Lichtenbergs ‚Anweisungen’ oder Ratschläge, wie am besten zu lesen sei, weisen bereits wichtige Lese-Merkmale auf, die er wohl nicht nur seinem Leser an die Hand gibt, sondern die er gleichsam selbst schätzt und anwendet. Denn man kann davon ausgehen, dass er diese Ratschläge aufschrieb, weil er es für wichtig erachtete, dass nicht nur er sie befolgt, sondern auch andere nach ihm. Obgleich er selbst viele seiner Schriften verbrannt hat, denn „die letzte Hand an sein Werk legen, das heißt verbrennen“ (F 173). Er hatte wohl Angst, dass das heute Gelungene nicht dem kritischen Blick von morgen standhalten würde (vgl. Zitelmann S. 42). Im Gegensatz zu seinen Sudelbuch-Notizen, von denen er sich insgeheim ausmalte, dass sie später einmal publiziert würden, war er über andere damalige Publikation privater Briefpartien durch seinen Verleger Kästner durchaus erbost: „Es war nicht schön von Herrn Kästner gehandelt, daß er Dinge aus meinem Briefe hat drucken lassen, ohne daß ich es, ich will nicht sagen erlaubt, sondern nur gantz von Ferne gewünscht hätte“ (Joost, S. 255).
Die Eintragungen innerhalb der Sudelbücher können als Spiegel des ganzen Lichtenberg betrachtet werden. In den Sudelbüchern hat Lichtenberg seine Überlegungen festgehalten, ohne dass eine andere Distanz, z. B. diejenige des zensierenden Mitlesers zu berücksichtigen war. Sein Werk gilt demnach auch als ein Versuch des Autors sich selber zu schreiben und auf diesem Weg sich seiner Identität als Individuum zu versichern, d. h. sich selbst zu erkennen. „Auf dieses kognitive Moment weist er in seiner Notiz J 19 hin, wenn er schreibt, dass ‚jeder der je geschrieben hat, [...] gefunden haben [wird], daß Schreiben immer etwas erweckt was man vorher nicht deutlich erkannte, ob es gleich in uns lag’. Schreiben sollte aber kein Ersatz für das Leben sein, sondern es sollte Hilfe sein, mit dem Leben zu Recht zu kommen“ (Schümmer, S. 54).
Eines seiner Hauptanliegen ist das gründliche Lesen, er möchte nicht, dass nur die Augen mit dem Umstand des Lesens beschäftigt sind, sondern er möchte, dass man sich aus einem Grund mit dem Lesen beschäftigt, nämlich, dass „der Geist etwas hinzugewinnt.“ (vgl. F 1212). Die Inhalte sollten zusammengefasst werden, am besten in eigenen Worten, und mit dem vorhandenen Wissen verglichen werden.
Inhaltsverzeichnis
- Wie man liest
- Goethe und die Empfindsamkeit
- Lichtenberg und Pope
- Lichtenberg und Kant
- Lavater
- Andere Schriftsteller
- Lichtenberg und das Lesen
Zielsetzung und Themenschwerpunkte
Die Arbeit beleuchtet Lichtenbergs Ansichten zum Lesen und analysiert seine Lesegewohnheiten im Kontext seiner Zeit. Sie untersucht Lichtenbergs Kritik an der Empfindsamkeit, insbesondere in Bezug auf Goethe, sowie seinen Bezug zu anderen Schriftstellern wie Pope und Kant.
- Lichtenbergs Lesetheorie
- Lichtenbergs Kritik an der Empfindsamkeit
- Lichtenbergs Verhältnis zu Goethe
- Lichtenbergs Auseinandersetzung mit anderen Schriftstellern
- Lichtenbergs Selbstverständnis als Leser
Zusammenfassung der Kapitel
Wie man liest
Lichtenbergs Anweisungen zum Lesen spiegeln seine eigenen Lesegewohnheiten wider. Er plädiert für ein aktives und kritisches Lesen, bei dem der Leser den Text analysiert, mit eigenem Wissen vergleicht und zu einer eigenen Meinung gelangt. Wichtig ist ihm auch die Einordnung des neuen Wissens in den bestehenden Wissenskanon.
Goethe und die Empfindsamkeit
Lichtenberg zeigt sich als kritischer Leser der Empfindsamkeit, trotz seiner offensichtlichen Wertschätzung von Goethes literarischem Können. Er kritisiert Goethes überschwängliche Empfindsamkeit und stellt ihn in seinen Sudelbüchern satirisch dar.
Lichtenberg und Pope
Dieser Abschnitt befasst sich mit Lichtenbergs Rezeption von Alexander Popes Werk. Lichtenberg schätzt Popes satirische Fähigkeiten und findet in dessen Werk Inspiration für seine eigene Kritik.
Lichtenberg und Kant
Lichtenberg analysiert Kants Philosophie und deren Einfluss auf seine eigene Denkweise. Der Abschnitt untersucht, wie Kants Ideen Lichtenbergs Lesegewohnheiten und seine Kritik an der Empfindsamkeit prägen.
Lavater
Lichtenberg kritisiert Lavaters Physiognomik in seiner Schrift "Fragment von Schwänzen" und stellt ihn satirisch dar. Der Abschnitt beleuchtet die Hintergründe des Streits und die Rezeption Lichtenbergs Kritik.
Andere Schriftsteller
Dieser Abschnitt befasst sich mit Lichtenbergs Rezeption weiterer Schriftsteller. Er untersucht, wie Lichtenberg verschiedene literarische Werke und Strömungen in seinen eigenen Kontext einordnet.
Lichtenberg und das Lesen
Dieser Abschnitt beleuchtet Lichtenbergs Selbstverständnis als Leser und seine Rolle als Vermittler von Wissen. Er analysiert, wie Lichtenbergs Lesegewohnheiten seine eigene Denkweise und seine Schriften prägen.
Schlüsselwörter
Lichtenberg, Lesen, Empfindsamkeit, Goethe, Kritik, Satire, Physiognomik, Lavater, Pope, Kant, Sudelbücher, Aufklärung, Wissen, Erkenntnis, Literatur, Philosophie, Literaturkritik
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- Anonym (Author), 2004, Lichtenberg als Leser, Munich, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/46951