Bindung zu Beginn des Schulalters - ein kurzer Überblick


Referat (Ausarbeitung), 2005

13 Seiten, Note: 2,0


Leseprobe


Inhaltsverzeichnis:

1. Der Kreislauf der Erkenntnis

2. Erkenntnis über Sprache in Bindungsbeziehungen

3. Anfänge zur Erfassung von Bindungsverhalten bei Sechsjährigen

4. Bindung mit 6 Jahren: Beschreibung und längsschnittliche Vergleiche
4.1 Bindungsverhaltensmuster von sechsjährigen Kindern
4.2 Vergleiche mit den Bindungsverhaltensmustern derselben Kinder in der fremden Situation mit einem Jahr
4.3 Vergleiche mit dem Verhalten der Kinder im Kindergarten
4.4 Das interaktive Verhalten der Mütter im Vergleich zu der Bindungsqualität der Kinder

5. Bindungsrepräsentation im Alter von 6 Jahren in symbolischen Darstellungen
5.1 Familienzeichnungen von Kindern
5.2 Der Umgang mit Bindungsgefühlen – Der Trennungsangst-Test bei 6 jährigen
5.2.1 Das Verhalten, die geäußerten Gefühle und die Lösungsvorschläge
bindungssicherer und –unsicherer Kinder
5.2.2 Diskurs über Bindungsthemen und „konstruktive interanale Kohärenz“

6. Schlussfolgerungen

7. Eigene kritische Würdigung des Textes

Literatur

Diskussionsfragen

1. Der Kreislauf der Erkenntnis

Ab dem Lebensalter von sechs kommen die Kinder in die Schule und beginnen die Welt zu erkennen, in dem sie diese mental auffassen und für sich selbst verarbeiten. Nach Vollmer (1991) benutzen sie dafür sogenannte Denkzeuge, die dazu dienen das Erkannte auf Richtigkeit hin zu überprüfen.

Bereits die Tradition des Abendlandes und René Descartes (1596-1650) haben Erkenntnistheorien hervorgebracht. Sie unterscheiden zwei verschiedenen Bereiche in der Welt: Zum einen gibt es den mentalen (Descartes: denkender; Abendland: geisteswissenschaftlicher) und zum anderen den materiellen (Descartes: cartesianisch; Abendland: naturwissenschaftlich) Teil des Weltbildes. Da diese sich kaum mit Emotionen befassen, sind sie der Bindungsforschung jedoch nicht sehr nützlich.

Oeser (1987) schuf hierzu den „Kreislauf der Erkenntnis“. Hiernach vollzieht sich die Erkenntnis in folgender Reihenfolge:

Anschauung eines Ereignisses in der Umwelt – Information – Schlüsse werden gezogen (Induktion) – Hypothesen werden aufgestellt – Ein Weltbild wird konstruiert und mit einer Theorie verbunden (dieses kann falsch sein) – Konsequenzen werden gezogen (Deduktion) – Die Folgen werden überdacht, eine Prognose für zukünftiges Verhalten entwickelt - Das Ganze wird auf die ursprüngliche Information zurückgeführt

Vorraussetzung für diesen Erkenntnisweg ist der „innere Kreis der Erkenntnis“, in dem sich Vernunft, analytischer und synthetischer Verstand befinden.

In den frühen Jahren der Kindheit bekommt ein Kind Mitteilung der Eltern, ob etwas wahr ist oder nicht. Hierfür ist das Gespräch mit Erwachsenen notwendig. Auch muss das Kind den Zusammenhang zwischen Geschehnissen in der Umwelt und den damit verbundenen Emotionen feststellen. Erst wenn eine Übereinstimmung von Subjektivität und der Welt erfahren wird, kann das Kind aktiv in seinem Umfeld mitwirken.

„Wenn all dies gelingt, dann entsteht ein kohärentes, realitätsnahes, verinnerlichtes Weltbild“[1]

Doch funktioniert dies alles auch bei einem „psychisch unsicheren“ Kind?

Die Bindungstheorie besagt, dass ein „kohärentes Weltbild“ besser bei Kindern in sicheren Bindungsbeziehungen entsteht. Gefühle und ihre Ursachen werden bereits im Säuglingsalter wahrgenommen, sprachlich umgesetzt werden können sie aber erst, wenn in der Familie darüber gesprochen wird. „Gefühlsbetonte Anfänge des Erkennens“ erfolgen beim Kind bereits sehr früh durch sinnliche Wahrnehmung, vor allem durch die Interpretation der Stimme der Bindungsperson (z.B. Intonation). Daraus resultiert, dass die Kinder Zusammenhänge zwischen eigenem Handeln und dem der Eltern erkennen. Besonders wichtig ist hierfür, dass sie die Bindungsperson zu den Ereignissen aus der Umwelt äußert und gemeinsam gesprochen wird.

Dies wurde auch durch Hausbeobachtungen und Kindergartenbesuche von Jean Carew und Inge Loher beobachtet. Menschen sind fähig „gemeinsame Aufmerksamkeit“ auszuüben. Das Verständnis für die Umwelt wird umso besser je mehr ein Kind die eigenen Emotionen und der Bindungspersonen verstehen kann. Dies ist genetisch bedingt, kann aber nur entwickelt werden, wenn das Kind mit den Eltern über diese Einflüsse reden kann. Die Eltern messen verschiedenen Situationen unterschiedliche Bedeutung bei, die das Kind annimmt. Der Geist des Kindes wird geprägt durch Verkettung von reellen Gegebenheiten und der persönlichen Gefühle dazu und deren Versprachlichung mit Bindungspersonen.

2. Erkenntnis über Sprache in Bindungsbeziehungen

Sprache zeigt einiges über die Bindungserfahrung und – qualität 6jähriger auf. Dabei gibt es große individuelle Unterschiede.

Robinson & Robinson untersuchten in wie weit Vorschulkinder das „Gemeinte“ vom „Gesagten“ unterscheiden können. Die Ergebnisse zeigten, dass die fünfjährigen zumeist die Ursache für Missverständnisse beim Hörer sahen. Im Alter von sieben begriffen sie, dass auch der Sprecher als Schuldiger gesehen werden kann. Die Erkenntnis, dass zwischen dem was sie „sagen“ und dem was sie „meinen“ Unterschiede liegen können, prägt sich früher ein, wenn die Mutter deutlich zu verstehen gibt, ob sie die Äußerung des Kindes akustisch oder inhaltlich nicht verstanden hat.

„Die Unklarheit beim Miteinander-Sprechen kann also die Entwicklung von unklarem Denken über sich und andere ganz allgemein und nicht nur in Bindungsbeziehungen begünstigen.“[2]

De Rosnay und Harris führten einen anderen Versuch durch. Hier wurden den Mutter-Kind-Paaren Bilder über Gefühle wie Freude und Ärger aus der eigenen Vergangenheit gezeigt, über die sie anschließend sprechen sollten. Später hatten die Kinder dann mit einer anderen Person ein Gespräch, in dem sie diese Geschichten erläutern sollten.

Der Beobachtungsschwerpunkt wurde darauf gelegt, in wie weit die Mütter Gefühle direkt ansprachen und ihre Kinder zum Reden über ihre erlebten Emotionen brachten.

Dabei ergab sich, dass die Kinder der Mütter, die diese Rolle gut übernommen hatten, hinterher ausführlicher und detaillierter das Erlebte nacherzählen konnten.

3. Anfänge zur Erfassung von Bindungsverhalten bei Sechsjährigen

Mary Main, Nancy Kaplan und Jude Cassidy führten im Jahre 1985 Untersuchungen zur Erfassung von Bindungsverhalten bei Sechsjährigen durch. Das Gesamtprojekt umfasste 189 Familien, in denen man im Alter der Kinder von 12 Monaten bereits Versuche durchgeführt hatte (vgl. Kap. 2). Aus diesen wurden 40 Kinder herausgesucht, die eine heterogene Gruppe im Bezug auf die Bindungsqualitäten mit einem Jahr ergaben. So wurden 14 Kinder mit sicherer Mutterbindung, 11 mit unsicher vermeidenden Mutterbindung, 12 Kinder mit einer desorganisiert/desorientierten Mutterbindung und 2 mit einer unsicher-ambivalenten Mutterbindung untersucht werden.

Von den Familien wurde beim Eintreffen im Versuchsraum Fotos gemacht, dann wurde ihnen ein Film vorgespielt, in dem ein Kleinkind von der Mutter vorübergehend getrennt wird. Anschließend verließen die Eltern den Raum und das Kind blieb bei einer Versuchsleiterin. Nach eine 20minütigen „Aufwärmphase“ wurde den Kindern das Foto der Familie gezeigt. Nach einer Stunde insgesamt wurden dann die Eltern zurück in den Versuchsraum gebracht. Zuerst kam die Mutter, nach drei Minuten dann der Vater.

Auf sieben Punkte wurde hauptsächlich geachtet:

1. Wie verhält sich das Kind ohne die Eltern zusammen mit der Versuchsleiterin?
2. Wie reagiert das Kind auf das Foto der Familie?
3. Welche Bindungsverhaltensmuster zeigt das Kind, wenn die Eltern zurückkehren?
4. Inwieweit ist das Kind emotional offen bei dem Gespräch über Trennung?
5. Wie flüssig sprechen die Eltern mit den Kindern beim Wiedersehen?
6. und 7. Einordnung der Eltern in eine Kategorie der inneren Arbeitsmodelle von Bindung (nach einem einstündigen Gespräch mit diesen über frühere Bindungserfahrungen).

John Bowlby (1976) nannte „die geistige Verinnerlichung von Bindungserfahrungen [...] Internale Arbeitsmodelle [...].[3] Diese steuern über unbewusste oder bewusste Regeln den Zugriff auf Informationen über Bindungen und die Erfahrungen mit ihnen. Die Regeln der internalen Arbeitsmodelle regeln nicht nur Emotionen und Reaktionen, sondern auch den Grad der Gabe sich mit bindungsrelevanten Inhalten zu beschäftigen und diese zu erkennen.

„Ein wesentliches Merkmal sicherer innerer Arbeitsmodelle ist ihre Freiheit, alles Informationen zu berücksichtigen.“[4] In bestimmten, seltenen Fällen können innere Arbeitsmodelle auch neu organisiert oder neu aufgebaut werden.

Aus der Untersuchung von Main et al. (1985) ergaben sich verschiedene Ergebnisse. Das zentralste war, dass zumeist die Bindungsklassifikation der Kinder im Alter von einem Jahr mit der im Alter von 6 Jahren gleichwertig war.

Beobachtungen des Verhaltens bei der Wiederkehr der Eltern nach einer Stunde:

Typ 1: Das Kind spricht wohlgesonnen und offen mit seinen Eltern über die getrennte Zeit und wird von diesen als gleichwertiger Gesprächsteilnehmer angesehen.

Typ 2 : Das Kind übergeht die Eltern und geht auf Abstand.

Typ 3a: Das Kind überprüft die Eltern auf eine bestrafende Art.

Typ 3b: Das Kind überprüft die Eltern „durch ängstliches fürsorgliches Verhalten.“[5]

Die Kinder reagierten auch unterschiedlich auf den Anblick des Familienfotos. Entweder erfreut und interessiert oder gleichgültig und abgeneigt. Demnach zeigt sich, dass auch in Abwesenheit der Bindungsperson die internalen Arbeitmodelle präsent sind und auch gezeigt werden.

Die Versuchgruppe legte auch einen Schwerpunkt auf den Inhalt des Dialoges bei der Rückkehr der Eltern. Hier wurden vier verschiedene Kriterien aufgestellt:

1. Ausgeglichenheit des Diskurses (Die Gesprächspartner sind gleichgestellt. Die Redezeit ist ausgeglichen)
2. Flüssigkeit des Diskurses ( Es gibt kaum Gesprächspausen. Das Kind kann den Inhalt des Gesprächs erkennen und wiedergeben)
3. Eingeschränkte Dialoge (Gesprächsthemen wechseln häufig. Es gibt häufigere und längere Gesprächspausen und kurze Antworten)
4. Unflüssigkeit des Diskurses (Starke sprachliche Schwierigkeiten der Eltern; Das Kind dominiert die Unterhaltung)

Demnach wurden Kinder als „psychisch sicher“ eingestuft, die wohlgesonnen, offen mit ihren Eltern sprachen, sich dem Familienfoto gegenüber erfreut und interessiert zeigten und mit ihren Eltern einen ausgeglichenen, flüssigen Diskurs führten.

[...]


[1] Grossmann & Grossmann, Kap. 5, S.305

[2] Grossmann & Grossmann, Kap. 5, S. 309

[3] Grossmann & Grossmann, Kap. 5, S. 311

[4] Grossmann & Grossmann, Kap. 5, S. 311

[5] Grossmann & Grossmann, Kap. 5, S. 314

Ende der Leseprobe aus 13 Seiten

Details

Titel
Bindung zu Beginn des Schulalters - ein kurzer Überblick
Hochschule
Universität Siegen
Veranstaltung
Entwicklungspsychologie auf Bindungstheoretischer Grundlage
Note
2,0
Autor
Jahr
2005
Seiten
13
Katalognummer
V47243
ISBN (eBook)
9783638442350
Dateigröße
456 KB
Sprache
Deutsch
Anmerkungen
"Referat" zu einem virtuellen Seminar. Mit anschließenden Diskussionsfragen.
Schlagworte
Bindung, Beginn, Schulalters, Entwicklungspsychologie, Bindungstheoretischer, Grundlage
Arbeit zitieren
Claudia Bartos (Autor:in), 2005, Bindung zu Beginn des Schulalters - ein kurzer Überblick, München, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/47243

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