Leseprobe
Inhaltsverzeichnis
1. Einleitung und Public Health Relevanz
2. Das Krankheitsbild Demenz
3. Pflegende Angehörige
3.1. Aufgaben und Bedeutung pflegender Angehöriger
3.2. Motive pflegender Angehöriger
4. Herausforderungen für pflegende Angehörige
4.1. Psychische und physische Belastungen pflegender Angehöriger
4.2. Besonderheiten bei der Pflege demenzerkrankter Personen
5. Lösungsansätze
5.1. Voraussetzungen für Veränderungen im Belastungserleben
5.2. Interventionsmöglichkeiten und Verbesserungspotenzial
6. Fazit
Literaturverzeichnis
1. Einleitung und Public Health Relevanz
In Deutschland lebten im Jahr 2016 82,5 Millionen Menschen (Statistisches Bundesamt, 2018). Im Jahr 2060 wird voraussichtlich jeder dritte Mensch 65 Jahre und älter sein (33%) (Statistisches Bundesamt, 2015). Durch die demographische Alterung steigt auch die Anzahl älterer Menschen mit alters- und krankheitsbedingten Einschränkungen, welche dauerhaft auf pflegerische Versorgung angewiesen sind. Die Pflege pflegebedürftiger Personen nimmt daher einen wichtigen Teil der gesundheitlichen Versorgung ein (Robert Koch-Institut, 2016). Als pflegebedürftig nach §14 des SGB XI gelten Personen „die gesundheitlich bedingte Beeinträchtigungen der Selbständigkeit oder der Fähigkeiten aufweisen und deshalb der Hilfe durch andere bedürfen. Es muss sich um Personen handeln, die körperliche, kognitive oder psychische Beeinträchtigungen oder gesundheitlich bedingte Belastungen oder Anforderungen nicht selbständig kompensieren oder bewältigen können. Die Pflegebedürftigkeit muss auf Dauer, voraussichtlich für mindestens sechs Monate, und mit mindestens der in § 15 festgelegten Schwere bestehen“ (Sozialgesetzbuch XI, §14). Die Schwere der Pflegebedürftigkeit wird von keiner bis zu schwerster Beeinträchtigung kategorisiert und mithilfe einer Punkteskala ermittelt (Sozialgesetzbuch XI, §15).
Aktuell gibt es ca. 3,4 Millionen Pflegebedürftige in Deutschland, ca. 2,6 Millionen davon werden zuhause versorgt und ca. 1,7 Millionen allein durch pflegende Angehörige. Insgesamt sind es somit 76 % der Pflegebedürftigen, die zuhause versorgt werden, 51,7 % davon ohne professionelle Hilfe von außen. Lediglich bei 24 % sind somit keine Angehörigen an der Pflege beteiligt (Statistisches Bundesamt, 2017a). Die Familie gilt als „größter Pflegedienst“ in Deutschland (Schneekloth, 2006). Ungefähr drei bis fünf Millionen Privatpersonen sind an der Versorgung zuhause lebender Pflegebedürftiger beteiligt (Lange, 2014).
Zu den Krankheiten, die am stärksten mit einem hohen Lebensalter kollidieren und zu Pflegebedürftigkeit führen, zählt die Demenzerkrankung (Illiger, Walter, Koppelin, 2017). Demenz ist ein globales Problem, denn die Zahl der Demenzerkrankten steigt rapide. Aktuell sind weltweit ca. 50 Millionen Menschen an Demenz erkrankt. Bis 2050 könnten es 152 Millionen Menschen sein. Alle drei Sekunden erkrankt ein Mensch neu an Demenz (Alzheimer Disease International, 2018). In Deutschland leben aktuell 1,7 Millionen Menschen mit Demenz. Bis 2050 könnte die Zahl auf 3 Millionen angestiegen sein. Ca. 30- 60 % der Personen mit Demenz werden zuhause von pflegenden Angehörigen versorgt (Rothgang, Iwansky, Müller, Sauer, Unger, 2010). Die durchschnittliche Krankheitsdauer bei Demenz liegt bei 3 bis 10 Jahren, wodurch die Bedeutung pflegender Angehöriger bei der pflegerischen Versorgung verdeutlicht wird (Voß, 2015). Die Pflege demenzerkrankter Personen gilt jedoch als hochbelastend, stressauslösend und zeitaufwendig (Zentrum für Qualität in der Pflege, 2016). Durch die steigende Zahl demenzerkrankter Personen ist die Gesellschaft daher auch mit einer wachsenden Anzahl stark seelisch, körperlich und finanziell belasteter Angehöriger konfrontiert (Boschert, 2011). Pflegende Angehörige von Demenzerkrankten haben somit ein erhöhtes Risiko, von depressiven Störungen und körperlichen Gesundheitsbeeinträchtigungen betroffen zu sein (Kurz und Wilz, 2011).
In dieser Arbeit wird sich daher mit der Fragestellung beschäftigt „Welchen psychischen und physischen Belastungen sind pflegende Angehörige in der häuslichen Versorgung von demenzerkrankten Personen ausgesetzt und wie können diese minimiert werden?“. Ziel der Arbeit ist es herauszufinden welchen Belastungen pflegende Angehörige ausgesetzt sind, welche Rolle eine Demenzerkrankung der zu Pflegenden dabei spielt und welche Interventionsmöglichkeiten es gibt, um diese Belastungen zu minimieren oder sogar zu verhindern. Zur besseren Lesbarkeit wird in dieser Arbeit auf geschlechtsspezifische Formulierungen verzichtet. Sämtliche personenbezogene Bezeichnungen sind als geschlechtsneutral zu verstehen. Zur Übersichtlichkeit wird in einigen Kapitel mit Unterüberschriften gearbeitet, diese werden kursiv dargestellt. Im nachfolgenden Kapitel wird nun zunächst die Krankheit Demenz näher erläutert.
2. Das Krankheitsbild Demenz
Der Begriff Demenz kommt aus dem lateinischen und bedeutet „ohne Geist sein“. Er bezieht sich auf eine Reihe von Symptomen, die durch langjährige Schädigung von Hirnzellen, sowie Gewebeveränderungen im Gehirn auftreten (Steurenthaler, 2013). Laut ICD-10 versteht man unter Demenz „ein Syndrom als Folge einer meist chronischen oder fortschreitenden Krankheit des Gehirns mit Störung vieler höherer kortikaler Funktionen, einschließlich Gedächtnis, Denken, Orientierung, Auffassung, Rechnen, Lernfähigkeit, Sprache und Urteilsvermögen. Das Bewusstsein ist nicht getrübt. Die kognitiven Beeinträchtigungen werden gewöhnlich von Veränderungen der emotionalen Kontrolle, des Sozialverhaltens oder der Motivation begleitet, gelegentlich treten diese auch eher auf. Dieses Syndrom kommt bei Alzheimer-Krankheit, bei zerebrovaskulären Störungen und bei anderen Zustandsbildern vor, die primär oder sekundär das Gehirn betreffen.“ (Deutsches Institut für Medizinische Dokumentation und Information, 2019). Die Demenz gehört zu den häufigsten, psychiatrischen Erkrankungen des Alters (Weyerer, 2005). Zwei Drittel der Erkrankten sind 80 Jahre oder älter. Jedes Jahr gibt es 300.000 neuerkrankte Personen. Die Inzidenzrate steigt im Altersverlauf stark an und liegt bei den 65- bis 69-Jährigen bei ca. 0,5 % und bei den 90-Jährigen und Älteren bereits bei 10 % pro Jahr (Bickel, 2010). Grundsätzlich gilt, je früher die Demenz auftritt desto rascher verläuft sie (Kurz, 2013). Die Wahrscheinlichkeit pflegebedürftig zu werden ist bei einer Demenz deutlich höher als bei anderen Erkrankungen (Rothgang et al. 2010).
Symptome der Demenz
Zu den Symptomen zählen der Verlust der Orientierung in Bezug auf Zeit, Ort, Person und Situation. Im Anfangsstadium der Demenz sind auch Depressionen keine Seltenheit. Die Betroffenen nehmen den Verlust ihrer geistigen Fähigkeiten bewusst wahr und finden sich immer schlechter zurecht. Sie können ihren Hobbys nicht mehr nachgehen und immer weniger an Gesprächen und Unterhaltungen teilnehmen. Viele Demenzerkrankte ziehen sich daher zurück, um nicht ständig mit ihrem Unvermögen konfrontiert zu werden. Zusätzlich leiden Demenzerkrankte häufig an Schlafstörungen, durch die sie nachts ruhelos umherwandern oder das Haus verlassen wollen. Grund für die Schlafstörungen sind häufig Störungen im Tag-Nacht-Rhythmus, durch die Demenzerkrankte Tag und Nacht nicht mehr unterscheiden können. Hinzu kommt bei fortschreitender Demenz eine permanente Unruhe mit ziellosem Umherlaufen, Zupfen an der Kleidung, An- und Ausziehen der Kleidung oder der Unfähigkeit, einige Minuten ruhig zu sitzen. Des Weiteren kommt es zu Sinnestäuschungen und Wahnvorstellungen, sodass Personen z.B. des Diebstahls beschuldigt werden, da die Demenzerkrankten Dinge nicht mehr wiederfinden können oder eigentliche vertraute Personen werden weggeschickt, da sie nicht mehr erkannt werden. Es kommt zu einem permanenten Unsicherheitsgefühl, da sich Erinnerungen der Vergangenheit mit der Realität vermischen. Nicht selten kommt es zudem zu Aggressionen bei Demenzerkrankten. Diese sind häufig völlig unkontrolliert und erschweren das Zusammenleben und Betreuen Demenzerkrankter (Steurenthaler, 2013).
Formen von Demenz
Es werden zwei Hauptformen von Demenz unterschieden die primär degenerative Demenz und die sekundäre Demenz. Bei der primär degenerativen Demenz kommt es zum Verlust von Nervenzellen im Gehirn und zu einem schleichenden, geistigen Abbau, dies gilt als führendes Krankheitszeichen. Wie genau es zu dem Abbau von Nervenzellen im Gehirn kommt, ist noch nicht ausreichend erforscht. Die bekannteste Form der degenerativen Demenz ist die Alzheimer-Krankheit, die auf den Neurologen und Psychiater Alois Alzheimer zurückgeht. 70% der Demenzen können dieser Form zugeordnet werden. Bei der sekundären Demenz hingegen liegt ein anderer Krankheitsprozess zugrunde. Der geistige Abbau ist somit die Folge anderer eventuell behandelbarer Erkrankungen. Dazu gehört u.a. die vaskuläre Demenz, bei der es zu einem Verschluss von Blutgefäßen im Gehirn kommt und somit Hirnzellen infolge des Sauerstoffmangels absterben. 20 % der Demenzen entfallen auf diese Form (Steurenthaler, 2013).
Demenzstadien
Die Demenz verläuft in drei Stadien, die sich durch den Schweregrad der Hirnleistungsstörungen und der wachsenden Verhaltensproblematik der Patienten unterscheiden. 15-30 Jahre nach den ersten, nicht bemerkbaren Veränderungen im Gehirn, treten die ersten Symptome der Demenz auf. Ab da dauert es durchschnittlich fünf bis neun Jahre bis zum Tod (Steurenthaler, 2013).
Im Frühstadium sind die Symptome meist nur leicht und für Außenstehende kaum erkennbar. Erste Symptome sind das Vergessen, wo vertraute Gegenstände hingelegt wurden oder das Entfallen von Namen. Die Merkfähigkeit der Betroffenen ist eingeschränkt und es kommt zu Wortfindungsstörungen. Das Stadium 2 entwickelt sich ca. drei Jahre nach Diagnosestellung. Es kommt zu Störungen des logischen Denkens, Planens und Handelns. Komplexe Handlungsabläufe wie das An- und Ausziehen oder die Fähigkeit zu essen gehen verloren. Zusätzlich nimmt die räumliche Desorientierung zu und erstmals können das Umherwandern und die Ruhelosigkeit auftreten. In diesem Stadium können sich Betroffene nicht mehr allein versorgen. In dieser Phase ist der Druck auf pflegende Angehörige aufgrund der körperlichen Einschränkungen und die zunehmenden Störungen des Verhaltens am größten. Nach ungefähr sechs Jahren nach Diagnosestellung befinden sich Betroffene in Stadium 3 in dem es zu ausgeprägten Beeinträchtigungen aller kognitiver Funktionen kommt. Die Sprache ist reduziert, ältere Erinnerungen können nicht mehr abgerufen werden und einfache Bedürfnisse können nicht mehr artikuliert werden. Die Betroffenen brauchen intensive Unterstützung. (Förstl, Kurz, Hartmann, 2011)
Diagnostik bei Demenz
Zur Feststellung einer Demenz werden meist Kurztests wie der Mini-Mental-Status-Test (MMST) oder der Uhrentest eingesetzt. Diese Tests dienen dazu, bei einem Demenzverdacht den Schweregrad der Erkrankung einzuschätzen. Zusätzlich ist eine gezielte Anamnese mit Befragung der Angehörigen erforderlich. Ebenfalls werden weitere Untersuchungen wie Labordiagnostik, neurologische Testverfahren und bildgebende Verfahren in Betracht gezogen, wenn der Verdacht auf eine Demenz besteht (Deutsche Gesellschaft für Neurologie, 2016). Im nachfolgenden Kapitel werden nun die pflegenden Angehörigen definiert und genauer betrachtet.
3. Pflegende Angehörige
Pflegende Angehörige werden nach dem SGB IX definiert als „Pflegepersonen, die nicht erwerbsmäßig einen Pflegebedürftigen im Sinne des § 14 in seiner häuslichen Umgebung pflegen“ (§ 19 SGB IX). Das sind Personen, die entweder in dem Haushalt der zu pflegenden Person leben oder außerhalb des Haushaltes. Meist gibt es eine Hauptpflegeperson, jedoch ist häufig die ganze Familie involviert. Pflegende Angehörige können aber auch Freunde, Nachbarn oder Bekannte sein. Wichtig ist, dass die Unterstützung informell ist, das heißt ohne jegliche Bezahlung (Nowossadeck, Engstler, Klaus, 2016). Pflegende Angehörige durchlaufen dabei eine Art Transition, denn sie passen sich dem Verlauf der Erkrankung eines Familienmitgliedes an. Entweder werden sie plötzlich mit der neuen Aufgabe konfrontiert oder sie wachsen langsam in die neue Verantwortung hinein. Auf jedenfall übernehmen sie eine neue Rolle, die komplexe Aufgaben enthält, mit hoher Verantwortung und ggf. starken Belastungen verbunden ist (McKean Skaff, Pearlin, Mullan, 1996).
Es gibt zwischen 3 und 5 Millionen pflegende Angehörige in Deutschland (Nowossadeck et al. 2016). Ca. fünf bis sechs Prozent der deutschen Bevölkerung im erwerbsfähigen Alter leistet regelmäßig informelle Pflege. Bei den Personen im erwerbsfähigen Alter pflegen Frauen deutlich häufiger und intensiver als Männer (Tesch-Römer und Hagen, 2018). 72 % der informell Pflegenden sind Frauen (Statistisches Bundesamt, 2017b). Frauen übernehmen dabei häufiger die Verantwortung für die Pflege der eigenen Eltern oder Schwiegereltern. Sie sind eher bereit, ihre Erwerbstätigkeit für eine Pflegetätigkeit einzuschränken als Männer. In der Altersgruppe der 55- 64-Jährigen ist die Anzahl der Pflegenden am höchsten (Tesch-Römer und Hagen, 2018). 39 % der Pflegepersonen im Erwerbsalter pflegen die eigenen Kinder gefolgt von den eigenen Eltern mit 27,5 % und dem Partner mit 26 %. 8 % kümmern sich um Personen außerhalb des engsten Familienkreises. Ca. ein Fünftel der erwerbsfähigen pflegenden Angehörigen lebt mit der zu pflegenden Person in einem Haushalt und übt damit prinzipiell einen 24 Std. Job aus. Die pflegenden Angehörigen, die nicht mit der zu pflegenden Person in einem Haushalt leben, pendeln regelmäßig zwischen dem eigenen Haushalt, dem Pflegehaushalt und der Arbeitsstelle hin und her und müssen somit neben dem Pflegeaufwand noch Pendelzeiten einplanen (Zentrum für Qualität in der Pflege, 2016). Es sind vor allem Personen mit niedrigen Pflegegraden, die zuhause versorgt werden. Bei Pflegegrad 1 sind es 81,4 % der Pflegebedürftigen, die zuhause gepflegt werden bei Pflegegrad 3 nur noch 50,4 % (Tesch-Römer und Hagen, 2018). Auch bei Demenzerkrankten werden ca. 80 % von ihren Angehörigen zuhause gepflegt (Voß, 2015). Familienmitglieder sind die wichtigsten Bezugspersonen für Demenzerkrankte, sodass meistens die Kinder oder Ehepartner die Versorgung übernehmen (Heinrich und Wübker, 2016). Im Anschluss werden nun die Aufgaben pflegender Angehöriger und ihre Bedeutung für die häusliche Versorgung näher betrachtet.
3.1. Aufgaben und Bedeutung pflegender Angehöriger
Aufgaben
Zu den Aufgaben pflegender Angehörige zählen zunächst Pflegeleistungen, wie die Hilfe bei der Körperpflege, Hilfen beim An- und Ausziehen der Kleidung, Hilfen beim Zubereiten und Einnehmen von Mahlzeiten, das Stellen und verabreichen von Medikamenten aber auch aktivierende, rehabilitative Behandlungs- und Hilfemaßnahmen. Zusätzlich kümmern sich pflegende Angehörige häufig um hauswirtschaftliche Tätigkeiten und die Pflege des Gartens und unterstützen die zu Pflegenden bei sozialen Kontakten, geben Zuspruch, Zuwendung und Aufmerksamkeit. Ebenfalls sorgen sie für einen strukturierten Tagesablauf, unterstützen bei kulturellen Aktivitäten und begleiten die Pflegeperson zu Arztbesuchen oder Ämtergängen. Zusammenfassen lassen sich die vielschichtigen Aufgaben pflegender Angehöriger in körperlicher Unterstützung, hauswirtschaftliche Versorgung, Verwaltungsaufgaben, sowie Betreuung und Beaufsichtigung. Es zeigt sich daher die Komplexität der Aufgaben, die übernommen werden müssen. Pflegende Angehörige müssen daher häufig viel Zeit aufwenden und täglich verfügbar sein, um eine umfangreiche Versorgung zu gewährleisten (Schneekloth, 2008).
Bedeutung
Pflegende Angehörige nehmen als „größter ambulanter Pflegedienst der Nation“ (Enquete-Kommission des Landtages NRW, 2005, S.103) in der häuslichen Versorgung einen großen Stellenwert ein. Pflegende Angehörige stellen daher eine wertvolle Ressource der Gesundheitsversorgung dar, denn sie gehen für die zu Pflegenden häufig bis zur äußersten Belastungsgrenze (Kroh und Fringer, 2017). Zeman erklärte 2008 dazu „Der Beitrag der Selbsthilfe und informellen Netzwerkunterstützung zur Versorgung alter Menschen übertrifft den des öffentlichen Versorgungssystems rein quantitativ, aber er hat vor allem auch qualitativ für die betroffenen Menschen mehr Gewicht“ (Zeman, 2008, S.297). Pflegende Angehörige erbringen den größten Anteil an Versorgungsleistungen im häuslichen Sektor und sind nicht selten primär mit der Organisation häuslicher Versorgungsarrangements beauftragt. Vor allem durch den hohen Betreuungsbedarf insbesondere bei der Versorgung von demenzerkrankten Personen stellen sie eine wichtige Ressource dar. Ohne die Hilfe pflegender Angehöriger wäre vor allem die Versorgung von Menschen mit Demenz in Deutschland kaum möglich (Rothgang et al., 2010). Nur das Aufrechterhalten familiärer Ressourcen kann den Einzug in ein Pflegeheim vermeiden oder zeitlich hinauszögern (Schwarz, 2012). Durch pflegende Angehörige wird somit nicht nur die Lebensqualität der Familienmitglieder verbessert, sondern auch die Gesellschaft von den Kosten für professionelle Pflege entlastet (Nowossadeck et al., 2016). Im nun folgenden Abschnitt werden die Motive pflegender Angehörige erläutert.
3.2. Motive pflegender Angehöriger
Pflegende Angehörige entscheiden sich meistens nicht bewusst für die Übernahme der Pflege. Sie wachsen meist einfach in die Aufgabe hinein und sehen es als selbstverständlich an, sich um ihre Familie zu kümmern. Laut Huub Buijssen (1997) gibt es drei verschiedene Kategorien, nach denen sich die Motive einteilen lassen. Positive Gründe für die Pflegeübernahme sind das Gefühl von Liebe und Zuneigung gegenüber des zu Pflegenden. Gleichzeitig gibt es das Bedürfnis, etwas zurückgeben zu wollen und ein bestehendes Pflichtgefühl. Ebenfalls kann die Pflege eines Angehörigen dem Leben einen neuen Sinn geben oder das Gefühl der Einsamkeit beheben. Auch Glaubensgründe, wie das Gebot Vater und Mutter zu ehren, können ein Grund sein. Meistens besteht auch eine grundsätzliche Fürsorglichkeit oder Empathie gegenüber dem zu Pflegenden. Sind die Motive eher positiv führt das meist dazu, dass die Pflege längerfristiger übernommen werden kann als bei negativen Motiven. Gleichzeitig besteht dabei aber auch die Gefahr, die eigenen Grenzen zu überschreiten.
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