Patchwork. Eine textile Technik und Möglichkeit zum Biografischen Lernen (3. Klasse Textilunterricht)


Unterrichtsentwurf, 2018

17 Seiten, Note: 1,0


Leseprobe


Inhaltsverzeichnis

1. Einordnung der Stunde in die Unterrichtseinheit

2. Lernausgangslage

3. Sachanalyse

4. Didaktische Begründungen

5. Methodische Begründungen

6. Verlaufsskizze

7. Literaturverzeichnis

8. Anhang

1. Einordnung der Stunde in die Unterrichtseinheit

Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten

2. Lernausgangslage

Die Schüler und Schülerinnen1 befinden sich in der dritten Klasse einer Grundschule und besuchen den Textilunterricht regelmäßig. In der Klasse sind 28 SuS, davon sind 15 weiblich und 13 männlich. Die SuS werden seit der 1. Klasse durch die Lehrkraft, welche gleichzeitig die Klassenlehrerin ist, im Fach Textillehre unterrichtet. Dieses nimmt zwei Stunden in der Woche der SuS ein.

Zehn der SuS verfügen über einen Migrationshintergrund und sprechen Deutsch als Zweitsprache. Sie sind überwiegend sehr engagiert und fleißig. Ein kleiner Teil der SuS muss von der Lehrkraft dazu angeregt werden, sich am Textilunterricht zu beteiligen und gewissenhaft mitzuarbeiten.

Die SuS sind nach dem Stufenmodell der psychosozialen Entwicklung von Erik H. Erikson in Stadium vier. Nach Erikson nehmen Kinder in diesem Stadium motiviert am Geschehen teil, stellen etwas Nützliches bzw. Kreatives her und fordern häufig für ihre Arbeit eine gewisse Anerkennung ein. Dadurch kann sich ein gewisser Werksinn entwickeln.2

Nach dem Modell von L. S. Wygotski, geht die bestehende Entwicklung bei den SuS weit auseinander. Während der eine die gestellten Aufgaben ohne Probleme lösen kann, befindet sich der andere noch in der Zone der potenziellen Entwicklung und kann die gleichen Aufgaben nur mit Anleitung/Hilfe lösen.3

Die psychomotorischen Lernvoraussetzungen sind ähnlich angelegt. Im Textilunterricht ist zu beobachten, dass sich viele auf dem gleichen Stand befinden.

Die Verkehrsform in der Klasse ist gut. Die SuS gehen rücksichtsvoll miteinander um und lassen sich gegenseitig aussprechen. Teilweise gibt es Auseinandersetzungen, die jedoch schnell in der Klassengemeinschaft behoben werden können.

Die Ausstattung des Klassenraums ist als durchschnittlich zu bezeichnen. Es ist kein Smartboard o.Ä. im Raum vorhanden. Der Klassenraum ist groß genug, sodass man im vorderen Bereich sehr gut in einem Sitzkreis bzw. Kinokreis sitzen kann.

Im Fundus gibt es einige Materialien für den Textilunterricht, wie beispielsweise Stoffe, Perlen, Farben und Ähnliches. Hervorzuheben ist, dass Nähmaschinen zur Verfügung stehen. Für die gezeigte Unterrichtsstunde stehen ca. 90 min. zur Verfügung.

Durch das Buch „Zuhause kann überall sein“ von Irena Kobald und Freya Blackwood aus dem Jahr 2015 wird das Interesse an Deutsch als Zweitsprache der Lehrkräfte aufgegriffen. Des Weiteren kann das Bilderbuch auch fächerübergreifend im zweiten Fach Deutsch eingesetzt werden, indem sinnentnehmend gelesen oder der Inhalt analysiert werden kann.

Die SuS können durch die vorangegangen Unterrichtsstunden die Methode des Stickens anwenden. Der Vorstich, der Rückstich sowie der Überwindlingsstich wurden gelehrt. Außerdem haben die SuS bereits die Fertigkeiten Perlen annähen und mit Farbe drucken erlernt. Auch Knöpfe können sie ohne große Probleme anbringen.

Weiterhin wurde in der letzten Stunde das Herstellen eines Patchworks und dessen geschichtliche Entstehung besprochen. Daher kennen die SuS bereits das Konzept einer Patchwork-Decke.

3. Sachanalyse

Die Technik „Patchwork“ kann in das Konzept des „biografischen Arbeitens“ integriert werden, wodurch diese Technik als subjektorientiert bezeichnet werden kann. Das Subjekt, also die SuS und ihre Vergangenheit inklusive aller Erinnerungen und Gedanken, werden also zum wichtigsten Teil des Unterrichts. Als biografisches Material lässt sich Zurückliegendes oder Vergangenes, welches mittels der Erinnerungsfähigkeit in die Gegenwart transportiert wird, benennen. Im Unterricht wird also biografisches Material zur Rekonstruktion der Geschichte genutzt. Anders formuliert, sollen die SuS in der Unterrichtsstunde die Möglichkeit erhalten, Bezug auf die eigene und fremde Biografie zu nehmen.4

Aus der Übersetzung der Komposition „Patchwork“ lässt sich herleiten, was die textile Technik des Patchworks ausmacht. Frei übersetzt bedeutet „Patch“ (engl.) „Flicken“. Bei dieser Technik wird aus vielen einzelnen Flicken bzw. Stofffetzen, eine neue textile Fläche hergestellt.

Das älteste Patchwork stammt aus Ägypten und wurde vor ca. 1000 Jahren aus Gazellenhaut gefertigt.5 Das Patchwork hatte in Ägypten neben dem ästhetischen auch einen symbolischen Charakter. So wurden Farben verwendet, die Unheil abwenden oder Fruchtbarkeit bringen sollen. Im Verlauf der Geschichte gelangte die textile Technik „Patchwork“ durch die Schifffahrt und die Kreuzritter nach Europa. Im europäischen Raum hat sich das Patchwork durch die Vielzahl an praktischen Eigenschaften rasch verbreitet und wurde so zu einer etablierten textilen Technik.6 In England entwickelte sich zur gleichen Zeit eine besondere Form des Patchworks: der „Quilt“. Dieser ist eine Steppdecke, welche aus drei unterschiedlichen Stofflagen hergestellt wird. Die erste Stofflage, auch als Oberseite bezeichnet, besteht aus unterschiedlichen Stoffen, die zu den typischen Mustern eines Quilts zusammengenäht werden. Die zweite Lage besteht aus einem wärmenden Stoff und besitzt somit eine gewisse Schutzfunktion. Für die Rückseite, gleichzeitig auch die dritte Stofflage, wird meist ein einfarbiger Stoff, passend zur Oberseite, verwendet.7

Für ein „Quilt“ wurden häufig alte Baumwollstoffreste recycelt. Beispielsweise nach Kriegen oder anderen Ereignissen, die zur Knappheit von neu fabrizierten Stoffen führten, war dies eine gute Möglichkeit wärmende Decken herzustellen.8 Auch heute kann die Herstellung von Patchwork-Decken von großer Bedeutung sein, da Recycling eine gute Alternative zum Wegschmeißen von alten Stoffen ist. Die Alternative ist umweltfreundlich und es können Stoffe weiterverarbeitet und genutzt werden.

Zur Herstellung eines Patchworks gibt es verschiedene Techniken. Die Technik, die in dieser Unterrichtsstunde angewandt wird, wird auch als Rastertechnik bezeichnet. Die SuS gestalten ein individuelles Stoffquadrat. Werden am Ende der individuellen Arbeit der einzelnen SuS alle Quadrate zusammengefügt, entsteht ein klassisches Raster. Diese Rastertechnik ist für die Unterrichtsstunde angemessen, da die einzelnen Quadrate (15x15cm) viel Platz für die individuelle Gestaltung bieten und die Verbindung der einzelnen Quadrate durch das leichte Rastermuster einfacherer mit den SuS umzusetzen ist. Hierbei werden unterschiedliche, jedoch bereits bekannte, Techniken genutzt, um das Stoffquadrat mit „Erinnerungen zu bestücken“. Den SuS ist es freigestellt, ob sie nun mit der Technik des Annähens, dem Ansetzen von Zusatznähgutteilen, Knöpfe oder ähnliches am Stoff befestigen.9 Eine verwandte Technik ist die des Applizierens. Mit dieser Technik können die SuS „[…] Zierelemente[...] beliebiger Form, Art, Struktur, Darstellung, Farbe und Werkstoff“10 auf das Stoffquadrat aufnähen. Das Sticken, welches sich als „Nähen von Mustern […] oder bildlichen Motiven in linearer oder flächiger Darstellungsweise“ definieren lässt, ist den SuS ebenfalls bekannt und kann von diesen zur Verzierung des Stoffquadrates genutzt werden.11

4. Didaktische Begründungen

Sachkompetenz

- SuS vertiefen ihre optische und haptische Sensibilität
- SuS üben grundlegende textile Techniken
- SuS lernen mit textilen Gestaltungsmitteln kreativ umzugehen
- SuS lernen kulturelle Ausdrucksformen kennen und zu verstehen

Methodenkompetenz

- SuS können kleine Arbeitsabläufe sowie den Material- und Werkzeugbedarf planen
- SuS können eine begründete Auswahl des Warenangebots treffen
- SuS lernen Gelerntes selbstständig auf veränderte Situationen zu übertragen
- SuS lernen Informationen zu erarbeiten und auszuwerten

Selbstkompetenz

- SuS lernen den sensiblen Umgang mit anderen Menschen, Textilien und Materialien
- SuS lernen gestalterische Lösungen für eine Aufgabenstellung zu entwickeln
- SuS lernen zuverlässig, sorgfältig und ausdauernd zu arbeiten

Sozialkompetenz

- SuS erlernen die Planung und Anfertigung von Gemeinschaftsarbeiten
- SuS lernen mit Mitschüler/innen und ihre persönlichen Beiträgen rücksichtsvoll umzugehen
- SuS lernen in der Gruppe eigenverantwortlich und zuverlässig zu handeln
- SuS lernen konstruktive Kritik und Selbstkritik zu äußern und anzunehmen.

Heutzutage gewinnt das interkulturelle Denken, durch den stärker werdenden Fokus auf die Kulturvielfalt, immer mehr an Bedeutung. Deshalb ist es wichtig, den interkulturellen Zugang in der Schule aufzugreifen und zu fördern. Hierbei weist der Textilunterricht verschiedene Möglichkeiten auf, um so einen Erkenntniszugang zur Welt mit allen Sinnen zu ermöglichen.12

Zunächst lässt sich der interkulturelle Ansatz der Textildidaktik nach Iris Kohlhoff-Kahl13 in der Unterrichtsstunde wiederfinden. Die Aspekte Toleranz und Akzeptanz gegenüber den eigenen und anderen Kulturen werden mithilfe des Buches „Zuhause kann überall sein“ von Kobald und Blackwood thematisiert. Die Geschichte befasst sich mit dem Gefühl des Fremdseins in einer anderen Kultur. Durch das Bearbeiten der thematischen Inhalte entwickeln die SuS Empathie gegenüber Anderen. Die Hemmschwelle gegenüber anderen Kulturen kann dadurch verringert werden. Darüber hinaus wird das eigene Denken über andere Kulturen reflektiert.14 Das Bilderbuch bietet zudem eine kreative und spielorientierte Auseinandersetzung mit dem Thema, indem die Erinnerungsdecke der Protagonistin als Unterrichtsziel in Form eines Gemeinschaftsprojektes aufgegriffen wird. Das Erarbeiten eines Werkstückes in der Gemeinschaft ermöglicht die Stärkung des Gruppengefühls sowie die Partizipation jedes einzelnen an diesem Projekt.

Im ersten Schritt des Projektes wird durch das eigenständige und persönliche Gestalten eines Quadrates, inspiriert von eigenen Erinnerungen, Gedanken und Gefühlen, für die Patchwork-Decke der Erfahrungsprozess individuell.15 Hier lässt sich wiederum der biografische Ansatz der Textildidaktik wiederfinden. Dieser ermöglicht eine positive Identitätsentwicklung, indem die SuS auf Spurensuche in ihrem Leben sowie in ihren Erinnerungen gehen.16 Dabei werden persönliche Bezüge zur eigenen Denk- und Gefühlswelt hergestellt.17 Dieser Ansatz gilt als motivierend, da das Sammeln der Erinnerungen als kindliches Aneignungsverfahren dient.18 Durch die Ermutigung Teile der eigenen Biografie zu erzählen und der Austausch über diese, können persönliche Werte anderer Kinder leichter diskutiert, akzeptiert und toleriert werden.19 Gleichzeitig dient das textile Werkstück als zusätzliches Kommunikationsmedium im Rahmen des biografischen Lernens.20

Nach Marianne Herzog seien textile Gegenstände die materialisierte Erinnerung. Grundschulkinder hätten bei der Herstellung eines Werkstückes erstaunliche Fähigkeiten ihre Erlebnisse in gestalterische Prozesse zu transformieren und so kreativ zu ergänzen. Ein Vorteil des biografischen Lernens ist, dass die subjektive Dimension der SuS ernstgenommen und in den Fokus des Unterrichts gesetzt werden kann, wodurch wiederum unterschiedliche Selbst- und Lebensentwürfe besprochen werden können.21 In dieser Unterrichtsstunde wird der Lebensentwurf von „Wildfang“, der Protagonistin des Buches „Zuhause kann überall sein“ von Kobald und Blackwood, thematisiert und besprochen. Daraus resultiert die Gelegenheit sich empathisch auf eine andere Biografie einzulassen und diese Biografie gleichzeitig zu reflektieren.

[...]


1 Aufgrund einer besseren Lesbarkeit werden Schülerinnen und Schüler im Folgenden mit „SuS“ abgekürzt.

2 Erikson, Erik. Kindheit und Gesellschaft. Stuttgart: Ernst Klett. 1971, S. 253 ff.

3 Berger, Ernst/ Jantzen, Wolfsgang/ Rödler, Peter. Es gibt keinen Rest!: basale Pädagogik für Menschen mit schwersten Beeinträchtigungen. Weinheim und Basel: Beltz. 2009, S. 106 ff.

4 Herzog, M. Mehrperspektivischer Textilunterricht. Seelze-Velber: Kallmeyer. 2003, S. 89 ff.

5 Needle Cat. Was ist eigentlich Patchwork? Zu finden unter: http://www.needlecat.de/was-ist-patchwork/ (Stand: 04.12.2018).

6 Patchwork Life. Was ist Patchwork? Zu finden unter: http://www.patchwork-life.de/index.php/de/was-ist-patchwork (Stand: 04.12.2018).

7 Arbeitskreis Textilunterricht an allgemeinbildenden Schulen e.V. Patchwork / Quilt. 1995. S.5.

8 Deutschlandfunk Kultur. Die Geschichte der Quilts. 2005. Zu finden unter: https://www.deutschlandfunkkultur.de/die-geschichte-der-quilts.954.de.html?dram:article_id=141600 (Stand: 12.12.18).

9 Eberle, Hannelore et.al.. Fachwissen Bekleidung. 2013. S. 187

10 Eberle, H. et.al.. S.187

11 Eberle, H. et.al.. S. 187

12 Kolhoff-Kahl, Iris. Textildidaktik. Eine Einführung. 2016. S. 12

13 Kolhoff-Kahl, I. 2016

14 Kolhoff-Kahl, I. 2016, S. 63

15 Kolhoff-Kahl, I. 2016, S. 64

16 Kohlhoff-Kahl, I. 2016, S. 102

17 Herzog, M. 2003, 91 ff.

18 Kekeritz, Miriam (2013): Sachensucher, Sachenfinder. Sammeln als Methode im Textilunterricht. S. 15ff

19 Herzog, M. 2000 in: Kolhoff-Kahl, I. 2016, S. 103

20 Kolhoff-Kahl, I. 2016. S. 105

21 Herzog, M. 2003, S.89ff

Ende der Leseprobe aus 17 Seiten

Details

Titel
Patchwork. Eine textile Technik und Möglichkeit zum Biografischen Lernen (3. Klasse Textilunterricht)
Hochschule
BSA-Akademie - Zentrale Europa  (Institut für ästhetisch-kulturelle Bildung)
Note
1,0
Autor
Jahr
2018
Seiten
17
Katalognummer
V465965
ISBN (eBook)
9783668927896
ISBN (Buch)
9783668927902
Sprache
Deutsch
Schlagworte
patchwork, eine, technik, möglichkeit, biografischen, lernen, klasse, textilunterricht
Arbeit zitieren
Julia Kruck (Autor:in), 2018, Patchwork. Eine textile Technik und Möglichkeit zum Biografischen Lernen (3. Klasse Textilunterricht), München, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/465965

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