Die Römer in Germanien: Politik einer Begrifflichkeit


Hausarbeit, 2003

21 Seiten, Note: 2-


Leseprobe


Gliederung

1. Einleitung

2. Der Ursprung des römischen Germanienproblems in Gallien
2.1. Die Vertreibung des Rex Germanorum Ariovist
2.2. Die Weiterentwicklung der römischen Gallienpolitik unter Caesar

3. Die inneren Zustände in Germanien

4. Rom innerhalb Germaniens
4.1. Die unheilvolle Symbolik der Niederlage des Legats Lollius
4.2. Die römische Germanienpolitik
4.3. Die Schlacht im Teutoburger Wald- Rückschlag und Neuorientierung

5. Abschlussbetrachtung

6. Literaturverzeichnis

1.Einleitung

„Nicht die Samiten, nicht die Karthager, nicht die Gallier, nicht die Spanier, nicht einmal die Parther haben uns so oft herausgefordert, wie die Germanen...“[1]

Die Anwesenheit der Römer in Germanien stellt ein besonderes Themenfeld der eigenen deutschen Nationalgeschichte dar. Sozusagen wirkte sie gleich zweimal in die Entwicklung deutscher Kulturgeschichte ein. Zum einen eben in der realen Anwesenheit der Römer, deren Spuren noch heute Zeugnis einer kulturellen Bereicherung der damaligen germanischen Lebensweise darstellen, denn ihre Anwesenheit führte zu einer gewissen Teilromanisierung von bestimmten germanischen Stämmen in der augusteischen Zeit, aber auch der nach-augusteischen Provinzen Germania Inferior und Germania Superior.

Zum anderen wurde die Anwesenheit ausländischer „Besatzungstruppen“ in späterer Zeit historisch verklärt und die Reaktion gegen diese, wie zum Beispiel die Schlacht im Teutoburger Wald, zum Ursprung des deutschen Nationalgefühls umgedichtet. Wenn Heinrich Heine in Deutschland. Ein Wintermärchen berichtet, „Wenn Hermann nicht die Schlacht gewann/ Mit seinen blonden Horden,/ So gäb’ es die deutsche Freiheit nicht mehr/ Wir wären römisch geworden.“[2], dann ist er sogar eher jenen zuzuordnen, welche die Sachlage im 19. Jahrhundert differenzierter und ironischer betrachteten.

Eine ganze Reihe von Personen nahm nämlich den ähnlich klingenden Inhalt dieser ironischen Zeilen in anderen, weitaus ernsteren und nationalistischer gefärbten Schriften für wahr und erlag dem implizierenden Gedanken, dass sich „Deutsche“ gegen die Römer gewendet hätten. Der Text „Die Schlacht im Teutoburger Wald“ von Joseph Victor von Scheffel stellte eine 1848 weitverbreitete Meinung dar.[3]

In der Auseinandersetzung mit dem Sachverhalt der römischen Anwesenheit in Deutschland muss äußerst bedacht differenziert werden. Der Ursprung jenes verklärenden Deutschwerdungsprozesses, der in den utopischen Vergangenheitsfantasien des Dritten Reiches seinen entfremdenden Höhepunkt fand, ist innerhalb der Begriffsgeschichte von Germanen und Germanien zu suchen. Doch wer waren eigentlich die Germanen; oder viel mehr, was war Germanien?

Aus Sicht der Betrachter des 19. Jahrhunderts, die antike Quellenansichten oftmals ungeprüft übernahmen und nach ihrer Wunschvorstellung transformierten, waren die Germanen eine Zusammenfassung der gesammelten Stämme östlich des Rheins bis zu einer unbestimmten, nach der nationalen Nützlichkeit neu definierten Linie im heutigen Osteuropa. Von einer geographischen Raumbeschreibung Zentraleuropas aus wurde auf eine gleichförmige, ethnische Zusammengehörigkeit geschlossen und diese unkommentiert propagiert und aufgenommen. Eben dies entspricht nicht der Wahrheit. Die Vielzahl der Stämme im geographischen Germanien kann nicht als homogene Masse bezeichnet werden, sowie auch die Existenz von Stämmen, die ethnisch gesehen eben diesem Gebiet zugehört hätten, für externe Gebiete wie zum Beispiel Gallien belegt ist.[4] Diese ursprüngliche Definition und die daraus folgende Gleichsetzung eines geographischen Sachverhaltes und einer ethnischen Struktur gehen indirekt auf Schriften wie Julius Caesars Commentarii de bello Gallico zurück.[5]

Deswegen möchte ich mich nicht nur der Frage der römischen Anwesenheit in Germanien widmen, sondern auch klären, ob nicht schon zu augusteischer Zeit eine Ambivalenz im Gebrauch des Germanienbegriffes vorlag, und worin dieser begründet war. Ferner möchte ich darstellen, wie die römische Germanienpolitk auf diese Ambivalenz zurückgriff und worin dies begründet war. Wenn der Titel dieser Hausarbeit „Die Römer in Germanien. Politik einer Begrifflichkeit“ lautet, dann soll dies verdeutlichen, dass ich nach Actio und Reactio suche. Warum schaffte es das Imperium Romanum, eine hoch zivilisierte, antike Supermacht mit Anspruch der Hegemonie über fast ganz Europa, Vorderasien und Nordafrika nicht, dieses Gebiet auf dieselbe Weise wie andere spätere Provinzen vollständig in seinen Machtbereich einzubinden? Und vor allem: Stimmt überhaupt diese Behauptung, dass es nicht erreicht wurde Germanien zu unterwerfen?

Der aktuelle Forschungsstand hierzu ist äußerst umfangreich. Selbst neuere Werke scheinen nicht mehr den historischen Gegebenheiten zu entsprechen. Hierbei ist an die Problematik der Datierung über das Lagersystem oder die der numismatischen Datierung zu erinnern, um nur zwei Probleme zu verdeutlichen. Entsprechende Quellen aus dieser Zeit müssen ebenfalls deutlich analysiert werden, da sie in der Regel mit einer Intention verfasst wurden, die bei unspezifischem Gebrauch den gedanklichen Folgegang verfälschen können.

Die Frage, die in dieser Hausarbeit behandelt werden soll, lautet: Entstand der Germanienbegriff aus der römischen Politik oder wurde römische Germanienpolitik durch Germanien geprägt?

Hierzu möchte ich mich auf die Zeit Kaiser Augustus[6] beschränken, jedoch nicht ohne zu erklären, wie die Gegebenheiten entstanden, auf die Augustus bei Amtsantritt stieß. Dieser erste Punkt der Hausarbeit ist als die Ursprungsreaktion zu verstehen, aus der sich dann in Folge Actio und Reactio der römischen Politik entwickelten.

Im Folgenden soll geschildert werden, welchen geographischen, ethnischen und auch botanischen Gegebenheiten die römischen Truppen in diesem „Konstrukt“ Germanien begegneten. Der anschließende Abschnitt soll mit seinem Schwerpunkt dahingehend ausgearbeitet werden, dass er die römische Expansion in das innere Germaniens erörtert. Besonderes Augenmerk soll hierbei auf zwei Beispiele gelegt werden, nämlich die Niederlage des Legats Marcus Lollius 17 oder 16 v. Christus, und dem bedeutenden Ereignis der Schlacht im Teutoburger Wald um 9 n. nach Christus und der sich daraus ergebenden Konsequenzen für die römische Germanienpolitik.

In der Abschlussbetrachtung soll erörtert und rekapituliert werden, worin der Antrieb für Entscheidungen im Bezug auf Germanien lag und wie sich dieser auf sich selbst reflektierte, um schließlich die innere Verbundenheit zwischen Actio und Reactio darzustellen.

2. Der Ursprung des römischen Germanienproblems in Gallien

2.1. Die Vertreibung des Rex Germanorum Ariovist

58 bis 51 vor Christus erwarf Caesar Gallien, welches eine äußerst instabile Grenzzone mit den Germanen teilte. Die Römer besetzten Gallien und teilten somit deren Probleme. Schon Caesar erkannte das Potential des Krisenherdes: Das kulturelle West- Ost- Gefälle machte das linksrheinische Gallien immer wieder attraktiv für einen Einfall der Germanen.

Eines der ersten Anzeichen auf Reaktionen von der römischen Seite hinsichtlich der Germanen, fand während germanischer Wanderungen nach Gallien statt. Der Rex Germanorum Ariovist hatte sich auf gallischer Seite niedergelassen, weil er ca. zehn Jahren zuvor einem Hilferuf der Gallier gefolgt war. So ist er mit Hilfstruppen erschienen und dort geblieben. Durch seine eigene Machtpolitik und einem Wachsen seines Volkes durch großen Zuzug, erregte Ariovist Caesars Interesse. Dieser sah darin eine Gefahr für seine Provinz Gallia Narbonensis, konnte allerdings nichts dagegen unternehmen, da keine kämpferischen Handlungen in diesem Gebiet stattfanden.

Die Römer glaubten an einen gerechten Krieg, einen Bellum Iustum. Dazu ist kurz erklärend beizufügen, dass die römische Gesellschaft scheinbar nur solche Kriege für moralisch vertretbar hielt, in denen sie nicht als Aggressor auftreten. Deshalb konnten die römischen Feldherren sich keine Präventivschläge oder Feindseligkeiten, welche von ihrer Seite begannen, leisten.[7]

Caesar hat sich daraufhin eine andere Strategie zur Bekämpfung zurechtgelegt: Er erinnerte an die Erlebnisse des Teutonen- und Kimbernsturms und beschwor die negativen Vorstellungen der Römer über die Germanen herauf. Daraufhin erhielt er die Legitimation für eine militärische Auseinandersetzung und besiegte Ariovist. Die wenigen Überlebenden mussten in die rechtsrheinischen Gebiete zurückkehren. Hieran kann man gut erkennen, wie weit sich die Bellum- Iustum- Theorie auslegen ließ.

[...]


[1] Tacitus: Germania. Philip Reclam Junior Verlag, Stuttgart 1992, 37.

[2] Heine, Heinrich: Deutschland. Ein Wintermärchen, Patmos Verlag, Düsseldorf 2000.

[3] Sass, Ralf-Rainer: Das Rätsel der Varus- Schlacht.Ernst Klett Schulbuchverlag, Stuttgart 1996, S. XXI.

[4] Hierzu zählen zum Beispiel die Treverer, Belger und Nervier.

[5] Julius Caesar: Commentarii de bello Gallico. Philip Reclam Junior Verlag, Stuttgart 1994.

[6] Vgl.: Bringmann, Klaus/ Schäfer, Thomas: Augustus und die Begründung des römischen Kaisertums. (Studienbücher Geschichte und Kultur der alten Welt), Akademie Verlag, Berlin 2002.

Clauss, Manfres: Die römischen Kaiser. 55 historische Portraits von Caesar bis Iustian. Zweite durchgesehene Auflage, C. H. Beck Verlag, München 2001, S. 26-50.

[7] Vgl. Kostial, Michaela: Kriegerisches Rom? Zur Frage der Unvermeidbarkeit und Normalität militärischer Konflikte in der römischen Politik, (Paligenesia Monographien und Texte zur klassischen Altertumswissenschaft, Bd. 35), Franz Steiner Verlag, Stuttgart 1995, S. 52-57.

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Details

Titel
Die Römer in Germanien: Politik einer Begrifflichkeit
Hochschule
Universität Kassel
Note
2-
Autor
Jahr
2003
Seiten
21
Katalognummer
V46799
ISBN (eBook)
9783638439091
Dateigröße
389 KB
Sprache
Deutsch
Schlagworte
Römer, Germanien, Politik, Begrifflichkeit
Arbeit zitieren
Anja Nitsche (Autor:in), 2003, Die Römer in Germanien: Politik einer Begrifflichkeit, München, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/46799

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