Mit großer Selbstverständlichkeit wird der Gottesbeweis von Anselm von Canterbury als ontologischer Gottesbeweis bezeichnet. Dabei hat erst Immanuel Kant dem Argument diesen Namen verliehen. Nun stellt sich die Frage, ob Kant diese begriffliche Bestimmung mit Berechtigung vollzogen hat. In dem Begriff ontologisch ist das griechische Wort on (seiend) enthalten. Da Anselm das Seien von Gott als unwiderlegbar zu beweisen versucht und dies nach seiner Überzeugung auch geschafft hat, ist die Bezeichnung ontologischer Gottesbeweis meiner Meinung nach durchaus verständlich. Das Seien von Gott ist wohl der zentrale Gedanke des Beweises, wobei z.B. der Ursprung des Universums, der für andere Gottesbeweise von Bedeutung ist, für Anselm überhaupt keine Rolle spielt.
Auch wenn man bei der aristotelischen Vorstellung vom “unbewegten Beweger” vielleicht von einem Gottesbeweis sprechen kann, so gilt das anselmianische Argument als erster historischer Beweis. Er wurde seit seiner Erscheinung im 11. Jahrhundert sehr oft diskutiert, erörtert, aber auch widerlegt. Angefangen hat die Diskussion mit der sogenannten Anselm-Gaunilo Kontroverse: Der Mönch Gaunilo von Marmoutiers versuchte kurz nach der Veröffentlichung des Beweises, diesen zu widerlegen, woraufhin Anselm prompt Stellung nahm und seinerseits versuchte, den Einwand Gaunilos zu widerlegen.
Die historische Debatte ging dann weiter über Thomas von Aquin, Rene Descartes, Immanuel Kant, G.W.F. Hegel bis ins 20. Jahrhundert, wo der Beweis von Alvin Platinga, J. L. Mackie oder Wolfgang Stegmüller wiederaufgenommen wurde.
Ich möchte mich bei der Besprechung des Beweises allerdings vorwiegend auf die Stellungnahmen Mackies und Stegmüllers konzentrieren, denn eine ausführliche Beachtung der Kommentare Hegels oder Kants würde den Rahmen einer Proseminar-Arbeit sprengen. Zunächst einmal möchte ich den Beweishergang festhalten und sodann die Argumente für und gegen ihn darstellen. Am Ende werde ich mich dann mithilfe einer eigenen Stellungnahme für oder gegen den Beweis entscheiden. Rein rationale bzw. logische Gründe sollen für meine Annahme oder Ablehnung des Beweises entscheidend sein.
Inhaltsverzeichnis
- Zur Scholastik und der anselmianischen Methode
- Zum Proslogion
- Rekonstruktion des Gottesbeweises
- Gaunilos Antwort
- Anselms Antwort auf Gaunilos Einwände
- Die Kommentare Mackies und Stegmüllers und eigene Stellungnahme
Zielsetzung und Themenschwerpunkte
Diese Arbeit untersucht das anselmianische Argument für die Existenz Gottes, auch bekannt als der ontologische Gottesbeweis. Sie analysiert die Schlüsselfaktoren des Beweises, untersucht seine Kritik und setzt sich mit modernen Interpretationen auseinander. Dabei werden die Argumentationslinien des Beweises rekonstruiert und in den historischen Kontext der Scholastik eingeordnet.
- Der ontologische Gottesbeweis von Anselm von Canterbury
- Die Rolle der Vernunft und Logik in der Scholastik
- Die Kritik am anselmianischen Argument durch Gaunilo von Marmoutiers
- Die Einordnung des Arguments in die Philosophiegeschichte
- Moderne Interpretationen des ontologischen Gottesbeweises
Zusammenfassung der Kapitel
- Das erste Kapitel führt in die Scholastik und die Denkweise von Anselm von Canterbury ein. Es erläutert die scholastische Methode und die Bedeutung des Satzes "credo ut intelligam" für Anselms Philosophie.
- Das zweite Kapitel rekonstruiert den anselmianischen Gottesbeweis. Es analysiert die Definition Gottes als "etwas, worüber hinaus Größeres nicht gedacht werden kann" und erklärt die Argumentationsstrategie Anselms.
- Das dritte Kapitel beleuchtet die Kritik am Gottesbeweis. Es befasst sich mit der Antwort von Gaunilo von Marmoutiers und analysiert Anselms Antwort auf die Kritik.
Schlüsselwörter
Schlüsselwörter dieser Arbeit sind der ontologische Gottesbeweis, Anselm von Canterbury, Scholastik, Gaunilo von Marmoutiers, "credo ut intelligam", "etwas, worüber hinaus Größeres nicht gedacht werden kann", Vernunft, Logik, Glaube.
- Arbeit zitieren
- Elmar Korte (Autor:in), 1997, Das Anselmianische Argument für die Existenz Gottes, München, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/46883