Förderung von besonderer Begabung im Gymnasium - Evaluation eines Schulversuchs mit dem Drehtürmodell


Magisterarbeit, 2004

185 Seiten, Note: 1,3


Leseprobe


Inhaltsverzeichnis

Vorwort

Abbildungsverzeichnis

Diagrammverzeichnis

Tabellenverzeichnis

Abkürzungsverzeichnis

Einleitung

1 Theoretische Grundlagen
1.1 Grundlagen, Ausgangspunkt und Fundament dieser Arbeit
1.1.1 Terminologie
1.1.2 Das „Drei-Ringe-Modell“ der Hochbegabung nach Renzulli
1.1.3 Resümee
1.2 Förderung in der Schule
1.2.1 Kurzdarstellung des rechtlichen Rahmens
1.2.2 Außerschulische und innerschulische Fördermöglichkeiten
1.2.3 Akzeleration und Enrichment
1.2.4 Mischformen aus Akzeleration und Enrichment
1.2.4.1 Das SEM und das „Drehtürmodell“ nach Renzulli
1.2.4.1.1 Das dreistufige Enrichment
1.2.4.1.2 Das Drehtürmodell nach Renzulli bzw. nach Klingen
1.2.4.2 Evaluation von Fördermaßnahmen
1.2.5 Resümee
1.3 Das Weser-Gymnasium Vlotho
1.3.1 Das "WGV-Drehtürmodell"
1.3.2 Ziele des Begabtenförderprogramms „WGV-Drehtürmodell“
1.3.3 Operationalisierung der Maßnahmewirkung

2 Methode
2.1 Untersuchungsdesign
2.1.1 Untersuchungsplan
2.1.2 Vortest
2.1.3 Kritik und Änderungen
2.2 Erhebungsinstrumente
2.2.1 Schülerfragebogen
2.2.2 Elternfragebogen
2.2.3 Fachlehrerfragebogen
2.2.4 Kursdozenteninterview
2.3 Untersuchungsart und Durchführung
2.3.1 Untersuchungsart
2.3.2 Durchführung der Befragung
2.4 Auswertung
2.4.1 Probleme und Lösungsversuche
2.4.2 Mögliche Störfaktoren

3 Ergebnisse
3.1 Darstellung der Ergebnisse der Schülerfragebögen
3.1.1 Stichprobe
3.1.2 Soziale Integration
3.1.3 Herausforderung
3.1.4 Lernmotivation
3.1.5 Leistung
3.1.6 Rahmenbedingungen
3.1.7 Heterogenität
3.2 Darstellung der Ergebnisse der Elternfragebögen
3.2.1 Stichprobe
3.2.2 Soziale Integration
3.2.3 Herausforderung
3.2.4 Lernmotivation
3.2.5 Leistung
3.2.6 Rahmenbedingungen
3.3 Darstellung der Ergebnisse der Fachlehrerfragebögen
3.3.1 Stichprobe
3.3.2 Soziale Integration, Herausforderung, Leistung
3.3.2.1 Schüler 1
3.3.2.2 Schüler 2
3.3.2.3 Schüler 3
3.3.2.4 Schüler 4
3.3.2.5 Schüler 5
3.3.2.6 Schülerin 6
3.3.2.7 Schüler 7
3.3.2.8 Schülerin 8
3.3.2.9 Schüler 9
3.3.3 Rahmenbedingungen
3.4 Darstellung der Ergebnisse der Interviews
3.4.1 Astronomiedozent
3.4.1.1 Soziale Integration
3.4.1.2 Heterogenität
3.4.2 Japanischdozentin
3.4.2.1 Soziale Integration
3.4.2.2 Heterogenität
3.5 Kurze Zusammenfassung der Ergebnisse

4 Diskussion

5 Schlussfolgerungen
5.1 Ausblick
5.2 Grenzen dieser Studie und Kritik

Literaturverzeichnis

Anhang

Korrespondenz mit Prof. Renzulli vom 26.12.03:

Schülerfragebogen

Elternfragebogen

Fachlehrerfragebogen

Kursdozenteninterviews

Infopatenvertrag

Peernomination

Vorwort

Diese Arbeit wurde im März 2004 dem Zentralen Magisterprüfungsamt bei der Philosophischen Fakultät der Westfälischen Wilhelms-Universität Münster in Westfalen vorgelegt.

Mein herzlicher Dank gilt Herrn Prof. Scheerer, der die Arbeit von der Auswahl des Themas bis zur Abgabe mit Interesse verfolgt und vielfältig gefördert hat. Frau Dr. Bergs-Winkels und Herrn Dr. Fischer möchte ich für ihre stete Hilfsbereitschaft und ihre wertvollen Anregungen danken.

Mein herzlicher Dank gilt ebenfalls der didaktischen Koordinatorin Frau Barbara Erdmeier, die mir bei Fragen bezüglich der Schulsituation stets helfend zur Seite stand und die zur Evaluationsstudie nötigen Rücksprachen ermöglichte. Dank sei auch dem Schulleiter Herrn Dr. Helmut Heinze des Weser-Gymnasiums Vlotho für die Ermöglichung meiner Untersuchung.

Herzlich danken möchte ich besonders den Schülern und Schülerinnen des Weser-Gymnasiums Vlotho, die sich bereitwillig meinen Fragebögen unterzogen haben. Bedanken möchte ich mich ebenso bei den Eltern der am Fördermodell teilnehmenden Kinder und deren Fachlehrern, die mir durch ihre Kooperation Anregungen und vielfältige Blickwinkel ermöglichten. Weiterhin danke ich Frau Tünnermann und Herrn Prof. Boschan herzlich für ihre Offenheit und die geopferte Zeit.

Münster, im März 2004 Esther Dücker

Abbildungsverzeichnis

Abbildung 1: “three-ring conception of giftedness”

Abbildung 2: „Struktur des SEM“

Diagrammverzeichnis

Diagramm 1: „Freizeitgestaltung“ (Schüler beider Kurse)

Diagramm 2: „Anzahl der Freunde“ (Schüler gesamt)

Diagramm 3: „Freunde treffen“ (Schüler beider Kurse)

Diagramm 4: „Wo Freunde“ (Schüler beider Kurse)

Diagramm 5: „Interesse der Mitschüler“ (Schüler beider Kurse)

Diagramm 6: „Klassenverband verlassen“ (Schüler beider Kurse)

Diagramm 7: Art und Weise der „Mitschülerreaktion“ (Schüler beider Kurse)

Diagramm 8: „Ungern zur Schule“ (Schüler beider Kurse)

Diagramm 9: „Situation nachher“ (Schüler beider Kurse)

Diagramm 10: „Über-/Unterforderung“ (Schüler Gegenüberstellung der Einzelkurse)

Diagramm 11: „Kursinhalten nicht folgen“ (Schüler Gegenüberstellung der Einzelkurse)

Diagramm 12: „Schwierigkeitsgrad des Kursstoffes“ (Schüler Gegenüberstellung der Einzelkurse)

Diagramm 13. „Stoffmenge“ (Schüler Gegenüberstellung der Einzelkurse)

Diagramm 14: „Kursleiter nicht verstehen“ (Schüler Gegenüberstellung der Einzelkurse)

Diagramm 15: „Nachfragen nicht trauen“ (Schüler Gegenüberstellung der Einzelkurse)

Diagramm 16: „Erfüllte Erwartungen“ (Schüler Gegenüberstellung der Einzelkurse)

Diagramm 17: „Interesse an Themen des Parallelkurses“ (Schüler Gegenüberstellung der Einzelkurse)

Diagramm 18: „Hausaufgabenübermittlung“ (Schüler gesamt)

Diagramm 19: „Unterstützung der Fachlehrer“ (Schüler beider Kurse)

Diagramm 20: „Heterogenität“ (Schüler Gegenüberstellung beider Kurse)

Diagramm 21: „Andere mehr wissen“ (Schüler Gegenüberstellung beider Kurse)

Diagramm 22: „Nachholen Unterrichtsstoff“ (Eltern)

Diagramm 23: Schwierigkeitsgrad „Hausaufgaben erledigen“ (Eltern)

Diagramm 24: Selbstständigkeit „Hausaufgaben erledigen“ (Eltern)

Diagramm 25: „Zufriedenheit vorher“ (Eltern)

Diagramm 26: „Leistungsveränderung“ (Eltern)

Diagramm 27: „Fachlehrerbegleitung“ (Eltern)

Tabellenverzeichnis

Tabelle 1: Drehtürmodell nach Klingen

Tabelle 2: Untersuchungsplan der Evaluation

Tabelle 3: Darstellung der Interpretation der intervallskalierten Items

Tabelle 4: Aufbau des Schülerfragebogens

Tabelle 5: Aufbau des Elternfragebogens

Tabelle 6: Aufbau des Fachlehrerfragebogens

Tabelle 7: Aufbau des Interviewleitfadens

Tabelle 8: „Besuchter Kurs“ und „Geschlecht“ (Schüler)

Tabelle 9: „Alter“ (Schüler)

Tabelle 10: „überlagerte Fächer“ und Häufigkeit der Überlagerung (Schüler)

Tabelle 11: „Freizeitgestaltung“ (Schüler gesamt)

Tabelle 12: Kombination Freizeitbeschäftigung (Schüler)

Tabelle 13: „Anzahl der Freunde“ (Schüler)

Tabelle 14: „Freunde treffen“ (Schüler)

Tabelle 15: „Wo Freunde“ (Schüler)

Tabelle 16: „Interesse der Mitschüler“ (Schüler)

Tabelle 17: Zusatzauskunft über Mitschülerinteresse (Schüler gesamt)

Tabelle 18: „Klassenverband verlassen“ (Schüler)

Tabelle 19: Art und Weise der „Mitschülerreaktion“ (Schüler)

Tabelle 20: „Ungern zur Schule“ (Schüler)

Tabelle 21: „Situation nachher“ (Schüler)

Tabelle 22: Fragen 45 bis 48 „Unterricht“

Tabelle 23: Fragen 45 bis 48 „Lehrer“

Tabelle 24: Fragen 45 bis 48 „Klasse“

Tabelle 25: „Über-/Unterforderung“ (Schüler)

Tabelle 26: „Kursinhalten nicht folgen“ (Schüler)

Tabelle 27: „Schwierigkeitsgrad des Kursstoffes“ (Schüler)

Tabelle 28: „Stoffmenge“ (Schüler)

Tabelle 29: „Kursleiter nicht verstehen“ (Schüler)

Tabelle 30: „Nachfragen nicht trauen“ (Schüler)

Tabelle 31: „Stoff nachholen“ und „Hausaufgaben nacharbeiten“ (Schüler beider Kurse)

Tabelle 32: „Unterrichtsstoff nachholen“ (Schüler gesamt)

Tabelle 33: „Hausaufgaben nacharbeiten“ (Schüler gesamt)

Tabelle 34: Begründung Frage 10 (Astronomieschüler)

Tabelle 35: Begründung Frage 10 (Japanischschüler)

Tabelle 36: „Erwartung an Astronomiekurs“ (Schüler)

Tabelle 37: „Erwartung an Japanischkurs“ (Schüler)

Tabelle 38: „Erfüllte Erwartungen“ (Schüler)

Tabelle 39: „Interesse an Themen des Parallelkurses“ (Schüler)

Tabelle 40: „Weitere Kursbesuche“ (Schüler gesamt)

Tabelle 41: Begründung Frage 18 (Schüler gesamt)

Tabelle 42: Leistungsveränderung (Schüler gesamt)

Tabelle 43: „Hausaufgabenübermittlung“ (Schüler gesamt)

Tabelle 44: „Unterstützung der Fachlehrer“ (Schüler)

Tabelle 45: „Heterogenität“ (Schüler)

Tabelle 46: Gegenüberstellung der Beurteilung „Heterogenität“ verbunden mit dem Alter (Astronomie)

Tabelle 47: Gegenüberstellung „Heterogenität“ und „Alter“ Japanisch (Schüler)

Tabelle 48: „Andere mehr wissen“ (Schüler)

Tabelle 49: „Unbehagen“ (Eltern)

Tabelle 50: „Nachholen Unterrichtsstoff“ (Eltern)

Tabelle 51: Schwierigkeitsgrad „Hausaufgaben erledigen“ (Eltern)

Tabelle 52: Selbstständigkeit „Hausaufgaben erledigen“ (Eltern)

Tabelle 53: Schwierigkeiten „Aufgabenstellung“ (Eltern)

Tabelle 54: „Arbeiten nachschreiben“ (Eltern)

Tabelle 55. „Zufriedenheit vorher“ (Eltern)

Tabelle 56: „Begründung für Unzufriedenheit“ (Eltern)

Tabelle 57: „Zufriedenheit nachher“ (Eltern)

Tabelle 58: „Leistungsveränderung“ (Eltern)

Tabelle 59: „Fachlehrerbegleitung“ (Eltern)

Tabelle 60: „Einzelne Schüler in Verbindung mit Fachlehreraussagen“ (Fachlehrer)

Abkürzungsverzeichnis

Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten

Einleitung

„Begabung setzt sich durch“. Dieser Satz bestätigt sich womöglich in einer Reihe von Fällen. „Manche aber – und wer weiß wie viele? – verzehren sich in stillem Trotz und gehen unter.“ (Hesse 2003, 91)[1]. Die vielzitierte Textstelle Hesses weist auf die Schwierigkeiten hin, denen hochbegabte[2] Kinder besonders in der Schule unterliegen können.

Seit Anfang der 80er Jahre hat sich die Förderung besonders begabter Kinder an deutschen Schulen durchgesetzt, so dass die von der Bundesregierung geforderte Chancengleichheit für alle Schüler[3], die die Förderung Begabter einschließt, mehr und mehr verwirklicht wird. Veröffentlichungen zu diesem Thema schießen sprichwörtlich wie Pilze aus dem Boden. Sie liefern wertvolle Tipps zur praktischen Umsetzung und zeigen vorbildliche Beispielschulen der Bundesrepublik auf, die Förderprogramme verschiedenster Art anbieten (vgl. BLK, Heft 91)[4]. Im Gegensatz zu den vielfältigen Aktivitäten im Förderbereich verfügt die Forschung nach derzeitigem Kenntnisstand jedoch über sehr wenig empirische Nachweise der Effizienz von Förderprogrammen an deutschen Schulen.

Evaluationen im Rahmen einer schulischen Begabtenfördermaßnahme sind besonders für eine Schule von Interesse, da die dafür aufgewendeten Kosten für personelle, finanzielle und soziale Ressourcen der Schule erfolgreich eingesetzt werden sollen. Die Schule darf ein Fördermodell nicht lediglich mit dem Anspruch einführen, begabte Kinder in irgend einer Weise zu beschäftigen und gleichzeitig das Renommee der Schule zu verbessern, sondern sie muss gewährleisten, dass die Maßnahme tatsächlich die Ziele des jeweiligen Fördermodells erreicht. Im Vergleich mit anderen europäischen Ländern und vor allem mit den USA – die Evaluationsmaßnahmen als einen festen Bestandteil im Fördermodell verankert haben – werden Evaluationen in Deutschland noch in zu geringem Umfang durchgeführt.

Vor diesem Hintergrund soll mit dieser Arbeit der erste Schritt für eine Schule in Nordrhein-Westfalen getan werden und die „Evaluation eines Schulversuchs mit dem Drehtürmodell“ zur „Förderung von besonderer Begabung im Gymnasium“ dargestellt werden.

Die Evaluation der Maßnahme ist dabei lediglich ein Teilaspekt eines umfassenden wissenschaftlichen Begleitprojekts. Alle darüber hinausgehenden Fragen müssen im Rahmen der Begleitforschung erarbeitet werden. Die Schule hat die Bitte zur Evaluation ihres Fördermodells geäußert, woraufhin Fragestellungen in Zusammenarbeit mit der Schule präzisiert und erarbeitet wurden.

1 Theoretische Grundlagen

In diesem Kapitel werden theoretische Grundlagen in Bezug auf den Themenkomplex ‚hochbegabte Kinder in der Schule’ dargelegt. Für den Verständnishintergrund ist es unerlässlich in einem ersten Schritt sowohl Terminologien für den Begriff ‚Hochbegabung’ als auch das für diese Arbeit grundlegende Hochbegabungs-Modell nach Renzulli zu erläutern. Die zahlreichen Modelle sowie die historische Entwicklung der Hochbegabung[5] sind nicht Gegenstand dieser Arbeit, da der Schwerpunkt hier auf der empirischen Untersuchung eines Schulversuchs mit dem auf Renzulli zurückgehenden Drehtürmodell liegt. Kurz angerissen wird dabei die rechtliche Lage der schulischen Begabtenförderung, um die Möglichkeiten der Förderung begabter Schüler aufzuzeigen.

In einem zweiten Schritt schließen sich Betrachtungen von schulischen Fördermöglichkeiten an, wobei das Hauptaugenmerk auf der Enrichmentmaßnahme des Schoolwide Enrichment Models nach Renzulli liegt, welches u.a. das „Drehtürmodell“ beinhaltet.

Abschließend werden in einem dritten Schritt die zu evaluierende Schule und deren Begabtenfördermodell vorgestellt. Die Ziele des Förderprogramms werden dargelegt und operationalisiert.

1.1 Grundlagen, Ausgangspunkt und Fundament dieser Arbeit

1.1.1 Terminologie

„Den Begriff Hochbegabung zu definieren, gleicht dem Versuch festzulegen, wann das Badewasser heiß ist.“ (Jost 1999, S. 9).

Über eine einheitliche Definition von Hochbegabung[6] hat sich in der Forschung kein Konsens eingestellt. Feger und Prado (1998, S. 29) weisen darauf hin, dass bisher keine allgemein anerkannte und wissenschaftlich präzise Definition existiert, indem sie von über hundert bekannten Definitionen für Hochbegabung berichten. Hochbegabung lässt sich „(allgemein) als individuelles Fähigkeitspotenzial für herausragende Leistungen, oft (nur) in einem bestimmten Bereich“ definieren (Heller 2000, S. 241). Menschen werden von Psychologen als hochbegabt bezeichnet, wenn sie einen standardisierten Intelligenztest durchgeführt haben, dessen Ergebnis einen Richtwert von 130 und höher aufweist (vgl. Holling/Kanning 1999, S. 5).

Zahlreiche Wissenschaftler haben sich diesem Thema gewidmet. In einschlägigen Werken[7] finden sich mannigfache Versuche, den Begriff der Hochbegabung zu definieren. Andere setzen „Hochbegabung“ mit einem Entwicklungsvorsprung gleich. Ein hochbegabtes Kind ist demnach „in bestimmten Bereichen seiner geistigen, künstlerischen, motorischen oder sozialen Entwicklung den Gleichaltrigen deutlich überlegen“ (BMBF 2003, S. 13).

Generell unterscheiden Psychologen zwischen Hochbegabung in der Bedeutung von Kompetenz und Hochleistung in der Bedeutung von Performanz, wobei deutlich wird, dass die traditionellen Theorieansätze, die seit Anfang des 20. Jahrhunderts die Begabungsforschung beherrschen, heute noch Gültigkeit besitzen. Stern betonte bereits 1916 (S. 110): „Begabungen sind immer Möglichkeiten zur Leistung, unumgängliche Vorbedingungen, sie bedeuten jedoch nicht Leistung selbst.“

Aufgrund der zahlreichen unterschiedlichen Begriffsbestimmungen erscheint es sinnvoll, einen Überblick über die Fülle dieser Definitionen zu geben. Davis und Rimm (vgl. Holling/Kanning 1999, S. 5-6) klassifizieren fünf verschiedene Begriffsbestimmungen, auf die hier zurückgegriffen werden soll:

a) Ex-post-facto-Definition: Jemand wird als hochbegabt charakterisiert, der sich durch herausragende Leistungen in bestimmten Gebieten auszeichnet. Mit dieser Definition können vorwiegend ältere Kinder oder Erwachsene erfasst werden. Begabung und Leistung werden hier gleichgesetzt, womit „Underachiever[8] nicht hochbegabt wären.
b) IQ-Definition: Hochbegabt ist nach dieser Definition derjenige, der in einem Intelligenztest einen bestimmten Grenzwert übertrifft. Dieser Grenzwert liegt üblicherweise bei einem Quotienten von 130. Anwendung findet die IQ-Messung in Intelligenztestverfahren, die ausschließlich kognitive Fähigkeiten erfassen.
c) Talent-Definition: Als hochbegabt werden jene Personen bezeichnet, die in einem spezifischen künstlerischen oder akademischen Bereich besondere Leistungen erbringen. Im Rahmen dieses Ansatzes werden Sonderbegabungen und Begabungen aus einer Vielzahl von Bereichen mit einbezogen. Er entspricht seiner Herangehensweise nach der Ex-post-facto-Definition, dehnt den Begabungsbegriff jedoch weiter aus.
d) Prozentsatz-Definition: Laut dieser Definition werden Personen als hochbegabt bezeichnet, die in einer Stichprobe entsprechend des verwendeten Prozentsatzes, zu den „Besten“ gehören. Zur Bestimmung von Hochbegabung werden wie bei der IQ-Definition Intelligenztests herangezogen, die auf die Normalverteilungskurve der Intelligenz[9] abgestimmt sind.
e) Kreativitäts-Definition: Hochbegabt ist nach diesem Ansatz, wer eine bestimmte zuverlässig, gültig nachweisbare exzellente seltene produktive und wertvolle Leistung erbringt. Diese Leistung muss in Relation zu einer geeigneten Bezugsgruppe stehen, die exzellent, selten, produktiv und wertvoll ist. Die Vertreter dieser Theorie lehnen eine Definition, die ausschließlich auf den IQ abhebt, ab, die Kreativität hingegen wird in den Vordergrund gerückt, so dass hier eine Person als hochbegabt bezeichnet wird, die nicht nur intellektuelle Fähigkeiten vorweisen kann, sondern diese auch in origineller und produktiver Denkleistung offenbart.

Diese verschiedenen Definitionsklassen veranschaulichen die Schwierigkeit, sämtliche Ausprägungen der Begabung zu erfassen. Kreativität und Intelligenz sind nicht als Gegensätze oder als voneinander unabhängig zu betrachten, sondern sie beeinflussen sich gegenseitig.[10]

1.1.2 Das „Drei-Ringe-Modell“ der Hochbegabung nach Renzulli

Ähnlich wie bei den Definitionsansätzen lässt sich auch bei den Erklärungsmodellen zur Hochbegabung keines hervorheben, das in der Forschung als allgemein gültig angesehen wird. Modellvorstellungen von Hochbegabung ermöglichen die vereinfachte Darstellung der reziproken Abhängigkeiten und des Zusammenspiels mehrerer Faktoren bei der Ausbildung von Begabung. Neben dem sogenannten „Drei-Ringe-Modell“ nach Renzulli existieren viele andere – nur um zwei weitere relativ bekannte zu nennen[11]: das aus diesem weiterentwickelte „Triadische Interdependenzmodell der Hochbegabung“ nach Mönks[12] und das vielzitierte „Münchener (Hoch-) Begabungsmodell" nach Heller, Perleth und Hany[13].

Im Folgenden wird das Mehr-Faktoren-Modell erläutert, welches die Grundlage des „Drehtürmodells“ nach Renzulli (vgl. Kapitel 1.2.2.1.2) darstellt und in abgewandelter Form an der evaluierten Schule Anwendung findet. Unter Punkt 1. bis 3. erfolgt die Erläuterung der interagierenden Faktoren innerhalb dieses Modells. Im Anschluss hieran wird kurz auf Renzullis unlängst erschienene Erläuterungen zum schwarz-weißen Hintergrund dieses Modells (vgl. Abb. 1) eingegangen.

Der amerikanische Professor Joseph Renzulli veröffentlichte 1978 das „Drei-Ringe-Modell der Hochbegabung“ (three-ring conception of giftedness). Mit diesem Modell versucht er aufzuzeigen, dass Begabung als eine Schnittmenge dreier gleichberechtigter Persönlichkeitsmerkmale aufzufassen ist:

It is important to point out that no single cluster ‘makes giftedness.’ Rather, it is the interaction among the three clusters that research has shown to be the necessary ingredient for creative-productive accomplishment. (Renzulli 1986, S. 65-66).

Das nachfolgend abgebildete Modell zeigt, dass nach Renzulli eine Person nicht bereits hochbegabt geboren wird, sondern in einer entsprechenden Umwelt ein hochbegabtes Verhalten entwickeln kann. Renzulli folgert hieraus, dass eine hohe allgemeine Intelligenz alleine nicht ausreicht, um herausragende Leistung vorherzusagen.

Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten

Abbildung 1: “three-ring conception of giftedness”

(nach Renzulli 1986, S. 66).

Nach Renzulli müssen die drei folgenden Faktoren interagieren, damit eine Person überdurchschnittliche Leistungen vollbringen kann.

1. Überdurchschnittliche Fähigkeiten (Above Average Ability)

Die überdurchschnittlichen Fähigkeiten umfassen allgemeine kognitive Fähigkeiten, beispielsweise ein hohes Niveau sowohl im abstrakten Denken als auch im sprachlichen Geschick sowie spezielle Fähigkeiten in verschiedenen Wissensgebieten. Hierbei unterscheidet er zwischen general ability und specific abilities:

General ability consists of the capacity to process information, to integrate experiences that result in appropriate and adaptive responses in new situations, and the capacity to engage in abstract thinking. Specific abilities consist of the capacity to acquire knowledge, skill, or the ability to perform in one or more activities of a specialized kind and within a restricted range. These abilities are defined in a manner that represents the ways in which human beings express themselves in real-life (i.e., nontest) situation. (Renzulli 1986, S. 66).

2. Aufgabenverpflichtung (Task Commitment)

Aufgabenverpflichtung wird in deutschen Übersetzungen oft mit ‚Motivation’ gleichgesetzt. Bei Task Commitment kann jedoch in engerem Sinne nicht ausschließlich von Motivation gesprochen werden, wie die hier folgende Definition Renzulli verdeutlicht:

Whereas motivation is usually defined in terms of a general energizing process that triggers responses in organisms, task commitment represents energy brought to bear on a particular problem (task) or specific performance area. The terms that are most frequently used to describe task commitment are perseverance, endurance, hard work, dedicated practice, self-confidence, and a belief in one’s ability to carry out important work. (Renzulli 1986, S. 69).

Unter Task Commitment wird hier die Fähigkeit verstanden, sich intensiv und über längere Zeit einer bestimmten Aufgabe zu widmen. Diese Kompentenz beinhaltet neben einer kognitiven und emotionalen auch eine motivationale Komponente (vgl. Holling/Kanning 1999, S. 8). Sie impliziert also, dass man sich mit seinem anvisierten Ziel gedanklich auseinander setzt (kognitive Komponente), sich emotional angesprochen fühlt (emotionale Komponente) und sein Ziel mit Einsatz und Willensstärke verfolgt (motivationale Komponente).

3. Kreativität (Creativity)

Unter Kreativität versteht Renzulli ein Lösungsverhalten für bestimmte Aufgaben, das von besonderer Originalität, Produktivität, Flexibilität und von einer individuell-selbstständigen Art und Weise geprägt ist (vgl. Holling/Kanning 1999, S. 8).

Neben den oben genannten Faktoren führt Renzulli den einem Pepita-Gewebe[14] ähnelnden Hintergrund genauer (vgl. Abb. 1), der für das Spektrum anderer beeinflussender Faktoren steht, unter der Bezeichnung „Operation Houndstooth[15], zu deutsch „Unternehmen Pepita“ aus. Zu Beginn seiner Forschungsarbeit behandelte er diese Hintergrundkomponenten eher stiefmütterlich; im Jahre 2000 jedoch hatte er das Spektrum der sechs Kategorien erforscht, die den Rahmen für die persönlichen Eigenschaften bilden: Optimismus, Mut, Hingabe an ein bestimmtes Thema oder Fach, Sensibilität für menschliche Belange, körperliche bzw. geistige Energie, eine Zukunftsvision und das Gefühl, eine Bestimmung zu besitzen. Die Eigenschaft „Sensibilität“ stellt das Verbindungsglied all dieser Konzepte dar. Diese Merkmale nennt Renzulli co-kognitive Faktoren:

I will refer to these components as ‘co-cognitive factors’ because they interact with and enhance the cognitive traits that we ordinarily associate with success in school and with the overall development of human abilities. (Renzulli 2000, http://www.sp.uconn.edu/~nrcgt/sem/expandgt.html, Stand 15.03.04 ).

Folgende Frage verdeutlicht das Ziel, das Renzulli mit der Erforschung der Operation Houndstooth primär verfolgt:

Wouldn't it be nice if we sought to make those engravings ones that will lead to societal improvements rather than to status, materialism, and self-indulgence? (vgl. Renzulli 2000, http://www.sp.uconn.edu/~nrcgt/sem/expandgt.html, Stand 15.03.04 ).

Renzulli möchte die Schüler im Sinne eines Wertesystems beeinflusst sehen, so dass sie größere Verantwortung für die Produktion sozialen Kapitals[16] übernehmen. Die Ergebnisse seiner Forschung sollen in die schulischen Prozesse einfließen. Die Schule soll sich nicht auf die Fähigkeiten konzentrieren, die dem Schüler einen Wettbewerbsvorteil auf dem Markt verschaffen, sondern auf die Vorantreibung des sozialen Kapitals.

Durch Operation Houndstooth fordert er eine Neudefinition des Begabungsbegriffs, damit die Menschen miteingeschlossen werden, die ihre Talente eingesetzt haben um das „Bruttosozialglück“ zu steigern.

Hauptkritikpunkt an Renzullis Modell ist die Gleichsetzung von Begabung und Leistung. Holling/Kanning (1999, S. 9) bemängeln, dass das Modell hochbegabte Schüler übersehe, die nur schwache Schulleistungen erbringen, die sog. „Underachiever“. Erst mit der Erweiterung seines Modells sollen in Zukunft die möglichen Entstehungsursachen von Minderleistung Beachtung finden[17].

1.1.3 Resümee

Die Erweiterung des 3-Ringe-Modells um die Operation Houndstooth macht das Modell Renzullis im Vergleich zu dem „Triadischen Interdependenzmodell der Hochbegabung“ und dem „Münchener (Hoch-) Begabungsmodell“ konkurrenzfähiger. Durch diese Erweiterung und die Forderung nach der Steigerung des „Bruttosozialglücks“ kann sich das Modell durch seinen modernen Ansatz profilieren und etablieren.

1.2 Förderung in der Schule

1.2.1 Kurzdarstellung des rechtlichen Rahmens

Die Fördermöglichkeiten einer Schule hängen stark von der derzeitigen rechtlichen Lage ab. Diese soll daher in Kurzform dargestellt werden, um klar zu stellen, welchen rechtlichen Spielraum Schulen in der Begabtenförderung haben.

In Deutschland fällt die Bildungspolitik grundsätzlich in die Gesetzgebungszuständigkeit der einzelnen Bundesländer. Ähnlich den Regelungen des Grundgesetzes sehen die jeweiligen Landesverfassungen der einzelnen Bundesländer einen grundsätzlichen Anspruch auf Bildung vor. Sowohl bei dem aus dem Grundgesetz als auch aus den jeweiligen Landesverfassungen ableitbaren „Recht auf Bildung“ lässt sich kein konkreter Rechtsanspruch Hochbegabter auf Berücksichtigung ihrer besonderen Begabungsstruktur[18] herleiten. Im Einzelnen bedeutet dies, dass aus dem Grundgesetz und den jeweiligen Landesverfassungen kein Rechtsanspruch auf vorzeitige Einschulung geltend gemacht werden kann. Ebenso besteht kein Rechtsanspruch auf Versetzung trotz schlechter Noten, Überspringen einzelner Klassen oder die Schaffung besonderer Einrichtungen und Maßnahmen[19].

Bis heute haben sich nur vereinzelte Landesgesetzgeber dazu durchgerungen, eine etwaige Begabtenförderung ausdrücklich in den Schulgesetzen zu verankern. Das Niedersächsische Schulgesetz sieht beispielweise in § 54 Absatz 1 Satz 4 vor, dass hochbegabte Schüler besonders gefördert werden sollen. Auch wenn die Aufnahme der Begabtenförderung in das Niedersächsische Schulgesetz als fälliger Schritt in die richtige Richtung bezeichnet werden kann, so eröffnet die Regelung des § 54 Abs. 1 Satz 4 des Niedersächsischen Schulgesetzes dem besonders begabten Kind keinen direkten Anspruch auf Förderung. Vielmehr verdeutlicht die Wendung „sollen", dass diese Vorschrift dem besonders begabten Kind „nur" einen Anspruch auf ermessenfehlerfreie Entscheidung gegenüber den zuständigen Behörden eröffnet. Eine vergleichbare Regelung enthält das Hamburgische Schulgesetz in § 3 Absatz 3, wonach Unterricht und Erziehung so zu gestalten sind, dass Schüler in ihren individuellen Fähigkeiten und Begabungen, Interessen und Neigungen gestärkt und bis zur vollen Entfaltung ihrer Leistungsfähigkeit gefördert und gefordert werden. Zur Wahrnehmung dieser Aufgabe ist die „Beratungsstelle besondere Begabungen“, eine Dienstleistungseinrichtung der Hamburger Bildungsbehörde für Eltern, Lehrkräfte, Schüler sowie für Schulen zuständig.

Die Schulgesetze anderer Bundesländer sehen die Förderung besonderer Begabungen entweder überhaupt nicht oder aber nur in anderem Zusammenhang vor. So sieht der Entwurf des neuen nordrhein-westfälischen Schulgesetzes im Zusammenhang mit der Förderung besonderer Begabungen lediglich vor, dass dauerhafte Beurlaubungen und Befreiung von schulpflichtigen Kindern zur Förderung wissenschaftlicher, sportlicher oder künstlerischer Hochbegabungen voraussetzen, dass für andere geeignete Bildungsmaßnahmen gesorgt wird.

Die Schulgesetze anderer Bundesländer wiederum sehen keine konkrete Förderung von besonderen Begabungen vor, sondern beinhalten vielmehr Regelungen allgemeiner Art hinsichtlich Erteilung des Unterrichts in Kursgruppen, die nach Leistung, Begabung und Neigung differenzieren, so z.B. § 22 Absatz 3 Hessisches Schulgesetz[20].

Von den vorstehend genannten Möglichkeiten bleibt es den jeweiligen Schulen unbenommen, auf freiwilliger Basis und ohne Rechtsanspruch die innerhalb des etablierten Schulsystems bereits vorhandenen Fördereinrichtungen zu nutzen, zu erweitern oder - im Rahmen der finanziellen Möglichkeiten - durch neue zu ergänzen.

1.2.2 Außerschulische und innerschulische Fördermöglichkeiten

Fördermöglichkeiten allgemein werden in außerschulische und innerschulische differenziert. Die außerschulische Förderung[21] umfasst alle Fördermöglichkeiten, die außerhalb des Klassenverbandes liegen oder unabhängig von den Gegebenheiten der jeweiligen Schulen stattfinden können. Die innerschulische Förderung schließt alle Fördermöglichkeiten ein, die innerhalb des Klassenverbandes oder während der regulären Unterrichtszeit binnendifferenzierend erfolgen können.

Da sich hochbegabte Kinder sowohl durch höhere Bearbeitungsgeschwindigkeit als auch durch größere Verarbeitungskapazität auszeichnen, versucht man den Kindern entgegen zu kommen, indem sie in den Bereichen, in denen sie besonders hohe Fähigkeiten aufweisen, herausgefordert werden. Aus dieser Erkenntnis heraus unterscheiden die Fördermodelle zwischen Akzelerations- und Enrichmentansätzen sowie Mischformen beider Ansätze.

1.2.3 Akzeleration und Enrichment

Nach Heinbokel (2001, S. 1) ist unter schulischer Akzeleration „jede Maßnahme zu verstehen, die es einer Schülerin oder einem Schüler ermöglicht, den vorgesehenen Lehrplan oder Teile davon früher zu beginnen, zu beenden oder schneller zu passieren, als es üblich, teils vorgesehen ist.“

Da das in dieser Arbeit zu evaluierende Begabtenfördermodell seinen Schwerpunkt ausschließlich auf Maßnahmen des binnendifferenzierenden Enrichmentansatzes gelegt hat, werden die Förderansätze der Akzeleration kurz gehalten[22].

Als akzelerative Ansätze in der Schulförderung gelten z.B. vorzeitige Einschulung[23], Überspringen von Klassen[24] oder Teilunterricht in höheren Klassenstufen, was in Form des „Drehtürmodells“ immer häufiger praktiziert wird. Gerade für die schulische Förderung ist diese Maßnahme ratsam, da sie keine große zusätzliche finanzielle Belastung für die Schule oder die Eltern darstellt. Die Klassenlehrer aller beteiligten Klassen müssen zustimmen und die Stundenpläne der verschiedenen Jahrgangsstufen müssen kompatibel sein.

Enrichmentansätze gehen von der Annahme aus, dass eine große Anzahl begabungsgerechter Lernsituationen in den Regelunterricht durch anreichernde (engl. to enrich) und vertiefende Aufgabenstellungen integriert werden kann.

„Beim Enrichment im binnendifferenzierenden Unterricht geht es um Anreicherung der (nicht) im normalen Unterricht zu behandelnden Themen und Arbeitstechniken mit vertiefenden Problemstellungen, die verschiedenartige Bearbeitungen zulassen und unterschiedliche Begabungen ansprechen.“ ( Manke 2001, S. 21).

Enrichment kann vertikal und horizontal angelegt sein. Die Lehrinhalte des vertikalen Enrichments vertiefen die Themen oder Fächer, die des horizontalen Enrichments bieten Lehrinhalte an, die im regulären Lehrplan überhaupt nicht enthalten sind, z.B. Zusatzkurse. Enrichment soll den Lehrstoff nicht ersetzen sondern ergänzen.

Enrichmentansätze der äußeren Differenzierung können beispielsweise in Form von sogenannten Pluskursen[25], Arbeitsgemeinschaften[26], Schülerwettbewerben[27], Schüleraustauschprogrammen[28] stattfinden. Sie können auch an Schulen mit speziellen Förderschwerpunkten[29] angeboten werden. Der Vorteil der Enrichmentangebote der äußeren Differenzierung besteht darin, dass die Kinder in ihrer Klassengemeinschaft bleiben. Der Umgang mit Gleichbegabten wirkt sich günstig auf das Sozialverhalten aus. Der Unterforderung im Regelunterricht kann mit Hilfe dieser Maßnahmen jedoch nicht entgegengewirkt werden.

Eine Möglichkeit der anreichernden inneren Differenzierung stellt die Individualisierung dar. Im Allgemeinen findet eine Individualisierung u.a. durch besondere Aufgabenstellung, durch Gruppenarbeit, Partnerlernen oder durch Einsatz von Fachhelfern statt. Von diesen Maßnahmen profitieren hochbegabte Kinder sowie alle anderen Schüler. Dem Lehrer kommt die Rolle zu, das Arbeits- und Lernniveau der Klasse an die Fähigkeiten jeden Schülers anzupassen. Im Idealfall ist laut BMBF die Lehrperson in der Lage, die individuelle Begabung und Persönlichkeit eines jeden Schülers zu erkennen und den Unterricht dementsprechend zu gestalten. Der Schüler ist motiviert, so dass er seine Begabungen entwickeln kann und gute Leistungen erbringt. Die Umsetzung in die Praxis erweist sich jedoch nach den Erfahrungen des BMBF als problematisch, weil die Individualisierung für die Lehrperson sehr arbeitsaufwendig ist, da sie sich in zahlreiche Wissensgebiete einarbeiten muss. Die Benotung erweist sich ebenfalls als schwierig, weil keine Vergleichsmöglichkeiten vorhanden sind. Ein weiteres Problem liegt darin, dass der Wissensstand der Schüler weiter auseinanderdriftet oder spezielle Themen den Rahmen des Unterrichts sprengen.

Eine andere Form der Individualisierung stellt die Planung und Gestaltung des Lernprozesses durch die Schüler dar. Sie haben die Möglichkeit, ihren Lernprozess weitgehend selbst in Form von Wochenplanarbeit, Freiarbeit, Projektarbeit, offenem Unterricht oder aktiv entdeckendem Lernen zu gestalten. Dem Lehrer kommt die Aufgabe zu, die Lernziele im Auge zu behalten und die Disziplin im Unterricht zu bewahren. Diese Form der Förderung setzt Lernmotivation und -kompetenz der Schüler voraus (vgl. BMBF 2003, S. 54-55).

1.2.4 Mischformen aus Akzeleration und Enrichment

Da hochbegabte Kinder sich besonders dadurch kennzeichnen, dass sie sowohl eine schnellere Auffassungsgabe als auch einen sehr ausgeprägten Wissensdrang haben, bietet sich zu deren Förderung eine Mischvariante aus Akzeleration und Enrichment an. Diese findet in Form von Intensivkursen[30], sog. D-Zug[31] -, Projekt- oder altersheterogenen Klassen und in Form von Spezialschulen und Schulen mit Hochbegabtenklassen[32] statt (vgl. BMBF 2003, S. 48).

Ein Beispiel für die Förderung besonders begabter Schüler in altersheterogenen Klassen stellen die Montessori-Schulen dar, an denen die Klassen 1-3 und 4-6 zu zwei Lernstufen zusammengefasst sind, die nach individuellem Lerntempo des Schülers ggf. in je zwei Jahren absolviert werden können. Schüler haben zudem die Möglichkeit, ein niedrigeres Tempo zugunsten einer Vertiefung bestimmter Themen zu verfolgen. Montessorischulen schreibt Mönks/Ypenburg (1998, S. 75) einen „verborgene(n) Lehrplan für hochbegabte Schüler“ zu. Besonders durch die Prinzipien der vorbereiteten Lernumgebung und der Wahlfreiheit werde ein „Unterricht nach Maß“ nicht nur – wie Montessori es ursprünglich vorgesehen hatte – für weniger begabte, sondern auch für besonders begabte Schüler möglich (vgl. Mönks 1995, S. 55).

Reformpädagogische Ansätze haben einen ersten Anstoß in Richtung Begabtenförderung geliefert und können in Zukunft „einen wichtigen Beitrag zur Umsetzung hoher kognitiver Begabungen in entsprechende schulische Leistungen dieser Kinder leisten. Damit liefert die Montessori-Pädagogik gleichsam bedeutsame Impulse für eine Leistungserziehung auch von ‚besonderen Kindern’.“ (Fischer 2001, S. 97).

1.2.4.1 Das SEM und das „Drehtürmodell“ nach Renzulli

Reformpädagogische Ansätze hat sich auch das „SEM“ (Schoolwide Enrichment Model) zu Nutze gemacht. Diesem Modell und im Besonderen dem „Drehtürmodell nach Renzulli“ wird im Rahmen dieser Arbeit besondere Aufmerksamkeit geschenkt, da dieses in angepasster Form an der zu evaluierenden Schule Anwendung findet.

Das SEM wurde von Joseph Renzulli und Sally Reis auf der theoretischen Grundlage von Pädagogen (insbesondere von den Leitgedanken der Maria Montessori u.a.), von Psychologen und Philosophen konzipiert (vgl. Renzulli et al. 2001a, S. 8-9, 168-169)[33]. Es versteht sich als ein Modell der Begabtenförderung ohne Elitebildung, welches darauf abzielt, die Stärken und Talente aller Schüler zu entwickeln, was nach Renzulli bedeutet, dass das Modell allen Schülern zu Gute kommt. Das Modell beinhaltet weiterhin eine Strategie, die Motivation sowie Lust am Lernen und somit einer Verbesserung der Schulleistungen zur Folge hat. Es ist empirisch[34] belegt (vgl. Renzulli et al. 2001a, S. 165-167) und in den USA gegenwärtig das bekannteste und meist eingesetzte Fördermodell in öffentlichen Schulen.

Renzulli versteht die Schule als einen Ort, in dem Talente entwickelt werden können. Dies versucht er unter anderem durch das systematische Einbringen zusätzlicher Anreize aus der außerschulischen Realität und durch eigenständige außerschulische Projekte von Schülern zu erreichen. Für Schüler, die auf einem bestimmten Gebiet besonders schnell lernen, kann der Regellehrplan im entsprechenden Fach gestrafft werden. Ein Talentportfolio[35], die ausführliche Dokumentation der Stärken, Interessensgebiete und Talente jedes Schülers, kann das übliche Zeugnis ergänzen oder gegebenenfalls sogar ersetzen. Mit Hilfe des Talentportfolios bestimmt der Lehrer, welcher Schüler für welche Fördermaßnahme geeignet ist. Danach wird ein individueller Lehrplan für jeden Schüler erarbeitet.

Für das SEM sind charakteristisch (vgl. Renzulli et al. 2001a, S. 11-13):

- die große Auswahl verfügbarer reichhaltiger Enrichments
- die Ausrichtung für alle Schüler, um traditionelle Etikettierungen „hochbegabt oder nicht hochbegabt“ zu umgehen
- das demokratische Ideal, das die volle Bandbreite individueller Unterschiede in der Schülerschaft anerkennt und wertschätzt
- Arbeit auf drei Hauptebenen (vgl. Erklärungen zur Schulstruktur des SEM nachfolgend)

Ziele des SEM sind im Einzelnen:

- Fähigkeiten und Talente der Schüler zu entwickeln
- Motivation, Lust am Lernen und Schulleistungen zu steigern
- anspruchsvolles und gleichzeitig lustvolles Lernen in allen Schultypen und auf allen Klassenstufen sowie unter allen demographischen Gegebenheiten zu ermöglichen

Mit der Umsetzung des SEM können Schulen das Talentpotential der Schüler entwickeln, indem deren Stärken systematisch erfasst, entsprechende Fördermaßnahmen eingesetzt sowie der Lehrplan und die Unterrichtszeit auf flexible Weise differenziert werden. Folgendes Modell veranschaulicht die Struktur des SEM :

Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten

Abbildung 2: „Struktur des SEM“

(abrufbar unter http://www.sp.uconn.edu/~nrcgt/sem/semexec.html, Figure 3, Stand 15.03.2004).

Erläuterungen zur Schulstruktur des SEM[36]:

Die Arbeit innerhalb des SEM findet auf drei Hauptebenen statt:

1. Der Schulstrukturplan (School Structures)

Die Schulstrukturen teilen sich in Basislehrplan (The Regular Curriculum), in Enrichmentgruppen (The Enrichment Clusters) und in weitere Fördermaßnahmen (The Continuum of Special Services), wie z. B. Auslandsaufenthalte, Einladen von Mentoren, Fernstudium oder Leistungsgruppen auf. Die Enrichmentgruppen sind altersheterogene Gruppen, die sich regelmäßig treffen, um sich in ihrem gemeinsamen Interessenbereich in Projektarbeit weiterzubilden (vgl. auch Renzulli et al. 2001a, S. 31-32).

2. Die unterstützenden Komponenten (Service Delivery Components)

Die unterstützenden Komponenten lassen sich ebenfalls in drei Gebiete aufteilen: zum einen das Talentportfolio (The Total Talent Portfolio), eine umfassende Dokumentation, die von den Schülern selbstgewählte Materialien über die Interessen, den Lernstil und die schulischen Stärken des Lernenden enthält und relevante Testwerte jeden Schülers stärken soll, zum anderen die Anpassung des Lehrplans (Curriculum Modifikation Techniques), indem der Basislehrplan intensiviert wird. Wiederholungen sollen vermieden und Herausforderungen erhöht werden. Die dritte unterstützende Komponente stellt der Enrichment Unterricht (Enrichment Learning and Teaching) dar, der sich in drei "Enrichmenttypen" unterteilt. Das dreistufige Enrichment (vgl. Kapitel 1.2.2.1.1) ist ein gezieltes Angebot, das Schüler ermutigen soll, sich schöpferisch und produktiv zu betätigen (vgl. auch Renzulli et al. 2001a, S. 35-40).

3. Die organisatorischen Komponenten (Organizational Components)

Eine ähnliche Unterteilung wie in den Schulstrukturen besteht im Bereich der organisatorischen Komponenten: Ein Schoolwide Enrichment-Team, bestehend aus Lehrpersonen, Eltern, Mitgliedern der Schulleitung sowie schulischen Spezialisten, z.B. Heilpädagogen und Schülern, beschäftigt sich mit Planen, Organisieren, Durchführen und Evaluieren von Fördermaßnahmen; des Weiteren Weiterbildung von Lehrpersonen (Professional Staff Development Model) und zahlreiche verschiedene Ressourcen und Materialien (Curricular Materials and Resources). An der Schule sollten sowohl mindestens eine für dieses Modell zusatzausgebildete Lehrperson (The Schoolwide Enrichment Teaching Specialist) als auch professionelle Netzwerke (The Schoolwide Enrichment Model Network) vorhanden sein. Die Eltern sollten miteinbezogen werden (Parent Orientation, Training, and Involvement), damit sie und ihr Kind sich verstanden fühlen und merken, dass die Schule auf die individuellen Bedürfnisse des Kindes eingeht. Die gemeinsame Beteiligung gilt für Eltern ebenso wie für Schüler und Lehrkräfte. Nur so wird die Komponente einer "partizipativen Schulentwicklung" (A Democratic School Management Plan) befürwortet.

1.2.4.1.1 Das dreistufige Enrichment

Renzulli unterschiedet zwischen 3 Typen von Enrichmentmaßnahmen, von denen Typ I und II allgemeiner Art sind. Sie sprechen regelmäßig und systematisch größere Gruppen von Schülern an. Typ III hingegen ist einzelnen Schülern oder auch kleineren Gruppen vorbehalten. Diese widmen sich eigenmotiviert und auf freiwilliger Basis meist mit erheblichen Anstrengungen und großem Zeitaufwand einem Projekt.

Type I Enrichment: General Exploratory Experiences. Experiences and activities that are designed to expose students to a wide variety of disciplines (fields of study), visual and performing arts, topics, issues, occupations, hobbies, persons, places, and events that are not ordinarily covered in the regular curriculum. (Renzulli, www.sp.uconn.edu/~nrcgt/sem/semexec.html, Stand 15.03.2004).

Bei Typ I sollen einführende "Schnupperangebote" zu Interessensbildung und vermehrtem Engagement der Schüler führen. Neue Erfahrungen in verschiedenen Wissens- und Tätigkeitsgebieten werden gewonnen, die nicht Teil des Basislehrplans sind. Dazu werden Referenten eingeladen, Vorführungen arrangiert und Medien aller Art zu Hilfe genommen (vgl. Renzulli et al. 2001, S. 40).

Type II Enrichment: Group Training Activities. Instructional methods and materials that are purposefully designed to promote the development of thinking and feeling processes. (Renzulli, www.sp.uconn.edu/~nrcgt/sem/semexec.html, Stand 15.03.2004).

Typ II soll projektbezogene Grundfertigkeiten schulen, indem den Schülern fortgeschrittene und möglichst professionelle Arbeits- und Denktechniken näher gebracht werden. Dadurch soll die Arbeit an selbstständigen Projekten ermöglicht werden. Zu den Aktivitäten des Typs II zählen u.a. Training des kreativen Denkens, Problemlösungsfertigkeiten, Anleitung zum kritischen Arbeiten, Schulung der sozialen und emotionalen Intelligenz, spezielle Lerntechniken, Gebrauch von Nachschlagewerken, effektive Internetnutzung und Kommunikationsfertigkeiten (vgl. Renzulli et al. 2001, S. 40-41).

Type III Enrichment: Individual and Small Group Investigations of Real Problems. Investigative activities and artistic productions in which the learner assumes the role of a first hand inquirer; the student thinking, feeling, and acting like a practicing professional. (Renzulli, www.sp.uconn.edu/~nrcgt/sem/semexec.html, Stand 15.03.2004).

Erst Typ III ermöglicht es laut Renzulli, an einem eigenständigen Projekt zu arbeiten. Hierbei ist der "Forschende" alleine oder in einer Kleingruppe tätig. Die Schüler werden so selbst zu Forschern und Schriftstellern, wählen Probleme und Themen selbst und bearbeiten sie mit geeigneten Methoden. Der Erfolg des Projekts hängt somit vom Interesse und vom Durchhaltevermögen der Schüler ab. Das Wissen der Teilnehmer findet in Typ III praktische Anwendung. Dies hat den Effekt, dass authentische Produkte oder Dienstleistungen entstehen. Resultate dieser Maßnahmen sind die Verbesserung der Lernfertigkeiten der Schüler und die Entwicklung von Engagement, Selbstvertrauen und kreativen Leistungen (vgl. Renzulli et al. 2001, S. 41).

1.2.4.1.2 Das Drehtürmodell nach Renzulli bzw. nach Klingen

Ein breites Angebot von Enrichmentmaßnahmen kann im sog. "Drehtürmodell" nach Renzulli (Door Revolving Model) verankert werden. Es kann als Variante des SEM angesehen werden und bei individuellen Programmen wie z.B. Teilnahme am Unterricht höherer Klassen oder Auslandsaufenthalten, bei Gruppenförderungsprogrammen, Arbeitsgemeinschaften oder Schüleraustauschprogrammen und bei Klassenförderprogrammen wie z.B. dem vorgezogenen Beginn eines Faches oder bilingualen Bildungsgängen angewandt werden. Ein Wechsel zwischen dem Unterricht nach Basislehrplan und einer Enrichmentgruppe ist möglich, entweder, wenn ein Schüler ein Enrichmentangebot wahrnehmen möchte oder aber, wenn er merkt, dass er den Anforderungen der Enrichmentgruppe nicht gerecht wird. Da der Schüler die Möglichkeit hat, zwischen dem Unterricht des Basislehrplans und der individuellen Förderung durch Enrichment zu wechseln, spricht man von einem „Drehtürmodell“.

F.J. Klingen hat das Drehtürmodell nach Renzulli auf die Schulen Deutschlands übertragen (vgl. Klingen 2001, S. 28-32) und setzt zur Vorgehensweise im Drehtürmodell fünf Schritte an[37]:

Tabelle 1: Drehtürmodell nach Klingen

Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten[38]

Die Ansätze Klingens unterscheiden sich gering von denen Renzullis. Auch Klingen legt einen Schwerpunkt auf die Beratung und Betreuung der Schüler durch die Lehrpersonen, die nach Klingen (2001, S. 28-32) Folgendes umfassen soll:

a) Entwicklung eines Förderkonzepts unter Einbeziehung sowohl der Stärken als auch der Schwächen
b) Beschreibung der Ziele und die Vereinbarung, an welchen Stellen im Lehrplan Unterricht ausfallen kann
c) Einverständniserklärung des Schülers und der Eltern zur Fördermaßnahme
d) Festlegung der Ansprechpartner bzw. des Mentors
e) Dokumentation der Ergebnisse
f) Vereinbarung von Kontrollterminen
g) Bedingungen für den Abbruch der Maßnahme
h) Hinweise auf externe Partner in der Begabtenförderung
i) Sowie die Zuständigkeit der Beratungs- und Betreuungslehrer für folgende spezielle Gespräche, die dem Schüler eine gewisse Ordnung und Hilfestellung bieten sollen:

- Konfliktgespräch bei Problemen mit Mitschülern, Lehrern oder Eltern auch unter Zuhilfenahme externer fachkundiger Beratung
- Studienfachwahl- und Stipendienberatung (Aufgabe des Oberstufenkoordinators)
- Informationsveranstaltungen zur Begabtenförderung für Eltern und Schüler

1.2.4.2 Evaluation von Fördermaßnahmen

Im Rahmen des SEM bzw. des Drehtürmodells bildet die regelmäßige Evaluation der durchgeführten Maßnahmen einen festen Bestandteil des Programms. Es sieht vor, dass die Schule eine große Anzahl von Typ III-Projekten durchführt und diese im Rahmen einer Gesamtevaluation formell bewertet. Anhand von Typ III-Projektplänen wird erfasst, inwieweit die angestrebten Ziele dieses Typs erreicht wurden. Durch die Typ III-Evaluation wird beispielsweise das Ausmaß des Schülerengagements erfasst.

Die Evaluation einer Maßnahme stellt einen zentralen Aspekt im Bereich der schulischen Förderung dar. Durch eine Evaluation und deren notwendige Konsequenzen kann gewährleistet werden, dass eine eingeführte Maßnahme tatsächlich das bezweckt, was ihr zum Ziel gesetzt wurde.

Renzulli et al. (2001a)[39] empfehlen in ihren Ausführungen zum SEM regelmäßige schulinterne formative Evaluationen um die Enrichmentgruppen laufend verbessern zu können.

1.2.5 Resümee

Die optimale Förderung besonders begabter Schüler kann es nicht geben, weil die Kinder in ihren Lernbedürfnissen zu individuell ausgeprägt sind. Eine angemessene Förderung vereint sowohl Akzelerations- als auch Enrichmentansätze, die jederzeit individuell auf jeden Schüler abgestimmt werden können. Das SEM im Allgemeinen stellt einen vielschichtigen und abwechslungsreichen Förderansatz dar, der auch in Deutschland immer mehr Anklang findet. Das Drehtürmodell vereint Akzeleration, Enrichment sowie Individualisierung. Es ist vielseitig einsetzbar, in vielerlei Facetten wandelbar und an jeder Schulform durchzuführen.

Zahlreiche Schulen in Deutschland bieten Förderung für besonders Begabte in verschiedenen Ausprägungen an, zum Großteil auf der Grundlage des SEM nach Renzulli in Form eines abgewandelten „Drehtürmodells“. Um zu garantieren, dass die Maßnahme effektiv ist, muss sie in regelmäßigen Abständen von schulinternen Evaluationen begleitet werden.

Im folgenden Kapitel wird eine Schule in Nordrhein-Westfalen vorgestellt, die ein stark an ihre Gegebenheiten angepasstes Fördermodell auf der Grundlage Klingens bzw. Renzullis implementiert hat.

1.3 Das Weser-Gymnasium Vlotho

Im Folgenden wird die zu evaluierende Schule kurz dargestellt, um das Verständnis der schulischen Gegebenheiten nachvollziehen zu können. Hieran schließt sich die Erläuterung des speziellen Fördermodells an.

Das Weser-Gymnasium liegt auf dem Winterberg im Weserbergland und steht unter städtischer Trägerschaft. Im 2. Schulhalbjahr 2003 besuchten 752 Schüler die Schule. Sie wurden von 60 Lehrerinnen und Lehrern sowie von fünf Referendarinnen und Referendaren unterrichtet.

Es wurden 34 Arbeitsgemeinschaften angeboten, die größtenteils für alle Jahrgangsstufen offen waren. Die Arbeitsgemeinschaften setzten sich sowohl aus zahlreichen sportlichen als auch breitgefächerten musikalischen Angeboten zusammen. Im kreativen Bereich wurden die AG „Schüler-Zeitung“ und „Theater“ neben einer Fremdsprache (Spanisch), einem Mathematikkurs, einer LAN (Local Area Network)-Arbeitsgruppe und ein Literaturkreis angeboten.

Seit 1999/2000 besteht eine Schulprogrammgruppe, gebildet aus Schülern, Eltern, Lehrerinnen und Lehrern, die in einem „Pädagogischen Arbeitskreis“ arbeiten. Neben diesem befasst sich ein Arbeitskreis „Begabtenförderung“ mit Förderangeboten für besonders begabte Kinder und Jugendliche. Dieser Arbeitskreis entwickelte das bisherige Konzept, soll es überprüfen und zu Weiterentwicklungen anregen. Diese werden den Mitwirkungsorganen der Schule (z.B. Lehrerkonferenz) und letztendlich der Schulkonferenz vorgelegt.Die Kontakte zu der neugegründeten Stiftung „Bildung zur Förderung Hochbegabter“ führten zur Einführung eines Förderkonzeptes, das seit Dezember 2002 besteht und "Drehtürmodell" genannt wird (vgl. WGV Jahresbericht 2001/2002).

1.3.1 Das "WGV-Drehtürmodell"

Das „WGV-Drehtürmodell“[40] sieht sich als ein Begabtenförderprogramm mit Enrichmentansatz. Die Schule hat sich zum Ziel gesetzt, hochbegabte Kinder zu fördern. Dabei will sie keine Leistungselite, sondern vielmehr eine individuelle Förderung für Kinder mit besonderer Leistungsfähigkeit schaffen. Die Vorarbeiten zur Einführung der Fördermaßnahme erfolgten im Arbeitskreis „Begabtenförderung“. Die Organisation und Kontrolle übernahm die didaktische Koordinatorin. Das Konzept „Drehtürmodell“ am Weser-Gymnasium sieht nach dem Schulbeschluss vom 7. November 2002[41] für besonders begabte Kinder Astronomie, Japanisch und Finnisch als Parallelkurse vor, die während der regulären Unterrichtszeit stattfinden. Finnisch ist nicht zu Stande gekommen, weil sich nur eine geringe Anzahl von Schülern für diesen Kurs entschieden hat.

Als Voraussetzung für die Teilnahme am „WGV-Drehtürmodell“ müssen keine psychologischen Gutachten vorgelegt werden. Das Programm ist grundsätzlich allen Schülern zugänglich. Kinder, die sich selbst nominiert haben, besuchen während der Zeit des Regelunterrichts einen, zwei oder alle drei zusätzliche Parallelkurse. Sie verpflichten sich, sowohl den versäumten Unterrichtsstoff als auch die Hausaufgaben sowie für die überlagerten Fächer selbstständig nachzuarbeiten und die Klassenarbeiten und schriftlichen Übungen mitzuschreiben. Der Antrag auf Befreiung vom regulären Unterricht wird von den Eltern an die Schulleitung gestellt, worauf eine mehrwöchige Probezeit (09.12.2002-24.01.2003) klärt, ob die Schüler am jeweiligen Parallelkurs teilnehmen können. Die endgültige Entscheidung liegt beim Schulleiter und wird in Absprache mit Eltern, Klassenlehrerin oder Klassenlehrer und Leiterin oder Leiter des Parallelkurses – dem sogenannten „Runden Tisch“ – gefällt.

Im zweiten Schulhalbjahr müssen die Kinder regelmäßig an den Parallelkursen teilnehmen. Ein Rücktritt ist nur nach einvernehmlicher Klärung des Sachverhaltes möglich. Ein Wechsel in einen anderen Parallelkurs ist nicht erlaubt. In Absprache mit der Leiterin oder dem Leiter des Parallelkurses legt die Schule die Gruppengröße fest. Die Einführung der Kurse hat keinen Einfluss auf den geltenden Stundenplan. Dieser bleibt unverändert, so dass die Parallelkurse einen festen Bestandteil im Stundenplan der Schüler bilden. Die Teilnahme am Unterricht im Rahmen der Begabten-Förderung wird den Schülern auf dem Zeugnis testiert, ohne dass der Parallelkurs versetzungsrelevant ist. Die Eltern werden zu einem Kostenbeitrag von derzeit 88 Euro pro Schuljahr verpflichtet.

Die Schulstrukturen des WGV sind denen des SEM ähnlich. Es gibt einen Basislehrplan in Form des regulären Stundenplans und altersheterogene Enrichmentgruppen im Rahmen des „WGV-Drehtürmodells“. Weitere Fördermaßnahmen finden am WGV durch Wettbewerbe und Schüleraustausche statt. Die Schule nimmt regelmäßig an Wettbewerben wie "Planspiel Börse", "Känguru-Mathematik-Wettbewerb", einem Vorlesewettbewerb, einem europäischen Wettbewerb mit dem Motto "Kreative Jugend baut Europa", der VDE-Aktion "Schüler entwerfen einen Mikrochip" und schulinternen Zeichenwettbewerben, z.B. Schullogo-Entwürfe teil.

Das dreistufige Enrichment, so wie es das ursprüngliche Drehtürmodell nach Renzulli bzw. Klingen vorsieht, findet sich am WGV derart komplex nicht wieder. Als ein Drehtürmodell erweist sich das Fördermodell des Weser-Gymnasiums lediglich dahingehend, dass die Schüler aus dem Regelunterricht hinaus und in einen Zusatzkurs hineingehen. Der umgekehrte Weg jedoch ist nicht möglich. Kehren die Schüler wieder in ihren Regelunterricht zurück, sind sie von der Teilnahme am „WGV-Drehtürmodell“ ausgeschlossen.

Zur Abgrenzung der beiden „Drehtürmodelle“ und als Basis für Verbesserungsempfehlungen werden im Folgenden die 5 Schritte Klingens und seine gesetzten Schwerpunkte kurz auf ihre Erfüllung im „WGV-Drehtürmodell“ abgehandelt:

Schritt 1: Die „Auswahl der Schüler“ geschieht am Weser-Gymnasium durch Selbstnomination der Kinder und durch Elternnomination. Die Kinder, die Spaß an den angebotenen Kursen haben, die zusätzliche Herausforderung wünschen und bereit sind, den Regelunterricht nachzuholen, können theoretisch teilnehmen. Kriterien für eine Nichtteilnahme sind überwiegend schlechte Noten in der Überzahl der Fächer.

Schritt 2: Den „Regelunterricht straffen“ wird am WGV dadurch gewährleistet, dass die Kinder die Stunden des Regelunterrichts, die sich mit den Parallelkursen überschneiden, weglassen. Sie verpflichten sich ebenso, die versäumten Stunden nachzuholen und an Klassenarbeiten teilzunehmen.

Schritt 3: Die Möglichkeit der „Wahl eines Mentors“ und „Abstimmung eines Themas“ steht den Schülern am WGV derzeit nicht bereit. Den Kindern werden die Kursthemen vorgegeben.

Schritt 4: Ein „Lerntagebuch“ wird am WGV nicht geführt.

Schritt 5: Die „Ergebnisse des Projektes“ präsentieren die „Drehtürkinder“ ihren Mitschülern nicht. Der „Drehtürunterricht“ ist allerdings nicht in Projekten organisiert, sondern nach Angaben der didaktischen Koordinatorin als ein fortlaufender, fast gleichberechtigter Unterricht neben den regulären Fächern zu verstehen.

Die Schwerpunktsetzung bezüglich Beratung und Betreuung am WGV sieht folgendermaßen aus:

a) Am WGV ist ein Konzept zur Förderung unter Berücksichtigung der Stärken der Schüler entwickelt worden. Sie Schüler sollen eine zusätzliche Herausforderung in den Kursen Astronomie, Japanisch und Finnisch finden. Die Schwächen der Schüler werden weniger berücksichtigt.
b) Zielsetzungen, die dem Fördermodell zu Grunde gelegt wurden, sind in weitestem Sinne schriftlich fixiert. Sie sind einem Antrag für ein anderes Projekt (Comenius-Projekt) zu entnehmen. Es bestehen keine Absprachen, an welchen Stellen im Lehrplan Unterricht ausfallen kann.
c) Die Einverständniserklärung der Schüler und der Eltern zur Fördermaßnahme wurde eingeholt.
d) Ein Ansprechpartner oder Mentor wurde noch nicht festgelegt.
e) Eine Dokumentation über Ergebnisse oder Lernerfolge innerhalb der Parallelkurse werden nicht angefertigt.
f) Termine zur Kontrolle der Maßnahme sind nicht festgelegt worden.
g) Bedingungen, die den Abbruch der Maßnahme regeln, liegen vor. Die Maßnahme kann nach einvernehmlicher Klärung mit dem Schulleiter, der Projektleiterin,den Fach- und Klassenlehrern sowie den Eltern und vor allem den Schülern abgebrochen werden.
h) Sowohl die Eltern als auch die Schüler bekommen regelmäßig Hinweise auf externe Begabtenförderung. Die Schule meldet ihre Schüler für die Sommerakademie an.
i) Hilfestellungen am WGV bieten folgende Personen:

- An der Schule sind 25 Schüler in Streitschlichtung ausgebildet, die in Konfliktsituationen mit Mitschülern, Lehrern oder auch Eltern als Gesprächpartner zur Verfügung stehen. Neben den Schülern ist eine Lehrerin zuständig für Streitschlichtung und soziales Lernen. Zwei Lehrerinnen offerieren Suchtberatung.
- Die Schule bietet eine Laufbahnberatung an, die an die Koordinationsfunktionen gebunden ist, z.B. an den Erprobungsstufenkoordinator. Der Oberstufenkoordinator informiert und berät über die Studienfachwahl und über mögliche Stipendien.
- Informationsveranstaltungen zur Begabtenförderung finden im Rahmen der Veranstaltung „Tag der offenen Tür“ für Eltern und Schüler immer im Januar statt. Zusätzlich werden Informationsbriefe an die Eltern versandt und die Schüler der Sekundarstufe II erhalten in einer Vollversammlung regelmäßig Informationen über das „WGV-Drehtürmodell“. In den Klassen- und Schulpflegschaftssitzungen wird ebenfalls über das Förderprogramm informiert. Die Schule hält einen Beratungswegweiser mit wichtigen Adressen für Eltern und Schüler bereit.

An dem komplexen Thema der Identifizierung Hochbegabter soll in Zukunft gearbeitet werden. Geplant ist keine psychologische Diagnostik, sondern vielmehr sollen beobachtbare Merkmale zu handlungsleitenden Hinweisen zusammengestellt werden. Die Aufnahme hochbegabter Minderleister – sogenannte Underachiever – in höhere Klassen wird zur Zeit nicht intendiert, da entsprechende Voraussetzungen fehlen.

Zur Zeit werden vier Lehrer der Schule zum „ Specialist in Gifted Education“[42] ausgebildet, die im Herbst 2004 ihr Diplom erhalten. Auf diese Weise könnte eine Identifikation hochbegabter Kinder durch wissenschaftlich ausgebildete Lehrer verbessert werden.

Die Schule hat sich zum Ziel gesetzt, das „WGV-Drehtürmodell“ in wissenschaftlicher Begleitung zu evaluieren. Dabei soll die Wirkung der Maßnahme unter Berücksichtigung der angestrebten Ziele bewertet werden. Konsequenz der Evaluation ist nicht die Bewertung der einzelnen Kurse, welcher der beiden Kurse „besser taugt“, sondern die begleitende Verbesserung und vor allem Erweiterung des gesamten Modells.

Als theoretische Grundlage für die vorliegende Evaluation dienen die von der Schule festgelegten Ziele des Begabtenförderprogramms. Diese Ziele werden im Folgenden dargelegt und im Anschluss operationalisiert.

1.3.2 Ziele des Begabtenförderprogramms „WGV-Drehtürmodell“

Das Weser-Gymnasium verfolgt mit dem „WGV-Drehtürmodell“ 4 wesentliche Ziele, die in dieser Studie auf ihre Erreichung untersucht werden sollen:

- soziale Integration gewährleisten und fördern

Die soziale Isolation soll vermieden werden. Die soziale Integration soll durch das Begabtenfördermodell nicht beeinträchtigt sondern gefördert werden.

- Herausforderung bieten

Den Schülern sollen zusätzlich zum Unterricht Herausforderungen geboten werden. Sie sollen gemäß ihren Fähigkeiten gefordert jedoch nicht überfordert werden.

- Lernmotivation steigern

Die Lernmotivation der Schüler soll gesteigert werden.

- Leistung steigern

Die schulischen Leistungen der Regulärfächer der Schüler sollen sich verbessern.

Neben den Hauptzielen beabsichtigt die Schule bestmögliche Gegebenheiten für das Fördermodell zu bereit zu stellen, die in dieser Untersuchung ebenfalls überprüft werden:

- Optimale Rahmenbedingungen schaffen

Durch bestmöglichen Rahmenbedingungen soll die allgemeine Zufriedenheit der Schüler gefördert werden.

Im Zusammenhang mit der allgemeinen Zufriedenheit fällt das Augenmerk in besonderer Weise auf die Altersmischung in den Kursen:

- Altersheterogenität annehmen

Es soll gewährleistet sein, dass die Altersmischung dem Lernprozess förderlich ist.

Die Ziele des WGV sind etwas weiter gefasst als die des SEM. Übereinstimmungen ergeben sich im Bereich der „Herausforderung“, der „Lernmotivation“ und der „Leistung“.

1.3.3 Operationalisierung der Maßnahmewirkung

Zur Operationalisierung der Ziele des Fördermodells wurde versucht diese näher zu bestimmen um daraus Fragestellungen zu entwickeln. Die Wirkung des Fördermodells soll hauptsächlich durch schriftliche Befragungen erfasst werden. Zur Messung der Wirkung des „WGV-Drehtürmodells“ sind Fragebögen entworfen worden, die u.a. der quantitativen Erfassung dienen. Die Interviews und die offenen Fragen der Bögen lassen qualitative Aspekte zu. Im Anschluss an die Auswertung erfolgt die Bewertung.

In den Fragebögen sollen vorrangig die Hauptziele des Förderprogramms abgefragt werden. Neben der Wirkung der Maßnahme finden jedoch auch die Rahmenbedingungen sowie Verbesserungsvorschläge Beachtung. Die primäre Ziele des Fördermodells werden folgendermaßen verstanden:

- Soziale Integration

Sozial integriert ist ein Schüler, der einen Großteil seiner Freizeit mit Freunden verbringt. Es wird davon ausgegangen, dass „Freunde treffen“, „Sport“ und „AGs“ einen Indikator für gute soziale Integration darstellen. Ein sozial integrierter Schüler bekleidet womöglich verantwortungsvolle Ämter in der Schule und ist in der Klasse beliebt.

Sozial schlecht integriert ist möglicherweise demnach derjenige Schüler, der den Großteil seiner Freizeit alleine – wie z.B. vor dem Fernseher, dem Computer oder auch mit Lesen – verbringt. Er zählt womöglich wenige Kinder zu seinen Freunden.

Es wird nicht erwartet, dass sich der soziale Zusammenhalt der Klasse verbessert, indem zwei zusätzliche Kurse für die leistungswilligeren Kinder eingerichtet werden. Vielmehr soll erforscht werden, wie sich die soziale Integration der Kinder durch das Verlassen des Klassenverbandes verändert. Sollte sich eine Verschlechterung bei der Mehrzahl der Kinder manifestieren, wird davon ausgegangen, dass das Ziel nach Gewährleistung der sozialen Integration nicht erreicht wurde.

Vor diesem Hintergrund wurden für den Schülerfragebogen Fragen entwickelt, die über die soziale Integration der besonders begabten Kinder in die Klassen- und Schulgemeinschaft Auskunft geben sollen. Die Fragen sollen Aufschluss geben über die verschiedenen Freizeitbeschäftigungen der Kinder, die Freunde, ob sie Klassensprecher waren und ob sich die Mitschüler für die Inhalte der Parallelkurse interessieren (Fragen 5-10, 40, vgl. Tabelle 4 vorl. Arbeit, S 41-43).

Einige Fragen betreffen nicht direkt die soziale Integration der Kinder, sondern zielen darauf ab, inwieweit die soziale Integration von den Reaktionen der Klassenkameraden beeinflusst wird. Diese Fragen sollen Auskunft darüber geben, ob es den Kindern unangenehm ist, den Klassenverband zu verlassen und ob ihnen eine Reaktion der Mitschüler aufgefallen ist (Fragen 41, 43 und 44, vgl. Tabelle 4).

Weitere Fragen sollen mögliche Veränderungen bezüglich der sozialen Integration u.a. von „vor der Maßnahme“ und „nach der Maßnahme“ erhellen (Fragen 45- 48, vgl. Tabelle 4).

Die soziale Integration soll im Elternfragebogen durch die Frage überprüft werden, ob das Kind Unbehagen beäußert hat, dass im Zusammenhang mit den Parallelkursen steht (Frage 9, vgl. Tabelle 5 vorl. Arbeit, S. 43-44).

Im Fachlehrerfragebogen wird direkt gefragt, ob sich die soziale Integration seit der Maßnahme verändert hat (Frage 8, vgl. Tabelle 6 vorl. Arbeit, S. 45).

Die soziale Integration wird im Kursdozenteninterview ebenfalls direkt durch folgende Fragen abgetestet (vgl. Tabelle 7 vorl. Arbeit, S 46):

(5) Wie äußert sich der soziale Zusammenhalt im Kurs?

(6) Eröffnet der Unterricht Situationen, in denen die älteren resp. die Kinder mit Wissensvorsprung den anderen helfen können?

- Herausforderung bieten

Das Förderprogramm soll dahingehend Herausforderung bieten, dass die Schüler sich einem ihnen unbekannten, nicht im regulären Curriculum enthaltenen Fach widmen und sie den regulären Unterrichtsstoff nachholen müssen. Langeweile soll dadurch vermieden werden, dass die Schüler den versäumten Stoff selbständig nachholen müssen. Das Förderprogramm soll dem besonders begabten Schüler gemäß dem Charakter einer Enrichmentmaßnahme Herausforderung bieten ohne den Schüler zu überfordern. Um diesem Anspruch gerecht zu werden, müssen das Nachholen des Unterrichtsstoffes und der Hausaufgaben sowie das Nachschreiben von Klassenarbeiten und Tests ermöglicht werden. Zeigen die Auswertungen der nachfolgend genannten Fragen, dass sich die Schüler überfordert fühlen und den Stoff oder die Hausaufgaben der regulären Fächer nicht nachholen, ist das Fördermodell dem Anspruch „Herausforderung bieten“ nicht gerecht geworden. Der Unterrichtsstoff der Zusatzkurse muss sowohl vom Schwierigkeitsgrad als auch von der Quantität des Stoffes angemessen und dem Niveau eines begabten Schülers angepasst sein. Um diese Merkmale zu testen, werden im Schülerfragebogen Items[43] entwickelt, die einerseits testen sollen, ob sich die Kinder durch das zusätzliche Kursangebot insgesamt überfordert fühlen, vor allem sollen sie Schwierigkeitsgrad und Menge des Stoffes bewerten, Auskunft darüber erteilen, ob sie ihren Kursdozenten verstehen und sich trauen, Fragen zu stellen (Fragen 17, 20- 23, 26- 27, vgl. Tabelle 4). Andererseits sollen weitere Fragen Auskunft darüber geben, wie gut die Schüler mit dem Nacharbeiten des Stoffes zurechtkommen (Fragen 30- 32, vgl. Tabelle 4).

Der Elternfragebogen soll ebenfalls Aufschluss über eine angemessene Herausforderung bieten (Fragen 10- 17, vgl. Tabelle 5).

Im Fachlehrerfragebogen werden die Schüleraussagen bezüglich der Herausforderung auf ihre Stimmigkeit überprüft, indem gefragt wird, ob die Schüler den Stoff und die Hausaufgaben regelmäßig nacharbeiten (Fragen 3- 4, vgl. Tabelle 6).

- Lernmotivation steigern

Die Lernmotivation muss als ein übergeordnetes Ziel angesehen werden, das mehrere Komponenten voraussetzt: Ein Schüler ist lernmotiviert, wenn seine Erwartungen an den Unterricht erfüllt sind und ihn die Themen seines gewählten Kurses interessieren. Die Steigerung der Lernmotivation ist die Voraussetzung für Lernen. Daher wird davon ausgegangen, dass die Lernmotivation eines Schülers steigt, wenn er sich sozial integriert fühlt, wenn er genügend Herausforderung geboten bekommt, nicht überfordert wird und wenn seine Leistungen zufriedenstellend sind. Darüber hinaus ist anzunehmen, dass eine Steigerung der Lernmotivation durch angemessene Rahmenbedingungen des Unterrichts und durch allgemeine Zufriedenheit der Schüler erfolgen wird. Ergeben die nachfolgend aufgeführten Fragen in der Gesamtbewertung, dass den Kindern entscheidende Teilaspekte des Fördermodells missfallen, sie demotiviert sind, weil die Voraussetzungen für steigende Lernmotivation nicht gegeben sind, wurde das Ziel „Lernmotivation steigern“ nicht erreicht.

Um optimale Bedingungen für eine gesteigerte Lernmotivation zu schaffen, wurden für den Schülerfragebogen Fragen entwickelt, die nach den Beweggründen des Kursbesuches, den Erwartungen an den Kurs und vor allem, ob die Schüler diese erfüllt sehen, ob die Themen der Parallelkurse interessant sind und ob sie noch weitere Kurse besuchen würden ( Fragen 11- 18, vgl. Tabelle 4). Da zu erwarten ist, dass die Lernmotivation der Schüler steigen wird, wenn sie selbstbestimmt an der Gestaltung und Planung der Parallelkurse teilhaben können, wurden in den Schülerfragebogen Fragen eingebracht, wo die Schüler die Möglichkeit haben, sich allgemein zur schulischen Situation zu äußern und Themenwünsche für weitere Kurse anzumelden (Fragen 49- 52, vgl. Tabelle 4).

Der Elternfragebogen soll durch Beantwortung verschiedener Items die allgemeine Zufriedenheit der Schüler von vor und nach der Einführung der Maßnahme erhellen (Fragen 6- 7, vgl. Tabelle 5).

- Leistung steigern

Leistungssteigerung kann als ein Effekt angesehen werden, der sich einstellt, wenn die Parallelkurse für begabte Kinder ein gutes Anspruchsniveau darstellen und diese wieder lernmotivierter sind. Die Schulleistung wird in Noten gemessen. Notenveränderungen können allerdings nur bedingt in die Bewertung einbezogen werden, da Notenschwankungen von vielen Faktoren abhängen, z.B. vom derzeit behandelten Thema oder vom Lehrer. Wenn sich jedoch sogar eine Notenverschlechterung besonders in den überlagerten Fächern erkennen lässt, ist bezüglich der Leistungssteigerung das Ziel des Fördermodells nicht erreicht.

In allen Fragebögen werden Fragen bezüglich einer Notenveränderung gestellt (Schülerfragebogen: Fragen 36- 38 und 39, vgl. Tabelle 4; Elternfragebogen: Frage 18, vgl. Tabelle 5; Fachlehrerfragebogen: Frage 6, vgl. Tabelle 6).

- Rahmenbedingungen

Die Rahmenbedingungen setzten sich aus mehreren Komponenten zusammen. Unter Rahmenbedingungen werden hier die Einbettung in den Stundenplan, die Übermittlung der Hausaufgaben und des Unterrichtsstoffes sowie die Unterstützung und Betreuung durch den Fachlehrer verstanden. Daher werden in den Schülerfragebogen Items eingegliedert, die Auskunft über die Stoffübermittlung und die Unterstützung der Fachlehrer geben sollen (Fragen 33- 35, vgl. Tabelle 4). Darüber hinaus sollen auch die Rahmenbedingungen innerhalb der Parallelkurse getestet werden, im Besonderen das Verhältnis der Kinder zur Kursdozentin bzw. zum Kursdozenten. Dazu sollen die Schülern Auskunft darüber geben, ob sie ihren Kursdozenten gut verstehen und sich trauen, etwas nachzufragen.

Im Elternfragebogen werden die Eltern gebeten, die Unterstützung der Fachlehrer einzuschätzen.

In den Fachlehrerfragebogen werden Items aufgenommen, die klären sollen, welche Fächer und ob diese komplett von den Parallelkursen überlagert werden sowie auf welche Art sie den Schülern den Unterrichtsstoff und die Hausaufgaben übermitteln.

- Heterogenität

Als letzter Punkt soll untersucht werden, wie die Schüler die Heterogenität in den Kursen bewerten. Die Heterogenität in den Parallelkursen ist beabsichtigt um durch integratives Lernen in heterogenen Lerngruppen den Gruppenzusammenhalt zu stärken. Zeigen die Ergebnisse, dass die Großzahl der Kinder die Heterogenität schlecht beurteilt, weil sich z.B. die Jüngeren unter den Älteren nicht wohl fühlen oder umgekehrt und sich dadurch am Lernen gehindert sehen, ist der Zweck, der mit der Altersheterogenität verfolgt wird, verfehlt.

Da davon ausgegangen werden kann, dass die Situation einer heterogenen Lerngruppe für alle Schüler neu ist, sollen die Schüler die Altersheterogenität innerhalb der Parallelkurse bewerten.

Die Kursdozenten sollen ebenfalls die Altersmischung in den Kursen beurteilen.

2 Methode

Ziel der Untersuchung ist es durch Überprüfung der Wirkung des „WGV-Drehtürmodells“ zu einer Bewertung desselben zu gelangen. Dieser Arbeit liegen keine Evaluationsstudien aus der Zeit vor der Einführung des Förderprogramms oder vergleichbare eines ehemaligen Förderprogramms vor. Die Untersuchung kann daher als eine Art „Pilotstudie“ angesehen werden.

Die Daten für die Untersuchung wurden als Vollerhebung mittels dreier mehrseitiger strukturierter Fragebögen mit weitestgehend geschlossenen Antwortmöglichkeiten erhoben, die quantitativ ausgewertet werden.

Des Weiteren wurden eine qualitative Auswertung zweier Interviews sowie die qualitative Analyse der offenen Fragen des Fragebogens in die Gesamtbewertung mit einbezogen.

2.1 Untersuchungsdesign

Da das Fördermodell neue Wege beschreitet, kann nicht auf bereits bestehende Vorbilder zurückgegriffen werden. Daher sind in die Planung und Konzeption der Evaluationsstudie zahlreiche Gespräche mit der didaktischen Koordinatorin und dem Schulleiter sowie Eindrücke aus den vorherigen Schulbesuche eingeflossen. Diese Kontaktpersonen sprachen Vermutungen bezüglich möglicher Probleme aus, die sie mittels der vorliegenden Untersuchung bestätigt oder widerlegt wissen wollten.

Mögliche Probleme bestehen nach Meinung der didaktischen Koordinatorin

- in der Übermittlung der Hausaufgaben durch die jeweiligen Fachlehrer,
- in der Altersheterogenität in den Kursen,
- in Akzeptanzproblemen seitens der Mitschüler, was sich teilweise in Mobbing äußere.

Für die Durchführung der Begleitevaluation wurden Fragebögen und ein Interviewleitfaden entworfen.

2.1.1 Untersuchungsplan

Das erste Treffen mit der didaktischen Koordinatorin des Weser-Gymnasiums Vlotho am 13.02.2003 wurde zwischen der Schule und dem ICBF vereinbart. Die Schule äußerte Zielsetzungen einer Evaluation sowie ihre Erwartungen an die wissenschaftliche Begleitung. Der erste Schulbesuch sollte am 21.02.2003 stattfinden.

Am 21.02.2003 wurde unten stehender Untersuchungsplan abgesprochen:

Tabelle 2: Untersuchungsplan der Evaluation

Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten

2.1.2 Vortest

Im Anschluss an die Erstellung der Fragebögen wurde beschlossen, einen Vortest durchzuführen um Fehlerquellen möglichst schon im Vorfeld auszuschalten. Der Vortest wurde im März 2003 durchgeführt. Mit Hilfe dieses Tests sollte das Erhebungsinstrument allgemein auf seine Anwendbarkeit und Vollständigkeit überprüft werden.

Bortz/Döring empfehlen einen Vortest, der vorsieht, aus der Gruppe der Merkmalsträger eine bestimmte Anzahl, die nicht an der Hauptuntersuchung teilnehmen soll, zu befragen. Da auf Grund der relativ kleinen Anzahl von Merkmalsträgern (23 Eltern und 23 Schüler) eine Erhebung aller an der Maßnahme Beteiligten durchgeführt werden soll, war es in diesem Fall nicht möglich, einen Vortest in üblichem Sinne (vgl. Bortz/Döring 2002, S. 331- 332) durchzuführen, weil alle Merkmalsträger an der Hauptuntersuchung teilnehmen sollten. Um die interne Validität der Untersuchung nicht einzuschränken, wurden die Fragebögen daher Versuchspersonen vorgelegt, die nicht an der Hauptuntersuchung teilnehmen.

Da der Fragebogen der Schüler besonders auf die Verständlichkeit der Fragen und auf die Bearbeitungsdauer hin überprüft werden sollte, wurde ein Vortest wie folgt durchgeführt:

Der Elternfragebogen wurde zwei Elternpaaren vorgelegt, die mit der Problematik hochbegabter Kinder zwar betraut sind, nicht aber aus der Grundgesamtheit der Eltern des Ortes Vlotho stammen. Der Schülerfragebogen wurde vier Kindern (2 Mädchen, 2 Jungen) unterschiedlichen Alters (10, 12, 14, 16) vorgelegt, die ebenfalls nicht aus der Grundgesamtheit der zu befragenden Kinder stammen. Den Eltern sowie den Kindern wurde die Situation an der Schule kurz erklärt. Sie wurden gebeten den Fragebogen durchzulesen und ihn soweit auszufüllen wie es ihr Vermögen zulässt, sich in die Lage der Befragten hineinzuversetzen. Ebenso wurden sie ermutigt, Items zu markieren, die sie nicht verstanden und diese zu kommentieren. Sie hatten ebenfalls die Möglichkeit, ggf. weitere Items anzufügen. Der Anleitungstext für den Vortest und die Hauptuntersuchung war identisch. Die Probanden des Schülerfragebogens merkten einige Formulierungen an, die sie nicht verstanden: z.B. „Wie beurteilst Du die Altersheterogenität in den Parallelkursen?“. Der Begriff „Heterogenität“ war ihnen in diesem Zusammenhang nicht geläufig, und sie vermuteten über sexuelle Orientierungen in den Parallelkursen Auskunft geben zu müssen.

Im Anschluss an den Test wurden in Zusammenarbeit mit den Probanden missverständliche Formulierungen geändert. So wurde z.B. zuvor genannte Frage wie folgt umformuliert: Wie findest Du, dass in den Kursen Kinder unterschiedlichen Alters sind?

Im Anschluss daran wurden die Fragebögen von drei sachverständigen Person, die mit empirisch-statistischen Methoden und Untersuchungsformen betraut sind, kontrolliert.

2.1.3 Kritik und Änderungen

Bei Fragestellungen, die eine Werteskala von 1-6 als Antwort bieten, wurde darauf geachtet, dass eine hohe Zustimmung immer der Zahl „6“ entspricht, um die Auswertung zu erleichtern. Der Wertebereich wurde umgepolt, indem dem niedrigen Wert, z.B. „sehr wenig“, die Zahl „1“ zugeordnet wurde. Damit wurde erzielt, dass der niedrige Wert links und der hohe rechts in den Koordinaten steht.

Die Items wurden thematisch sortiert. Weiter wurde darauf geachtet, die Fragen sowie Antworten so eindeutig wie möglich zu formulieren, d.h. es wurden Ausdrücke wie „kannst Du Dir vorstellen“, „vielleicht“, „eventuell“, „womöglich“ möglichst vermieden um die Befragten nicht zu verwirren. Suggestivfragen wie „Meinst Du nicht auch...“ wurden ebenfalls vermieden.

Um eine Beeinträchtigung der Untersuchung durch die Distanz zwischen Versuchsleiterin und Befragten zu verringern, haben vor der Befragung Unterrichtsbesuche stattgefanden, so dass die Schüler die Möglichkeit hatten, die befragende Person kennen zu lernen und Vertrauen zu ihr aufzubauen.

Um missing data zu vermeiden und somit die Auswertbarkeit der Daten zu steigern, wurde die Antwortmöglichkeit „Ich-weiß-nicht“ ausgelassen.

Es wurde darauf geachtet, schriftlich so scharf wir möglich zu formulieren, um Missverständnisse zu vermeiden. Daher wurde eine Definitionsunterscheidung zwischen Parallelkursen (Astronomie und Japanisch) im Gegensatz zum regulären Unterricht vorgenommen. Die „Fächer“ sind die des regulären Unterrichts, die des Parallelunterrichts werden „Kurse“ genannt. Die „Fachlehrer“ sind die des regulären Unterrichts, die der Parallelkurse werden „Kursdozenten“ genannt.

Die Skaleneinteilung wurde auf dem gleichen geraden Wertebereich hier von 1-6 belassen um zu vermeiden, dass die Versuchspersonen dazu neigen immer die Mitte zu wählen.

Mögliche unbekannte Begriffe wurden möglichst genau erläutert. Der Begriff „Mehrfachnennungen“ wurde daher im Anleitungstext des Schülerfragebogens in Klammern erklärt: „= mehr als eine Antwort“.

2.2 Erhebungsinstrumente

An den Anfang sowohl des Schüler-, als auch des Elternfragebogens wurde ein Anleitungstext gesetzt, der kurz erklärt, welchen Zweck der Fragebogen verfolgt und vor allem wie er ausgefüllt werden soll. Beispiele demonstrierten das Ausfüllen (vgl. Beispielfrage des Schüler- und Elternfragebogens im Anhang, S. 161, 169).

Die Auswertbarkeit wird grundsätzlich erleichtert, wenn nur wenige freie Antwortmöglichkeiten zugelassen werden. Bei freien Antworten müssen abschließend Kategorien gebildet werden um die Antwort auswerten zu können. Es wurden dennoch zahlreiche offene Fragen in den Bogen eingebracht, da beabsichtigt war, einen möglichst breiten Einblick in die Problematik zu bekommen. Es wird erhofft, dass die Schüler auf diese Weise Probleme oder auch Vorteile des Modells nennen, die zuvor nicht in Erwägung gezogen wurden.

Sowohl die Schüler- als auch Elternfragebögen wurden mit Hilfe des EDV-Statistik-Programms „GrafStat“, welches von der Bundeszentrale für politische Bildung herausgegeben worden ist, erstellt. Dieses Programm ist ein an der Universität gängiges Statistikprogramm, welches in der Anwendung leicht zu handhaben ist.

Die im Folgenden erläuterten Fragebögen und die Leitfadeninterviews können im Anhang (S. 175-176) eingesehen werden.

2.2.1 Schülerfragebogen

Sowohl zur Erfassung von Merkmalen, die aus den Zielen operationalisiert wurden, als auch zur Erfassung von Einschätzungen bei Schülern wurde ein Fragebogen aus 51 offenen und geschlossenen Fragen konstruiert. Als Anregung für die Konstruktion der Fragebögen diente der Begleitband des SEM nach Renzulli et al. (2001b, S. 182 –184).

Die intervall skalierten Fragen wurden – der schulischen Notenskala angepasst – als Einschätzungsskalen mit einem Wertebereich von 1 bis 6 gestaltet. Durch das verwendete bekannte Notensystem sollten Einschätzungsschwierigkeiten vorgebeugt werden. Ein Merkmal wurde mit jeweils sechs möglichen Ausprägungen beziffert und diente der Einschätzung bzw. der Bewertung durch die Befragten. Auf den Fragebögen indizieren die Großbuchstaben A, B, C usw. vor den Antwortmöglichkeiten eine Mehrfachwahl, die Kleinbuchstaben a, b, c usw. eine Einfachwahl.

[...]


[1] Die Arbeit ist nach den Regeln der neuen Rechtschreibung verfasst. Hervorhebungen innerhalb von Zitaten werden entsprechend dem Originaltext übernommen.

[2] In der Literatur sind unterschiedliche Termini vorzufinden. Neben dem Begriff „Hochbegabung“ wird sowohl der Begriff der „besonderen Begabung“ als auch „Begabung“ und „Talent“ verwendet. In dieser Arbeit werden die unterschiedlichen Termini synonym verwendet.

[3] Aufgrund der besseren Lesbarkeit wird die maskuline Form benutzt, so dass z.B. der Ausdruck ‚Schüler’ auch Schülerinnen mit einschließt.

[4] Das Gutachten Hollings schafft einen Überblick über den Stand (bis zum 15.01.2001) der schulischen Begabtenförderung in allen Ländern der Bundesrepublik Deutschland.

[5] Nachzulesen bei Fels 1999, S. 55-70, Heinbokel 1988, S. 19-22. Zur Geschichte der Begabungsforschung, vgl. Holling/Kanning 1999, S. 3-4.

[6] Zur Wortgeschichte von Begabung: das Adjektiv „begabt“ ist grundsätzlich älter als die substantivierte Form des Wortes. Es leitet sich aus dem Mittelhochdeutschen ab und bedeutet „mit Gaben, mit Fähigkeiten ausgestattet“. Hiermit ist dem Sinn nach eine Schenkung gemeint. Im Englischen wird die ursprüngliche Bedeutung der „Schenkung“ noch deutlich: „gifted“ und „giftedness“, vgl. Duden 2001; vgl. auch Kluge 1999 und Campe 1969.

[7] Beispielhaft seien hier Feger 2000, Holling 2001, Mönks 2000, Renzulli 2003, Rost 2000, Solzbacher/Heinbokel 2002, Urban 1998, Weinert 2002 und Wieczerkowski 1990 genannt.

[8] Unter einem "Underachiever", zu deutsch „erwartungswidriger Minderleister“, versteht man im Allgemeinen Kinder, deren hohe Begabung von der Umgebung (Lehrern, Eltern, Freunden, Mitschülern) nicht wahrgenommen wird. Sie weisen eine Diskrepanz zwischen hohen Fähigkeiten (hohe Intelligenz und Kreativität) und den erbrachten Schulleistungen auf. Für weitere Informationen vgl. Stapf 2003, S. 207-211; Holling/Wittmann 2001, S.118-126; Mönks/Ypenburg 1998, S. 58-60; Butler-Por 1987; zur Ursachenforschung vgl. BMBF 2003, S.20-21; vgl. auch Hanses/Rost 1998, S. 53-71.

[9] Einen umfassenden Überblick um das Thema „Intelligenz“ liefert beispielsweise Spektrum der Wissenschaft Spezial (2000), im Besonderen S. 6-30., u.a. Gardners Ausführungen über die neun verschiedene Intelligenzen, S. 18-23.

[10] Die Informationen beruhen auf Mitschriften des Vortrags von Uschi Westphal „Kreativität – ein integratives Konzept in der Begabtenförderung“ im Rahmen des Kongresses „Curriculum und Didaktik der Begabtenförderung“ vom 24. - 27. September 2003 in Münster.

[11] Zum Überblick über die verschiedenen Hochbegabungsmodell vgl. Holling/Kanning 1999, S. 6-20.

[12] Mönks erweiterte das „Drei-Ringe-Modell“ um die Faktoren Schule, Freunde und Familie. Hochbegabung wird somit als Ergebnis dynamischer Wechselwirkungen zwischen individuellen Begabungsanlagen und dem fördernden respektive hemmenden Einfluss der Umwelt gesehen. Mit Hilfe dieses Modells ist es möglich, im Bewusstsein bestimmter Wirkungszusammenhänge zwischen Persönlichkeitsmerkmalen und Umwelteinflüssen die Entwicklung Hochbegabter zu optimieren, wie und zu welchem Zeitpunkt die Interaktionen auf eine positive Entwicklung Einfluss nehmen sollten (vgl. Holling/Kanning 1999, S.11-12, vgl. Mönks/Ypenburg 1998, S. 21-25).

[13] Heller, Perleth und Hany entwickelten diesen mehrere Faktoren umfassenden Ansatz, der auf ein breites Spektrum von Begabungsbereichen zurückgreift (intellektuelle Fähigkeiten, Kreativität, Sozialkompetenzen, Musikalität, Psychomotorik). Hochbegabung wird als Disposition in einem Prozess der Leistungsausbildung gesehen: angeborene Begabungsfaktoren können unter Mitwirkung günstiger, nicht-kognitiver Persönlichkeitsmerkmale (Leistungsmotivation, Stressbewältigung, etc.) und Umweltfaktoren (Familienklima etc.) in Leistung umgesetzt werden. Durch dieses Modell wird deutlich, wie wichtig es ist, fördernd in die Begabungsentfaltung einzugreifen. „Underachievment“ lässt sich demnach aus fehlender Förderung, ungünstigen Umweltbedingungen oder ungünstigen nicht-kognitiven Persönlichkeitsmerkmalen erklären. Dieses Modell eignet sich für die adäquate Förderung Hochbegabter. Keine Berücksichtigung finden gesellschaftlich-historische Kontexte (vgl. Holling/Kanning, 1999 S. 18-19).

[14] Pepita ist ein schwarz-weiß karierter Stoff.

[15] Vgl. „Eine Erweiterung des Begabungsbegriffes unter Einbeziehung co-kognitiver Merkmale mit dem Ziel der Vermehrung von sozialem Kapital“ im Rahmen des Kongresses „Curriculum und Didaktik der Begabtenförderung“ am 24.9.2003 in Münster; vgl. auch http://www.gifted.uconn.edu/houndst.html und graphische Darstellung, abrufbar unter http://www.sp.uconn.edu/~nrcgt/pdf/ohgraph.pdf, Stand 15.03.04.

[16] „Etwas, das tagtäglich in den Beziehungen der Menschen vorkommt, das bestimmend für die Lebensqualität ist, wenn nicht sogar für das gesunde Funktionieren der ganzen Gesellschaft. Es ist der Leim, der Individuen in größeren Gruppen, Gruppen in übergreifenden Organisationen und Bürger in Gesellschaft bindet.“, Labonte 1999, zitiert nach Renzulli 2003, S. 2-3.

[17] „ The material on Houndstooth is very recent and we have not yet explored anyo f the implications for this work so far as under achievers are concerned.”, vgl. Korrespondenz mit Renzulli vom 26.12.03 im Anhang, S. 159.

[18] vgl. Mannhart 1999 Dissertation zum Thema „Förderung von hochbegabten Kindern und Jugendlichen nach deutschem Recht“.

[19] Zum Überblick über die rechtlichen Fördermöglichkeiten aller Bundesländer vgl. auch Fels 1999, S. 225-239.

[20] § 22 Hessisches Schulgesetz betrifft Bildungsgänge der Mittelstufe (Sekundarstufe I). Weitere Regelungen des Hessischen Schulgesetzes, die individuelle Begabungen berücksichtigen, finden sich in § 27 [Schulformübergreifende (integrierte) Gesamtschule] und § 34 Absatz 2 [Belegverpflichtung und Bewertung in der Sekundarstufe II].

[21] Holling/Wittmann (2001) verweisen auf weitere Förderangebote im Internet, S. 295-296.

Einen ausführlichen Überblick über außerschulische Fördermöglichkeiten in den deutschen Bundesländern liefert Monika Jost (1999), S. 112-123.

[22] Vertiefend zu akzelerativen Ansätzen vgl. Fels (1999), S.170-190).

[23] Kinder, die nach dem 31. Dezember geboren sind, dürfen frühzeitig eingeschult werden; die nach diesem Datum Geborenen sind verpflichtet, einen Antrag zu stellen.

[24] Nach Heinbokel gilt Springen als die beste Möglichkeit zur Förderung Hochbegabter, obwohl hiervon in der Praxis nur selten Gebrauch gemacht wird. Heinbokel hat das Überspringen einer Klasse untersucht und ist zu dem Ergebnis gekommen, dass sich die meisten Kinder, die übersprungen haben, besser fühlen, auch wenn sie sich erst an eine neue Lerngruppe gewöhnen und viel Stoff nachholen mussten. Das Gefühl, sich einer wirklichen geistigen Herausforderung gegenüber zu sehen, überwiege in den meisten Fällen und die „Springer“ seien oft nach kurzer Zeit wieder im oberen Leistungsdrittel. In nur zwei von 311 Fällen erwies sich das Springen als Fehlentscheidung, vgl. Heinbokel 2001, S. 23-39.

[25] Pluskurse werden wie Arbeitsgemeinschaften am Nachmittag durchgeführt mit dem Unterschied, dass sie keinen Zusatz zum regulären Unterricht darstellen, sondern ihn qualitativ ergänzen. Für weitere Informationen vgl. Fels 1999, S. 192.

[26] Arbeitsgemeinschaften sprechen besonders interessierte Schüler an, die sich außerhalb der Unterrichtszeit und über den Stoff des regulären Unterrichts hinaus engagieren möchten. Arbeitsgemeinschaften stellen die einfachste und am leichtesten zu realisierende Form schulischen Enrichments für Hochbegabte dar. Jedoch mindern Arbeitsgemeinschaften allein nicht die Unterforderung, die hochbegabte Kinder im regulären Unterricht verspüren, da sie nicht während des regulären Unterrichts stattfinden, sondern am Nachmittag. Für weitere Informationen vgl. Fels 1999, S. 190.

[27] Wettbewerbe ‚Jugend forscht’, ‚Bundeswettbewerb Fremdsprachen’ u.a. werden häufig in Arbeitsgemeinschaften vorbereitet. Zur Vertiefung und zur Übersicht über die verschiedenen Wettbewerbe siehe Anhang des BMBF 2003, S. 77-96.

[28] Ein halb- oder ganzjähriger Auslandsaufenthalt könnte für ein besonders begabtes Kind in Frage kommen, speziell dann, wenn es bereits eine Klasse übersprungen hat. Neben der intellektuellen Herausforderung und der Förderung der fremdsprachlichen Kompetenz ist der Schulbesuch im Ausland ein wertvoller Impuls für die Persönlichkeitsentwicklung, vgl. BMBF 2003, S. 55.

[29] Schulen mit speziellen Förderschwerpunkten sind u.a. Schulen mit bilingualen Zügen, die Schülern mit ausgeprägter sprachlicher Begabung zu empfehlen sind und United World Colleges, die in der ganzen Welt aufgebaut worden sind und zur Abschlussprüfung des Internationalen Baccalaureates führen. Für Einzelheiten vgl. BMBF 2003, S. 55-56.

[30] In der Sekundarstufe I und II können beispielsweise Fremdsprachen als Intensivkurse für besonders begabte Schüler aller Parallelklassen angeboten werden. Der vorgesehene Stoff wird in diesen Kursen schneller durchgenommen (Akzeleration) und die gewonnene Zeit für eine Vertiefung der erworbenen Sprache durch z.B. Landeskunde oder Literatur, genutzt.

[31] D-Zug-Klassen absolvieren das gleiche Lernpensum in einer kürzeren Zeit und es kann ggf. auch auf andere Themen ausgeweitet werden (Enrichment). Vertiefend dazu vgl. Fels 1999, S. 185-188.

[32] Verwiesen sei an dieser Stelle beispielweise auf die Homepage der Jugenddorf-Christopherusschule Braunschweig, abrufbar unter www.cjd-braunschweig.de. Zu Spezialschulen vgl. auch Wirtschafts Woche (2003), S. 102-107.

[33] Zum geschichtlichen Hintergrund vgl. Renzulli et al. 2001a, S. 16-17 und die Homepage, abrufbar unter http://www.sp.uconn.edu/~nrcgt/sem/semexec.html, Stand 15.03.2004.

[34] Ausführlichere Informationen über Forschungsarbeiten über das SEM unter http://www.gifted.uconn.edu/sem/semexec.html, Stand 15.03.2004.

[35] Für ausführliche Informationen zu Portfolios vgl. Renzulli et al. 2001a, S. 35-36 und The Total Talent Portfolio unter http://www.sp.uconn.edu/~nrcgt/sem/semexec.html, Stand 15.03.2004.

[36] Nachfolgende Informationen sind der Homepage Renzullis entnommen, abrufbar unter www.sp.uconn.edu/~nrcgt/sem/semexec.html, Stand 15.03.2004.

[37] Zu Klingens Darstellung in fünf Schritten vgl. auch Internetseite, abrufbar unter www.hochbegabungslinks.de/fjk_Drehtuermodell.html, Stand 15.03.2004.

[38] Klingen versteht Portfolios als eine Art „Schulbiographie“, die beispielsweise bei Bewerbungen präsentiert werden können, vgl. Klingen 2001, S. 29.

[39] Im Begleitband des SEM finden sich zahlreiche standardisierte Fragebögen beispielsweise zur Einstellung von Eltern gegenüber Enrichment, S. 184, oder ein Schülerfragebogen über Enrichmentgruppen, S. 182, vgl. Renzulli et al. 2001b.

[40] Zur Abgrenzung des am Weser-Gymnasium praktizieren Fördermodells von Renzullis „Drehtürmodell“ wird ersteres nachfolgend als "WGV-Drehtürmodell" bezeichnet.

[41] Seit Juli 2003 werden vier Parallelkurse angeboten: Astronomie, Japanisch, Theatertanz und Digitalelektronik. Da Juli 2003 nicht im Evaluationszeitraum liegt, finden die beiden letztgenannten Kurse keine Erwähnung.

[42] Seit März 2001 führt das Internationale Centrum für BegabungsForschung (ICBF) den Diplom-Lehrgang „Specialist in Gifted Education“ durch (vgl. Ausbildungskonzept zum Diplom). Der European Council of High Ability (ECHA) hat sich zum Ziel gesetzt, das Bewusstsein bei Lehrpersonen für begabte Kinder zu fördern und Informationen über die beste Entwicklung von begabten, jungen Menschen zu veröffentlichen, vgl. www.icbf.de/echa.html, Stand 15.03.2004.

[43] Bei dem Begriff „Items“ handelt es sich um einen terminus technicus aus dem Bereich statistischer Untersuchungen und wird mit dem Begriff „Frage“ synonym verwendet.

Ende der Leseprobe aus 185 Seiten

Details

Titel
Förderung von besonderer Begabung im Gymnasium - Evaluation eines Schulversuchs mit dem Drehtürmodell
Hochschule
Universität Münster
Note
1,3
Autor
Jahr
2004
Seiten
185
Katalognummer
V46935
ISBN (eBook)
9783638440110
Dateigröße
3168 KB
Sprache
Deutsch
Schlagworte
Förderung, Begabung, Gymnasium, Evaluation, Schulversuchs, Drehtürmodell
Arbeit zitieren
Esther Duecker (Autor:in), 2004, Förderung von besonderer Begabung im Gymnasium - Evaluation eines Schulversuchs mit dem Drehtürmodell, München, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/46935

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