Influencer auf "YouTube" als Vorbilder im medialen Raum. Welchen Einfluss haben sie auf die Identitätsentwicklung Jugendlicher?


Bachelorarbeit, 2017

81 Seiten, Note: 1.0


Leseprobe


Inhaltsverzeichnis

1. Einleitung

2. Identitätsentwicklung
2.1. Identitätsentwicklung nach Erikson (1950, 1968)
2.2. Die Patchworkidentität nach Keupp (1999, 2009)
2.3. Der Identitätsstatus nach Marcia (1966, 1980)
2.4. Die Relevanz von Peergroups während der Identitätsentwicklung
2.5. Geschlechtsidentität

3. Vorbilder
3.1. Die soziale Lerntheorie nach Bandura (1977)
3.2. Die Relevanz von Vorbildern während der Identitätsentwicklung

4. Massenmedien
4.1. Der Einfluss von Medien auf die Identitätsentwicklung
4.2. Die Bedeutung medialer Vorbilder während der Identitätsentwicklung
4.3. Potentielle Gefahren der Medien
4.3.1. Vermittlung einer verzerrten Realität
4.3.2. Cybermobbing
4.3.3. Werbung und Beeinflussung

5. Die Plattform „YouTube“
5.1. Die Wirkungsweise von YouTube
5.2. Die Bedeutung von YouTube während der Identitätsentwicklung
5.3. Potentielle Gefahren auf YouTube
5.3.1. YouTube als Markt
5.3.2. Sexismus und Cybermobbing auf YouTube

6. Erhebung
6.1. Hypothesen und Methodik
6.2. Stichprobe
6.3. Ergebnisse
6.3.1. Allgemeine Mediennutzung
6.3.2. Nutzung von YouTube
6.3.3. Vorbilder auf YouTube
6.3.4. Zusammenfassung der Ergebnisse
6.4. Diskussion und Einordnung der Ergebnisse

7. Bedeutung für die Soziale Arbeit

8. Fazit

9. Literaturverzeichnis

10. Technische Quellen

11. Abbildungsverzeichnis

12. Tabellenverzeichnis

13. Abkürzungsverzeichnis

14. Anhang

1. Einleitung

Die Ergebnisse einer Umfrage der Defy Media (2015) ergaben, dass 13- bis 24- Jährige im Durchschnitt wöchentlich 11,3 Stunden Videos online im Internet schauen, wohingegen der Konsum von Fernsehsendungen 9,3 Stunden pro Woche einnimmt (vgl. Defy Media 2015, o. S.).

Aufgrund dieser Ergebnisse ist es nicht verwunderlich, dass der Videoplattform „YouTube“ immer mehr Stars entspringen, welche sich vermehrt zu medialen Vorbildern entwickeln (vgl. LKM Rheinland-Pfalz o. J., o. S.).

Die vorliegende Arbeit mit dem Titel „ Die Bedeutung von Vorbildern im medialen Raum bezogen auf die Identitätsentwicklung während der Adoleszenz. Am Beispiel von Influencern der Plattform ‚YouTube‘ “ geht den Fragestellungen nach, warum gerade bei der Plattform „YouTube“ in Bezug auf die YouTuber/YouTuberinnen als mediale Vorbilder ein wachsender Erfolg zu verzeichnen ist, welchen Einfluss diese auf die Identitätsentwicklung Jugendlicher haben und welche Chancen und Herausforderungen sich daraus für die Soziale Arbeit ergeben.

Dabei wird sich vornehmlich auf Adoleszente bezogen, da diese vor allem die Zielgruppe für YouTube Videos darstellen und sich diese Phase in Bezug auf die Identitätsentwicklung als besonders prägend erweist (vgl. LKM Rheinland-Pfalz o. J., o. S.; Fend 1991, S. 13; Oerter/Dreher 2008, S. 304).

Mit der Phase der Adoleszenz, welche auch grob als Jugendalter bezeichnet werden kann, wird die Übergangsperiode der Kindheit in das Erwachsenenalter gekennzeichnet. Der Beginn dieser Phase setzt mit dem Eintritt der frühen Pubertät ein und endet mit der entwickelten Selbstständigkeit im Erwachsenenalter. So kann eine ungefähre Altersgrenze je nach individuellem Entwicklungsstand von circa zehn bis 24 Jahren festgelegt werden (vgl. Stangl o. J., Stichwort: Adoleszenz).

Zu Beginn der Arbeit wird auf die Identitätsentwicklung eingegangen. In diesem Rahmen werden die Theorien von Erikson (1950, 1968), Keupp (1999, 2009) und Marcia (1966, 1980) aufgegriffen. Des Weiteren wird sich auf die Relevanz von Peergroups während der Identitätsentwicklung und auf die Entwicklung der Geschlechtsidentität bezogen.

Im Anschluss daran wird die soziale Lerntheorie Banduras (1977) dargestellt. Zudem wird die Relevanz von Vorbildern während der Identitätsentwicklung erläutert.

Bevor speziell auf die Plattform „YouTube“ eingegangen wird, werden Massenmedien im Allgemeinen dargestellt. Hierbei wird ebenso auf den Einfluss dieser während der Identitätsentwicklung Adoleszenter eingegangen. Darüber hinaus wird die Besonderheit ausgehend von Vorbildern des medialen Raums aufgeführt und auf potentielle Gefahren durch Massenmedien hingewiesen.

Im weiteren Verlauf der Arbeit wird die Plattform „YouTube“ vorgestellt. Daraufhin wird die Wirkungsweise der YouTuber/YouTuberinnen auf die Jugendlichen erörtert. Aus den bisherigen Aufführungen werden nun Schlussfolgerungen für die Relevanz der medialen Vorbilder auf YouTube bezogen auf die Identitätsentwicklung Adoleszenter gezogen. Auch hierbei wird auf potentielle Gefahren hingewiesen, die sich speziell auf die Plattform „YouTube“ beziehen lassen.

Um die bisherigen Ergebnisse zu untermauern oder neue Erkenntnisse treffen zu können wurde eine Erhebung durchgeführt, dessen Ergebnisse Aufschluss darüber geben sollen, wie sich das Nutzungsverhalten Jugendlicher auf YouTube äußert. Darüber hinaus soll in diesem Rahmen ebenfalls die Relevanz von Vorbildern auf YouTube untersucht werden.

Basierend auf den Erkenntnissen der vorigen Kapitel und den Ergebnissen der Erhebung werden Herausforderungen und Chancen herausgestellt, die sich in Hinblick auf die medialen Vorbilder auf YouTube für die Soziale Arbeit ergeben.

Den Schluss bildet ein Fazit, bei welchem die Ergebnisse dieser Arbeit zusammenfassend dargestellt werden.

2. Identitätsentwicklung

Einige Modernitätstheorien (beispielsweise Beck 1986) zeigen, dass der Individualisierung vor allem in den letzten Jahrzenten eine immer größere Gewichtung zugeschrieben wurde. Dies äußert sich vor allem darin, dass das Individuum „zur zentralen und verantwortlichen Instanz der Lebensgestaltung“ (Fend 1991, S. 10) geworden ist. Das bedeutet, dass die Lebensorganisation, die Entfaltung persönlicher Potentiale und die Meinungs- und Urteilsbildung in der Verantwortung der jeweiligen Person liegen. Somit wird die eigene Identität zu einem „bewußt herzustellenden psychischen Gesamtzustand“ (a. a. O., S. 11).

Identität im allgemeinsprachlichen Sinn bezieht sich zunächst auf das Zusammenspiel persönlicher Daten, welche das Individuum von anderen Personen differenziert. Darunter fallen beispielweise der Name, das Alter und der Beruf. Problematisch hierbei ist allerdings, dass diese Deutung im engeren Sinn auch mit Gruppen und Kategorien in Zusammenhang gebracht werden kann (vgl. Oerter/Dreher 2008, S. 303).

In der Psychologie bezieht sich der Identitätsbegriff auf den Besitz einer individuellen Persönlichkeitsstruktur und damit einhergehend auf die Sichtweise, welche Dritte auf ebendiese haben. Psychologisch ist zudem vor allem im Jugendalter die Kenntnis um die eigene Identität relevant. Das schließt Vorstellungen darüber, was man ist oder wie man sein möchte, mit ein. Die Kenntnis der eigenen Identität erlangt man mit Hilfe einer realistischen Beurteilung der eigenen Person und ihrer Vergangenheit. Hinzukommend haben die Ideologie und die Erwartungen an die Person der jeweiligen Kultur beziehungsweise Gesellschaft einen hohen Stellenwert. Auch diese sollten realistisch eingeschätzt werden (vgl. Oerter/Dreher 2008, S. 303f.).

Auch Waterman (1985) definiert Identität ähnlich. Er ist der Auffassung, dass sich Identität vor allem auf eine klar beschriebene Selbstdefinition bezieht. Diese Selbstdefinition soll jene „Ziele, Werte und Überzeugungen“ (Fend 1991, S. 17) enthalten, welche für das Individuum von großer Bedeutung sind (vgl. a. a. O.).

Identitätsentwicklung lässt sich mit dem Beginn definieren, durch welchen angefangen wird, persönliche Lebensperspektiven aufzubauen. Dies tritt dann ein, wenn Wirklichkeitsdefinitionen nicht mehr von Dritten vorgegeben werden. Zeitlich lässt sich das Geschehen während der Adoleszenz einordnen. Somit kann die Phase der Adoleszenz in Bezug auf die Identitätsentwicklung als besonders sensibel beschrieben werden (vgl. Fend 1991, S. 13; Oerter/Dreher 2008, S. 304).

2.1. Identitätsentwicklung nach Erikson (1950, 1968)

Erik H. Erikson (1950, 1968) geht davon aus, dass sich die Entwicklung eines Menschen während des Durchlaufens von acht Stufen vollzieht. Diese Stufen reichen von der Geburt bis in das hohe Erwachsenenalter (Kleinkindheit, frühe Kindheit, Spielalter, Schulalter, Adoleszenz, junges Erwachsenenalter, Erwachsenenalter, hohes Alter). Jede Stufe stellt das Individuum vor eine Krise, welche bewältigt werden muss. Somit ist die Aufgabe einer jeden Stufe „Spannungen zwischen […] syntonischen (= positiven) und dystonischen (= negativen) Tendenzen zu lösen“ (Flammer 2015, S. 96). Abhängig von der Bewältigung der jeweiligen Krise geht die weitere Entwicklung vonstatten (vgl. a. a. O., S. 96f.).

Erikson gilt als einer der ersten Theoretiker, welcher gerade der Phase der Adoleszenz die besondere Aufgabe der Identitätsbildung zuschreibt. Er erläutert Identitätsbildung als einen Prozess, bei welchem definiert wird, „wer man ist, welche Werte einem wichtig sind und welche Richtung man im Leben einschlagen will“ (Berk 2011, S. 546). Während dieses Prozesses, innerhalb welchem der Jugendliche bisherige Eigenschaften hinterfragt und einem inneren Gewissenskonflikt ausgesetzt ist, sucht er vor allem neue soziale Bereiche und somit auch andere Rollen auf. Die Krise der Stufe „Adoleszenz“ besteht also darin, Überzeugungen, Zielvorstellungen und eigene Werte zu entwickeln, Prioritäten zu setzen und eine Position zu beziehen, um sich in der Welt zurechtzufinden. Nur wenn dies dem Jugendlichen gelingt, entsteht ein beständiger innerer Kern, der als reife Identität bezeichnet werden kann. Gelingt es dem Jugendlichen nicht, eigene Vorstellungen bezogen auf Ziele und Werte zu entwickeln, so nennt Erikson dies Identitätsdiffusion. Eine Identitätsdiffusion führt dazu, dass der Jugendliche ziellos und orientierungslos wirkt (vgl. Berk 2011, S. 546f.; Fend 1991, S. 17; Flammer 2015, S. 100).

Die heutigen Ansichten der Theoretiker sind nicht mit Erikson darin konform, dass die Identitätsbildung als Krise und somit negativ angesehen werden kann. Vielmehr als traumatisierend, ist die Findung eigener Überzeugungen und Positionen als eine Art Exploration anzusehen, die als Ziel eine empfundene innere Verpflichtung innehält (vgl. Berk 2011, S. 547).

2.2. Die Patchworkidentität nach Keupp (1999, 2009)

Heiner Keupp (1999, 2009) kritisiert an Eriksons Überlegungen, dass es sich dabei um ein kontinuierliches Stufenmodell handle und somit regelhaft-lineare Entwicklungsverläufe voraussetzt. Zudem impliziert es den Gedanken einer Kontinuität und Berechenbarkeit auf gesellschaftlicher Basis. Dies würde bedeuten, dass sich die subjektive Selbstfindung zuverlässig in die gesellschaftliche Beständigkeit einordnen könne (vgl. Keupp 2009, S. 55).

Keupp versteht Identität „als das individuelle Rahmenkonzept einer Person, innerhalb dessen sie ihre Erfahrungen interpretiert und das ihr als Basis für alltägliche Identitätsarbeit dient“ (Keupp 1999, S. 60). Identitätsarbeit stellt eine Verknüpfung verschiedener Teilidentitäten dar, welche wiederum aus dem Zusammenfügen innerer und äußerer Erfahrungen resultieren. Innere Erfahrungen beziehen sich auf das subjektive Innere, während äußere Erfahrungen, diejenigen meint, die im gesellschaftlichen Rahmen stattfinden. Identität besitzt einen Doppelcharakter, da sie sowohl „das unverwechselbare Individuelle, aber auch das soziale Akzeptable“ (Keupp 2009, S. 54) einbeziehen soll. Identitätsarbeit wird zu einer Kompromissbildung zwischen individuellem Eigensinn und gesellschaftlicher Anpassung und erfordert demnach eine hohe Eigenleistung des Subjekts. Um das Geflecht diverser Einflüsse zu verdeutlichen, führte Keupp die Metapher „Patchworkidentität“ ein. Die Identität ist wie ein Patchwork, welches aus verschiedenen Erfahrungsmaterialien des Alltags gebildet wird. Hierbei ist nicht relevant, welches Resultat die Identitätsarbeit hervorbringt. Es stellt sich für Keupp viel mehr die Frage, mit welchen Identitätsmaterialien gearbeitet wurde (vgl. Keupp 1999, S. 60; Keupp 2009, S. 54, 58f.).

2.3. Der Identitätsstatus nach Marcia (1966, 1980)

Aufbauend auf Eriksons (1950, 1968) Überlegungen, hat James Marcia (1966, 1980) ein Verfahren entwickelt, durch welches der aktuelle Identitätsstatus, also die momentane Identität des Jugendlichen erfasst werden kann. Hierbei wird sich auf drei Dimensionen bezogen, mit welchen sich der Jugendliche während seiner Entwicklung auseinandersetzen muss. Neben den von Erikson übernommenen Schlüsselkriterien „Exploration“ und „Verpflichtung“, spricht Marcia zudem genau wie Erikson von dem Begriff „Krise“. Mit Hilfe von speziellen Fragen wird der Grad an Verpflichtung erfasst, von welchem wiederum der Identitätsstatus abgeleitet werden kann. Bei diesem Vorgehen fließen verschiedene Lebensbereiche, wie beispielweise der Beruf oder die Religion des Jugendlichen, mit ein (vgl. Oerter/Dreher 2008, S. 305; Berk 2011, S. 548f.).

Marcia unterscheidet zwischen vier verschiedenen Formen des Identitätsstatus, welche in keinerlei Beziehung zueinanderstehen.

Als ersten Identitätsstatus nennt Marcia die erarbeitete Identität. Diesen Status haben Jugendliche, welche sich genau mit verschiedenen Wertvorstellungen und Zielen auseinandergesetzt haben und schlussendlich ihre individuellen Werte gewählt haben.

Ein weiterer Identitätsstatus ist das Identitätsmoratorium, welches Aufschub bedeutet. Bei diesem Status befinden sich die Jugendlichen in der Phase, innerhalb welcher verschiedene Ziele und Wertvorstellungen abgewogen werden. Eine Richtlinie für das eigene Leben wird bei diesem Status noch bewusst gesucht.

Als dritter Identitätsstatus kann die übernommene Identität genannt werden. Die übernommene Identität entsteht dadurch, dass Wertvorstellungen und Ziele ohne eigene Reflektion von Autoritätspersonen ausgewählt oder einfach übernommen werden.

Die diffuse Identität stellt den vierten Identitätsstatus dar. Hierbei haben die Jugendlichen weder eigene Werte und Ziele entwickelt, noch wägen sie Alternativen ab und streben somit nicht aktiv nach persönlichen Vorstellungen.

Die übernommene Identität kann zusammen mit der diffusen Identität als niedriger Status bezeichnet werden. Die erarbeitete Identität wird hingegen genau wie das Identitätsmoratorium zu dem höheren Status gezählt. Die Mehrheit der Jugendlichen wechselt im Laufe ihrer Identitätsentwicklung vom niedrigen zum höheren Identitätsstatus. Der Wechsel vom höheren zum niedrigen Status kann allerdings nicht ausgeschlossen werden. Die Forschung hat gezeigt, dass ein höherer Status eine reife Selbstdefinition ermöglicht, während ein niedriger Status zu Anpassungsschwierigkeiten führt (vgl. Berk 2011, S. 549, 551).

2.4. Die Relevanz von Peergroups während der Identitätsentwicklung

Verschiedene Faktoren üben einen Einfluss auf die Identitätsentwicklung aus. Zu diesen Faktoren können unter anderem Peergroups gezählt werden (vgl. Berk 2011, S. 552).

Der Begriff „Peergroups“ wurde erstmals im Rahmen einer amerikanischen Studie in den Jahren 1934 bis 1939 verwendet. Übersetzt man den Begriff eins zu eins ins Deutsche, bedeutet dieser „Gleichaltrigengruppe“. Das Alter stellt allerdings nur ein Kriterium der Definition dar. Andere Kriterien sind zudem, dass die Mitglieder einen gleichen Rang oder Status innehaben. Man kann die deutsche Übersetzung demnach als einen „mehr oder weniger organisierten Zusammenschluß von Personen, die sich gegenseitig beeinflussen und etwa gleichen Status und gleiches Alter haben“ (Naudascher 1977, S. 14) deuten (vgl. a. a. O., S. 13f.).

Es wird davon ausgegangen, dass die Peergroup nicht anhand der Persönlichkeit gewählt wird, sondern vielmehr aufgrund der momentanen Altersstufe und den damit einhergehenden temporären Orientierungsproblemen (vgl. Naudascher 1978, S. 11).

Vor allem die Phase der Adoleszenz ist geprägt von der Kooperation und gegenseitigen Bestätigung mit und zwischen Gleichaltrigen. Diese geben den Jugendlichen in der Zeit der Desorientierung das Gefühl von Sicherheit und befriedigen das Bedürfnis nach Anerkennung und Verantwortung, welche dem Jugendlichen von der Gesellschaft noch nicht vollwertig entgegengebracht wird. Dabei ist allerdings zu beachten, dass es sich bei Peergroups während der Adoleszenz nicht um Gruppen mit festgelegten Normen und Hierarchien handelt. Viel mehr erlauben Peergroups den Jugendlichen das Ausleben verschiedener Ausprägungsformen innerhalb der Gruppe. Somit wird dem Jugendlichen eine Akzeptanz von Unterschieden geboten und zugleich auch abverlangt. Dem Jugendlichen wird es ermöglicht, sich selbst darzustellen, Ziele zu entwickeln und diese innerhalb der Peergroup zu verwirklichen, was den Weg zur Autonomie erleichtert (vgl. Berk 2011, S. 568; Naudascher 1978, S. 11; Oerter/Dreher 2008, S. 321, 324).

Krappmann und Oswald (1995) nennen vier Hauptfunktionen, welche Peergroups während der Adoleszenz aufweisen. Die erste Funktion stellt dabei emotionale Geborgenheit und Zuwendung dar. Dadurch wird dem Gefühl von Einsamkeit entgegengewirkt, welches während der Selbstreflektion im Verlauf der Adoleszenz entstehen kann. Zudem bieten Peergroups Identifikationsmöglichkeiten, da verschiedene Perspektiven übernommen und Lebensstile aufgezeigt werden. Die dritte Funktion sehen Krappmann und Oswald in der Entwicklung von Selbstständigkeit. Als vierte Funktion werden die innerhalb der Peergroup enthaltenen Werte und sozialen Normen aufgeführt, welche das Fundament eigener Zielorientierungen bieten (vgl. Berk 2011, S. 568).

Bezieht man die Eigenschaften und Funktionen von Peergroups auf den in Abschnitt 2.2. genannten Identitätsstatus von Marcia (1966, 1980), so sind die Interaktionen innerhalb der Gruppe hilfreich, um verschiedene Wertvorstellungen und Rollen abzuwägen. Somit hätten die Jugendlichen in Peergroups einen eher höheren Identitätsstatus (erarbeitete Identität oder Identitätsmoratorium) (vgl. Berk 2011, S. 552).

Es ist jedoch von Bedeutung, dass manche Jugendliche nicht Teil von festen Cliquen sind und somit nicht die Vorteile von Peergroups bezogen auf die Identitätsentwicklung erfahren. Diese Jugendlichen empfinden sich selbst häufig als isoliert und als Außenseiter, was zu einem geringeren Selbstwertgefühl führt. Sie zeigen jedoch häufig eine höhere Leistungsbereitschaft und weniger Interesse an Themen wie dem äußeren Erscheinungsbild oder Liebe (vgl. Oerter/Dreher 2008, S. 326).

Es kann festgehalten werden, dass Peergroups in Bezug auf die Identitätsentwicklung hilfreich sind. Das Durchlaufen verschiedener Rollen und Positionen vereinfacht die Entwicklung von eigenen Wertvorstellungen und Zielen. Zudem wird den Jugendlichen ein Raum geboten, in dem ihnen während der Zeit der empfundenen Orientierungslosigkeit Sicherheit geboten wird.

2.5. Geschlechtsidentität

Man könnte meinen, dass die Unterschiede des weiblichen und männlichen Geschlechts in erster Linie mit den Chromosomen, den Hormonen und der Anatomie zu begründen sind. Für die physischen Differenzen trifft das auch zu. Das Verhalten, die Aufgaben und auch der berufliche Werdegang sind allerdings größtenteils auf die geschlechtsbezogenen Erwartungen der Gesellschaft und Kultur zurückzuführen. Kinder machen von klein auf geschlechtstypische Erfahrungen. Das bedeutet, dass sie schon dann als weiblich oder männlich behandelt werden, wenn ihnen selbst das eigene Geschlecht aufgrund des Alters nicht einmal bewusst ist. „Geschlechtstypisch“ bezieht sich in diesem Zusammenhang auf Merkmale, welche häufiger auf ein Geschlecht zutreffen, während „geschlechtsspezifisch“ Merkmale beschreibt, die sich ausschließlich auf ein Geschlecht beziehen. Solche Merkmale sind mit dem biologischen Reproduktionsprozess verbunden und meinen beispielweise, dass ausschließlich Frauen menstruieren. Da sich die geschlechtsbezogenen Erwartungen auf das Verhalten und die Zukunft auswirken können und das Geschlecht zudem eine enorme soziale Bedeutung hat, spielt es auch für die Identitätsentwicklung eine zentrale Rolle (vgl. Trautner 2008, S. 625f.).

Judith Butler (2016) differenziert zwischen dem anatomischen Geschlecht und der Geschlechtsidentität. Anatomisches Geschlecht bezieht sich auf das biologische Geschlecht. Die Geschlechtsidentität ist nach Butler eine Konstruktion der Kultur. Dies bedeutet, dass die Geschlechtsidentität gewissermaßen kulturell auferlegt und von ebendieser übernommen wird. Darüber hinaus kann Butlers Auffassung so gedeutet werden, dass prinzipiell jede Geschlechtsidentität angenommen werden könnte, solange diese von der Kultur vorgelebt und vorgegeben wird (vgl. Butler 2016, S. 22ff.).

Laut Kohlberg (1966) entsteht die Geschlechtsidentität nach dem Durchlaufen dreier Schritte. Der erste Schritt findet zwischen dem zweiten und dritten Lebensjahr statt. Hierbei werden Merkmale der eigenen Person mit geschlechtstypischen Merkmalen Dritter als ähnlich empfunden. Im zweiten Schritt werden daraufhin geschlechtsbezogene Informationen aktiv aufgesucht und als positiv bewertet. Das Kind wird angetrieben, sich geschlechtstypisch zu verhalten. Während des dritten Schrittes wird sich mit gleichgeschlechtlichen Personen identifiziert und diese werden nachgeahmt, woraus schlussendlich die Geschlechtsidentität resultiert (vgl. Trautner 2008, S. 647). Kohlberg vertritt also ebenfalls wie Butler die Meinung, dass die Geschlechtsidentität von anderen übernommen wird.

Die Wahrnehmung des eigenen Geschlechts und der Beginn der Entwicklung einer Geschlechtsidentität tritt zwar bereits im Kindesalter ein, dennoch ist die Phase der Adoleszenz hierbei zusätzlich von enormer Bedeutung. Während der Adoleszenz wird die Identität entwickelt, in welche die Geschlechtsidentität mit einfließt. In dieser Phase finden diverse, vor allem hormonelle Prozesse statt, welche Auswirkungen auf die Geschlechtsidentität haben. So wird beispielweise eine sexuelle Orientierung entwickelt, welche mit der Akzeptanz des eigenen veränderten Körpers einhergeht. Zudem wird sich intensiver als im Kindesalter mit den von der Gesellschaft vorgegebenen Geschlechtsrollen auseinandergesetzt. Während der Adoleszenz wachsen zusätzlich die Erwartungen von außen, die eigene Zukunft sinnvoll zu planen. Dies beinhaltet neben dem beruflichen Werdegang auch die Auseinandersetzung mit familiären Rollen (vgl. Trautner 2008, S. 638f.).

Eine Längsschnittstudie aus den Jahren 1979 bis 1983 von Fend (1991) zeigte die Differenzen zwischen adoleszenten Mädchen und Jungen auf. Es wurden 2054 Jugendliche im Alter zwischen zwölf und sechszehn Jahren mit dem Ziel befragt, die Phase der Adoleszenz in Bezug auf die Ereignisgeschichte, die Identitätsentwicklung und die Persönlichkeitsentwicklung zu untersuchen. Die Ergebnisse der Studie verdeutlichten, dass adoleszente Mädchen im Gegensatz zu Jungen ein negativeres Selbstkonzept aufweisen. Dieses bezieht sich sowohl auf persönliche Fähigkeiten als auch auf das Aussehen. Daraus resultiert insgesamt ein niedrigeres Selbstwertgefühl. Für Mädchen geht die Attraktivität mit der eigenen Bestätigung einher, was zur Folge hat, dass das Aussehen und die Maßstäbe daran einen höheren Stellenwert haben als bei den Jungen. Mädchen verfolgen das Körperidealbild einer Untergewichtigen, während Jungen ihr Ideal eher bei einem athletischen Männerbild sehen. Dies hat für Mädchen vor allem zwischen elf und 15 Jahren zur Folge, dass vermehrt Identifikations- und Akzeptanzprobleme entstehen (vgl. Fend 1991, S. IXf., 98).

Fend ist trotz der aufgeführten Differenzen der Meinung, dass es im Laufe der Zeit eine Annäherung der Geschlechter geben wird. Bei den Mädchen ist zu bemerken, dass für sie der berufliche Werdegang immer mehr von Bedeutung sein wird, wohingegen sich die Jungen immer mehr für die Mitgestaltung eines gelungenen Familienlebens öffnen (vgl. Fend 1991, S. 94).

Während der Entwicklung der Geschlechtsidentität stellen Gleichaltrige eine „wichtigere Instanz der Bekräftigung bzw. Bestrafung geschlechtsangemessenen oder -unangemessenen Verhaltens als die Eltern“ (Trautner 2008, S. 645) dar.

3. Vorbilder

Der Begriff „Vorbild“ wird im Alltag häufig gebraucht, dennoch ist er selten klar definiert. Entwicklungspsychologisch kann begriffsübergreifend gesagt werden, dass Vorbilder neben erzieherischen Idealen auch normative Entwicklungen darstellen (vgl. Ittel/Oestreich/Haussmann 2014, S. 46). Dürr (1970) ist der Meinung, dass das Vorbild ein Lebensbild des Menschen sei, welches zur sittlichen Nachfolge anleitet und immer eine Wertung mit einschließt. Thomae (1966) definiert ein Vorbild als ein Modell des Verhaltens (vgl. a. a. O., S. 47).

Rost (1985) beschreibt ein Vorbild als eine noch lebende, aber auch bereits verstorbene reale oder fiktive Gestalt, welche direkt oder indirekt eine dritte Person insofern mit ihrem Verhalten nachhaltig beeinflusst, dass diese durch Verehrung versucht, das Verhalten nachzueifern (vgl. Stamm 2008, S. 2). Anhand dieser Definitionen kann festgehalten werden, dass es sich bei einem Vorbild um ein Ideal handelt, dessen Handlungen Dritte versuchen nachzuahmen.

Lutte (1970) unterscheidet zwischen drei Unterkategorien von Vorbildern: dem Nah-, Fern- und abstrakten Vorbild. Das Nahvorbild stellt ein Ideal dar, welches dem Nachahmer persönlich bekannt ist. Hierbei handelt es sich beispielweise um Familienmitglieder, Peers oder Lehrkräfte. Das Fernvorbild ist hingegen eine unbekannte Person, wie etwa aus dem medialen Raum. Das abstrakte Vorbild entspringt meist der Fantasie. Es ist aber auch möglich, dass verschiedene Persönlichkeitsmerkmale zu einer einheitlichen Person abstrahiert werden (vgl. Ittel/Oestreich/Haussmann 2014, S. 47f.).

Der Begriff „Vorbild“ wird alltagssprachlich häufig als Synonym für die Bezeichnungen „Idol“ und „Star“ verwendet. Dennoch gilt es hier definitorisch zu unterscheiden. Uka (2002) versteht unter einem Idol eine Person, welche von Dritten verehrt und angebetet wird. Der Unterschied eines Stars liegt hingegen darin, dass dessen Berühmtheit laut Lowry (2002) den Massenmedien entspringt (vgl. Paus-Hasebrink 2014, S. 64).

3.1. Die soziale Lerntheorie nach Bandura (1977)

Albert Bandura (1977) geht im Zuge der sozialen Lerntheorie davon aus, dass Menschen durch die Beobachtung und anschließende Nachahmung anderer, den größten Teil des eigenen Verhaltens erlernen. Man spricht in diesem Zusammenhang auch vom Lernen am Modell (vgl. Collin et al. 2012, S. 288).

Das Modell stellt die Person dar, welche das Verhalten (auch Modellverhalten) vorgibt. Die Person, welche das beobachtete Verhalten nachahmt, wird Lerner genannt. Wird das Modellverhalten vom Lerner übernommen, spricht man von einer Nachahmung (vgl. Horstmann/Dreisbach 2012, S. 51).

Die Nachahmung kann nur stattfinden, wenn das Modellverhalten den Lerner imponiert und er in ihm einen Erfolg sieht. Zudem ist es von Vorteil, wenn zwischen der Situation des Lerners und des Modells eine Ähnlichkeit besteht (vgl. Matz 2005, S. 73; Ittel/Raufelder/Scheithauer 2014, S. 340).

Laut Bandura erfüllt das Lernen am Modell drei grundlegende Funktionen. Zum einen geht es darum neue Verhaltensweisen aufzubauen. Zum anderen soll ein bereits bestehendes Verhalten modifiziert werden. Dies bedeutet, dass ein bereits vorhandenes Verhalten des Lerners in Abhängigkeit zu den gezeigten Konsequenzen des Modellverhaltens ge- oder enthemmt wird. Darüber hinaus nennt Bandura als dritte Funktion die Herausbildung diskriminativer Hinweisreize. Das Modellverhalten führt dazu, dass Hinweisreize gefestigt werden, die das bereits erlernte Verhalten des Lerners erleichtern (vgl. Ittel/Raufelder/Scheithauer 2014, S. 340).

Eines der bekanntesten Experimente Banduras ist das „Bobo-Doll-Experiment“, welches im Jahr 1961 durchgeführt wurde. Ziel war es herauszufinden, was zu einem aggressiven Verhalten bei Kindern führt. Es wurden insgesamt 72 Kinder, zu gleichen Teilen Mädchen und Jungen, im Alter zwischen drei und sechs Jahren in drei gleichmäßige Gruppen aufgeteilt. Während die erste Gruppe die Kontrollgruppe darstellt, beobachteten die Kinder der zweiten Gruppe eine erwachsene Person, die eine aufblasbare Puppe unter anderem mit einem Hammer misshandelte. In der dritten Gruppe übernahm der Erwachsene eine passive Rolle. Kinder der zweiten Gruppe agierten der Puppe gegenüber aggressiv, als sie alleine mit verschiedenen Spielsachen in einem Raum gelassen wurden. Sie ahmten das beobachtete Verhalten des Erwachsenen nach und nutzten eher aggressiveres Spielzeug, wie beispielweise Waffen. Die Kinder der anderen Gruppen zeigten hingegen keine Aggressionen. Das Experiment verdeutlicht, dass Kinder häufig das Verhalten eines Erwachsenen auf Grundlage der gemachten Beobachtungen nachahmen und durch ebendiese neue Verhaltensweisen erlernen (vgl. Collin et al. 2012, S. 289f.).

3.2. Die Relevanz von Vorbildern während der Identitätsentwicklung

Eine Studie des Instituts für Empirische Psychologie zeigte, dass im Jahr 1995 30% der befragten Jugendlichen bestätigten, ein Vorbild zu haben (vgl. Ittel/Oestreich/Haussmann 2014, S. 49f.).

Gerade während der Adoleszenz beweisen sich Vorbilder als geeigneter Halt, um den Entwicklungsaufgaben dieser Phase entgegenzutreten. Während der Suche nach eigenen Orientierungsmustern, geben Vorbilder den Jugendlichen Handlungsanleitungen. Wo in der Vergangenheit noch traditionelle Rollenbilder eine Orientierung boten, gilt es nun eine personale Identität aufzubauen, in welchem Rahmen individuell und selbstverantwortlich gehandelt werden sollte. Vorbilder fungieren hierbei nicht nur als Orientierungsmuster und Halt, sie wirken auch als eine Art Schutzmodell, welches von den Jugendlichen nicht mehr als Ganzes betrachtet wird. Eher werden einzelne Persönlichkeitsaspekte des Vorbilds herausgegriffen, die anschließend in Form einer Eigenleistung in subjektive Bedürfnisse transformiert werden. Somit geht die Individualität des Einzelnen nicht durch die Orientierung an Dritten verloren (vgl. Stamm 2008, S. 5 und 8f.).

Bezieht man die Identitätsarbeit nach Keupp (1999, 2009) auf Vorbilder, so könnten diese als Identitätsmaterial dienen.

4. Massenmedien

Unter einem Medium wird definitorisch eine Einrichtung verstanden, welche neben Informationen auch Meinungen oder Ähnliches vermittelt (vgl. Springer Gabler Verlag o. J., Stichwort: Medium). Medien auf technischer Basis können als Massenmedien bezeichnet werden. Sie dienen vor allem der „Vermittlung von Informationen und Emotionen bei räumlicher oder zeitlicher oder raumzeitlicher Distanz zwischen den Kommunikationspartnern an ein voneinander getrenntes Publikum“ (Springer Gaber Verlag o. J., Stichwort: Massenmedien). Hierrunter fallen insbesondere Rundfunkmedien, wie Radio oder Fernsehen, Tonträger, Printmedien, wie Bücher und Zeitungen und das Internet (vgl. Springer Gabler Verlag o. J., Stichwort: Massenmedien; Klaeren (2011), o. S.).

Nach der schulischen Bildung gelten Massenmedien1 als bedeutendste Informationsquelle für das lebenslange Lernen. Sie ermöglichen das Wissen über Geschehnisse, die nicht nur in unmittelbarer Umgebung, sondern in der ganzen Welt stattfinden (vgl. Baumann et al. 2011, o. S.).

Eine spezielle Kategorie von Medien stellen sogenannte „Social Media“ dar, welche als neue Kommunikationsformen eingesetzt werden. Social Media bieten den Nutzern/Nutzerinnen eine Plattform, auf welcher durch Kommunikation neue Kontakte hergestellt und Beziehungen aufgebaut werden können. In diesem Rahmen erfolgt die Kommunikation nicht nur verbal, sondern auch multimedial, wie beispielsweise durch Fotos. Die Nutzer/Nutzerinnen von Social Media werden als Community bezeichnet, innerhalb welcher die Gelegenheit des Austauschs geboten wird. Dieser Austausch kann sich einerseits direkt (beispielweise durch Kommentarfunktionen) und anderseits indirekt (beispielweise durch Bewertungen) äußern. Aufgrund der Möglichkeit der Mitgestaltung kann von einer Demokratisierung des Internets gesprochen werden (vgl. Heymann-Reder 2011, S. 18ff.).

Während die Informationsweitergabe einen der positiven Aspekte darstellt, werden Medien auch diverse negative Eigenschaften nachgesagt. Die wohl größte Kritik besteht in der Vermutung, dass Medien ein häufig verschobenes Weltbild transportieren. Dies äußert sich beispielsweise als körperliches Idealbild von schlanken Models oder überzogenen pornographischen Inhalten. In der Kritik steht zudem die Gewalt, die in vielen Filmen oder Computerspielen vorliegt. Auch wird das Konsumverhalten der Menschen stark von den Medien beeinflusst. Trotz all dieser Bedenken ist anzumerken, dass Medien weder für Essstörungen, noch für gewalttätiges Verhalten als alleiniger Auslöser auszumachen sind. Vielmehr bestärken Medien bereits vorhandene Einstellungen und Neigungen (vgl. Heymann-Reder 2011, S. 18ff.).

Untersuchungen aus dem Jahr 2010 zeigten, dass jeder Deutsche im Durchschnitt circa zehn Stunden täglich Medien konsumiert. Hierbei haben sich Medien vollwertig in den Tagesablauf der meisten Menschen integriert. Während vor allem morgens und über den Tag hinweg besonders Zeitungen und das Radio konsumiert werden, gehört der Abend häufig dem Fernseher und dem Internet (vgl. Heymann-Reder 2011, S. 18ff.).

Im Rahmen der Studie „Jugend, Information, (Multi-) Media“ (JIM) des medienpädagogischen Forschungsverbunds Südwest (mpFS) wurde im Jahr 2016 der Medienumgang von insgesamt 1.200 Jugendlichen im Alter zwischen zwölf und 19 Jahren in Form einer telefonischen Befragung untersucht. Die Ergebnisse der Studie verdeutlichten, dass in fast allen Haushalten Handys/Smartphones (99.0 %), Computer/Laptops (98.0 %), Fernsehgeräte (97.0 %) sowie Internetzugänge (97.0 %) vorhanden sind. Rund 54.0 % der Familien beziehen ein Zeitungsabonnement. Auch unter den Jugendlichen ist der Besitz eines eigenen Mobiltelefons (97.0 %, davon 95.0 % ein Smartphone mit Internetzugang) weit verbreitet. Zudem hat fast jeder Befragte die Möglichkeit das Internet im eigenen Zimmer zu nutzen (92.0 %). Einen eigenen Fernseher besitzt rund die Hälfte der Jugendlichen (55.0 %). Geschlechts- und Altersdifferenzen sind bezüglich des Besitzes von medialen Geräten kaum zu vermerken. Während die Jungen häufiger stationäre Spielekonsolen (Jungen: 58.0 %, Mädchen: 32.0 %) besitzen, nennen die Mädchen häufiger Digitalkameras (Jungen: 33.0 %, Mädchen: 52.0 %) und MP3-Player (Jungen: 45.0 %, Mädchen: 56.0 %) ihr eigen. Ältere Jugendliche besitzen zudem häufiger Computer/Laptops (zwölf- bis 13-Jährige: 54.0 %, 18- bis 19-Jährige: 86.0 %) und eigene Fernsehgeräte (zwölf- bis 13-Jährige: 45.0 %, 18- bis 19-Jährige: 63.0 %).

Abbildung 1: Medienbeschäftigung von Jugendlichen in der Freizeit(mpFS 2016, S. 12)

Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten

Abbildung 1 veranschaulicht die tägliche beziehungsweise mehrmals wöchentliche Medienbeschäftigung der Jugendlichen in ihrer Freizeit. Es ist zu erkennen, dass 95.0 % der Jungen und 98.0 % der Mädchen täglich oder mehrmals pro Woche ihr Mobiltelefon nutzen. Zusätzlich wird von fast allen Jugendlichen (Jungen und Mädchen jeweils 96.0 %) das Internet genutzt. Der Fernseher wird regelmäßig von 76.0 % der Jungen und 81.0 % der Mädchen verwendet. 88.0 % der Jungen schauen Videos online. Am wenigsten werden Zeitschriften (gedruckt: 20.0 % der Jungen und 14.0 % der Mädchen, online: 14.0 % der Jungen und 10.0 % der Mädchen), Hörspiele/-Bücher (Jungen: 12.0 %, Mädchen: 11.0 %) und E-Books (Jungen: 9.0 %, Mädchen: 4.0 %) konsumiert. Die größte Differenz zwischen den Geschlechtern stellt das Spielen von Computer-/Konsolen-/Onlinespielen dar (Jungen: 72.0 %, Mädchen: 14.0 %). Mädchen (46.0 %) lesen hingegen häufiger täglich/mehrmals pro Woche in Büchern als Jungen (30.0 %) (vgl. mpFS 2016, S. 3-12).

Im Rahmen der JIM-Studie (2015), bei welcher ebenfalls 1200 Jugendliche im Alter zwischen zwölf und 19 Jahren telefonisch befragt wurden, sollten die Jugendlichen ihre subjektive Wichtigkeit von Medien anhand einer vierstufigen Skala („gar nicht wichtig“, „weniger wichtig“, „wichtig“, „sehr wichtig“) benennen. Sehr wichtig/wichtig ist es den Jugendlichen das Internet zu nutzen (Jungen: 91.0 %, Mädchen: 88.0 %). 44.0 % der Jungen und 49.0 % der Mädchen ist es sehr wichtig beziehungsweise wichtig fernzusehen. Die größte geschlechtliche Differenz liegt im Bereich der subjektiven Wichtigkeit bei der Nutzung von Computer-/Videospielen (Jungen: 65.0 %, Mädchen: 21.0 %) und bei dem Lesen von Büchern (Jungen: 39.0 %, Mädchen: 62.0 %). Zudem gaben sowohl 87.0 % der Jungen als auch der Mädchen an, dass ihnen die Lösung persönlicher Probleme mit Hilfe medialer Mittel sehr wichtig/wichtig sei. Für 25.0 % der Jungen und 39.0 % der Mädchen ist es sehr wichtig/wichtig, über neue Entwicklungen von Stars schnell Bescheid zu wissen. Für 68.0 % der Jungen (Mädchen: 27.0 %) ist außerdem von Bedeutung, schnell über Computer-/Konsolenspiele Informationen zu erhalten, während es 61% der Mädchen (Jungen: 40.0 %) sehr wichtig/wichtig ist, über Mode informiert zu werden (vgl. mpFS 2015, S. 14ff.).

Auch die Befunde der 17. Shell Jugendstudie (2015) zeigten ähnliche Ergebnisse. Es wurde deutlich, dass rund 99.0 % der befragten zwölf- bis 25-Jährigen einen Internetzugang haben, wobei dies den Besitz von Waschmaschinen und Fernsehern (95.0 % der Haushalte) aus dem Jahr 2013 übersteigt. Auffällig ist zudem, dass die Häufigkeit des Internetzugangs für Jugendliche aller Schichten gilt (untere Schicht: 97.0 %, untere Mittelschicht: 98.0 %, Mittelschicht: 99.0 %, obere Mittelschicht: 99.0 %, obere Schicht: 100.0 %). Im Schnitt nutzt jeder Jugendliche zwischen zwei und drei Zugangskanäle zum Internet (beispielweise Laptop, Smartphone, Spielekonsole). Im Jahr 2002 waren die Jugendlichen im Schnitt sieben Stunden in der Woche online. Im Jahr 2015 waren es bereits 18,4 Stunden wöchentlich (vgl. Leven/Schneekloth 2015, S. 120ff.).

Alle Studien verdeutlichen die enorme Nutzung des Internets durch Jugendliche, weshalb sich diese Arbeit im Folgenden vorwiegend auf das Medium Internet bezieht.

4.1. Der Einfluss von Medien auf die Identitätsentwicklung

Medien gelten dann als besonders identitätsrelevant, wenn sie das Interesse der Adoleszenten ansprechen, da diese sich den Medien in diesem Falle selbstbestimmt zuwenden (vgl. Würfel/Keilhauer 2009, S. 97).

Es können zwei grundlegende Funktionen von Medien bezogen auf die Identitätsentwicklung von Jugendlichen herausgestellt werden. Zum einen fungieren Medien als Materiallieferant und zum anderen als sozialer Raum (vgl. Würfel/Keilhauer 2009, S. 103).

Keupp (1999, 2009) betont im Zuge der Theorie der Patchworkidentität, dass die Verknüpfung von Erfahrungsmaterialien für die Entstehung der Identität von besonderer Bedeutung ist. Es besteht allerdings die Problematik, dass traditionelle Leitfäden der Gesellschaft immer mehr entfallen und die Menschen vermehrt ihr kulturelles Fundament verlieren. Würfel und Keilhauer (2009) führen in diesem Zusammenhang die Überlegungen Becks (1986) auf, welcher ebenfalls wie Keupp davon ausgeht, dass die heutige Gesellschaft kaum noch Orientierungsmuster bietet. Den Menschen wird aufgrund der Tradition nicht automatisch bei der Geburt eine bestimmte Identität zugeschrieben. Es liegt nun an der Selbstverantwortlichkeit des Einzelnen, diese als Individuum aufzubauen und sich dennoch gesellschaftlich einzufügen. Medien fungieren in diesem Rahmen als Erzählmaschinen, welche Materialien zur Identitätsentwicklung liefern. Auch bezogen auf die Geschlechtsidentität werden den Jugendlichen medial stereotype Rollenbilder geboten, welche die Geschlechtsidentität verfestigen können (vgl. Keupp 2009, S. 71; Würfel/Keilhauer 2009, S. 101; Aufenanger 2013, S.9).

Medien können als sozialer Raum betrachtet werden, da Adoleszente im Zuge ihrer Identitätsentwicklung vermehrt Rückmeldungen bezogen auf das eigene Können einfordern. Neben der Verknüpfung von Erfahrungsmaterialien streben die Jugendlichen nach sozialer Anerkennung, welche als soziale Ressource fungiert. Die Jugendlichen präsentieren eventuelle Facetten der Identität und erhoffen von dem Gegenüber ein deutliches Feedback auf das Gezeigte. Dieses Feedback entscheidet darüber, ob die Facette beibehalten oder verworfen wird. Die Jugendlichen finden mit Hilfe der Medien (insbesondere dem Internet) die Möglichkeit, ihrem Wunsch nach sozialer Anerkennung ohne Kontrolle von Erwachsenen nachzukommen. Der Medieninhalt wird dem Subjekt häufig nicht bloß präsentiert, es kann sich zusätzlich selbst auf verschiedene Weise medial darstellen und äußern. Dabei bietet sich vor allem die Gelegenheit Identitätsfacetten vorzustellen, welche im Alltag nicht präsentiert werden. Das Internet gibt den Jugendlichen den Rückhalt offener und mutiger zu sein, als wenn sie den Kommunikationspartnern direkt gegenüberstünden (vgl. Wagner 2009, S. 117f., 121f.; Würfel/Keilhauer 2009, S. 99, 102).

Die Option der Selbstgestaltung und Selbsteinbringung auf verschiedenen Onlineplattformen führt zudem zu einer genaueren Auseinandersetzung mit dem eigenen Körper. Häufig müssen auf Onlineplattformen im Zuge der Profilerstellung bestimmte Eigenschaften angegeben werden, die eine genaue Sicht auf sich selbst erfordern. Die Jugendlichen müssen reflektieren, welche Eigenschaften sowohl körperlich als auch charakterlich an ihnen hervorzuheben sind. Hinzukommend wird der eigene Körper häufig durch Fotografien medial inszeniert. Medien bieten darüber hinaus eine Plattform um sich geschlechtlich zu positionieren, zu präsentieren und sich (neu) zu finden (vgl. Wagner 2009, S. 116, 119; Tillmann/Schütt 2014, S. 22).

Es können vier Dimensionen genannt werden, welche das Handeln in Medien als sozialen Raum zusammenfassen. Als erste Dimension kann der Kontakt zu Peers genannt werden, denn Medien bieten den Jugendlichen die Möglichkeit, mit Gleichaltrigen eine Beziehung aufzubauen und sich auszutauschen. Als zweite Dimension können sich die Jugendlichen mit Hilfe der Medien als kompetent erleben, da ihnen im medialen Raum Bestätigungen bezogen auf ihre Handlungen und Fähigkeiten entgegengebracht werden. Die dritte Dimension stellt die Medien als Freiraum dar. Die Adoleszenten haben die Möglichkeit, sich im medialen Raum vor allem von Erwachsenen abzugrenzen und können diesen Freiraum angelehnt an vielfältige Leitfäden selbst mitgestalten. Die vierte Dimension schließt an die dritte Dimension an. Hierbei wird die Gelegenheit der Selbstgestaltung explizit aufgegriffen. Die Selbstgestaltung ermöglicht den Jugendlichen „sich zu positionieren und sich zu verorten“ (Wagner 2009, S. 124), was die Voraussetzung für den weiteren Lebensweg bildet (vgl. a. a. O.).

Sven Thiermann (2009) führt die Gedanken Waldemar Vogelsangs auf, welcher von den Medien zum einen als Identitätsmarkt und zum anderen als Kompetenzmarkt spricht. Mit Identitätsmarkt meint Vogelsang, dass Medien die Möglichkeit bieten, das eigene Selbst zu erproben. Die Bezeichnung Kompetenzmarkt führt er darauf zurück, dass ein bestimmter medialer Umgang präsentiert wird. Daraus resultierend etikettiert Vogelsang Medien als Institution, „die sich im Rahmen des Identitätsprozesses als vermittelnde und tragende Instanzen zwischen den Einzelnen und der gesellschaftlichen Ebene einschalten“ (Thiermann 2009, S. 44).

4.2. Die Bedeutung medialer Vorbilder während der Identitätsentwicklung

Eine geeignete Möglichkeit zur Identitätskonstruktion bieten vor allem mediale Vorbilder. Mittels der Ergebnisse der Shell Jugendstudien (1955, 1984, 1996) lassen sich aufgrund verschiedener Erhebungszeitpunkte zeitreihenvergleichende Aussagen bezüglich der Bedeutung von Vorbildern treffen. Hierbei ist vor allem auffällig, dass Fernvorbilder im Laufe der Jahre immer mehr Bedeutung finden. Während im Jahr 1955 noch 76.0 % Nahvorbilder und lediglich 23.0 % Fernvorbilder genannt wurden, werden im Jahr 1996 bereits 68.0 % Fernvorbilder und nur noch 35.0 % Nahvorbilder genannt. Diese Entwicklung lässt sich am naheliegendsten „mit der grösseren Bedeutung der Medien als Sozialisationsinstanz“ (Stamm 2008, S. 6) begründen. Zudem zeigten die Ergebnisse der Studien, dass Adoleszente eher Vorbilder des gleichen Geschlechts wählen. Bezieht man diese Erkenntnis auf die soziale Lerntheorie Banduras (1977), ist die Wahl des gleichen Geschlechts mit dem Bedürfnis des/der Lernenden zur bestmöglichen Identifikation bezogen auf das Modell erklärbar (vgl. Stamm 2008, S. 5f. und Ittel/Oestreich/Haussmann 2014, S. 50).

In Abschnitt 2.3. wurde bereits der Stellenwert von Peergroups während der Identitätsbildung in der Phase der Adoleszenz herausgestellt. Während Peergroups das Bedürfnis nach Anerkennung und Sicherheit der Jugendlichen befriedigen können, können mediale Vorbilder zu einer erhöhten Anerkennung innerhalb der Peergroups führen. Das gemeinsame Vorbild kann so für mehr Gesprächsstoff sorgen und unterstützt gemeinsame Interessen (vgl. Matz 2005, S. 88).

Mediale Vorbilder können darüber hinaus auch zu der Ablösung vom Elternhaus beitragen. Dies ist mit einem Oppositionsverhalten zu begründen, bei welchem sich die Jugendlichen entsprechend ihrem Vorbild verhalten und kleiden. Zumeist widerspricht dies den Vorlieben der Eltern. Somit grenzen sich Jugendliche von ihren Eltern ab und zeigen, dass sie ihre eigene Identität entwickeln (vgl. Matz 2005, S. 88).

Im Zuge der Geschlechtsidentität entwickelt sich während der Adoleszenz eine sexuelle Orientierung, welche auf der Akzeptanz des eigenen Körpers basiert. Hierbei kann das mediale Vorbild eine Orientierungshilfe bieten, da sich Jugendliche häufig, unter anderem bezogen auf die Kleidung, an dem eigenen Vorbild orientieren. Trotz der Entstehung einer sexuellen Orientierung fühlen sich viele Jugendliche noch nicht alt genug für eine feste Beziehung. An dieser Stelle können gerade mediale Vorbilder eine Projektionsfläche für Fantasien bieten. Aufgrund der Unerreichbarkeit eines medialen Vorbilds finden Gefühle statt, ohne sich persönlich auf den anderen einlassen zu müssen. Zudem können eventuell empfundene negative Aspekte einfach ignoriert werden. Die Projektion der Adoleszenten auf ihr mediales Vorbild bezieht sich allerdings auch auf allgemeine Wünsche und Träume und geht über das Sexuelle hinaus (vgl. Matz 2005, S. 88f.).

Wie bereits in Abschnitt 3.2. erwähnt, lässt sich die Annahme Keupps (1999, 2009), dass im Zuge der Identitätsentwicklung verschiedene Erfahrungsmaterialien verknüpft werden, auch auf Vorbilder übertragen. Besonders Fernvorbilder, also Vorbilder die den Medien entspringen, stellen identitätsrelevantes Material dar. Im Rahmen der Identifikation mit den Fernvorbildern, „gehen Prozesse der Selbstthematisierung und -reflexion wie auch der Antizipation von sozialer Anerkennung einher“ (Würfel/Keilhauer 2009, S. 104). Mediale Vorbilder erlauben den Adoleszenten bereits vorhandene Facetten der Identität zu verfestigen oder neue Impulse beziehungsweise Identitätsentwürfe zu entdecken (vgl. a. a. O.).

Die Identifikation mit dem Fernvorbild erfolgt in der Regel nicht mit der gesamten Person. Viel mehr wird sich auf Teilaspekte, wie beispielweise bestimmte Eigenschaften oder das Aussehen, konzentriert. Da die Phase der Adoleszenz einer permanenten Veränderung unterliegt, können auch mediale Vorbilder, oder auch die Identifikation bestimmter Facetten ebendieser wechseln. Daraus resultiert, dass die Identifikation mit medialen Vorbildern sowohl bedürfnis- als auch stimmungsabhängig ist, wodurch sie an Flexibilität gewinnt (Boehncke/Rath 2006, S. 97).

4.3. Potentielle Gefahren der Medien

Die Benutzung und der Umgang mit Medien können auch Gefahren und Problemstellungen mit sich bringen, von denen eine geringe Auswahl im Folgenden grob dargestellt wird.

4.3.1. Vermittlung einer verzerrten Realität

Zu Beginn des vierten Kapitels wurde bereits aufgeführt, dass Medien vielfach die Kritik entgegengebracht wird, dass diese ein verzerrtes Weltbild transportieren würden.

Für Jugendliche ist es oftmals schwierig, den Unterschied zwischen wirklicher Realität und Medienrealität zu erkennen. Dies erweist sich vor allem bei Castingshows und anderen Fernsehsendungen als problematisch, da hier der Übergang zwischen Realität und Medienrealität häufig nicht offensichtlich ist. Das führt dazu, dass die Sichtweise der Adoleszenten bezogen auf die eigene Person und allgemein auf die Welt unbewusst beeinflusst wird. Die Jugendlichen identifizieren sich häufig mit den dargestellten Protagonisten, was sich in der Selbstwahrnehmung widerspiegelt. So wird ihnen vor allem bei Castingshows vermittelt, dass es im Leben auf die perfekte Inszenierung der eigenen Person ankommt. Diese Relevanz optischer Merkmale kann bei den Adoleszenten zu Unzufriedenheit und Verzweiflung führen, was wiederum beispielweise in einer Essstörung münden kann. Wie bereits zu Beginn dieses Kapitels betont, können Medien nicht allein als Auslöser betrachtet werden. Dennoch kann die bereits vorliegende Neigung zu einer Essstörung durch Medien verstärkt werden (vgl. Landesanstalt für Medien Nordrhein-Westfalen o. J., o. S.; Baumann et al. 2011, o. S.).

4.3.2. Cybermobbing

Für den Begriff „Cybermobbing“ liegt keine klare Definition vor. Bei den vielen Definitionsversuchen wird sich primär an dem konventionellen Begriff „Mobbing“ orientiert. So kann Cybermobbing als ein aggressives Verhalten gesehen werden, welches zumeist gruppendynamisch und zeitlich überdauernd auf Schwächere gerichtet wird. Bei diesem Verhalten mit Schädigungsabsicht werden mediale Mittel hinzugezogen (vgl. Ziegler/Blanz 2014, S. 221; Pieschl/Porsch 2014, S. 133).

Für Cybermobbing, welches sich verschiedener medialer Mittel, wie beispielsweise Smartphones oder diversen Internetdiensten bedient, lassen sich verschiedene Handlungsweisen unterscheiden. Als erste Handlungsweise kann die Schikane genannt werden, womit „das wiederholte Senden oder Posten beleidigender, verletzender oder bedrohlicher Nachrichten“ (Ziegler/Blanz 2014, S. 227) gemeint ist. Verunglimpfung bezeichnet das Verbreiten von Gerüchten mit Hilfe medialer Mittel an Dritte. Im Rahmen der betrügerischen Imitation nimmt der Täter/die Täterin die Identität des Opfers an und beleidigt so beispielweise im Namen des Opfers Dritte. Eine weitere Handlungsweise ist die Bloßstellung beziehungsweise der Verrat. Hierbei werden Geheimnisse oder private Informationen des Opfers preisgegeben. Die letzte Handlungsweise stellt die Ausgrenzung dar. Wird ein Opfer ausgegrenzt, wird es von verschiedenen Online-Aktivitäten oder Kommunikationskanälen ausgeschlossen (vgl. a. a. O., S. 226ff.).

Bezogen auf die Überlegungen von Runions, Shapka, Dooley und Modecki (2013) können vier Aspekte genannt werden, inwiefern Medien den Prozess des Mobbings erleichtern. Aufgrund der Medien werden Angriffe vereinfacht, weil Angriffe zu jedem Zeitpunkt und von jedem Ort aus durchgeführt werden können. Dieser geringe Aufwand verleitet auch zu einer Wiederholung. Zudem kann die Intensität von Angriffen durch die Medien verstärkt werden. Infolge dessen, dass der Täter/die Täterin dem Opfer nicht real gegenübersteht, besteht eine geringere Hemmschwelle. Hinzukommend erleichtert die mediale Öffentlichkeitssituation eine rasche Verbreitung, welche wiederum zu einer vermehrten Beteiligungsreaktion Dritter führen kann. Als dritter Aspekt kann der erhöhte Schutz des Täters/der Täterin genannt werden. Die Anonymität der Medien schützt den Täter/die Täterin vor potentiellen Gegenreaktionen der Opfer und vor allem auch vor einer strafrechtlichen Verfolgung. Der vierte Aspekt beschreibt die höhere Verletzlichkeit des Opfers. Der geringe Aufwand des Angriffes kann bei dem Opfer zu größeren Ängsten führen, da dieses zu jeder Zeit mit eventuellen Angriffen rechnen muss. Zudem bleiben Inhalte der Medien meistens bestehen. Im Gegensatz zu realen Angriffen bleiben mediale Angriffe dauerhaft präsent und sind zudem langfristig für jeden sichtbar, was häufig zu weiteren Angreifern/Angreiferinnen führt. Angesichts fehlender Autoritätspersonen im medialen Raum erhalten Opfer von Cybermobbing häufig keine Hilfe, was die Verletzlichkeit des Opfers ebenfalls verstärken kann (vgl. Ziegler/Blanz 2014, S. 232f.).

Die Berichterstattungen der öffentlichen Medien sehen in Cybermobbing den häufigsten Grund für Suizide von Jugendlichen. Die Forschung konnte bisher alleinig Korrelationen, aber keine kausalen Beziehungen zwischen Cybermobbing und langfristigen Folgen der Opfer ermitteln. Im Vergleich zwischen Opfern und gleichaltrigen nichtbetroffenen Jugendlichen wurde festgestellt, dass soziale Anpassungen von Opfern des Cybermobbings zumeist von Problematiken begleitet werden. Zudem tendieren Opfer eher zu einem Drogenkonsum als Nichtbetroffene. Erhöhte Fehlzeiten in Bildungsinstitutionen führen zu schlechteren akademischen Leistungen. Cybermobbing kann darüber hinaus auch vermehrt zu psychischen Problemen führen. Die Mehrheit der Opfer besitzt weniger Selbstbewusstsein als nichtbetroffene Jugendliche. Weitere psychische Folgen sind unter anderem Depressionen, suizidale Gedanken und soziale Ängste (vgl. Pieschl/Porsch 2014, S. 147f.).

Korrelative Studien zeigten ebenfalls Folgen für die Täter/Täterinnen von Cybermobbing auf. Demnach führt das Ausüben von Cybermobbing ebenso vermehrt zu depressiven Stimmungen, suizidalen Gedanken, einem geringeren Selbstwertgefühl und schlechteren schulischen Leistungen. Für manche Täter/Täterinnen ergeben sich zusätzlich ausgehend von Eltern oder Bildungsinstitutionen Strafen oder sogar juristische Konsequenzen (vgl. Pieschl/Porsch, S. 148).

[...]


1 Künftig nur noch als Medien bezeichnet.

Ende der Leseprobe aus 81 Seiten

Details

Titel
Influencer auf "YouTube" als Vorbilder im medialen Raum. Welchen Einfluss haben sie auf die Identitätsentwicklung Jugendlicher?
Hochschule
Technische Universität Dortmund  (Erziehungswissenschaft, Psychologie und Soziologie)
Note
1.0
Autor
Jahr
2017
Seiten
81
Katalognummer
V470055
ISBN (eBook)
9783668945623
ISBN (Buch)
9783668945630
Sprache
Deutsch
Schlagworte
Soziale Arbeit, Erziehungswissenschaft, YouTube, Identitätsentwicklung, Medien, Influencer, mediale Vorbilder, Medienkompetenz, Peers, Gefahren Medien, Geschlechtsidentität, Vorbild, Adoleszenz
Arbeit zitieren
Janina Heinig (Autor:in), 2017, Influencer auf "YouTube" als Vorbilder im medialen Raum. Welchen Einfluss haben sie auf die Identitätsentwicklung Jugendlicher?, München, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/470055

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