„Pro Jahr müssen etwa 500 000 Lehrer den knapp zehn Millionen Schülern ca. 400 Millionen Zensuren bescheinigen. Und in den etwa 300 000 deutschen Schulklassen werden täglich fast zwei Millionen Zensuren vergeben, jede Stunde 300 000, jede Minute 5000 und jede Sekunde knapp 100.“ (Winkel in Baurmann, 1985)
Bei der Aufsatzbenotung handelt es sich um ein Problem, das jeder noch aus seiner eigenen Schulzeit kennt, und für das es bis heute nur bedingt Lösungsmöglichkeiten gibt. Allzu gut erinnert man sich daran, einen benoteten Schulaufsatz - dies ist auch heute noch die gebräuchlichste Form einer Klassenarbeit - mit einer Note, egal ob gut oder schlecht, zurückzubekommen, mit einem verwunderten Blick auf die Note. Man hatte doch ein solch schlechtes Gefühl gehabt, wie kann denn da die Note 2+ zustande kommen; oder: man hatte sich auf die Rückgabe der Arbeit gefreut mit der Hoffnung auf eine gute Zensur die Note 4 erhalten. Wie konnte so etwas passieren? In den meisten Fällen bleiben tiefgründige, handfeste oder besser gesagt objektive Gründe für den Schüler unersichtlich, vielleicht sogar für den korrigierenden Lehrer, denn wie wir sehen werden, hat auch er keine leichte Aufgabe.
Was dem Schüler bleibt, sind meist Kürzel am Heftrand, die ihn der Antwort nicht näherbringen, wie die Note zustande gekommen ist. Denn: Wann ist ein Ausdruck „treffend“, wann ist der Stil „sachgemäß“? Dies sind immer noch subjektive Entscheidungen, die dem Beurteiler obliegen. Auch bei dem Einsatz von Kriterienkatalogen kann Subjektivität nicht vollständig ausgeschlossen werden. Ich möchte zuerst auf die Frage eingehen, ob das Bewerten mit Zahlen sinnvoll ist. Danach möchte ich auf die notwendigen Bedingungen von Objektivität zu sprechen kommen und zu den in der Literatur oft genannten Kriterienkatalogen übergehen. Im Anschluss stelle ich den kreativen Schreibprozess vor - was passiert beim Schreiben, wie entsteht kreatives Schreiben - und urteile abschließend, ob die vergleichende Bewertung einer kreativen Arbeit durch eine Zensur möglich ist.
Inhaltsverzeichnis
1 Einleitung
2 Die Ziffernzensur
3 Voraussetzungen für den Vergleich von Messungen
4 Berechtigung der Leistung
5 Die Leistungskontrolle
6 Problem Aufsatzbenotung
7 Kriterienkataloge
8 Was passiert beim Schreiben?
9 Versuch eines Fazits
10 Literatur
1 Einleitung
„Pro Jahr müssen etwa 500 000 Lehrer den knapp zehn Millionen Schülern ca. 400 Millionen Zensuren bescheinigen. Und in den etwa 300 000 deutschen Schulklassen werden täglich fast zwei Millionen Zensuren vergeben, jede Stunde 300 000, jede Minute 5000 und jede Sekunde knapp 100.“ (Winkel in Baurmann, 1985)
Bei der Aufsatzbenotung handelt es sich um ein Problem, das jeder noch aus seiner eigenen Schulzeit kennt, und für das es bis heute nur bedingt Lösungsmöglichkeiten gibt. Allzu gut erinnert man sich daran, einen benoteten Schulaufsatz – dies ist auch heute noch die gebräuchlichste Form einer Klassenarbeit – mit einer Note, egal ob gut oder schlecht, zurückzubekommen, mit einem verwunderten Blick auf die Note. Man hatte doch ein solch schlechtes Gefühl gehabt, wie kann denn da die Note 2+ zustande kommen; oder: man hatte sich auf die Rückgabe der Arbeit gefreut mit der Hoffnung auf eine gute Zensur die Note 4 erhalten. Wie konnte so etwas passieren? In den meisten Fällen bleiben tiefgründige, handfeste oder besser gesagt objektive Gründe für den Schüler unersichtlich, vielleicht sogar für den korrigierenden Lehrer, denn wie wir sehen werden, hat auch er keine leichte Aufgabe.
Was dem Schüler bleibt, sind meist Kürzel am Heftrand, die ihn der Antwort nicht näherbringen, wie die Note zustande gekommen ist. Denn: Wann ist ein Ausdruck „treffend“, wann ist der Stil „sachgemäß“? Dies sind immer noch subjektive Entscheidungen, die dem Beurteiler obliegen. Auch bei dem Einsatz von Kriterienkatalogen kann Subjektivität nicht vollständig ausgeschlossen werden. Ich möchte zuerst auf die Frage eingehen, ob das Bewerten mit Zahlen sinnvoll ist. Danach möchte ich auf die notwendigen Bedingungen von Objektivität zu sprechen kommen und zu den in der Literatur oft genannten Kriterienkatalogen übergehen. Im Anschluss stelle ich den kreativen Schreibprozess vor – was passiert beim Schreiben, wie entsteht kreatives Schreiben – und urteile abschließend, ob die vergleichende Bewertung einer kreativen Arbeit durch eine Zensur möglich ist.
2 Die Ziffernzensur
Die Notengebung mit Hilfe von Zahlen unterliegt bereits seit 1899 (vgl. Schreiber in Ziegenspeck, 1999) der Kritik, nicht aussagekräftig genug zu sein, um über den zu beurteilenden Menschen etwas aussagen zu können, so dass er objektiv bewertet ist. Mit kritisiert wurde das Zurücktreten der Individualität und das „Über-einen-Kamm-scheren“, dass jeder Mensch auch in geistigen Beziehungen gemessen werde, vor allem an der Quantiät des gespeicherten Wissens. Ein Messen nach Qualität sei unnötig, da der Gehalt sich bei allen gleiche. Somit hängt der Menschenwert und die Menschenwertschätzung von der Menge des geistigen Inhalts ab. Als Folge daraus ergibt sich, dass die Menschen in ein Skalensystem eingeordnet werden, sortiert nach wertvollen, minder wertvollen und geringwertigen Individuen.
„Dabei ist für diese ganze Betrachtungsweise charakteristisch, daß jede Minderleistung als eine Art Verschulden, für das man den Menschen verantwortlich macht, empfunden wird, als eine Undankbarkeit der Gnade, Mensch sein zu dürfen (das geistige Gut liegt ja auf der Hand; man braucht es nur sich einzuverleiben).“ (vgl. Ziegenspeck, 1999)
Auch Martin Wagenschein (in Ziegenspeck, 1999) merkte in seiner Nachkriegsdiskussion an, dass das zur Gewohnheit gewordene Notengeben durch Zahlen hinterfragt werden müsse, gerade auch, weil es zur Gewohnheit geworden war. Für ihn sei es eine „Wahnidee“, dass sich alles mit Zahlen messen lassen müsse, obwohl es Gebiete gäbe, so vor allem den komplexen seelischen Bereich, die sich der Zahl entzögen und unmessbar seien.
„Ein Verfahren wird dadurch nicht ‚exakter‘, daß es Zahlen anwendet, wo sie nicht hingehören.“ (Wagenschein in Ziegenspeck, 1999).
Ein amerikanisches Untersuchungsergebnis von 1927 (vgl. Lietzmann in Ziegenspeck, 1999) in Bezug auf die Ziffernzensur ergab, dass die Schüler
verschiedene Noten in verschiedenen Schulen erhalten, darüber hinaus, dass Lehrer gleichen Arbeiten verschiedene Noten geben und schließlich, dass derselbe Lehrer zu verschiedenen Zeiten der gleichen Arbeit verschiedene Noten gibt. Die Note hängt also noch von weiteren Faktoren ab, die der Schüler nicht oder nur bedingt beeinflussen kann. Soziale Umgebung des Schülers, Anspruch und Fachwissen des Lehrers, geistige Verfassung, Auffassungsgabe, Vorurteile des korrigierenden Lehrers, ja sogar Tageszeit, Wetter und eigentlich alles, was uns Menschen umgibt und beeinflusst.
Des Weiteren wurde der Informationswert am Beispiel der Note „befriedigend“ herausgearbeitet. Was sind „befriedigende“ Leistungen? Das unterscheidet sich von Fach zu Fach und kann von jedem Lehrer selbst festgelegt werden. Dies ist ein weiterer Faktor, der die Note mitbestimmt.
Auch wenn vieles gegen eine Ziffernzensur spricht, so gibt es auch Gründe, die dafür sprechen. Zum einen ist die Ziffernzensur kurz und knapp und kann leicht mit anderen Leistungen verglichen werden. Es ist die einfachst verständliche Form einer Beurteilung. Zum anderen ist die Note informativ und somit auch ein Anhaltspunkt für Lehrer, Schüler und Eltern. Dadurch, dass der Lehrer verpflichtet ist, Zensuren zu erteilen, muss er sich mit den Schülern aufmerksam auseinandersetzen, um diese miteinander zu vergleichen. Letztendlich ist die Zensur auch als Erziehungsmittel geeignet, denn es gibt dem Schüler Selbstbestätigung und Vertrauen oder veranlasst ihn, intensiver zu arbeiten. Anders ausgedrückt handelt es sich beim Notengeben um die Darstellung einer Leistungsmessung. Dieser Messvorgang bedeutet die Zuordnung von Noten zu Leistungen, Objekteigenschaften werden Zahlenwerte zugewiesen, wobei, wie weiter oben bereits geschildert, der Lehrer bei diesem Vorgang die bestimmende Größe ist, da er festlegt, wann, wie, wer und was gemessen wird.
Schlussfolgernd kann gesagt werden, dass bei der Ziffernbenotung eigentlich nur das mathemathische Symbol klar, exakt und eindeutig ist; als Leitsungsbewertung bleibt die Zensur unklar, verschwommen und vieldeutig.
3 Voraussetzungen für den Vergleich von Messungen
Genauso wie Messungen der empirischen Sozialforschung, so müssen auch die Messungen von Schulleistungen bestimmten Anforderungen unterliegen, wenn die Ergebnisse verwertbar sein sollen. Zur Bewertung werden für gewöhnlich drei Kriterien herangezogen: Objektivität, Reliabilität und Validität.
Eine Messung ist dann objektiv, wenn intersubjektive Einflüsse der Untersucher möglichst ausgeschaltet werden können. Reliabilität (Zuverlässigkeit) soll bewirken, dass verschiedene Messungen desselben Objekts mit demselben Messinstrument zu demselben Ergebnis führt. Validität (Gültigkeit) bezeichnet das Ausmaß, mit dem ein Messinstrument tatsächlich das misst, was es messen soll. Messwerte sind dann valide, wenn sie das zu messende Merkmal repräsentieren. Eine Leistungsmessung ist also nur sinnvoll und mit anderen Leistungen vergleichbar, wenn diese drei Kriterien erfüllt werden. Aus eigener Erfahrung dürfte sicher sein, dass bei Aufsatzbenotung in der Schule diese Kriterien nicht optimal erfüllt werden können.
„Optimale Messungen zeichnen sich durch hohe Reliabilität, hohe Validität und hohe Objektivität aus. Optimale Messungen werden allenfalls mit naturwissenschaftlichen Instrumenten erreicht. Psychologische oder pädagogische Messungen (z.B. Schulleistungen) erfüllen die drei genannten Gütekriterien nur annäherungsweise.“ (Langefeldt in Ziegenspeck, 1999).
4 Berechtigung der Leistung
Die Leistungsforderung in der Schule kann nur sinnvoll in einer erzieherischen Funktion der Leistung begründet werden. Leistung darf in der Schule keinen Selbstzweck haben oder zum Zwecke der Produktivität missbraucht werden. Des Weiteren sollte Leistung nicht der
Stabilisierungsfaktor von äußerer Autorität und von Machtverhältnissen, sondern einen Beitrag zur Förderung der Persönlichkeit des Schülers sein.
„Schließlich soll der Schüler durch die Leistung befähigt werden, kritisch zur Gesellschaft und zur Welt, in denen er lebt, Stellung zu nehmen und auf sie einzuwirken.“ (vgl. Schröder, 1997)
Leistungsforderung hat demnach in der Schule ihre Berechtigung, damit der Heranwachsende in der Welt bestehen kann, eine Entwicklung der Persönlichkeit stattfindet und Fähigkeiten und Fertigkeiten sich entwickeln können. Der Heranwachsende soll seine Welt mitgestalten und mitbestimmend auf sie einwirken.
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- Anonymous,, 2002, Benotete Kreativität - Problem Aufsatzzensur, Munich, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/46959
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