Vom Schwarzmarkt für Organe zu einem kontrollierten weltweiten Handel - eine institutionenökonomische Analyse


Studienarbeit, 2004

25 Seiten, Note: 2,0


Leseprobe


Inhaltsverzeichnis

Abbildungsverzeichnis

Abkürzungsverzeichnis

1. Einleitung

2. Grundlagen
2.1. Begriffsdefinition Organspende
2.2. Juristische Rahmenbedingungen
2.3. Merkmale der aktuellen Marktsituation

3. Diagnose des Schwarzmarkts für Organe
3.1. Distributive Elemente
3.1.1. Negative Effekte auf der Nachfrageseite
3.1.2. Negative Effekte auf der Angebotsseite
3.2. Systemimmanenz der Folgen des Schwarzmarkthandels
3.3. Zwischenergebnis

4. Lösungsansätze zur Überwindung der Knappheit
4.1. Ausgangsüberlegung
4.2. Möglichkeiten zur Vergrößerung des Angebots
4.2.1. Opting-out-Verfahren bei Leichenspenden
4.2.2. Clubmodell
4.2.3. Institutionalisierter Handel von Organen
4.2.4. Anreizsysteme für den institutionalisierten Handel und Opting-in-Verfahren
4.2.5. Freier Markt für Organe

5. Schlussbetrachtung und Ausblick

Literaturverzeichnis

Bibliografie

Internetrecherche

Anhang

Abbildungsverzeichnis

Abb. 1: Durchschnittliche Wartezeit auf ein Organ

Abb. 2: Anzahl der Todesfälle auf der Warteliste

Abb. 3: Warteliste und transplantierte Organe (alle Organe)

Abb. 4: Warteliste und Nierentransplantationen

Abkürzungsverzeichnis

Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten

1. Einleitung

Seit der ersten erfolgreichen Organtransplantation im Jahre 1954[1] ist im Bereich der Transplantationsmedizin ein kontinuierlicher medizinischer Fortschritt in erstaunlichem Maße zu verzeichnen. Mit diesem Fortschritt geht jedoch ein wachsender Mangel an Spenderorganen einher, der in einer steigenden Zahl von Patienten resultiert, die jahrelang – zum Teil vergeblich – auf ein Transplantat warten. Leidige Konsequenz ist die Bildung eines Schwarzmarktes für Organe. In der vorliegenden Arbeit soll untersucht werden, ob diese unbefriedigende Situation mit Hilfe der Ökonomie, der Lehre von der Zuteilung knapper Güter, verbessert werden kann. Zuerst wird dabei auf die Grundlagen im Bereich der Organtransplantation eingegangen, anschließend folgen eine Diagnose des Schwarzmarktes für Organe und Überlegungen zur Überwindung der Knappheitssituation. Aus den Ergebnissen werden abschließend Vorschläge für eine künftige Lösung des Problems der Organgewinnung und –allokation abgeleitet.

2. Grundlagen

2.1. Begriffsdefinition Organspende

Unter Organspende versteht man „die Übertragung von Zellen, Geweben oder Organen auf ein anderes Individuum, oder an eine andere Stelle des selben Individuums"[2]. Weiterhin unterscheidet man zwischen Lebendspende, bei der Teile von Geweben oder Organen lebender Organismen transplantiert werden, und Leichenspende. Auf weitere (mögliche) Unterteilungen soll an dieser Stelle nicht eingegangen werden.

2.2. Juristische Rahmenbedingungen

Im Gegensatz zur herrschenden Meinung ist die internationale Rechtslage bezüglich der kommerziellen Nutzung von Organen nicht eindeutig. So ist zwar der An- und Verkauf von Organen in den meisten Ländern gesetzlich verboten, anderenorts wie z.B. in einigen Ländern der ehemaligen UDSSR, aber auch in Albanien und Kroatien ist die Rechtssituation nicht eindeutig geklärt[3] und im Iran existiert letztendlich sogar das Modell eines staatlich organisierten Organhandels[4].

Rein juristisch gesehen stellt allein schon die Entnahme von (gesundem) Gewebe oder Organen einen Akt der Körperverletzung dar, da eine Heilung oder Verbesserung des Gesundheitszustandes des Spenders nicht Ziel der Operation ist. Nur durch die Zustimmung des Spenders kann der Straftatbestand der Körperverletzung geheilt werden.[5] Neben den nationalen Regulierungen und Maßnahmen zur Eindämmung von Organhandel existiert eine Vielzahl von Beschlüssen und Resolutionen verschiedener internationaler Organisationen und Regierungsverbände; eine herausragende Rolle spielt hierbei wohl die Resolution Nr. 42.5 der Weltgesundheitsorganisation WHO, in der alle Mitgliedsstaaten aufgefordert werden, gegen Organhandel vorzugehen und diesen unter Strafe zu stellen[6]. Mit dem Erlass des Transplantationsgesetzes (TPG) im Jahre 1997 wurde auch in Deutschland die Rechtslage eindeutig geklärt. Das TPG regelt die Entnahme von Organen sowohl bei Lebenden, als auch bei Verstorbenen und enthält mit § 17 TPG ein explizites Verbot für den Handel mit Organen.[7]

2.3. Merkmale der aktuellen Marktsituation

Die im vorangegangenen Abschnitt erwähnten Resolutionen und Gesetze wurden notwendig, da seit der Einführung von Transplantationen als medizinisches Standardheilverfahren ein sehr großer Nachfrageüberhang nach Organen besteht. Durch den medizinischen Fortschritt und einer damit im Zusammenhang stehenden kontinuierlich steigenden Lebenserwartung sind Jahr für Jahr mehr Menschen auf ein Spenderorgan angewiesen. Dieser steigenden Zahl von Spendebedürftigen steht vielerorts ein stagnierender Spenderpool gegenüber, so dass die Schere zwischen Nachfrage und Angebot an Organen immer weiter aufklafft.[8] Die Ursachen für das mangelnde Angebot an Transplantaten liegen nach herrschender Meinung. hauptsächlich in religiösen Überzeugungen, dem Trittbrettfahrer- Problem, den mit einer Organspende verbunden Transaktionskosten, einer suboptimalen Nutzung des Spendepotentials in den Kliniken sowie „(...) die Angst, als eingetragener Spender im Falle einer intensivmedizinischen Behandlung nur im Dienste der Organspende behandelt zu werden“[9].

Die erwähnten Transaktionskosten entstehen zum einen in Form von psychischen Kosten, da sich der Spendewillige mit seinem eigenen Tod auseinandersetzen muss bzw. sich die Angehörigen eines Verstorbenen damit befassen müssen, ob sie seine Organe zur Entnahme freigeben wollen. Zum anderen entstehen Kosten in Form von Zeit, welche der Spender oder seine nächsten Verwandten darauf verwenden, sich gedanklich mit dem Thema Organspende auseinanderzusetzen und sich Informationsmaterial zu beschaffen.[10] Diesen Transaktionskosten steht aus Spendersicht kein direkter Nutzen entgegen. Lediglich eine Steigerung des persönlichen Wohlbefindens, des Selbstwertgefühls oder ein Gefühl des Trostes, anderen helfen zu können, stehen den erwähnten Kosten gegenüber.[11]

Auf der Seite der Spendebedürftigen herrscht jedoch eine sehr inelastische Nachfrage nach Organen[12], ähnlich der Nachfrage nach Insulin bei Diabetikern. Mittel- bis langfristig stellen technische Hilfsmittel, wie z.B. die Dialyse bei Nierenversagen, keine Alternative zu einer Organstransplantation dar, da sie nicht in der Lage sind, Körperfunktionen über einen längeren Zeitraum hinweg zu substituieren und die Lebensqualität deutlich mindern[13]. Folglich befindet sich eine Person, die auf eine Organspende angewiesen ist, konstant in einer lebensbedrohlichen Situation und wird daher im Normalfall alles versuchen, um ihr eigenes Überleben zu sichern – auch wenn dies bedeuten sollte, gegen das Gesetz zu verstoßen.[14] Solange es ein Verkaufsangebot von Spendewilligen und ein Kaufangebot von Transplantationsbedürftigen gibt, und somit ein Markt für Organe besteht, dürfte es sehr schwierig sein, diesen auszutrocknen. Im folgenden Kapitel soll auf den genannten Schwarzmarkt für Organe und die damit verbunden Implikationen für die Beteiligten eingegangen werden.

3. Diagnose des Schwarzmarkts für Organe

Die meisten der derzeit weltweit praktizierten Formen der Gewinnung von Organen zu Transplantationszwecken, sowie der Organallokation, fördern die Existenz eines Schwarzmarkts für Organe, da weder eine ausreichende Versorgung der Nachfrager besteht, noch eine objektive Verteilungsgerechtigkeit der bereitgestellten Transplantate gewährleistet werden kann[15]. Im Folgenden soll der Schwarzmarkt für Transplantate beschrieben und dargestellt werden, dass die oft zitierten Schattenseiten des Organhandels nicht aus dem Handel per se entstehen, sondern aus den ökonomischen und rechtlichen Umständen, unter denen er stattfindet. Da auf dem Schwarzmarkt nur eine sehr geringe Anzahl von Organen, die Toten entnommen wurden, gehandelt wird, soll im Folgenden nur auf den kommerziellen Handel mit Lebendspenden eingegangen werden.

3.1. Distributive Elemente

3.1.1. Negative Effekte auf der Nachfrageseite

Ein Schwarzmarkt für Organe wird im Allgemeinen mit negativen Auswirkungen für diejenigen assoziiert, die ihre Organe verkaufen, jedoch gibt es auch auf Seiten der Nachfrager eine Reihe gravierender Nachteile im Vergleich zu einer Marktlösung. So finden in der Regel keine direkten Verkaufsverhandlungen zwischen Spender und Empfänger statt, sondern der Käufer wendet sich an einen so genannten Organbroker, der als Zwischenhändler fungiert, das Transplantat beschafft und die Transplantation organisiert. Folglich erlangt der Patient, bedingt durch die Illegalität der Transaktion, erst während oder nach der Operation Kenntnis über die Qualität des medizinischen Eingriffs und des Organs, das er gekauft hat. In einem freien Markt würde ein solcher Zustand der Informationsasymmetrie zu Lasten der Nachfrager dazu führen, dass nur noch schlechte Qualität zu niedrigen Preisen angeboten, es also zu einer adversen Selektion kommen würde[16]. Aufgrund ihrer gesundheitlichen Notsituation sind die Nachfrager nach Organen jedoch auch bereit einen hohen Preis zu bezahlen, obwohl bekannt ist, dass die meisten Spender aus ärmlichen Verhältnissen stammen und somit die Qualität der Organe vermutlich geringer ist, als bei potenziellen Spendern aus Industriestaaten[17]. Kommt es infolge der schlechten Qualität eines transplantierten Organs oder infolge mangelnder Qualifikation des medizinischen Personals bzw. der technischen und hygienischen Bedingungen, unter denen die Verpflanzung stattfindet zu Komplikationen oder gar zu einer Abstoßung des Transplantates, so hat der Empfänger keine Möglichkeit seine Ansprüche auf Ersatz, Schadensersatz oder Wiedergutmachung geltend zu machen, da der Kauf von Organen rechts- und sittenwidrig ist[18]. Eine weitere Folge des Schwarzmarkthandels ist daher auch die Kriminalisierung der Empfänger durch den Kauf von Organen. Hinzu kommt die psychische Belastung, die durch das Wissen entsteht, möglicherweise die ökonomische Notlage eines Spenders ausgenutzt zu haben, um durch den Kauf eines seiner Organe das eigene Überleben zu sichern.

3.1.2. Negative Effekte auf der Angebotsseite

Obwohl auch auf der Nachfrageseite des Schwarzmarktes für Organe schwerwiegende negative Effekte entstehen, ist das Verbot des kommerziellen Organhandels doch eher in den möglichen Folgen für die Anbieter begründet. Als eines der Hauptargumente gilt hierbei die Ausbeutung der unvermögenden (mittellosen, minderbemittelten) Organspender durch die vermögenden (wohlhabenden) Käufer ihrer Organe. Unabhängig vom ethischen Aspekt dieser Frage ist festzustellen, dass ein Großteil des Geldes, das ein Käufer an den Organbroker zahlt (bei einer Nierentransplantation sind dies bis zu $ 150.000), nicht dem Verkäufer zukommt, sondern dafür verwendet wird, den Zwischenhändler und das Transplantationsteam zu bezahlen sowie für die etwaige Zahlung von Schmiergeldern und Transportkosten, die mit der Transplantation in Verbindung stehen[19].

Weiterhin ist anzuführen, dass die Spender in den meisten Fällen, wenn überhaupt, nur unzureichend über die Folgen einer Organspende aufgeklärt werden[20]. Die klinischen und medizinischen Umstände, unter denen die Explantationen durchgeführt werden, sind oft sehr schlecht; eine postoperative Nachsorge besteht in den meisten Fällen nicht oder nur in einem sehr unzureichenden Ausmaß. Ähnlich wie bei den Käufern von Organen besteht aufgrund des Straftatbestands auch auf Seiten der Verkäufer keinerlei rechtliche Handhabe im Falle eines Vertragsbruchs durch den Organhändler. So bleiben oft Zahlungen für die gespendeten Organe aus oder werden nur teilweise geleistet[21].

3.2. Systemimmanenz der Folgen des Schwarzmarkthandels

Ein Großteil der im vorangegangenen Kapitel aufgezeigten negativen Folgen des Schwarzmarktes für Organe liegt nicht im kommerziellen Handel mit Organen an sich begründet, sondern in der Marktform in der dieser Handel, bedingt durch seine Illegalität, stattfindet[22]. Auf einem legalisierten Markt für Organe könnten die meisten der derzeit kritisierten Folgen des Organhandels beseitigt werden, da sich der Markt innerhalb der gesetzlich festgelegten Rahmenbedingungen selbst reguliert. Der überhöhte Preis, der derzeit für Organe gezahlt werden muss, entspricht nicht dem Marktpreis, sondern einem überhöhten Preis, der einen Risikozuschlag beinhaltet[23]. Dieser Zuschlag entsteht vor allem durch die Illegalität des Organhandels und fällt bei einem legalisierten Handel gänzlich weg. Dadurch sinkt der Marktpreis für Organe und die Anbieter erhalten gleichzeitig mehr Geld, da Zwischenhändler nicht mehr nötig sind bzw. deren Provision sehr viel geringer ausfällt. Gleichzeitig können sowohl Anbieter wie auch Nachfrager im Falle eines Vertragsbruchs ihre Ansprüche gerichtlich geltend machen, weil auf einem legalen Markt Rechtssicherheit herrschen würde.

[...]


[1] Vgl. Nagel/ Schmidt (1996), S. 6.

[2] Pschyrembel (2002), S. 1680 f.

[3] Vgl. Nickel/ Schmidt-Preisigke/ Sengler (2001), S. 6.

[4] Vgl. Feyerabend, Junge Welt vom 16.12.02.

[5] Vgl. Schreiber (1991), S. 13f.

[6] Vgl. Fluss (1991), S. 160.

[7] Vgl. Nickel/ Schmidt-Preisigke/ Sengler (2001), S. 206.

[8] Vgl. Breyer/ Kliemt (1995), S. 135.

[9] Gold/ Schulz/ Koch (2001), S. 9.

[10] Vgl. Hebborn (1998), S. 138f.

[11] Vgl. ebenda, S. 138.

[12] Vgl. Frey (1994), S. 27.

[13] Vgl. Greiner/ Graf v. d. Schulenburg (1995), S. 94.

[14] Vgl. o.V., www.wissenschaft-technik-ethik.de/organspende und transplantation.html

[15] Vgl. Frey (1994), S. 35f.

[16] Vgl. Fritsch/ Wein/ Ewers (1993), S. 188 ff., auch zu „adverser Selektion“ im Allgemeinen.

[17] Vgl. Abouna (1991), S. 547.

[18] Vgl. König (1999), S. 61.

[19] Vgl. Abouna (1991), S. 547f.

[20] Vgl. ebenda, S. 556.

[21] Vgl. Finkel, The New York Times vom 27.5.2001.

[22] Vgl. Radcliffe-Richards (1991), S. 193.

[23] Vgl. Frey (1994), S. 33.

Ende der Leseprobe aus 25 Seiten

Details

Titel
Vom Schwarzmarkt für Organe zu einem kontrollierten weltweiten Handel - eine institutionenökonomische Analyse
Hochschule
Universität Bayreuth
Note
2,0
Autor
Jahr
2004
Seiten
25
Katalognummer
V47367
ISBN (eBook)
9783638443319
ISBN (Buch)
9783638659369
Dateigröße
616 KB
Sprache
Deutsch
Schlagworte
Schwarzmarkt, Organe, Handel, Analyse
Arbeit zitieren
Stefan Tzschentke (Autor:in), 2004, Vom Schwarzmarkt für Organe zu einem kontrollierten weltweiten Handel - eine institutionenökonomische Analyse, München, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/47367

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