Leseprobe
Inhaltsverzeichnis
1 Einleitung
2 Hauptteil
2.1 Die Europäische Charta der Regional- und Minderheitensprachen
2.1.1 Ziele und Grundsätze
2.1.2 Maßnahmen zur Förderung von Regional- oder Minderheitensprachen im Bildungswesen
2.2 Umsetzung der Ziele, Grundsätze und Maßnahmen der Europäischen Charta für Regional- und Minderheitensprachen im Bildungswesen Kataloniens
2.3 Kritik und Verbesserungsvorschläge zur Umsetzung der Europäischen Charta für Regional- und Minderheitensprachen im Bildungswesen
3 Fazit
4 Literaturangaben
4.1 Literaturquellen
4.2 Internetquellen
1 Einleitung
In der Europäischen Union sprechen etwa 40 Millionen Bürger eine sogenannte Minderheitensprache1. Bei einer Gesamtbevölkerung von etwa 500 Millionen2 Bürgern entspricht das etwas weniger als 5%. Obwohl 5% auf den ersten Blick wenig erscheinen mag, bestehen in der EU seit jeher „Sprachkonflikte“ (Lebsanft, Wingender 2012: 2) zwischen diesen 5% und den anderen 95%, also zwischen Minderheitensprachen und Amtssprachen. Als Sprachkonflikt bezeichnet man die Situation, „wenn zwei deutlich voneinander verschiedene Sprachen sich gegenüberstehen, wobei die eine politisch dominiert (…) und die andere politisch unterworfen ist“ (vgl. Kremnitz 1990, zitiert nach Gergen 2000: 3).
Die europäische Regierung ist sich „des erheblichen Potenzials alter und neuer Sprachnationalismen“, die meist Ausgangspunkt von Sprachenkonflikten sind, bewusst, wie Lebsanft und Wingender beschreiben (2012: 2). Um der Entwicklung von Sprachnationalismen und damit der Entwicklung von Spannungen entgegenzutreten, wurde 1994 die Europäische Charta der Regional- und Minderheitensprachen, kurz ECRM, erlassen (vgl. Weber 2009: 44). Die Charta erlaubt, ja sogar ermutigt, Sprechern von Regional- und Minderheitensprachen, ihre Sprachen „im privaten Bereich und im öffentlichen Leben (…) zu gebrauchen“3. Dadurch soll die Stellung dieser Sprachen gestärkt werden, damit die 5%, hinter denen, wie beschrieben, 40 Millionen Menschen stehen, in Sprachkonflikten ihre Stimme nicht verlieren. Die zeigt, dass es der Europäischen Unionliegt sehr am Herzen, die Sprecher von Regional- oder Minderheitensprachen nicht zu benachteiligen.
Derzeit sind in der Europäischen Union neben den 24 Amtssprachen4 etwa 60 Minderheitensprachen anerkannt, darunter auch die katalanische Sprache5. Als Amtssprache bezeichnet man laut Harlech- Jones „die Sprache, in der der Staat mit seinen Bürgern kommuniziert“ (1995, zitiert nach Witt 2010: 30). Noch allgemeiner drücken es Blaustein und Blaustein-Epstein aus: Sie definieren Amtssprache als eine solche Sprache, „die eine Regierung (…) in allen Funktionen ihrer Tätigkeit benützen kann“ (1986, zitiert nach Witt 2010: 30). Minderheitensprachen dagegen sind laut Artikel 1 der Europäischen Charta der Regional- und Minderheitensprachen (22.07.2015) solche
„Sprachen,
i. die herkömmlicherweise in einem bestimmten (geographischen) Gebiet eines Staates von Angehörigen dieses Staates gebraucht werden, die eine Gruppe bilden, deren Zahl kleiner ist als die der übrigen Bevölkerung des Staates, und
ii. die sich von der (den) Amtssprache(n) dieses Staates unterscheiden; (…)“.
Eine Regional- oder Minderheitensprachen ist somit „in einer Gesellschaft im Verhältnis zu einer oder mehreren anderen Sprachen“ nicht vorherrschend, wie Witt es ausdrückt (2010: 35). Während also eine Amtssprache von allen Bürgern eines Staates gesprochen wird, wird eine Minderheitensprache nur von einer Kleingruppe innerhalb des Staates zur Kommunikation verwendet.
Ziel dieser Seminararbeit ist es, herauszufinden, ob die Europäische Charta für Regional- und Minderheitensprachen es tatsächlich schafft, die Stellung der Regional- und Minderheitensprachen in Europa zu verbessern und die Sprachen zu schützen6. Um dies zu erarbeiten, soll die Bedeutung der katalanischen Sprache im Bildungswesen Kataloniens als Beispiel in der Betrachtung herangezogen werden.
Warum das Katalanische als Beispiel gewählt wurde, lässt sich leicht erklären. Von den oben genannten 40 Millionen Sprechern von Regional- und Minderheitensprachen in Europa, sprechen allein „8 bis 12 Millionen“ (Berkenbusch 200: 275) davon Katalanisch, was mehr als ein Viertel aller Sprecher von Regional- und Minderheitensprachen ausmacht. Wenn im Laufe dieser Seminararbeit also herausgefunden werden kann, dass die ECRM ihre Aufgabe erfüllt, dann hat das zur Folge, dass etwa ein Viertel der Sprecher von Regional- und Minderheitensprachen nicht (mehr) aufgrund ihrer Sprache benachteiligt wird.
Im Hauptteil der vorliegenden Seminararbeit wird zunächst die Europäische Charta der Regional- und Minderheitensprachen näher vorgestellt werden. Zudem werden die Ziele und Grundsätze der Charta erläutert werden. Darauffolgend werden die Maßnahmen aufgezeigt werden, die die Charta im Bereich der Bildung in den Vertragsstaaten vorsieht, um die Regional- und Minderheitensprachen zu schützen. Daraufhin wird die Umsetzung der Maßnahmen im Bildungswesen, die in der Charta vorgeschrieben sind, am Beispiel der katalanischen Sprache beschrieben werden. In diese Betrachtung wird auch die Umsetzung der Ziele und Grundsätze der Charta einfließen. Zuletzt wird dargestellt werden, inwiefern die ECRM und die Umsetzung der in ihr enthaltenen Ziele, Grundsätze und Maßnahmen kritisiert werden und welche Verbesserungsvorschläge gegeben werden.
Dass in dieser Arbeit ausschließlich der Bildungsbereich beleuchtet wird, kann leicht erklärt werden: Er wurde gewählt, da die „Bildung eine[] der grundlegenden zu schützenden Bereiche ist“, wie Lebsanft und Wingender (2012: 3) beschreiben. Zudem werden auch in der Charta selbst die Bildung und das Erlernen von Sprachen besonders hervorgehoben7.
Katalanisch wird laut Berkenbusch (2000: 269) nicht nur in der autonomen Region Katalonien, sondern auch in der französischen Region Roussillon, in Andorra, in Aragonien, auf den Balearen sowie in Valencia und auf Sardinien gesprochen. Dennoch wird in dieser Seminararbeit nur die Umsetzung der Charta in Katalonien aufgezeigt werden.
2 Hauptteil
2.1 Die Europäische Charta der Regional- und Minderheitensprachen
2.1.1 Ziele und Grundsätze
Wie bereits in der Einleitung beschrieben, wurde die Europäische Charta der Regional- und Minderheitensprachen aufgesetzt, um die Rechte und Freiheiten von Sprechern zu schützen, die in Regional- oder Minderheitensprachen kommunizieren8 sowie um den Grundsatz der Gleichberechtigung von Sprachen zu erfüllen9. Die Charta wird verwendet, um zu messen, inwiefern die 47 Mitgliedsstaaten des Europarats sich bei der Förderung von Regional- und Minderheitensprachen engagieren10. Momentan ist die Charta in 25 der 47 Mitgliedsstaaten in Kraft, 22 haben diesen Schritt also noch nicht vollzogen, wie Lebsanft und Wingender (2012: 2) erklären. Kritiker würden vielleicht argumentieren, dass die ECRM dadurch sehr an Wert verliert, Hofmann (2012: 20) ist jedoch der Meinung, dass dies „als Beweis ihrer Stärke ausgelegt werden“ kann. Sie findet, dass dies zeigt, dass die Charta „kein (…) nichtssagendes Dokument [ist], sondern ein effektiver, gut kontrollierbarer völkerrechtlicher Vertrag“ (Hofmann 2012: 20).
Im Folgenden werden die Ziele und Grundsätze der Charta beschrieben werden. Sie sind in Artikel 7 der ECRM aufgeführt11.
Um zu gewährleisten, dass in der EU „die Ideale und Grundsätze, die ihr (…) Erbe bilden“12 bewahrt und gefördert werden, ist es dem Europarat wichtig, dass Regional- und Minderheitensprachen anerkannt werden, denn sie sind der „kulturelle[] Reichtum[]“13 Europas und tragen zur „Mehrsprachigkeit“14 bei. Besonders schützenswert sind all jene Sprachen, die „allmählich zu verschwinden drohen“15. Nicht nur die Sprachen selbst sollen jedoch geschützt werden, sondern auch geschichtlich gewachsene „Traditionen und Eigenarten“16. Darüber hinaus sollen die „Bedürfnisse und Wünsche“17 aller Volksgruppen in gleichem Maße beachtet werden.
Dass der Grundsatz der Gleichberechtigung in der ECRM eine besondere Rolle spielt, sieht man daran, dass
„Unterscheidung, Ausschließung, Einschränkung oder Bevorzugung, die den Gebrauch einer Regional- oder Minderheitensprache betrifft und darauf ausgerichtet ist, die Erhaltung oder Entwicklung einer Regional- oder Minderheitensprache zu beeinträchtigen oder zu gefährden“18
sofort auszumerzen sind, sofern diese im Hoheitsgebiet eines Staates zu finden sind, der die Charta unterzeichnet hat. Dabei ist zu beachten, dass
„das Ergreifen besonderer Maßnahmen zugunsten der Regional- oder Minderheitensprachen, welche die Gleichstellung zwischen den Sprechern dieser Sprachen und der übrigen Bevölkerung fördern sollen“
nicht als Diskriminierung der weiter verbreiteten Sprachen, insbesondere der Amtssprachen, zu werten ist. Dennoch darf sich die Förderung von Regional- und Minderheitensprachen nicht negativ auswirken „auf die Amtssprachen und die Notwendigkeit, sie zu erlernen“19. Es sollen keine Barrieren bestehen zwischen Sprechern von Amtssprachen und denjenigen, die Regional- und Minderheitensprachen gebrauchen20. Es muss also eine gute Balance gefunden werden zwischen Schutz und Förderung von Regional- und Minderheitensprachen und dem Gebrauch der Amtssprachen.
Die EU legt auch großen Wert darauf, dass kulturelle Beziehungen innerhalb Europas und innerhalb der einzelnen Staaten aufgebaut bzw. gepflegt werden21, um „Achtung, Verständnis und Toleranz“22 auf- bzw. auszubauen. Es ist auch von großer Bedeutung in Europa, dass der Austausch zwischen Sprechern von einer Regional- oder Minderheitensprachen eines Landes oder einer Region zu Sprechern der gleichen Sprache in anderen Ländern oder Regionen bestehen kann23.
Um Regional- und Minderheitensprachen zu schützen, soll die Benutzung der Sprachen gefördert werden, indem es erleichtert werden soll und die Menschen dazu ermutigt werden sollen, ihre Sprachen in schriftlicher wie in mündlicher Form im öffentlichen und privaten Leben zu verwenden24. Zudem sollen Einrichtungen und Lehrmittel zur Verfügung gestellt werden, damit mehr Menschen eine Regional- oder Minderheitensprache lernen. Darüber hinaus sollen Studium und Forschung in diesen Sprachen gefördert werden.
Zusammengefasst kann man also sagen, dass in der Europäischen Charta für Regional- und Minderheitensprachen viele Ziele und Grundsätze aufgelistet sind, die den Schutz und die Benutzung von Regional- und Minderheitensprachen in vielen Bereichen der Gesellschaft fördern sollen. Zudem spielt auch der Schutz der Kulturen, die hinter den Sprachen stehen, eine entscheidende Rolle, denn Kultur und Sprachen stehen gemeinsam für die Vielfalt Europas.
2.1.2 Maßnahmen zur Förderung von Regional- oder Minderheitensprachen im Bildungswesen
Neben den zuvor aufgeführten Zielen und Grundsätzen sind in der Europäischen Charta der Regional- und Minderheitensprachen auch Maßnahmen niedergeschrieben, die die Vertragspartner in ihren Ländern umsetzen müssen. Mithilfe dieser Maßnahmen möchte man den Gebrauch von Regional- und Minderheitensprachen fördern. Hier ist es wichtig, anzumerken, dass Staaten, die die Maßnahmen nicht umsetzen, „nicht mit rechtlichen Sanktionen“ zu rechnen haben, wie Lebsanft und Wingender (2012: 3) wissen. Die beiden schreiben aber auch, dass zumindest der Fortschritt in der Umsetzung der Maßnahmen überprüft wird (vgl. Lebsanft und Wingender 2012: 3) und dass die Maßnahmen trotzdem „erhebliche politische Wirkung“ (ebd. 2012: 3-4) zeigen, wie Analysen beweisen.
Im Folgenden werden die Maßnahmen im Bildungswesen, die die Charta vorsieht, beschrieben werden. Wie in der Einleitung schon dargelegt, wird die vorliegende Seminararbeit sich ausschließlich mit diesen Maßnahmen beschäftigen. Sie sind in Artikel 8 der Charta aufgelistet.
Zunächst wird aufgeführt, dass die Staaten dazu verpflichtet sind, vorschulische, schulische, universitäre und berufliche Bildung sowie Erwachsenen- und Weiterbildung in den jeweiligen Regional- oder Minderheitensprachen anzubieten25. Dabei ist es wichtig, dass diese Sprachen in die Lernpläne integriert werden und Unterrichts- bzw. Studienfächer in den Sprachen angeboten werden26. Zudem soll die „Geschichte und Kultur“27 der Sprecher von Regional- und Minderheitensprachen Eingang in den Unterricht finden. Darüber hinaus hat jeder Staat dafür zu sorgen, dass genügend Lehrer zur Verfügung stehen, die der jeweiligen Sprache mächtig sind, um in ihr zu unterrichten28. Zuletzt ist auch mindestens ein Aufsichtsorgan einzusetzen, um die Einhaltung der Maßnahmen zu gewährleisten29.
[...]
1 http://ec.europa.eu/languages/policy/linguistic-diversity/regional-minority-languages_de.htm [21.07.2015].
2 http://de.statista.com/statistik/daten/studie/14035/umfrage/europaeische-union-bevoelkerung-einwohner/ [21.07.2015].
3 http://conventions.coe.int/Treaty/ger/Treaties/Html/148.htm [21.07.2015].
4 http://ec.europa.eu/dgs/translation/translating/officiallanguages/index_de.htm [21.07.2015].
5 http://europa.eu/pol/mult/index_de.htm [21.07.2015].
6 http://conventions.coe.int/Treaty/ger/Treaties/Html/148.htm [25.07.2015].
7 http://www.europarl.europa.eu/committees/en/supporting-analyses- search.html?method=search&wordSearchType=TEXT&content=charta+der+regional- +und+minderheitensprachen&_organs=on&_organs=on&_organs=on&_organs=on&_organs=on&_organs=on& _organs=on&_organs=on&_organs=on&_organs=on&_organs=on&_organs=on&_organs=on&_organs=on&_o rgans=on&_organs=on&_organs=on&_organs=on&_organs=on&_organs=on&_organs=on&_organs=on&autho r=&publicationNumber=&publicationType=&publicationFromDate=&publicationToDate [27.07.2015].
8 www.un.org/Depts/german/menschenrechte/aemr.pdf [22.07.2015].
9 http://conventions.coe.int/Treaty/ger/Treaties/Html/148.htm [22.07.2015].
10 http://www.europarl.europa.eu/committees/en/supporting-analyses- search.html?method=search&wordSearchType=TEXT&content=charta+der+regional- +und+minderheitensprachen&_organs=on&_organs=on&_organs=on&_organs=on&_organs=on&_organs=on& _organs=on&_organs=on&_organs=on&_organs=on&_organs=on&_organs=on&_organs=on&_organs=on&_o rgans=on&_organs=on&_organs=on&_organs=on&_organs=on&_organs=on&_organs=on&_organs=on&autho r=&publicationNumber=&publicationType=&publicationFromDate=&publicationToDate [27.07.2015].
11 http://conventions.coe.int/Treaty/ger/Treaties/Html/148.htm [22.07.2015].
12 http://conventions.coe.int/Treaty/ger/Treaties/Html/148.htm [22.07.2015].
13 http://conventions.coe.int/Treaty/ger/Treaties/Html/148.htm [22.07.2015].
14 http://conventions.coe.int/Treaty/ger/Treaties/Html/148.htm [22.07.2015].
15 http://conventions.coe.int/Treaty/ger/Treaties/Html/148.htm [22.07.2015].
16 http://conventions.coe.int/Treaty/ger/Treaties/Html/148.htm [22.07.2015].
17 http://conventions.coe.int/Treaty/ger/Treaties/Html/148.htm [22.07.2015].
18 http://conventions.coe.int/Treaty/ger/Treaties/Html/148.htm [22.07.2015].
19 http://conventions.coe.int/Treaty/ger/Treaties/Html/148.htm [22.07.2015].
20 http://conventions.coe.int/Treaty/ger/Treaties/Html/148.htm [22.07.2015].
21 http://conventions.coe.int/Treaty/ger/Treaties/Html/148.htm [22.07.2015].
22 http://conventions.coe.int/Treaty/ger/Treaties/Html/148.htm [22.07.2015].
23 http://conventions.coe.int/Treaty/ger/Treaties/Html/148.htm [22.07.2015].
24 http://conventions.coe.int/Treaty/ger/Treaties/Html/148.htm [22.07.2015].
25 http://conventions.coe.int/Treaty/ger/Treaties/Html/148.htm [22.07.2015].
26 http://conventions.coe.int/Treaty/ger/Treaties/Html/148.htm [22.07.2015].
27 http://conventions.coe.int/Treaty/ger/Treaties/Html/148.htm [22.07.2015].
28 http://conventions.coe.int/Treaty/ger/Treaties/Html/148.htm [22.07.2015].
29 http://conventions.coe.int/Treaty/ger/Treaties/Html/148.htm [22.07.2015].