Gegenüberstellung der Therapeut-Klient-Beziehung, Gesprächspsychotherapie vs. Psychoanalyse


Hausarbeit, 2005

23 Seiten, Note: 1.3


Leseprobe


Gliederung

Einleitung

1. Die therapeutische Beziehung in der Gesprächspsychotherapie
1.1 Das therapeutische Beziehungsangebot
1.1.1 Empathie
1.1.2 Unbedingte Wertschätzung
1.1.3 Kongruenz
1.2 Bedingungen für eine konstruktive Persönlichkeitsveränderung durch Gesprächspsychotherapie

2. Die therapeutische Beziehung in der Psychoanalyse
2.1 Das Arbeitsbündnis
2.2 Die Übertragungsbeziehung
2.3 Ratschläge für den Arzt bei der psychoanalytischen Behandlung

3. Gegenüberstellung der Therapeut – Klient – Beziehung
3.1 Gemeinsamkeiten
3.1.1 Die therapeutische Beziehung als entscheidendes Element
3.1.2 Die Haltung des Therapeuten
3.1.2.1 Kongruenz vs. Erkennung von Widerständen
3.1.2.2 Unbedingte Wertschätzung vs. gleichschwebende Aufmerksamkeit
3.1.2.3 Empathie vs. Einstellung des Unbewussten als empfangendes Organ
3.1.3 Aufdeckende Arbeit als therapeutisches Hilfsmittel
3.2 Unterschiede
3.2.1 Kongruenz vs. Abstinenz
3.2.2 Realbeziehung vs. Übertragungsbeziehung

Schlusswort

Literaturverzeichnis

Einleitung

In meinem Studium der Rehabilitationspsychologie beschäftigte ich mich bereits öfters mit der psychoanalytischen und der humanistischen Theorie und stellte immer wieder fest, dass sich die Theorien in ihren Grundannahmen ziemlich stark voneinander unterscheiden. Insbesondere die anthropologischen Prämissen scheinen für mich sehr different zu sein. Auf der einen Seite steht für mich der humanistische Ansatz mit dem hoffnungsvollen, positiven Bild eines nach vollkommener Selbstverwirklichung strebenden, wachsenden und sich verändernden Menschen. Demgegenüber und konträr dazu stehend empfinde ich das in der Psychoanalyse vorherrschende Menschenbild. Nach diesem Bild ist das Leben des Menschen vorherbestimmt, da er durch seine sexuellen Triebe gesteuert ist bzw. gegen diese sein ganzes Leben lang anzukämpfen hat.

Als ich nun auf die aus den theoretischen Richtungen heraus entspringenden Therapieformen stieß – die gesprächspsychotherapeutische und die psychoanalytische Interventionstechnik – war ich demnach erstaunt, dass sich insbesondere im Bereich der therapeutischen Beziehung einige Ähnlichkeiten zwischen der Gesprächspsychotherapie und der Psychoanalyse aufweisen lassen, die ich nicht erwartet hätte.

Als noch interessanter empfand ich die Tatsache, dass die Wurzeln der klientenzentrierte Psychotherapie in der Psychoanalyse liegen. Die Erkenntnis, dass die therapeutische Beziehung einen elementaren Bestandteil der Therapie ausmacht und es von der Beziehung abhängt, wie der Therapieverlauf sich entwickelt, ist den beiden Interventionsformen gemeinsam. (Rogers, 2002)

Durch das Erkennen der Gemeinsamkeiten in der Therapeut – Klient – Beziehung der Gesprächspsychotherapie und der Psychoanalyse begann ich mich intensiver mit der Gegenüberstellung der beiden Therapieverfahren auseinander zusetzen und entschied mich schließlich, eine Hausarbeit über die Gemeinsamkeiten und Unterschiede der Therapeut – Klient – Beziehung der beiden Interventionstechniken zu schreiben.

In dem ersten und zweiten Abschnitt dieser Arbeit werde ich die besonderen Charakteristika der therapeutischen Beziehung in der Gesprächspsychotherapie und der Psychoanalyse aufzeigen. Danach komme ich auf den eigentlichen Kern dieser Arbeit zu sprechen, der Gegenüberstellung der Therapeut – Klient – Beziehung dieser beiden psychotherapeutischen Verfahren. Zum Schluss möchte ich die wesentlichen Ergebnisse in der Gegenüberstellung zusammenfassen und dann die neuste Entwicklung in der Literatur zu diesem Thema aufführen, die eine Annäherung der beiden Verfahren an ihre Konzepte in der Therapiearbeit erkennen lässt.

1. Die therapeutische Beziehung in der Gesprächspsychotherapie

Wichtig sind nicht so sehr Techniken, sondern meine Haltung. Die Beziehung ist wirksam, sie ist Therapie. Im Klienten, in der Klientin ist das Potential vorhanden, etwas über sich zu wissen und sich ändern zu können. Nicht ich als Begleiterin bin Expertin für die Heilung, die Weiterentwicklung dieser Person. Ich verzichte auf Machbarkeitsvorstellungen. Ich bin nicht interessiert an Störungen, an Diagnosen und Prognosen, an der Ätiologie, an der Vergangenheit. Ich bin lediglich Anbieterin einer wachstumsfördernden Beziehung und kann lernen, wie mein Beziehungsangebot gestaltet sein kann, damit das, was in einer Person angelegt ist, wieder wachsen kann. (http://gfk.freepage.de/Texte/hum.html)

Anhand dieser von Rogers bereits im Jahre 1949 vorgenommenen Umschreibung für die klientenzentrierte Psychotherapie[1] lässt sich erkennen, dass die Basis dieser Therapieform die Beziehung zwischen den Therapeuten und seinen Klienten darstellt. Nach Rogers, welcher der Begründer der Gesprächspsychotherapie ist, stellt diese weiterentwickelte Form der zwischenmenschlichen Beziehung die Voraussetzung für Wachstum und Veränderung des Klienten dar. Im konkreten bedeutet dies, dass die klientenzentrierte Orientierung von der Grundhypothese ausgeht, dass jeder Mensch ein Wachstumspotential besitzt, welches in der Beziehung zu einer Einzelperson (z.B. einem Therapeuten) freigesetzt werden kann. Jedoch muss die Einzelperson die Fähigkeit besitzen, ihr eigenes reales Sein, ihre emotionale Zuwendung und ein höchst sensibles, nicht urteilendes Verstehen in sich selbst zu erfahren und dieses dem Klienten mitzuteilen. (Rogers, 2002)

Damit meint Rogers zum Beginn des Zitats die Haltung, die ein Therapeut seinem Klienten gegenüber besitzen sollte.

Neben den im Zitat dargestellten Charakteristika der Gesprächspsychotherapie besteht zusätzlich ein besonderes Merkmal des therapeutischen Ansatzes darin, dass sein Schwerpunkt deutlicher auf dem Prozess der Beziehung selbst als auf den Symptomen oder ihrer Behandlung liegt. (Rogers, 2002) Das wird im letzten Abschnitt des Zitates deutlich, wenn Rogers sagt, dass ihn nicht Diagnose oder Störungen interessieren, sondern die Gestaltungsform des Beziehungsangebots, welche die Voraussetzung für das Wachstum der Persönlichkeit des Klienten darstellt.

Aus welchen Komponenten das therapeutische Beziehungsangebot besteht, möchte ich im nächsten Abschnitt näher darstellen.

1.1 Das gesprächspsychotherapeutische Beziehungsangebot

Wie zum Beginn des Zitates erwähnt, ist Rogers der Meinung, dass der therapeutische Erfolg in erster Linie nicht vom technischen Wissen und Können des Therapeuten abhängt, sondern davon, ob dieser eine bestimmte Haltung dem Klienten gegenüber besitzt. Dementsprechend möchte ich im Folgendem besondere Einstellungen, die der Gesprächspsychotherapeut seinem Klienten gegenüber haben sollte, darstellen. Diese Einstellungen werden als jene Faktoren betrachtet, welche für den Therapieverlauf und für konstruktive Veränderungen innerhalb der Persönlichkeit ausschlaggebend sind. (Rogers, 2002)

1.1.1 Empathie

Das erste Element des gesprächstherapeutischen Beziehungsangebots besteht darin, die Erlebnisse und Gefühle des Klienten und deren persönliche Bedeutung einfühlend zu erfassen. (Rogers, 2002) Dies bedeutet in gesprächstherapeutischer Hinsicht, dass der Zustand des einfühlenden Verstehens sich durch die präzise Wahrnehmung des Inneren Bezugsrahmens des Klienten auszeichnet. (Biermann-Ratjen, Eckert, Schwartz, 1997) Der Therapeut fühlt sich somit in der Welt des Klienten so, als ob es seine eigene Welt – d.h. sein eigenes Erleben – wäre. (Rogers, 2002) Dabei sollte aber der als-ob-Zustand vom Therapeuten niemals verlassen werden, da er sich ansonsten im „Zustand der Identifikation“ mit dem Klienten befinden würde. (Biermann-Ratjen et al., 1997, S. 15)

Das empathische Verstehen erfolgt durch den Therapeuten in Form der „Verbalisierung emotionaler Erlebnisinhalte“. (Biermann-Ratjen et al., 1997, S. 16)

Hiermit teilt der Therapeut dem Klienten mit, dass und was er von dessen Erleben durch die Einfühlung verstanden hat. Dadurch kann die Selbstexploration des Klienten gefördert werden.

Zusammenfassend kann festgehalten werden, dass die Empathie des Gesprächspsychotherapeuten der Förderung der Selbstempathie des Klienten dient, da durch die Verbalisierung emotionaler Erlebnisinhalte durch den Therapeuten der Klient seine Erfahrung präzise und vollständig wahrnimmt und somit eine Abstimmung zwischen der Erfahrung und dem Konzept, das er von sich selbst hat, vornimmt. Dementsprechend kann er durch das empathische Verstehen des Therapeuten sein eigenes Erleben womöglich besser verstehen. (Biermann-Ratjen et al., 1997)

1.1.2 Unbedingte Wertschätzung

Zum wesentlichen Bestandteil der Empathie gehört das vorurteilsfreie Betreten der Erlebniswelt des Klienten. Erst wenn der Therapeut seine eigenen Sichtweisen und Werthaltungen beiseite legt, bekommen empathische Äußerungen eine bestimmte emotionale Qualität. Zudem bedeutet die therapeutische Bedingung „Unbedingte Wertschätzung“, dass der Therapeut das Erleben des Klienten bedingungslos akzeptiert und sich dem Klienten positiv zugewandt fühlt. Rogers (2002) meint mit dem Adjektiv „unbedingt“ (unconditional), „dass der Therapeut jede Erfahrung, die Teil des Klienten ist, unterschiedslos annehmen kann“ (S.28). Der Klient soll angenommen werden, auch wenn er widersprüchlich ist, und nicht nur, wenn er sich in Übereinstimmung mit sich selbst befindet. Somit entstehe, nach Rogers (2002), das Gefühl des unbedingten Akzeptierens „sowohl bei ´guten`, d.h. positiven, vertrauensvollen, reifen und solidarischen, Gefühlen als auch bei ´schlechten`, d.h. schmerzvollen, abwehrenden, ängstlichen und abnormalen, Gefühlen des Klienten“ (S. 28).

Wenn der Klient sich von dem Therapeuten nicht ohne Bedingungen akzeptiert fühlt, kann er in seinem Prozess der Selbstexploration stagnieren.

Die unbedingte Wertschätzung hilft dem Klienten somit, sich stetig mit der emotionalen Bewertung des eigenen Erlebens auseinanderzusetzen. (Biermann-Ratjen et al., 1997)

1.1.3 Kongruenz

Nach Rogers (2002) ist diese Einstellung dadurch gekennzeichnet, dass der Therapeut in der Beziehung zum Klienten echt ist, d.h. er selbst ist, ohne sich hinter einer Fassade oder Maske zu verbergen (S.31). Ein kongruenter Therapeut kann zu den Gefühlen und Einstellungen, die ihn augenblicklich bestimmen, stehen. Das bedeutet, dass seine Erfahrungen und Gefühle ihm zugänglich sind, er sich dieser bewusst ist und sie durch sein Erleben in der Beziehung zum Klienten einbringen kann.

Das Konzept der Kongruenz könnte leicht missverstanden werden, da es impliziert, dass der Therapeut den Klienten mit all seinen Problemen oder Empfindungen belasten oder mit jeder Regung, die ihn durch den Sinn geht, herausplatzen soll. Doch mit Kongruenz ist ausschließlich gemeint, dass der Therapeut die Gefühle, die von ihm erlebt werden, nicht vor sich selbst verleugnen soll. Außerdem sollen die in der Beziehung häufig wieder auftauchenden Gefühle vom Therapeuten akzeptiert und dem Klienten gegenüber geäußert werden. Der Therapeut soll der Versuchung widerstehen, sich hinter einer professionellen Maske zu verbergen. (Rogers, 2002)

Diese Bedingung ist die grundlegendste unter den Einstellungen des Therapeuten, die den positiven Verlauf einer Therapie fördern. Wenn der Therapeut nicht kongruent in seinen Gefühlen ist, weicht er von der Einstellung der Unbedingten Wertschätzung gegenüber dem Klienten ab und ist dadurch auch beeinträchtigt im empathischen Verstehen können des Klienten. Die bewusste Auseinandersetzung mit den Anzeichen der Inkongruenz, die „das Resultat der Mobilisierung von Abwehrhaltungen gegenüber Erfahrungen“ (Biermann-Ratjen et al., 1997, S. 30) darstellt, bietet dem Therapeuten die Möglichkeit, sich selbst und den Klienten besser zu verstehen. Dadurch hebt sich die Abweichung von der Unbedingten Wertschätzung auf.

Zusammenfassend kann festgestellt werden, dass nur wenn der Therapeut im Kontakt mit dem Klienten kongruent ist, er sich unbedingt wertschätzend und empathisch ihm gegenüber verhalten kann. (Biermann-Ratjen et al., 1997)

[...]


[1] Der Begriff „klientenzentrierte Psychotherapie“ wird in dieser Hausarbeit als Synonym für Gesprächspsychotherapie verwendet.

Ende der Leseprobe aus 23 Seiten

Details

Titel
Gegenüberstellung der Therapeut-Klient-Beziehung, Gesprächspsychotherapie vs. Psychoanalyse
Hochschule
Hochschule Magdeburg-Stendal; Standort Stendal
Veranstaltung
Einführung in Gespächspsychotherapie
Note
1.3
Autor
Jahr
2005
Seiten
23
Katalognummer
V47155
ISBN (eBook)
9783638441582
Dateigröße
483 KB
Sprache
Deutsch
Schlagworte
Gegenüberstellung, Therapeut-Klient-Beziehung, Gesprächspsychotherapie, Psychoanalyse, Einführung, Gespächspsychotherapie
Arbeit zitieren
Diplom-Rehabilitationspsychologin (FH) Agate Wiekiera (Autor:in), 2005, Gegenüberstellung der Therapeut-Klient-Beziehung, Gesprächspsychotherapie vs. Psychoanalyse, München, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/47155

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