Um „Turnvater“ Friedrich Ludwig Jahn und die Geschichte der Turnbewegung, Publikationen des ÖTB, die Verbindungen des Turnerbundes zur rechten Szene, über Traditionen, Symbolik und Sprache des ÖTB, die Ideologiediskussionen innerhalb des ÖTB und um seine Bedeutung geht es in dieser Arbeit.
Inhalt
1) Friedrich Ludwig Jahn und die Geschichte der Turnbewegung
2)Publikationen des ÖTB
3) Verbindungen des ÖTB zur rechten Szene
4) Traditionen, Symbolik und Sprache des ÖTB
5) Ideologiediskussion innerhalb des ÖTB
6) Bedeutung
Literatur
1) Friedrich Ludwig Jahn und die Geschichte der Turnbewegung
1)1) Einleitung
Von allen Bezeichnungen, die Friedrich Ludwig Jahn zuteil wurden, ist die des “Turnvaters” die weitaus bekannteste. In den meisten Geschichts- und Schulbüchern ist wenig zu lesen vom großen Volkserzieher[2], vom geistigen Paten der neueren Deutschheit[3], vom völkischen Mentor der Burschenschaftsbewegung.[1]
Als Prophet des deutschen Volkstums, nicht bloß als glücklicher Wiedererwecker des deutschen Turnwesens, das nur eine einzige von ihm beabsichtigte Einrichtung zur Kräftigung des Volkstums war, hat Jahns Erscheinung seine Bedeutsamkeit in unserer Geschichte.[4], schreib Dürre 1928. 1935 formulierte er es in dem Band “Die großen Deutschen” so: Nur die Wiedergeburt der Deutschen aus dem Geist ihres Volkstums im Sinne von Friedrich Ludwig Jahn konnte ein nationalsozialistisches Deutschland zum Leben erwecken.[5]
Seine drei “arischen Weistümer” waren: Rassenreinheit, Volkeseinheit und Geistesfreiheit.
1)2) Jahn und das Turnen
Zur Heranbildung eines körperlich und politisch geschulten Kriegsnachwuchses gegen Napoleon eröffnete der preußische Pastorensohn Friedrich Ludwig JAHN im Jahre 1811 in Berlin den ersten modernen Turnplatz Deutschlands, die “Hasenheide”. Das Turnen war von Anfang an nur Mittel zum Zweck. Seine Ziele waren es, den Körper elastisch zu machen, militärische Disziplin zu lehren und durch einheitliche Turnertracht sollte das Gemeinschaftsbewußtsein gestärkt werden. Diese völkische Verbundenheit sollte als Ersatz für politische Emanzipation zum bestimmenden Element der Turnbewegung werden. Ohne Konstruktion eines Gegners machte das Training des “deutschen Volkskörpers” jedoch nicht viel Sinn. Polen, Franzosen, Pfaffen, Junker und Juden sind Deutschlands Unglück[6], verkündete Jahn, für den das Turnen nur ein Teilgebiet in einem umfassenden Ganzen gewesen (ist) . Auf dieses Ganze ist sein Blick gerichtet und alle Teile haben diesem Ganzen zu dienen. Dieses Ganze, dem immerwährend seine Seele und seine Begeisterung freudig zustrebte, ist das
D e u t s c h e V o l k s t u m gewesen.[7] So lautet auch der Titel des “bedeutendsten” Buches von Friedrich Ludwig Jahn, das 1810 erschien. ... seine Bedeutung wird schlagartig beleuchtet durch das Urteil des Bundestagsausschusses im Zusammenhang mit dem Turnprozeß im Jahre 1822, wonach Fichtes Reden an die Deutsche Nation und Jahns Deutsches Volkstum als die geistigen Paten der neueren Deutschheit bezeichnet werden.[8] Dieser von Jahn “mitbegründete” Nationalismus war aber, im Gegensatz zum französischen etwa, nicht geprägt von Werten wie “Freiheit, Gleichheit, Brüderlichkeit”, sondern von so diffuse(n) Begriffe(n) wie “Volk”, das “Gemeinwohl” und körperlich-geistige Wehrhaftigkeit des “deutschen Mannes”.[9] Heinrich Heine schrieb 1833 über Jahn und seinen Deutschnationalismus: Der Patriotismus des Deutschen besteht darin, daß sein Herz enger wird, daß es sich zusammenzieht, wie Leder in der Kälte, daß er das Fremdländische haßt, daß er nicht mehr Weltbürger, nicht mehr Europäer, sondern nur ein enger Deutscher sein will. Da sehen wir nun das idealistische Flegeltum, das Herr Jahn in System gebracht.[10] Wie zur Bestätigung der Worte Heines schreiben die TurnerInnen des ÖTB heute über diese Zeit: Nicht landsmannschaftlicher Kleingeist und Partikularismus sollte von nun an die Universitäten, die Studentenverbände und die öffentliche staatliche Gesellschaft prägen, sondern das Streben nach Charakterbildung und Erziehung zum täglichen Leben, sowie das Bewußtsein, daß der Nationalstaat weit über jedem noch so fein und philosophisch begründeten Weltbürgertum steht.[11]
1)3) Jahn als völkischer Mentor der Burschenschaftsbewegung
Nicht nur für die Turnbewegung, auch für die Burschenschaftsbewegung war Friedrich Ludwig Jahn der wichtigste geistige Ziehvater.[12] Er war der Mitbegründer der Urburschenschaft von Jena.
Die Verbindung zwischen Burschenschaft und Turnerbewegung war bald so eng, daß sogar ein neuer Name geprägt wurde: “Burschenturner”.[13]
Sowohl progressive als auch konservative Elemente gingen in die politisch-ideologische Konzeption der Bewegung ein: Die Gedankenwelt der Urburschenschafter wird bei Heither beschrieben als Amalgam von feudalistisch-obrigkeitsstaatlicher Monarchieromantik, völkischer Teutschtümelei, Antisemitismus, Ausländerhaß und Ansätzen liberaldemokratischen Freiheitsdenkens.[14] Die wesentlichen, bis zur heutigen Zeit gültigen Merkmale dieser Ideologie finden sich schon in Jahns “Deutschem Volkstum”:
- Patriotische Einheitsvorstellung[15]
- “Deutschheit” als deutsch-christliches Ethos
- patriarchalisches Leitbild
- “Volks- und Landesverteidigung”.[16]
Jahn und seine Jünger verloren stark an Sympathie, besonders in der Gelehrtenwelt, als bei dem 1817 abgehaltenen “Wartburgfest” die Burschenschaften auch eine Bücherverbrennung durchführten. – Es ist sogar davon auszugehen, daß die Liste der inkriminierten Bücher von Friedrich Ludwig Jahn selbst zusammengestellt worden ist.[17]
1)4) Rassismus
Über Jahn, den Wortführer eines “natürlichen Volksbegriffes”[18] heißt es in einer Lobschrift von 1928:
Eine Veredelung des V o l k s g e f ü h l s erwartet Jahn von einer entsprechenden Pflege der Volkstracht und der Volksfeste, sowie von der Einrichtung von Ehrenbegräbnissen und Volkstumsdenkmälern. Seinen Ausführungen schickt er auch in diesem Zusammenhang voraus die allgemeine eindringliche Mahnung, “alle Ausländerei zu verbannen”. Fußnote: Das ist das große Generalthema, das immerwährend durch Jahns Schriften sich hindurchzieht: “Unheil, Unglück, Schmach, Schande, Elend, Fluch, Verderbe[19] n und Tod über jeden Mann in jedem Volk, der vom Ausland das Heil und den Heiland erwartet.”
Wenn sich der Turnvater als Vater des Umvolkungsbegriffes betätigt, liest sich das so: “Mischlinge von Tieren haben keine echte Fortpflanzungskraft und ebensowenig Blendlingsvölker ein eigenes volkstümliches Fortleben (...) Wer die Edelvölker der Erde in eine einzige Herde zu bringen trachtet, ist in Gefahr, bald über den verächtlichsten Auskehricht des Menschengeschlechts zu herrschen. (...) Je reiner ein Volk, je besser; je vermischter, je bandenmäßiger. (...) Mangvölker (vermischte Völker, d.V.) fühlen ewig die Nachwehen, die Sünde der Blutschande und Blutschuld verfolgt sie, und unruhig sind sie immerdar auch noch bis ins tausendste Glied. (...) Mangvölker und Mangsprachen müssen vernichten oder vernichtet werden.”[20]
Deutlich läßt sich nachweisen, wie Jahn alle anderen Werte aus dem Bereich der Natur und des Geistes, aus dem religiösen, kulturellen oder staatlich-gesellschaftlichen Leben diesem rassistisch begründeten Volkstumsbegriff unterordnet.[21]
[...]
[1] vgl. auch: o.a.: Material über die österreichfeindliche Haltung der Leitung des “ÖSTERREICHISCHEN TURNERBUNDES” bzw. der von dieser herausgegebenen “Bundesturnzeitung”. (DÖW), Wien 1955
[2] Piechowski, Paul: Friedrich Ludwig Jahn. Vom Turnvater zum Volkserzieher. Gotha, 1928, S.XII
[3] ebd., S.XIII
[4] Piechowski, S.III
[5] Heither, Gehler u.a. (Hg.): Blut und Paukboden. Eine Geschichte der Burschenschaften. Frankfurt am Main, 1997, S.39
[6] Heither, S.36
[7] Piechowski, S.XII
[8] Piechowski, S.XIII
[9] Österreichische Turnvereine - die antisemitische Avantgarde im Vorfeld des Nationalsozialismus. In: Turnen und Politik, Teil 1, o.a., S.3
[10] Heine, Heinrich: Die romantische Schule. Zur Geschichte der neueren schönen Literatur in Deutschland. 1833
[11] Der Jahnbote Mai 1991, Nr.9
[12] Heither, S.33
[13] Heither, S.34
[14] Heither, S.37
[15] Die Inschrift auf dem Jahn-Denkmal in Tulln/NÖ lautet dementsprechend: Deutschlands Einheit war der Traum meines erwachenden Lebens, das Morgenrot meiner Jugend, der Sonnenschein der Manneskraft und ist der Abendstern der mir zur ewigen Ruhe winkt.
[16] Heither, S.18f
[17] Heither, S.28
[18] Heither, S.33
[19] Piechowski, S.57
[20] Heither, S.33f
[21] Heither, S.34
- Quote paper
- Karin Lederer (Author), 1997, Der österreichische Turnerbund im Nationalsozialismus, Munich, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/47431
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