer den Service zumindest indirekt über YouTube oder GMail nutzten, sprach die Forbes 2015 von 111 Millionen monatlich aktiven Usern (Denning 2015), was nur einem Bruchteil der Facebook-Nutzer entspräche. Die Plattform verzeichne insgesamt sehr wenig Aktivität und viele der Anwender besuchten sie nur ca. dreimal im Monat (Ingraham 2013).

Einige angesehene Online-Medien beziehen sich unter anderem auf diese geringe Anzahl regelmäßiger Nutzer und sagen Google+ trotz der zahlreichen oben aufgeführten Innovationen einen sukzessiven Untergang voraus, da die Plattform ihrer Meinung nach den Anfangszeitraum nicht dafür nutzen konnte, um sich von der Masse an Konkurrenten abzusetzen und die User anderer großer Netzwerke für sich zu gewinnen (Faber 2013: 25).

Und dennoch sollte das soziale Online-Netzwerk nicht abgeschrieben werden, da Google weiterhin viel dafür tut, es auf dem Markt sowie als zentrales Element der verschiedenen Unternehmensplattformen zu integrieren. Nachdem es anfangs nur für Privatpersonen zugänglich war, wurde es Ende 2011 auch Unternehmen möglich, ein Profil zu erstellen (Schwindt 2012: 11). Usern steht nach der Ausgestaltung des Profils mit klassischen Reitern wie „Über mich”, in dem Angaben zur eigenen Person gemacht werden, sowie „Bilder” und „Videos”, in denen es möglich ist entsprechende Multimedia-Dateien per Smartphone direkt hochzuladen, ein Angebot bereit, welches sich entgegen der Meinung einiger Kritiker durchaus von anderen Netzwerken abgrenzt. So können private Anwender und Unternehmen ihre Kontakte bspw. in sogenannten „circles” bzw. Kreisen anordnen und anschließend ohne Einwilligung des Eingekreisten öffentliche Posts empfangen und kommentieren. Die Annahme einer Freundschaftsanfrage ist dafür also nicht notwendig (Faber 2013: 16). Auch eigene Inhalte werden entweder öffentlich oder nur für ausgewählte Kreise freigegeben. Mit dem Zitat „Facebook ist gut für den Kontakt mit Menschen, die man bereits kennt. Google+ ist gut zum Kennenlernen neuer Menschen und zur Information über Themen” beschreibt Faber (2013: 17) die Offenheit, die das Social Network dabei mit sich bringt. Eine weitere Applikation stellen die sogenannten „Hangouts”, Videochats mit bis zu zehn Usern, dar. Neben themenbezogenen oder direkt auf einen Beitrag bezogenen öffentlichen „Hangouts”, an denen jeder teilnehmen kann, ist diese Anwendung besonders für Unternehmen interessant. Diese können so Kundengespräche führen oder in den „Hangouts on air”, in denen sich eine unbegrenzte Anzahl passiver Teilnehmer einschalten kann, Web-Seminare oder Produktschulungen durchführen (Reynol 2014: 20f.), wobei das parallele Einblenden von YouTube-Videos oder gemeinsamen Google Docs Dokumenten möglich ist (Tantau 2012: 99). Durch Nachrichtenkanäle bestimmter eingekreister Seiten, die auch als „Sparks” bezeichnet werden, bleiben User auf dem Laufenden. Dabei liegt der Schwerpunkt eher auf Personen des öffentlichen Lebens sowie Unternehmen und Organisationen als auf privaten Beiträgen (Faber 2013: 19). Inhalte, die in den „Sparks” angezeigt werden, können, wie bei Facebook, kommentiert, geteilt und auch „gelikt” werden, wobei der „like-Button” bei Google+, dem Namen des Netzwerks entsprechend, als „+1-Button” bezeichnet wird. Beim „Liken” wird hier folglich vom „Einsplussen” gesprochen (vgl. Tantau 2012: 88).

[...]


1 Das soziale Online-Netzwerk wird im Folgenden bedeutungsgleich auch als „webbasiertes Netzwerk“, „virtuelles Netzwerk“, „mediatisiertes Netzwerk“, „technisiertes Netzwerk“, „technologisches Netzwerk“, „(Online) Social Network“ oder „Online-Dienst“ bezeichnet.

2 Übersetzung aus dem Englischen (Originalzitat: „We lived on farms, then we lived in cities, and now we're going to live on the internet!” (Fincher 2010)).

3 Übersetzung aus dem Englischen (Originalzitat: „a complete work of fiction“ (Butcher 2011)).

4 Eine weitere Abgrenzung nehmen bspw. Wellmann et al. (2008: 137, zitiert nach Kneidinger 2010: 20) vor, indem sie je nach Intensität und Anzahl an Kontaktmomenten intimate ties (vertraulich, intim) und routine ties (Kontakt – per direktem Treffen, Telefon, Brief etc. - mindestens drei Mal pro Woche) unterscheiden.

5 Siehe Abb. 1.

6 Mit dem Individualbedürfnis wird auch eine Wertschätzung des Selbst verbunden.

7 Forgas (1999: 106f.) verweist darauf, dass das Verstehen einer Botschaft unter anderem vom gemeinsamen Vorwissen der Kommunikationspartner abhängig ist. Als Beispiel ist hier ein Gespräch unter Computerspielern zu nennen, das für Personen ohne entsprechendes Wissen und der Kenntnis über bestimmte Begrifflichkeiten nicht zu verstehen ist.

8 Siehe Tab. 1 im Anhang.

9 Auch Matthias Grundmann erwähnt in seinen Werken wiederholt die Bedeutsamkeit der Kommunikation für die Entwicklung einer starken Persönlichkeit sowie für die Manifestierung von Bildung und Wissen.

10 Vor 200.000 Jahren entwickelte sich der erste anatomisch moderne Mensch in Afrika. Funde der vielleicht ältesten Kunstwerke aus der Blombos-Höhle in Südafrika sind auf einen Zeitraum von vor ca. 80.000 Jahren zurückzuführen. Die Forscher sind sich zum größten Teil einig darüber, dass eine Korrelation zwischen komplexem symbolischem Handeln, wie unter anderem dem Erschaffen von Kunstwerken und der Fähigkeit zur Kommunikation besteht. Dieses komplexe Handeln bzw. moderne Kulturverhalten ist laut Hillert (2018: 11) sogar auf einen zeitlichen Rahmen von vor 40.000 bis 50.000 Jahren zurückzuführen.

11 Für den Zugang müssen jedoch Grundvoraussetzungen finanzieller und infrastruktureller Art sowie technische Grundkenntnisse vorhanden sein.

12 Los Angeles University, Santa Barbara University, Stanford University & University of Utah Salt Lake City.

13 An das Internet angebundene Computer nennt man auch Knoten. Deutschlands erster Knoten ging 1983 in Stuttgart ans Netz.

14 Kurzform für User Network, ein Netzwerk für die Nutzer des Betriebssystems UNIX.

15 RARE steht für Réseaux Associés pour la Recherche Européene.

16 Digital Native ist die Bezeichnung für eine Person, die mit digitalen Medien aufgewachsen und somit in ihrer Nutzung geübt ist (vgl. Dudenredaktion o.J.b).

17 Schelz (2010: 15) legt Wert darauf zu erwähnen, dass das WWW nicht das Internet, sondern lediglich einer von vielen Diensten sei, wenn auch ein sehr großer.

18 Der Begriff Web 2.0 wurde von Tim O’Reilly geprägt, der ihn im Jahr 2004 erstmals auf einer Konferenz verwendete und damit auch die vorherigen Eigenschaften unter dem Begriff Web 1.0 zusammenfasste (Schelz 2010: 80).

19 Weltweit umfasst Wikipedia inzwischen 48,6 Millionen Artikel, von denen 5,7 Millionen in der englischsprachigen und weitere 2,2 Millionen in der deutschsprachigen Ausführung abrufbar sind (Stand: August 2018) (Zachte 2018).

20 Siehe Abb. 7 im Anhang.

21 User Generated Content (UGC) bezeichnet die vom Internetnutzer eigens erstellten Inhalte.

22 Über das Internet spielbare Rollenspiele.

23 In einigen sozialen Online-Netzwerken besteht die Chance, die Freundesliste anderer User zu durchsuchen, die neben gemeinsamen Kontakten eben auch solche anzeigt, die noch nicht dem eigenen Netzwerk angehören.

24 Auch die webbasierten Netzwerke LinkedIn und XING, die dem Aufbau und der Pflege von Geschäftskontakten dienen, wurden im Jahr 2003 gegründet.

25 Im Jahr 2005 wurde auch YouTube gegründet (Ryan 2010: 149). Vorerst ausschließlich als Videoplattform bekannt, entwickelte sich YouTube mehr und mehr zu einem sozialen Netzwerk.

26 Es existieren zahlreiche weitere soziale Online-Netzwerke auf dem Weltmarkt. Zu nennen sind hier bspw. Renren, Q-Zone, WeChat und Sina Weibo (China), Pinterest und Tumblr (USA), Orkut (Brasilien, Indien) sowie vKontakte (Russland). Hierbei handelt es sich allerdings zum Teil um einen Mix aus Messenger-Dienst und Social Network (vgl. Schmidt & Taddicken 2017).

27 Stand März 2018.

28 Als aktive Facebook-Nutzer werden Nutzer bezeichnet, die die Website mindestens einmal pro Monat besuchen.

29 Am 27. Februar 2012 aktualisierte Facebook sein Titelbild – es zeigte seitdem das Soziogramm und damit die Beziehungen der Nutzer auf.

30 Mit dem Liken (von engl. to like = gefallen) bringen User zum Ausdruck, dass ihnen ein Inhalt (Beitrag, Foto etc.) gefällt. Auf Facebook gibt es dafür unter dem geposteten (engl. to post = einen Beitrag verfassen) Inhalt einen animierten Daumen, der gedrückt werden kann.

31 Die Veröffentlichung bestimmter Inhalte kann in den Privatsphäre-Einstellungen individuell festgelegt werden.

32 Engl. follower = Anhänger; Bezeichnung für einen regelmäßigen Empfänger einer Nachricht beim Twittern [oder in anderen sozialen Online-Netzwerken]. Drückt man in einem webbasierten Netzwerk auf „follow“, also „folgen“, so wird man zum Follower.

33 In Profilen muss der echte Name des Nutzers angegeben werden.

Ende der Leseprobe aus 124 Seiten

Details

Titel
Wie Social Networks unsere Sozialbeziehungen verändern. Und warum die Plattformen in der Schule genutzt werden sollten
Autor
Jahr
2019
Seiten
124
Katalognummer
V465579
ISBN (eBook)
9783964870315
ISBN (Buch)
9783964870322
Sprache
Deutsch
Schlagworte
Soziale Netzwerke, soziales Online-Netzwerk, soziale Kommunikation, soziale Beziehungen, Internet, Web 2.0, Sozialebeziehungen, Schule, Schulentwicklung, Facebook, Instagram, Twitter, Google+, Auswirkungen sozialer Netzwerke, WWW, Visual-Social-Media, Smartphone, Digitalisierung, Medienkompetenz
Arbeit zitieren
Till Sippel (Autor:in), 2019, Wie Social Networks unsere Sozialbeziehungen verändern. Und warum die Plattformen in der Schule genutzt werden sollten, München, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/465579

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