Die Erstellung eines Universitätslehrganges "Master of Public Health - Prävention und Gesundheitsvorsorge''. Bedarfsanalyse, inhaltliche Gestaltung und Lehrgangsimplementierung


Diplomarbeit, 2005

110 Seiten, Note: Sehr Gut


Leseprobe


INHALTSVERZEICHNIS:

1. Vorwort

2. Einleitung

3. Was ist Public Health?

4. Bedarfsanalyse
4.1. Definition ausgewählter Zivilisationskrankheiten
4.1.1. Adipositas
Definition
Folgen
4.1.2. Diabetes Mellitus
Definition
Folgen
4.1.3. Hypertonie
Definition
Folgen
4.2. Darstellung der aktuellen epidemiologischen Situation hinsichtlich der genannten Zivilisationskrankheiten
4.2.1. Adipositas
4.2.2. Diabetes Mellitus
4.2.3. Hypertonie
4.3. Fakten zur Gesundheitsvorsorge, -förderung und Prävention in Österreich
4.3.1. Subjektives Gesundheitsempfinden der Österreicher
4.3.2. Ausgewählte gesundheitliche Einflussfaktoren
Somatische Basisdaten
Ernährung
Sport und Bewegung
Suchtverhalten
Belastungen im Alltag
4.3.3. Regionale Disparitäten - Zusammenfassung
4.3.4. Gesundheitsvorsorge und Gesundheitsförderung in Österreich
4.4. Sportwissenschaftlicher Exkurs: Welchen Stellenwert hat körperliche Aktivität in Prävention und Therapie?
4.4.1. Körperliche Aktivität in der Prävention

5. Die Einrichtung des Universitätslehrganges
5.1. Wissenschaftliche Leitung
5.2. Organisatorische Leitung
5.3. Fachbeirat
5.4. Homepage

6. Zielqualifikationen
6.1. Zulassungsvoraussetzungen
6.2. Vermittelte Kompetenzen
6.3. Leitende Prinzipien

7. Anforderungen an das Curriculum
7.1. Dauer und Gliederung
7.2. Basis- und Vertiefungsstudium
7.3. Curriculum – Beschreibung der Pflichtfächer
7.3.1. Basisstudium
Basismodul 1 – Biostatistik
Basismodul 2 – Epidemiologie
Basismodul 3 – Environmental Health Sciences – Umweltmedizin
Basismodul 4 – Health Services Administration – Gesundheitsökonomie
Basismodul 5 – Social and Behavioral Sciences – Gesundheitssoziologie
Basismodul 6 – Ethik
7.3.2. Vertiefungsstudium
Modul A – Grundlagen der Gesundheitswissenschaft und von Public Health
Modul B – Grundlagen der Organisation und Managementwissenschaften
Modul C – Lifestylemanagement
Modul D – Leistungsphysiologie – Sportmedizin
Modul E - Sportmedizinische und Sportmotorische Testverfahren und Trainingsberatung
Modul F – Funktionelle Anatomie, Biomechanik, Traumatologie, Orthopädie, Physikalische Medizin
Modul G – Sportmedizinische Betreuungsmodelle im Leistungssport, Breitensport, Prävention und Rehabilitation
Modul H – Ernährung und Stoffwechsel
Modul I – Psychologie und Gesundheit
Modul J – Skilltraining
Modul K – Betriebliche Gesundheitsförderung
Modul L – Lebensstilfaktoren – Alkohol, Nikotin, Suchtverhalten, Medikamentenabusus
Modul M – Spezielle Populationen
Modul N – Gesundheitskommunikation
Modul O – Teilnahme an Tagungen und Kongressen im Rahmen des Vertiefungsstudiums
Modul P – Wissenschaftliches Arbeiten

8. Berufsbild „Master of Public Health“
8.1. Bezeichnung der Absolventen
8.2. Berufsbild
8.3. Berufschancen

9. Semesterdetailplanung 1. Semester
9.1. Impulsvorlesungen
9.2. Blockseminare
9.3. Praxisseminar
9.4. Internship

10. Lehrgangsevaluierung

11. Abbildungsverzeichnis

12. Literaturverzeichnis
12.1. Web-Links

13. Tabellenanhang

1. Vorwort

Im Jahr 2004 Wurde von Univ.- Prof. Norbert Bachl und Univ.- Prof. Anita Rieder die Idee eines Universitätslehrganges „Master of Public Health – Prävention und Gesundheitsvorsorge“ ins Leben gerufen. Geplant als Kooperation zwischen Universität Wien und Medizinischer Universität Wien sollte mit der Implementierung eines derartigen Lehrganges eine Bedarfslücke in der Aus- und Weiterbildung in den Bereichen Lebensstilmedizin und Gesundheitsvorsorge geschlossen werden.

Mein Kollege Dr. Piero Lercher und ich (Hans-Christian Miko) wurden in diesem Zusammenhang beauftragt, im Sinne einer organisatorischen Lehrgangsleitung und nach Vorgaben durch die wissenschaftliche Lehrgangsleitung – repräsentiert durch Univ.- Prof. Norbert Bachl und Univ.- Prof. Anita Rieder –, diesen Lehrgang vorzubereiten, zu implementieren und in weiterer Folge zu leiten.

Die vorliegende Arbeit wurde während der Vorbereitungsarbeiten und der Implementierung dieses Lehrganges erstellt. In einer Art Berichterstattung sollen grundlegende und weiterführende Überlegungen zu

momentaner epidemiologischer Situation,

der Notwendigkeit eines derartigen Lehrganges,

inhaltlichen Anforderungen an das Curriculum,

Zielqualifikationen für die Studierenden

und Berufsbild sowie Berufschancen der Absolventen

dargelegt werden.

2. Einleitung

Wenn man in Internet-Suchmaschinen den Begriff „Public Health“ eingibt, so finden sich bei weltweiter Abfrage fast 62 Millionen Einträge. Beim Suchbegriff „Beatles“ erscheinen „nur“ knapp 13 Millionen Einträge. Daraus lässt sich auch die Bedeutung erahnen, die diesem Begriff zuzuordnen ist, der ins Deutsche als „Öffentliche Gesundheit“ übersetzt wird. (Lercher 2005)

In den letzten Jahrzehnten stehen eine Vielzahl von epidemiologischen Studien und Metaanalysen zur Verfügung, welche signifikante Zusammenhänge zwischen einzelnen Merkmalen der physischen, psychischen und sozialen Gesundheit und speziellen Lebensstilbedingungen sichergestellt haben. So haben regelmäßige körperliche Aktivität und Sport, eine dem jeweiligen Berufs- und Freizeitverhalten angepasste Ernährung sowie Strategien zur Stressvermeidung beziehungsweise Stressbewältigung eine vorbeugende Wirkung auf verschiedenen Zivilisationserkrankungen unserer Zeit. Aus gesellschafts- und gesundheitspolitischer Sicht sind in Österreich wie in den meisten anderen so genannten „Developed Countries“ Männer und Frauen aller Altersgruppen beziehungsweise Kinder und Jugendliche betroffen. Dabei spielen bei gleicher Wertigkeit sowohl subjektive Faktoren wie Lebensqualität und Lebenszufriedenheit wie auch objektive Faktoren, also erhöhte und stetig steigende Krankheitskosten eine entscheidende Rolle. Der Bogen reicht von Kindern und Jugendlichen mit Übergewicht und Haltungsschäden (Bewegungsmangel, falscher Ernährung) über Erwachsene, bei denen ein besorgniserregender Bewegungsmangel und Fehlernährung mit einer steigenden Inzidenz und Prävalenz chronischer Erkrankungen einhergehen, bis zu Senioren, bei denen Lebensqualität und Mobilität aufgrund frühzeitig entstandener Erkrankungen beziehungsweise Multimorbiditäten dramatisch eingeschränkt sind. Die stetig steigenden Kosten im Gesundheits-Krankheitssystem machen es notwendig, qualifizierte „Professionals für Prävention und Gesundheitsförderung“ auszubilden, welche im Sinne der erwähnten Gesamtproblematik adäquate wissenschaftlich gesicherte Konzepte entwickeln oder übernehmen, umsetzen und evaluieren können.

Um der genannten Thematik und somit dem wachsenden Bedarf an qualifizierten Fachkräften im öffentlichen und privaten Gesundheitssektor Rechnung zu tragen, bieten die Universität Wien und die Medizinische Universität Wien in einer erstmaligen Lehrgangskooperation einen Universitätslehrgang „Master of Public Health“ an.

Unter der wissenschaftlichen Leitung von Univ. Prof. Dr. Anita Rieder seitens der Medizinischen Universität Wien und Univ. Prof. Dr. Norbert Bachl seitens der Universität Wien wurde gemeinsam mit der organisatorischen Lehrgangsleitung durch den Umwelt- und Präventivmediziner Dr. Piero Lercher und meiner Person (Miko Hans-Christian) ein Curriculum zusammengestellt, das eine fundierte Qualifikation mit hoher Praxisorientierung darstellt.

Der Master-Lehrgang der beiden Wiener Universitäten bietet in Form eines viersemestrigen, berufsbegleitenden postgradualen Studiums die Möglichkeit, auf dem Gebiet der integrativen Prävention und Lebensstilmedizin die entsprechenden Kompetenzen und Fähigkeiten zu erwerben, um sie im intra- wie extramuralen Bereich zielgruppenorientiert im Sinne der Öffentlichen Gesundheit (Public Health) anwenden und evaluieren zu können. Damit verbunden sind der Erwerb von umfassenden Wissensgrundlagen und fachlichen Qualifikationen für Führungsaufgaben und Leitungsfunktionen im Gesundheitswesen mit Schwerpunkt Prävention und Gesundheitsförderung.

Das interdisziplinäre Curriculum des Master-Studienganges in Public Health setzt den Schwerpunkt in der Ausbildung für Lebensstilmedizin mit besonderer Berücksichtigung der Leistungs-, Ernährungs- und Sozialmedizin, Epidemiologie und Gesundheitsmanagement mit besonderer Berücksichtigung hinsichtlich Kompetenzen zur nachhaltigen Umsetzung des erworbenen Wissens in der Praxis wie im Ambulanzbereich und schließt damit eine wichtige Bedarfslücke in Österreich.

Das Studienprogramm des Universitätslehrganges orientiert sich dabei an international geltenden Standards für wissenschafts- und forschungsgeleitete Lehre im Bereich Public Health, an den EU-Richtlinien für Gesundheitsvorsorge, sowie an vergleichbaren European Master Studies. Der Universitätslehrgang dauert 4 Semester und umfasst 120 ECTS Punkte. Er ist berufsbegleitend in modularer Form aufgebaut und wird in Form von Pflichtmodulen, Wahlfachmodulen, Praxisseminaren, Internships und Modulen an ausländischen Partneruniversitäten durchgeführt.

3. Was ist Public Health?

„Public Health“ ist ein multidisziplinärer Bereich, der sowohl Natur- als auch Sozialwissenschaften inkludiert. Auf Basis von biomedizinischen Erkenntnissen und in sinnvoller Ergänzung dazu werden quantitative wissenschaftliche Methoden, wie in der Epidemiologie oder Biostatistik, aber auch qualitative Methoden der Sozialwissenschaften angewandt, um gesundheitsrelevante Daten zu erfassen, Einflüsse von Gesellschaft und Umwelt auf Gesundheit und Krankheit aufzudecken, deren Bedeutung für die gesamte Bevölkerung zu analysieren sowie bevölkerungsbezogene Maßnahmen für die Prävention, Gesundheitsförderung, verbesserte medizinischen Versorgung, Änderung des Verhaltens oder Lebensstils und für die Kontrolle der Umweltbedingungen entwickeln zu können. Das Ziel von Public Health ist demnach, den physischen und psychischen Gesundheitszustand der Bevölkerung durch gesundheitsbezogene Initiativen in Forschung, Bildung und Öffentlichkeitsarbeit zu verbessern.

Außerhalb Europas, insbesondere im angloamerikanischen Raum, wurde der Bedeutung von Public Health an vielen Universitäten durch die frühzeitige Gründung von „Schools of Public Health“ Rechnung getragen (z.B. Harvard 1922!). In Österreich ist der Begriff "Public Health" sowie seine umfassende Bedeutung vergleichsweise wenig bekannt.

In Österreich herrscht für „Public Health“ hinsichtlich der universitären Verankerung seiner Aufgaben, Ziele und Bedeutung in Forschung und Lehre und hinsichtlich seiner Akzeptanz in Politik und Gesellschaft ein großer Nachhol- und Entwicklungsbedarf. Ein erster Schritt war die Gründung einer eigenen Organisationseinheit für „Public Health“ an der Medizinischen Universität Wien, in der folgenden bisherigen Einrichtungen dafür eine gemeinsame Plattform geboten werden soll: Sozialmedizin, Umwelthygiene, Medizinische Psychologie, Geschichte der Medizin, Allgemeinmedizin, Epidemiologie, Ökotoxikologie und Ethik in der Medizin.

Der Forschungsbereich „Public Health“ soll sich nach diesem Ansatz der Medizinischen Universität Wien in die folgenden Schwerpunkte gliedern[1]:

1. Principles of Public Health

Entwicklung von Methoden und Verfahren zur Erfassung und Auswertung von gesundheitsrelevanten Daten

Planung von bevölkerungsbezogenen Maßnahmen zur Krankheitsverhütung, Lebensverlängerung und Gesundheitsförderung

2. Environmental and Occupational Health

Analyse von Gesundheitszustand der Bevölkerung und sozialer und beruflicher Umwelt

Erfassung und Quantifizierung von Risiken für die Bevölkerung hinsichtlich physischer und psychischer Gesundheit, Sicherheit und Umwelt

Entwicklung von effizienten Strategien zur Gesundheitsförderung

3. Family and Community Health

Analyse des gesundheitsrelevanten Verhaltens der Bevölkerung in ihrem sozialen, kulturellen und ethnischen Umfeld

Aufzeigen von gesundheitsstörendem Verhalten

Entwicklung und Implementierung von begleitend - unterstützenden Maßnahmen

4. Health and Gender

Untersuchung von geschlechtsspezifischen Unterschieden bei Gesundherhaltung und bei Krankheitsentstehung und -verlauf sowie Therapie

5. Health Services Research

Erfassung und Analyse von Organisation, Effizienz und Finanzierung von Einrichtungen des Gesundheitssystems sowie Maßnahmen der Gesundheitspolitik

Entwicklung und Evaluierung von Maßnahmen zur Qualitätssicherung im Gesundheitswesen

6. Health Policy Research

Analyse von nationalen und internationalen Strategien der Gesundheitsversorgung

Evaluierung des Zugangs zu den Versorgungsstrukturen für die verschiedenen sozialen und ethnischen Schichten der Bevölkerung

Analyse der Finanzierung des Gesundheitssystems

7. Education and Training of Health Professionals

Entwicklung von Methoden zur Verbesserung der Aus-, Weiter- und Fortbildung aller Gesundheitsberufe, biomedizinischer Wissenschaftler und Führungspersönlichkeiten im Gesundheitswesen

4. Bedarfsanalyse

Die Aufgabe von Public Health besteht darin, sich für die Schaffung von gesellschaftlichen Rahmenbedingungen, Umweltbedingungen, und Bedingungen der gesundheitlichen Versorgung einzusetzen, unter welchen Menschen gesund leben können. Public Health befasst sich entsprechend mit der Gesundheitsförderung und Prävention, aber auch mit dem kurativen und rehabilitativen Bereich. Im zunehmend komplexer werdenden Gesundheitswesen sind heute professionell tätige Fachleute gefragt, welche sich auf wissenschaftlicher Basis und unter optimaler Verwendung vorhandener Ressourcen für die Gesundheit der Bevölkerung, beziehungsweise größerer Bevölkerungsgruppen, einsetzen.

4.1. Definition ausgewählter Zivilisationskrankheiten

Da sich Lebensstil und Umwelteinflüsse in den letzten Jahrzehnten stark gewandelt haben, treten zunehmend Krankheitsbilder auf, die bei Naturvölkern selten sind oder ganz fehlen. Zu den umweltbedingten Krankheitsursachen gehören nur schwer beeinflussbare äußere Bedingungen wie Lärm und der Schadstoffgehalt von Luft und Lebensmitteln. Aber auch der Lebensstil des Einzelnen, Nahrung und Genussmittel können zur Entstehung von Krankheiten beitragen.

In der Literatur findet man auf der Suche nach Zivilisationskrankheiten wenig einheitliche Definitionen. Die mir am ehesten geeignete fand ich im renommierten online Nachschlagewerk WISSEN.DE:

Unter Zivilisationskrankheiten versteht man zusammenfassende Bezeichnung für funktionelle und organische Gesundheitsstörungen und Krankheitszustände, bei denen materielle wie ideelle Einflüsse der Zivilisation auf den Menschen von auslösender, begünstigender oder auch ursächlicher Bedeutung sind; die Skala dieser Einflüsse ist außerordentlich weit und reicht von den einfachsten Lebensbedingungen der Wohnung, Kleidung, Ernährung, Hygiene, Beleuchtung über die Arbeits- und Lebensgewohnheiten bis zu den Gegebenheiten des Zusammenlebens der Menschen und den nachteiligen Seiten der Technisierung wie unphysiologisch einseitige Belastung, ungenügende Abhärtung, Lärmeinfluss, Luftverunreinigung, Genussmittelmissbrauch, abnorme Betriebsamkeit des modernen Erwerbslebens, Unsicherheit, Existenzangst.

Zu den Zivilisationskrankheiten gehören u. a. Verdauungs- und Stoffwechselstörungen, Verfall des Gebisses (Karies), zahlreiche Erkältungskrankheiten, Neurosen und Kreislaufstörungen.

(Quelle: www.wissen.de)

Dazu gehört Adipositas als Folge der Überernährung und deren Folgeerkrankungen wie Diabetes und Hypertonie. Andere Zivilisationskrankheiten sind Allergien durch die oft übertriebene Hygiene und Fußerkrankungen durch untaugliches Schuhwerk. Manche Autoren rechnen auch Alterserkrankungen wie Krebs, Herzinfarkt und Alzheimer zu den Zivilisationskrankheiten. Sie folgen dabei der Auffassung, dass ihre Ursache im (stressigen) zivilisierten Lebenswandel liegt oder diese unter Umständen durch die Schulmedizin (z.B. Antibiotika) erst ausgelöst werden.

4.1.1. Adipositas

Adipositas ist ein Zustand, der durch eine übermäßige Ansammlung von Fettgewebe im Körper gekennzeichnet ist. Die Adipositas wird heute als eine chronische Gesundheitsstörung verstanden. Sie beruht auf einer polygenetischen Veranlagung, geht mit einer hohen Begleit- und Folgemorbididtät einher und erfordert ein langfristiges Behandlungs- und Betreuungskonzept. Übergewicht und Adipositas sind in der Bevölkerung epidemisch verbreitet. Etwa jeder dritte erwachsene Österreicher[2] ist deutlich übergewichtig und sollte aus medizinischen Gründen Gewicht abnehmen. Längst ist unbestritten, dass Übergewicht und Adipositas hohe Kosten für das Gesundheitssystem verursachen.

Die Entwicklung der Adipositas hängt stark von genetischen Faktoren ab. In der Bevölkerung ist eine erbliche Prädisposition für Fettsucht weit verbreitet. Bei genetisch veranlagten Menschen entscheiden die Lebensweise (z. B. Ernährung und körperliche Betätigung) und zwischenmenschliche, verhaltensbezogene, kulturelle und gesellschaftliche Faktoren darüber, ob es zur Adipositas kommt oder nicht. Mit der Fettsucht steigt das Risiko einer ernsten Erkrankung z. B. Diabetes, Herz-Kreislauf-Erkrankungen und Gelenkerkrankungen. Zwischen einigen Krebsformen und Fettsucht besteht ein starker Zusammenhang. Adipositas wirkt sich auch sehr negativ auf die Lebensqualität aus.

Die gesellschaftlichen Kosten der Adipositas und der mit ihr verbundenen Erkrankungen sind hoch. Das Wissen über die Kostenwirksamkeit verschiedener Maßnahmen gegen Fettsucht ist jedoch beschränkt. Die Kostenwirksamkeit präventiver Maßnahmen lässt sich nicht berechnen, da über ihren Erfolg zu große Unsicherheit herrscht. Unter den verschiedenen Methoden zur Gewichtsreduzierung verursachen Ernährungsberatung, Verhaltenstherapie, Umstellung auf fettarme Lebensmittel mit geringerem Energiegehalt und chirurgische Eingriffe im Gegensatz zu Arzneimitteln relativ die geringeren Kosten.[3]

Die Vernetzung der Untersuchung, Behandlung und Prävention von Übergewichtsproblemen mit den so genannten Essstörungen ist hoch relevant. Viele unkoordiniert laufende Maßnahmen zur Prävention von Essstörungen und Adipositas stellen ein eminentes Problem dar: Maßnahmen zur Prophylaxe oder Bekämpfung einer Störung können die anderen Störungen auslösen. Obwohl die Behandlung von Adipositas nur interdisziplinär zum Erfolg führen kann, werden zahlreiche Einzelangebote gemacht. Vor allem Ernährungsberatung durch Nichtfachleute, Kurzdiäten ohne Nachbetreuung, für Adipöse mit Bluthochdruck oder orthopädischen Problemen gefährliche Sportangebote und bisweilen völlig wirkungslose Naturheilstoffe erfreuen sich großer Beliebtheit. Sie hinterlassen bei Wirkungslosigkeit nicht nur finanziellen Schaden sondern auch den, dass sich adipöse Menschen den weiteren gescheiterten Versuch selbst zuschreiben. Sie werden misserfolgsorientiert, leiden unter Diätenburnout und werden depressiv.

Definition

Als Übergewicht wird eine über das normale Maß hinausgehende Vermehrung des Körperfettes verstanden. Als Berechnungsgrundlage dient der Body-Mass-Index (BMI), der das Körpergewicht (Masse in Kilogramm) in Relation zur Körpergröße (Quadrat der Körperlänge in Metern) setzt.

Als Kenngrößen dienen laut WHO folgende Bezeichnungen:

Untergewicht: Ein BMI unter 18,5

Normalgewicht: Ein BMI zwischen 18,5 und 24,9

Prä-Adipositas (Übergewicht): ein BMI von 25 bis 29,9

Adipositas Grad 1: ein BMI von 30 bis 34,5

Adipositas Grad 2: BMI von 35 bis 39,9

Adipositas Grad 3: Ein BMI von 40 und höher

Eine etwas von dieser Klassifizierung abweichende Definition wird von Eurostat bei der Datenerhebung und Datenauswertung herangezogen. Nach den Definitionen von Eurostat gilt ein Body-Mass-Index (BMI) von 21 bis unter 26 kg/m2 als „normal“. Bei einem BMI von 18 bis unter 21 gilt die betreffende Person als untergewichtig und bei einem BMI unter 18 als stark untergewichtig. Eine Person mit einem BMI zwischen 26 und 30 ist laut Eurostat als übergewichtig einzustufen, ab einem BMI von 30 als stark übergewichtig (vgl. Eurostat 2000, S. 3).

Diese Einteilungen erfolgen, um jene Personen zu identifizieren, die einer besonderen Gefährdung ausgesetzt sind, die bereits oben erwähnten Erkrankungen zu entwickeln. Es ist allerdings zu beachten, dass der BMI nicht uneingeschränkt für alle Personen verwendet werden kann: Da Muskeln schwerer sind als Fett, haben sehr aktive Sportler häufig ein hohes Körpergewicht und damit einen BMI, der Übergewicht oder mehr angibt. Um solche Fehlinterpretationen zu verhindern, muss evtl. zusätzlich das Muskelmasse/Fett-Verhältnis berücksichtigt werden. Auch bei Kindern und Jugendlichen wird der BMI zur Diagnosestellung herangezogen, allerdings unter Zuhilfenahme geschlechts- und altersabhängiger Bewertungskurven modifiziert.

Folgen

Ein hoher Body-Mass-Index gilt als unabhängiger Risikofaktor für zahlreiche Erkrankungen, wie z. B. Diabetes mellitus Typ II, Hypertonie, Fettstoffwechselstörungen, koronare Herzkrankheiten, Arteriosklerose und deren Folgeerkrankungen, Gallensteinleiden, Malignome, Gicht und kann das Obstruktive Schlafapnoesyndrom[4] verursachen. Weiters bestehen ein erhöhtes Operationsrisiko und eine reduzierte Beweglichkeit sowie eine Beeinträchtigung der Lebensqualität. Es wird geschätzt, dass in einer fiktiven Population von 1 Million Personen im Alter von 35 bis 84 Jahren 45 Prozent aller Fälle von Hypertonie, 85 Prozent aller Fälle von Typ-II-Diabetes, 18 Prozent aller Fälle von Hypercholesterinämie und 35 Prozent aller Fälle von koronarer Herz-Krankheit auf Adipositas zurückzuführen sind.[5]

In Amerika gilt Adipositas bereits jetzt als Hauptursache für Morbidität und Mortalität. Schätzungen gehen davon aus, dass jedes Jahr 300.000 Todesfälle auf die Folgen der Fettsucht zurückzuführen sind, da ein Body-Mass-Index über 30 kg/m² die Mortalität zwischen 50–150 Prozent erhöhen kann[6].

Die Adipositas stellt ein weltweit dermaßen zunehmendes Problem dar, dass die WHO ebenso wie die CDC[7] inzwischen von einer globalen Epidemie bzw. Pandemie sprechen, die ebenso ernst genommen werden sollte wie jede zum Tode führende Infektionskrankheit.

4.1.2. Diabetes Mellitus

In der wissenschaftlichen Literatur und in WHO-Dokumenten wird von einer weltweiten Diabetes-Epidemie gesprochen und in diesem Zusammenhag von einer der größten Herausforderungen des öffentlichen Gesundheitssystems in den kommenden Jahrzehnten.

Einer aktuellen Studie der WHO[8] zufolge waren im Jahr 2004 3,2 Millionen Strebefälle direkt den Folgen einer Diabetes-Erkrankung zuordenbar. Diese Zahl ist vergleichbar mit den Sterbeziffern durch HIV/AIDS Erkrankungen! Besonders drastisch stellt sich die Situation dar, wenn man einzelne demographische Altersgruppen betrachtet. So ist jeder zehnte Todesfall in der Altersgruppe der 35 bis 64 Jährigen durch Diabetes verursacht (dem WHO-Bericht zufolge in manchen Regionen sogar jeder vierte!).

Im Jahr 2004 lag die Zahl der weltweit an Diabetes erkrankten Menschen bei mehr als 171 Millionen. Infolge der Kombination von Bevölkerungswachstum, höherer Lebenserwartung und veränderten Lebensstilen rechnet die WHO mit einer Verdopplung dieser Zahl bis zum Jahr 2030[9].

Das Risiko von Diabetes und den dadurch bedingten Komplikationen und Folgeerkrankungen kann deutlich reduziert werden. Gewichtsreduktion in Kombination mit angemessener körperlicher Aktivität hat sich hinsichtlich einer Prävention oder zumindest Verzögerung einer manifesten Diabeteserkrankung bei Personen mit verminderter Glukosetoleranz als die beste Behandlungstaktik erwiesen.

Um nachhaltig Einfluss auf die weltweit bedrohliche Entwicklung von Diabetes zu nehmen, ist es notwendig, nationale und internationale Aktionspläne zu erstellen, welche zu einer Reduktion von Fettleibigkeit/Übergewicht und Adipositas, sowie zu einer Steigerung körperlicher Aktivität der Bevölkerung führen. Derartige Aktionspläne werden seit einigen Jahren unter anderem von der WHO verfasst, ihre Umsetzung lässt jedoch aufgrund mangelnder Akzeptanz in der Bevölkerung (und wie ich persönlich meine auch beim medizinischen Personal!) weiterhin zu wünschen übrig.

Definition

Der Diabetes Typ 1 ist eine Stoffwechselerkrankung, die zu erhöhten Blutzuckerwerten führt. Verursacht wird die Erkrankung durch den Mangel am Hormon Insulin. Daher wurde der Diabetes Typ 1 früher auch insulinabhängiger Diabetes mellitus genannt. Lange Zeit war der Diabetes Typ 1 auch unter dem Begriff "jugendlicher" Diabetes geläufig, da er in der Regel bei Kindern und Jugendlichen zum ersten Mal auftritt. Unter den Diabetes-Erkrankungen macht der Diabetes Typ 1 etwa fünf Prozent aus.

Diabetes Typ 1 gehört zu den so genannten Autoimmunerkrankungen. Körpereigene Abwehrstoffe zerstören die Insulin produzierenden Zellen der Bauchspeicheldrüse. Diese fortschreitende Entzündung und Zerstörung der Zellen entsteht über viele Jahre. Bei manchen Menschen werden Jahre vor dem Ausbruch der Krankheit bereits Abwehrzellen gegen die Zellen der Bauchspeicheldrüse gefunden.

Alle Körperzellen benötigen das Hormon Insulin, um Zucker aus der Blutbahn aufzunehmen. In der Zelle wird der Zucker zu Energie verbrannt. Kann der Zucker nicht von den Zellen aufgenommen werden, steigt die Zuckerkonzentration im Blut an. Ist eine bestimmte Konzentration des Zuckers im Blut überschritten, gelangt der Zucker in den Harn, wird ausgeschieden und kann dort nachgewiesen werden.

Die Ursachen für diese Fehlsteuerung des Immunsystems sind heute noch weitgehend unbekannt. Man glaubt, dass manche Bakterien oder Viren den Bauchspeicheldrüsenzellen so ähnlich sind, dass der Körper nicht nur diese eingedrungenen Bakterien oder Viren unschädlich macht, sondern auch die eigenen Zellen angreift. Auch Erbfaktoren spielen bei der Krankheitsentwicklung eine gewisse Rolle.

Der Typ-I-Diabetes ist nicht heilbar. Das Auftreten von Komplikationen hängt von der Stoffwechseleinstellung ab. Je besser der Diabetes eingestellt ist, desto später und seltener treten Komplikationen auf.

Diabetes Typ 2 ist eine Stoffwechselerkrankung, die ebenfalls zu erhöhten Blutzuckerwerten führt. Der Körper kann Kohlenhydrate wie Zucker nicht mehr richtig verwerten. Die häufigste Ursache des Diabetes Typ 2 ist das Übergewicht. Risikofaktoren für Diabetes mellitus Typ 2 sind das Alter, sozioökonomische Faktoren, das metabolische Syndrom als Vorläufer (Definition siehe weiter unten!), Gestationsdiabetes, ein hoher BMI und Rauchen, während von einer gesunden Ernährungsweise, körperlicher Betätigung und moderaten Alkoholkonsum ein gewisser Schutz ausgeht. Ein hoher BMI scheint sich am stärksten auf das Diabetesrisiko auszuwirken. Die genetische Prädisposition spielt in der Entstehung des Typ-II-Diabetes eine Rolle.

Im Gegensatz zum Diabetes Typ 1 bildet der Körper bei Diabetes Typ 2 zu Beginn der Erkrankung noch das Hormon Insulin, der Körper reagiert aber nicht richtig auf dieses Hormon. Man spricht daher von Insulin-Resistenz. Diese Art des Diabetes wurde früher auch nicht-insulinabhängiger Diabetes mellitus oder Altersdiabetes genannt, da er in der Regel bei älteren Menschen zum ersten Mal auftritt. In den letzten Jahren findet sich der Diabetes Typ 2 aber auch bei übergewichtigen Jugendlichen.

Der Diabetes Typ 2 beginnt meist schleichend und ist sehr häufig mit anderen Zivilisationskrankheiten wie hohem Blutdruck (Hypertonie), Übergewicht (Adipositas), hohen Blutfettwerten und erhöhten Harnsäurewerten vergesellschaftet. Die Kombination aus Übergewicht, Typ-II-Diabetes, Bluthochdruck und hohen Blutfettwerten wird auch Metabolisches Syndrom genannt. Gemäß der Definition internationaler Richtlinien und österreichischer Expertengremien liegt ein Metabolisches Syndrom vor, wenn mindestens drei der folgenden Grenzwerte überschritten sind:[10]

Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten

Studien haben für jeden dieser Risikofaktoren gezeigt, dass er unabhängig von den anderen das Risiko erhöht, eine Herzkrankheit zu bekommen. Außer diesen fünf wichtigen Risikofaktoren sind noch etwa 200 weitere Faktoren bekannt, die ebenfalls die Herz-Gefahr erhöhen (z.B. Rauchen). Bei der Beurteilung des Gesamt-Risikos ist es wichtig, zu beachten, dass sich die Gefahr durch die einzelnen Risikofaktoren nicht bloß addiert, sondern multipliziert oder sogar potenzieren kann.[11]

Die wirksamste Primärprävention stellt die so genannte Lebensstilmodifikation dar. Die größte Herausforderung dabei ist die Umsetzung in die Praxis, d.h. im niedergelassenen Bereich vor allem beim Hausarzt oder bei vergleichbaren Gesundheitsbetreuern. Die Verschreibung von Medikamenten stellt allerdings nach wie vor die Intervention der Wahl in der aktuellen Praxis dar und der Großteil der Mediziner hat weder eine entsprechende Ausbildung noch Zugang zu Ressourcen für Lebensstilinterventionen. Es wäre notwendig, dass Ärzte Zugang zu wirksamen Programmen und zu Personal haben, welches mit dem Arzt im multidisziplinären Team die Patienten betreut und Interventionen durchführen kann. Möglicherweise wird dafür zusätzlich eine neue Gruppe von Gesundheitsberufen notwendig. Die Intervention selbst muss die sozialen, ethnischen und kulturellen Gegebenheiten berücksichtigen.[12]

Folgen

Der Diabetes Typ 1 ist nicht heilbar. Das Auftreten von Komplikationen hängt von der Stoffwechseleinstellung ab. Je besser der Diabetes eingestellt ist, desto später und seltener treten Komplikationen auf.

Der Diabetes Typ 2 kann viele Jahre lang durch kalorien- und fettarme Kost sowie durch regelmäßige Bewegung behandelt werden. Später wird die Therapie durch Medikamente und/oder Insulininjektionen ergänzt. Das Auftreten von Folgeerkrankungen und Komplikationen hängt von der Stoffwechseleinstellung ab. Je besser der Diabetes eingestellt ist, desto später und seltener treten diese auf.

Zu den häufigsten Komplikationen bei Diabetes zählen diabetische Augenkrankheiten, Nervenentzündungen, Nierenerkrankungen, Wundheilstörungen, Infektionen der Haut und der Schleimhäute, sowie Arteriosklerose und daraus folgend Bluthochdruck, Herzinfarkt oder Schlaganfall.

Die beiden häufigsten Akutkomplikationen bei Diabetikern sind das diabetische Koma und der hypoglykämische Schock (Hypoglykämie). Bei den diabetischen Spätkomplikationen wird grundsätzlich zwischen makro- und mikrovaskulären Komplikationen unterschieden. Während sich makrovaskuläre Komplikationen im Herz-Kreislaufsystem manifestieren, sind von mikrovaskulären Komplikationen in erster Linie Augen, Nieren und das Nervensystem betroffen. Die diabetische Retinopathie ist die Hauptursache für Erblindung bei Erwachsenen.

Risikofaktoren für mikrovaskuläre Folgeerkrankungen sind der Nüchternblutzuckerspiegel und der Blutdruck, für die Retinopathie auch der Cholesterinspiegel. Als bedeutendste Risikofaktoren für makrovaskuläre Schäden stellten sich der Blutdruck und – für koronare Herzerkrankungen – der Cholesterinspiegel heraus.

Die makrovaskulären Spätkomplikationen beim Diabetes mellitus entsprechen dem Krankheitsbild der Atherosklerose. Herz-Kreislauferkrankungen treten bei Diabetikern wesentlich häufiger auf als in der Allgemeinbevölkerung. Auch das Schlaganfallrisiko von Diabetikern ist in ähnlichem Ausmaß erhöht.

Haffner et Alias schreiben in einer 1998 veröffentlichten Studie, dass ein Typ-II-Diabetiker ohne vorhergegangenen Herzinfarkt das gleiche zukünftige Risiko hat, ein koronares Ereignis zu erleiden, wie ein Nichtdiabetiker, der seinen ersten Myokardinfarkt überlebt hat.[13]

4.1.3. Hypertonie

Der Blutdruck ist der in Blutgefäßen und Herzkammern herrschende Druck. Er ist abhängig von der Pumpkraft des Herzens, dem Gefäßwiderstand und dem Blutvolumen. Ist der Druck dauerhaft zu hoch, werden über die Jahre die Blutgefäße geschädigt, und es drohen Folgeerkrankungen, die den gesamten Körper betreffen können.

Diabetes mellitus und Hypertonie zählen zu den am häufigsten vorkommenden Krankheiten, weltweit steigt ihre Prävalenz[14] in den letzten Jahren weiter an. Dafür sind unter anderem Änderungen des Lebensstils mit Abnahme des Energieverbrauchs durch weniger körperliche Bewegung und Zunahme der Energiezufuhr durch überreichliche Einnahme von fettreicher Nahrung und damit verbunden stetiger Anstieg des übergewichtigen Bevölkerungsanteils verantwortlich.

Das Auftreten von Diabetes und Hypertonie nimmt aber auch mit steigendem Alter zu, was aufgrund der steigenden Lebenserwartung ebenfalls zur steigenden Prävalenz dieser Erkrankungen beiträgt. Darüber hinaus ist das gleichzeitige Vorkommen von Diabetes und Hypertonie bei einem Patienten überproportional hoch: Diabetiker – und zwar sowohl Typ 1 als auch Typ 2 Diabetiker – haben gegenüber der nicht zuckerkranken Bevölkerung ein zumindest auf das Zweifache gesteigertes Risiko, auch an Hypertonie zu erkranken. Weiters ist die kardiovaskuläre Mortalität bei Diabetikern wesentlich erhöht, und zwar unabhängig von Alter und zusätzlichen Risikofaktoren.

Die Kombination von Diabetes und Hypertonie, die häufig auch noch mit Übergewicht vergesellschaftet, stellt somit eine beträchtliche Herausforderung für das Gesundheitssystem dar. Dies auch deshalb, weil die gute Wirksamkeit von nicht- pharmakologischen Interventionen wie Diät und Erhöhung der körperlichen Aktivität in der Therapie von Diabetes und Hypertonie erwiesen ist und auch in der Prävention eine entscheidende Rolle spielt.

Definition

Als Bluthochdruck (Hypertonie) bezeichnet man einen durch abnormal kräftige Pumpbewegungen des Herzens erzeugten (Über-)Druck des schnell und stark fließenden Blutstroms auf die Arterien. Da das Herz der Motor des Blutstroms ist, verändert sich der Blutdruck mit einer veränderten Herztätigkeit bzw. den verschiedenen Bewegungsphasen des Muskels: Zieht sich das Herz in der als Systole bezeichneten Phase zusammen, erreicht der Blutdruck sein Maximum, während er während der Erschlaffung des Herzmuskels (der sog. Diastole) auf den untersten Skalenwert absinkt. Um dieser natürlich bedingten Druckdifferenz Rechnung zu tragen, werden bei der Blutdruckmessung immer zwei Werte angegeben: der systolische und der diastolische Wert. Als optimaler Blutdruck gilt ein Wert von "120 zu 80" (120 / 80). Der erste Wert gibt dabei den systolischen Blutdruck an, dies ist der höchste Druck, der bei der Kontraktion des Herzens erreicht wird. Der zweite Wert beschreibt den diastolischen Blutdruck – darunter versteht man den geringsten Druck, der in den Schlagadern herrscht, während das Herz sich mit Blut füllt.

Je nach Alter gibt es bestimmte Normalwerte. Ist der Blutdruck anhaltend erhöht, liegt eine Hypertonie (erhöhter Blutdruck) vor. Im Allgemeinen gilt ein Blutdruck in Ruhe ab 140/90 als erhöht.

Die WHO teilt den Bluthochdruck in drei Schweregrade ein:

Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten

Häufig kann die Ursache für erhöhten Blutdruck nicht eruiert werden. In diesem Fall spricht man von primär erhöhtem Blutdruck (Essentielle Hypertonie). Dieser ist meist die Folge einer Kombination verschiedener Risikofaktoren. Bei der Sekundären Hypertonie liegt dem Hochdruck eine andere Krankheit zugrunde.

Als die wesentlichsten Risikofaktoren werden genannt:

Familiäre Neigung zu erhöhtem Blutdruck, Schlaganfall oder Herzinfarkt

Übergewicht

Rauchen

Diabetes, sowohl Typ 1 (Insulinabhängiger Diabetes) als auch Typ 2 (Altersdiabetes)

Nierenleiden

Alkoholmissbrauch / -abhängigkeit

Fette, salzreiche Ernährung

Erhöhter Cholesterinspiegel

Zu wenig Bewegung

Stress

Medikamente (z. B. Kortisonpräparate und Schlankheitstabletten) Drogenmissbrauch

Entscheidend ist der Schutz vor Schäden, die ein dauerhaft erhöhter Blutdruck verursacht. Eine unbehandelte Hypertonie führt zu einer deutlichen Reduktion der Lebenserwartung.

Behandlungsziel ist die Normalisierung des Blutdrucks auf Werte unter 140/90. Für Diabetiker und Patienten, die an Gefäßerkrankungen leiden, liegen die Zielwerte etwas niedriger - bei 130/80.

In der Therapie der Hypertonie spielen körperliche Aktivität, Bewegungs- und Sporttherapie eine wichtige Rolle. Während einer sportlichen Ausdauerbelastung (z.B. Laufen) muss der Kreislauf dem erhöhten Sauerstoffbedarf zur Versorgung der arbeitenden Muskulatur gerecht werden. Dies erfolgt über die Erhöhung des Herzminutenvolumens. Eine Erhöhung des Minutenvolumens bedeutet auch automatisch eine Steigerung der Blutflussgeschwindigkeit. Um eine Steigerung der Volumenarbeit ohne Druckanstieg zu realisieren, wird der Widerstand durch Gefäßweitstellung im arbeitenden Bereich gesenkt. Bei steigender Belastungsintensität bleibt der diastolische Druck unverändert, während sich der systolische Druck mäßig erhöht. Körperliche Aktivität führt indirekt zu einer Senkung des Blutdrucks: durch die Gewichtsreduktion infolge des gesteigerten Kalorienverbrauchs, die vermehrte Kochsalzausscheidung durch Schwitzen und die Verbesserung des HDL/LDL - Verhältnis zugunsten von HDL.

Erfordert der Bluthochdruck medizinische Behandlung, muss diese meist lebenslang erfolgen. Eine Normalisierung des Blutdrucks ist zumeist Folge der Behandlung und kein nachhaltiger Heilungseffekt. Die Medikamente sollten besonders regelmäßig und immer zur gleichen Tageszeit eingenommen werden, um jederzeit optimale Wirkspiegel im Blut aufrecht zu erhalten. Zur Blutdrucksenkung stehen mehrere Medikamente (Antihypertensiva) zur Verfügung, die an verschiedenen Stellen im Körper ansetzen:

Harntreibende Medikamente (Diuretika) befreien den Körper von überschüssigen Salzen und zu viel Flüssigkeit. Dadurch wird das Blutvolumen verringert, der Gefäßwiderstand fällt.

Beta-Blocker wirken auf den Adrenalin-Haushalt. Das Herz wird entlastet und schlägt etwas langsamer.

Alpha-Blocker hemmen bestimmte Rezeptoren in den Gefäßwänden. Dadurch entspannen sich die Gefäße und der Blutdruck fällt.

Kalzium-Blocker senken die Spannung in den Gefäßwänden. Dadurch fällt der Blutdruck, das Herz muss sich weniger anstrengen. Außerdem wirken sie leicht entspannend auf Herzmuskelzellen und senken so den Sauerstoffbedarf des Herzens.

ACE-Hemmer und Angiotesin-II-Rezeptorantagonisten wirken gefäßerweiternd und damit blutdrucksenkend. Sie hemmen ein Hormon, das gefäßverengend wirkt und entlasten so das Herz

Neben den Medikamenten ist eine Überprüfung des Lebensstils auf Risikofaktoren wichtig. Durch mehr Bewegung, gesunde Ernährung und Gewichtsreduktion bei Übergewicht lässt sich der Blutdruck ebenfalls absenken. Eine der dringlichsten Maßnahmen ist der Verzicht auf Nikotin. Zudem sollte starke psychische Anspannung vermieden werden.

Folgen

Ein zu hoher Blutdruck schädigt in erster Linie die Blutgefäße. Diese können erhöhten Druck nur aushalten, indem sich deren Wände verdicken und verhärten. Zusätzliche Ablagerungen in den Gefäßen führen zur Verengung und Verhärtung, der so genannten Arteriosklerose (Verhärtung der Arterien). Bilden sich in diesen verengten Adern Blutgerinnsel (Thrombosen), kann eine Arterie durch das Gerinnsel selbst oder durch ein von ihm abgerissenes "Geschoss" (Embolie) ganz verstopft werden. Je nachdem, welche Arterien betroffen sind, führt dies zu folgenden Problemen:

Hirnschlag

Herzinfarkt und Herzmuskelschwäche (Herzinsuffizienz)

übermäßige Aortenausweitung (Aneurysma)

heftige Schmerzen beim Gehen

Beeinträchtigung der Sehkraft

Verschlechterung der Nierenfunktion (Niereninsuffizienz)

Da das Blut gegen immer höheren Widerstand in die kleinsten Blutgefäße gepresst werden muss, passt sich der Herzmuskel an: die Muskelwand wird dicker und kann sich weniger gut entspannen, so dass zuwenig Blut in den Blutkreislauf fließen kann. Diese Herzmuskelschwäche macht sich durch rasche Ermüdung, Atemnot bei Anstrengung und Schwellungen an den Füßen bemerkbar.

Da das Gefäßsystem des Herzens ebenfalls überlastet wird, kann dies zusätzlich zu einer Verstopfung in einem Herzkranzgefäß führen bzw. es kann einen Herzinfarkt auslösen. Außerdem kann die ständige erhöhte Belastung zu Herzschmerzen, die in den linken Arm ausstrahlen können, und Beklemmungsgefühlen (Angina pectoris) führen. Dieses Symptom entsteht, wenn der Herzmuskel durch Durchblutungsstörungen an Sauerstoffmangel leidet.

Hoher Blutdruck kann sich ebenfalls auf die Sehfähigkeit auswirken. Durch den Überdruck der Augenarterien können Kopfschmerzen und Sehstörungen entstehen. Gleichfalls ist auch das Gehirn von den Folgen der Hypertonie betroffen. Das Gehirn wird insgesamt schwächer durchblutet, was zur Abnahme der Leistungsfähigkeit führt.

4.2. Darstellung der aktuellen epidemiologischen Situation hinsichtlich der genannten Zivilisationskrankheiten

4.2.1. Adipositas

Wie die epidemiologischen Daten zeigen, nimmt die Adipositas in allen Ländern zu, in denen ein ausreichendes Nahrungsangebot zumindest für Teile der Bevölkerung vorhanden ist. Mögliche genetische Ursachen werden mit dem Argument verneint, dass sich der Genpool der Bevölkerung in den vergangenen ein bis zwei Jahrzehnten nicht signifikant geändert habe. Vielmehr müssen die Ursachen im Lebensstil der Betroffenen gesucht werden. Ungünstige Ernährungsformen und körperliche Inaktivität sind deshalb die Hauptfaktoren für die starke Vermehrung des Körpergewichtes. Nur durch eine Reduktion der Energiezufuhr gekoppelt mit einer Erhöhung der körperlichen Aktivität kann eine weitere Zunahme der Prävalenz in der Bevölkerung verhindert werden. Die WHO räumt bereits heute der Adipositastherapie höchste Priorität ein.

Die Adipositas als komplexes Krankheitsbild betrifft alle Bevölkerungsschichten und Altersgruppen und beschränkt sich keineswegs auf die Industrieländer. Waren im Jahre 1995 weltweit noch 200 Millionen Erwachsene adipös, so waren es im Jahre 2000 schon 300 Millionen, davon 115 Millionen in Entwicklungsländern[15]. Europaweit sind 10–20 % der Männer und 15–25 % der Frauen adipös. Dabei kann ein Anstieg der Adipositasprävalenz Richtung Süden und Osten beobachtet werden. Die Tendenz ist europaweit steigend.

[...]


[1] Quelle: Internes Mitteilungsblatt Nr. 25 der Medizinischen Universität Wien, Studienjahr 2004/2005 - Ausgegeben am 17. Mai 2005

[2] Laut Österreichischer Adipositasgesellschaft, http://www.adipositas-austria.org

[3] Östmann, Britton, Jonsson 2004

[4] abgekürzt OSAS; Ein pathologischer Schlafzustand, der als nächtliche Atemregulationsstörung durch Schnarchen und Atempausen gekennzeichnet ist. Durch diese Atempausen kommt es zu Hypoxämien, einem Abfall der Sauerstoffsättigung des arteriellen Blutes, und somit zu einem Erwachen. Die Folge sind Schlafstörungen.

[5] Oster, G., et. Alias (2000) in Kiefer, I., Kunze, M., Rieder, A. (2001), S. 17

[6] Seidell, JC. Et Alias (1999) in Kiefer, I., Kunze, M., Rieder, A. (2001), S. 17

[7] Centers for Disease Control and Prevention; staatliche Gesundheitsbehörde in den USA

[8] WHO 2004, Reducing the impact of diabetes on the world’s poor. S. 1. Zugriff am 14.04.2005 unter http://www.who.int/diabetes/en/funding_brochure_final.pdf

[9] ebendort, S. 1

[10] sinngemäß aus Hanefeld 2004

[11] ebendort

[12] Vgl. Public Health Strategien zur Prävention des Diabetes mellitus Typ II in Österreich. Dorner, T., Kiefer, I., Kunze, M., Rathmanner, T., Rieder, A., Schwarz, F. (2004)

[13] Haffner et Alias, 1998

[14] Anzahl der aktuell an einer bestimmten Krankheit Leidenden pro 100.000 Einwohner der Wohnbevölkerung zu einem bestimmten Zeitpunkt bzw. Stichtag (altersstandardisiert).

[15] Angaben laut International Association for the Studies of Obesity : http://www.iaso.org/

Ende der Leseprobe aus 110 Seiten

Details

Titel
Die Erstellung eines Universitätslehrganges "Master of Public Health - Prävention und Gesundheitsvorsorge''. Bedarfsanalyse, inhaltliche Gestaltung und Lehrgangsimplementierung
Hochschule
Universität Wien  (Institut für Sportwissenschaft - Wien)
Note
Sehr Gut
Autor
Jahr
2005
Seiten
110
Katalognummer
V47369
ISBN (eBook)
9783638443326
ISBN (Buch)
9783638708067
Dateigröße
1139 KB
Sprache
Deutsch
Anmerkungen
Die vorliegende Arbeit wurde während der Vorbereitungsarbeiten und der Implementierung dieses Lehrganges erstellt. In einer Art Berichterstattung sollen grundlegende und weiterführende Überlegungen zu: -momentaner epidemiologischer Situation - der Notwendigkeit eines derartigen Lehrganges - inhaltlichen Anforderungen an das Curriculum - Zielqualifikationen für die Studierenden - und Berufsbild sowie Berufschancen der Absolventen dargelegt werden.
Schlagworte
Erstellung, Universitätslehrganges, Master, Public, Health, Prävention, Gesundheitsvorsorge, Bedarfsanalyse, Gestaltung, Lehrgangsimplementierung
Arbeit zitieren
Mag. Hans-Christian Miko (Autor:in), 2005, Die Erstellung eines Universitätslehrganges "Master of Public Health - Prävention und Gesundheitsvorsorge''. Bedarfsanalyse, inhaltliche Gestaltung und Lehrgangsimplementierung, München, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/47369

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