Schreibkonferenzen im schulischen Kontext. Eine qualitative Verbesserung der Schreibkompetenz?


Hausarbeit, 2019

13 Seiten, Note: 1,7


Leseprobe


Inhaltsverzeichnis

1. Einleitung
1.1. Erläuterung von These, Fragestellung und Methodik der vorliegenden Arbeit
1.2. Entwicklung vom 18. Jahrhundert bis zur kommunikativen Wende der 1970er Jahre

2. Modell der „Writing Conference“ nach Donald H. Graves
2.1. Modifizierung der „Writing Conference“ durch Gudrun Spitta
2.1.1. Voraussetzungen, Anforderungen & Ablauf nach Spitta
2.1.2. Fünf Regeln für Schreibkonferenzen
2.1.3. mögliche Schwierigkeiten mit der Methode der Schreibkonferenz
2.1.4. Ziele der Schreibkonferenz

3. Fazit

Literaturverzeichnis

1. Einleitung

„Writing is rewriting“1 und doch wird der Aspekt des Überarbeitens im Zuge des traditionellen Aufsatzunterrichts nur am Rande betrachtet.2 Entwürfe werden zu einem häufig, durch die Lehrkraft vorgegebenen Thema geschrieben, eingesammelt und benotet, auch wenn es sich dabei nur um einen ersten Entwurf der Schülerinnen und Schüler handelt. Was dabei sprichwörtlich hinten überfallen kann, ist nicht nur die Berührung mit der Lebenswelt der Schülerinnen und Schüler3 mit und durch das Schreiben, sondern infolgedessen möglicherweise auch die Schreibmotivation und einiges mehr. Das Verfassen von Texten spielt bei vielen Menschen im späteren Leben keine oder nur eine untergeordnete Rolle, was häufig mit negativen Erfahrungen begründet wird.4

Um dies zu verhüten, wurden auch im Zuge der Schreibprozessforschung verschiedene unterrichtspraktische Modelle entwickelt, durch deren Einbindung in den Unterricht die Kinder wieder mehr in den Mittelpunkt gerückt werden können. „Dem Schreiben kommt [...] ein ganz besonderer Stellenwert zu, da Schreiben – wird es in der Schule positiv erfahren als ,intellektuelles Produktionsmittel des Menschen’ (Utz Maas) – im Kinde ungeahnte Kräfte freizusetzen, kreative Denk- und Handlungsweisen hervorzubringen und identitätsbildende Selbst- und Weltfindungsprozesse auszulösen vermag.“5

1.1. Erläuterung von These, Fragestellung und Methodik der vorliegenden Arbeit

Die vorliegende Hausarbeit wird sich der Methode der Schreibkonferenz widmen. Dabei wird unter der These gearbeitet, dass die Schreibkonferenz in schulischen Kontexten zu einer qualitativen Verbesserung der Schreibkompetenz beitragen und ebenso positiv auf die Schreibmotivation der Schülerinnen und Schüler wirken kann. Als Fragestellung wird die Eignung der Methode zum eigenverantwortlichen Bearbeiten von Texten durch Schülerinnen und Schüler zur Diskussion gestellt. Dazu wird zuerst der Ursprung der Methode in dem Modell von Donald H. Graves geschildert, sowie im Folgenden die Weiterentwicklung unter Gudrun Spitta für den deutschen Sprachraum. Es werden sowohl Voraussetzungen, Anforderungen und Ablauf einer Schreibkonferenz erläutert, als auch die nach Spitta festgehaltenen fünf Regeln für Schreibkonferenzen. Anschließend werden mögliche Schwierigkeiten mit der Methode dargelegt und die Ziele dieser Arbeitsweise insgesamt aufgezeigt, bevor schlussendlich ein Fazit erfolgt, sowie ein Ausblick.

1.2. Entwicklung vom 18. Jahrhundert bis zur kommunikativen Wende der 1970er Jahre

Eine klassische Aufsatzdidaktik stellte sich erst im 18. Jahrhunderts ein,6 da im Zuge der geschichtlichen Entwicklungen schriftliche Kommunikation immer mehr an Bedeutung gewann. Bis dahin war die mündliche Rede das zentrale Lernziel des Sprachunterrichtes.7 In der Mitte des 19. Jahrhunderts ist der sogenannte gebundene Aufsatz zu erwähnen, bei dem klare Vorgaben herrschten und, der das Gegengewicht zum freien Aufsatz darstellte. Ansätze zum freien Schreiben schuf Rudolf Hildebrandt bereits 1867.8 Zu Beginn des 20. Jahrhunderts gilt der „Erlebnisaufsatz als wichtigstes Element des freien Schreibens.“9 In den 1920er Jahren ist schließlich der Ursprung der klassischen Aufsatzdidaktik im sprachschaffenden beziehungsweise im sprachgestaltenden Aufsatz begründet.10 Resultierend aus dieser Entwicklung wurde ein Kanon an Darstellungsformen geschaffen. Jener Kanon wurde dann in subjektive und objektive Darstellungsformen unterschieden. Erstgenanntem gehört beispielsweise die Erzählung an, während Berichte, Beschreibungen und Erörterungen zu den objektiven Darstellungsformen gezählt werden.11 Die kommunikative Wende der 1970er Jahre verlagerte den Fokus auf den kommunikativen Zweck, wodurch in der Folgezeit vielfach kreatives, freies und personales Schreiben betont wird.12 Eine Gliederung der kreativen Verfahren nach Böttcher stellt sechs Methodengruppen kreativen Arbeitens vor. Darunter beispielsweise Assoziative Verfahren, Schreibspiele oder das Weiterschreiben an kreativen Texten.13

2. Modell der „Writing Conference“ nach Donald H. Graves

In den 1980er Jahren stellte der britische Grundschullehrer Donald H. Graves eine neu entwickelte Methode vor, die er die „Writing Conference“ nannte. Er geht davon aus, dass Kinder vor Beginn der Schule eine ungezwungene Beziehung zum Schreiben hätten, sich diese jedoch drastisch verändere, sobald die Kinder eingeschult würden, was einen freien Schreibprozess behindern würde.14 Grund für diese Veränderung ist die Unschuld, die vor Schulbeginn mit dem Schreibprozess beziehungsweise mit dem Beginn des Schreibens verknüpft ist, die sich nach der Einschulung jedoch in eine Zweckgebundenheit verwandelt. Einhergehend damit machen die Kinder die Feststellung, dass sie das Schreiben, so wie es nach den Konventionen der Erwachsenen definiert wird, noch nicht beherrschen, was zu einer Verunsicherung führt, mit der die Verletzbarkeit der Schülerinnen und Schüler steigt und die Unbeschwertheit abnimmt. Als Kriterien zu seiner Grundannahme vom „Ertrag des Wartenkönnens“15 formuliert Graves:

1 - Wenn das Kind spricht, lernen wir16
2 - Wenn das Kind spricht, lernt das Kind17
3 - Wenn das Kind spricht, kann der Lehrer helfen18

Weiterhin weist Graves daraufhin, dass die Lehrkraft möglichst des Schülers beziehungsweise der Schülerin Worte für die Wiederholung verwenden sollte und erst dann Fragen zu stellen sind. Damit diese Kriterien erfüllt werden können und das prozessorientierte der „Writing Conference“ umgesetzt werden kann, müssen einige Änderungen in Bezug auf das Lehrverhalten erfolgen. Die Änderungen betreffen die Wandlung von der aktiven Lehrkraft in eine eher passive bzw. Zuhörer- und Unterstützerrolle und dem passiven Schüler/-in in eine eher aktive Rolle. Die abnehmende Präsenz der Lehrkraft dient so dem Zweck der Erweiterung der Eigenkontrolle der Schülerinnen und Schüler. Betont wird bei der Methode der Schreibkonferenz nach Graves vor allem der hohe Zeitaufwand von viermal wöchentlich 45 bis 50 Minuten zu Beginn, um einen langfristigen Effekt erzielen zu können.19 Aber auch die Öffentlichkeit des Schreibens spielt für Graves eine große Rolle. Vor genannter Veröffentlichung erfolgt die Korrekturbesprechung, bei der die Lehrkraft zwar die Rechtschreibung korrigiert, jedoch keine Veränderungen am Satzbau vorzunehmen hat.20

Ziel des Konzeptes ist die Autonomie der Schreiber in Bezug auf das Schreiben selbst zu fördern, vor allem was Themenfindung, Inhalt und Überarbeitung angeht. Es soll eine dauerhafte Schreibmotivation entstehen und der Prozess des Schreibens als etwas Selbstverständliches verstanden werden.21 Durch das Überarbeiten der Texte in selbstständiger Art und Weise werden sich die Schülerinnen und Schüler bewusst, dass die erste Version eines Textes nicht die endgültige Fassung ist, was motivationsfördernd wirken kann. Die Lehrkraft ist dabei eher in einer passiven Rolle und muss Graves nach die „Kunst des Zuhörens“22 und die „Kunst des Fragenstellens“23 beherrschen und dies zielgerichtet im Sinne der Schreiber einsetzen.

2.1. Modifizierung der „Writing Conference“ durch Gudrun Spitta

Gudrun Spitta stellte das Konzept der „Writing Conference“ von Donald Graves in den 1990er Jahren in modifizierter Weise für den deutschsprachigen Raum vor. Es „besitzt einen spezifischen didaktisch-methodischen Rahmen, in dem Schreib- und Textbearbeitungsprozesse in bestimmter Weise organisiert werden.“24 Die Methode eignet sich folglich sowohl als „Organisationsform für Schreib- und Überarbeitungsprozesse in einer Lerngruppe, aber auch als eine Strukturierungshilfe für die Organisation des individuellen Schreibprozesses“25.

2.1.1. Voraussetzungen, Anforderungen & Ablauf nach Spitta

Da bei der Anwendung des Konzeptes eine Eingewöhnungsphase vonnöten ist, sollte es in schulischen Kontexten möglichst früh eingeführt werden.26 Ein Klassengespräch über den Schreibprozess von Erwachsenen kann als Einstieg dienen. Den Schülerinnen und Schülern soll unter anderem die Erkenntnis nähergebracht werden, dass Schriftstellerinnen und Schriftsteller nicht nur einen Entwurf anfertigen und die Arbeit damit beendet ist.27 Durch eine, mit Ergänzungen und ähnlichem versehene Schriftseite kann der Klasse der Arbeitsprozess, der sich hinter einem Text verbirgt, verdeutlicht werden. Nach einem aufarbeitenden Klassengespräch kann der Vorschlag zum Selbsttest mittels der Schreibkonferenz erfolgen. Die Schülerinnen und Schüler können ausgehend davon in den freien Schreibzeiten eigenständig bestimmen wann und mit wem sie die Methode durchführen. Die Schülerzahl von vier sollte dabei in den Kleingruppen nicht überschritten werden.28

Den Ablauf einer Schreibkonferenz plant Spitta in vier Schritten:

- „Individuelle Themenfindung und Erstellen eines Entwurfes
- Schreibkonferenzen: Autorenkind und zwei Mitarbeiter arbeiten am Entwurf zu inhaltlichen, stilistischen, rechtschriftlichen Aspekten des Textes. Autorenkind bearbeitet anschließend seinen Entwurf [Entscheidungen über Verbesserungen und Korrekturen sind von den Schülerinnen und Schülern eigenständig und individuell zu treffen] für die
- Endredaktion des Entwurfs durch den bzw. mit dem Lehrer. Erstellen der endgültigen korrekten Textfassung auf besonderen Schmuckbogen für die
- Veröffentlichung in der Veröffentlichungsstunde (Dichterlesung). Vorlesen des Textes und Gespräch über den Text mit der gesamten Klasse. Anschließend Textausstellung oder Buchprojekt mit den Kindertexten“29

So kann das Autorenkind im zweiten Schritt, der eigentlichen Schreibkonferenz erstmals mithilfe der gewählten Gruppenmitglieder eine Rückmeldung zum eigenen Text erhalten. Nachdem die Gruppe den Text gemeinsam Satz für Satz durchgegangen ist, kann das Autorenkind so anschließend entscheiden, welche Verbesserungsvorschläge der Gruppenmitglieder es tatsächlich umsetzt.

[...]


1 Murray, D.M.: A Writer teaches Writing. A practical Method of teaching Composition, Boston 1968, S. 11.

2 Vgl. Spitta, Gudrun: Schreibkonferenzen in Klasse 3 und 4. Ein Weg vom spontanen Schreiben zum bewussten Verfassen von Texten, Frankfurt a.M. 1992, S. 20-21.

3 Vgl. Ebd., S. 5, S. 31.

4 Vgl. Ebd., S. 5, S. 16

5 Ebd., S. 5.

6 Vgl. Abraham, Ulf et al.: Praxis des Deutschunterrichts. Arbeitsfelder, Tätigkeiten, Methoden, Donauwörth 1998, S. 22.

7 Vgl. Böttcher, Ingrid & Becker-Mrotzek Michael: Texte bearbeiten, bewerten und benoten. Schreibdidaktische Grundlagen und unterrichtspraktische Anregungen, Berlin 2003, S. 10.

8 Vgl. Spitta, Gudrun: Schreibkonferenzen in Klasse 3 und 4. Ein Weg vom spontanen Schreiben zum bewussten Verfassen von Texten, Frankfurt a.M. 1992, S. 15.

9 Böttcher, Ingrid & Becker-Mrotzek Michael: Texte bearbeiten, bewerten und benoten. Schreibdidaktische Grundlagen und unterrichtspraktische Anregungen, Berlin 2003, S. 10.

10 Vgl. Ebd., S. 21.

11 Vgl. Ebd., S. 10.

12 Vgl. Ebd., S. 10-11.

13 Vgl. Böttcher, Ingrid (Hrsg.): Kreatives Schreiben, Berlin 1999, S. 21-32.

14 Vgl. Graves, Donald: Writing. Teachers and Children at Work, London 1983, S. 135.

15 Graves, Donald: Kinder als Autoren. Die Schreibkonferenz, In: Brügelmann, H. (Hrsg.): ABC und Schriftsprache. Rätsel für Kinder, Lehrer und Forscher, Konstanz 1986, S. 138.

16 Vgl. Ebd., S. 138f.

17 Vgl. Ebd., S. 138f.

18 Vgl. Ebd., S. 138f.

19 Vgl. Ebd., S. 138.

20 Vgl. Necknig, Andreas: Schreibkonferenz vs. traditionelle Aufsatzdidaktik. Eine empirische Untersuchung, Hamburg 2012, S. 60.

21 Vgl. Graves, Donald: Kinder als Autoren. Die Schreibkonferenz, In: Brügelmann, H. (Hrsg.): ABC und Schriftsprache. Rätsel für Kinder, Lehrer und Forscher, Konstanz 1986, S. 143f.

22 Ebd., S. 137.

23 Ebd., S. 137.

24 Necknig, Andreas: Schreibkonferenz vs. traditionelle Aufsatzdidaktik. Eine empirische Untersuchung, Hamburg 2012, S. 65.

25 Ebd., S. 65.

26 Vgl. Ebd., S. 65.

27 Vgl. Ebd., S. 66.

Vgl. Spitta, Gudrun: Schreibkonferenzen in Klasse 3 und 4. Ein Weg vom spontanen Schreiben zum bewussten Verfassen von Texten, Frankfurt a.M. 1992, 22.

28 Vgl. Reuschling, Gisela: Als wär sie gar nicht Susanne und die Laura, In: Praxis Deutsch Nr. 137, Seelze 1996, S.33.

29 Necknig, Andreas: Schreibkonferenz vs. traditionelle Aufsatzdidaktik. Eine empirische Untersuchung, Hamburg 2012, S. 67, zitiert nach: Spitta, Gudrun: Schreibkonferenzen in Klasse 3 und 4. Ein Weg zum spontanen Schreiben zum bewussten Verfassen von Texten, Frankfurt a.M. 1992, S. 43.

Ende der Leseprobe aus 13 Seiten

Details

Titel
Schreibkonferenzen im schulischen Kontext. Eine qualitative Verbesserung der Schreibkompetenz?
Hochschule
Freie Universität Berlin  (Deutsche und Niederländische Philologie)
Veranstaltung
Grundlagen Fachdidaktik Deutsch
Note
1,7
Autor
Jahr
2019
Seiten
13
Katalognummer
V471385
ISBN (eBook)
9783668962149
ISBN (Buch)
9783668962156
Sprache
Deutsch
Schlagworte
Schreibkonferenz Freies Schreiben Potenzial Schule Spitta Graves Ziele Literatur Erzählungen Geschichten
Arbeit zitieren
Anna Wiechers (Autor:in), 2019, Schreibkonferenzen im schulischen Kontext. Eine qualitative Verbesserung der Schreibkompetenz?, München, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/471385

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