Feminismus und Rassismus - Der Mythos vom friedlichen Geschlecht


Seminararbeit, 1997

30 Seiten, Note: 1


Leseprobe


Inhaltsverzeichnis

(1) Einleitung

(2) Begriffsdefinitionen
Feminismus
Rassismus

(3) Diskussion über Rassismus in der deutschen Frauenbewegung
Rassismus - ein Nebenwiderspruch?
„Die Frauen“ - Differenzen

(4) Frauen im AusländerInnen- und Asylrecht in Deutschland
Paragraphen verhindern ein menschenwürdiges Leben
„Scheinehe“
Schnüffel- und Denunziationsparagraphen

(5) Frauen - das friedliche Geschlecht?
Einstellungen

(6) Deutscher Kolonialismus - „Kurz, aber gründlich“

(7) Nationalsozialismus
Rahmenbedingungen
Ärztinnen und Krankenschwestern
Dr. Herta Oberheuser
Die stille Gewalt der Denunziation
Warum?

(8) Frauen und Rechtsextremismus
Nähe zu feministischen Positionen

(9) Neuere Ansätze
Dominanzkultur
Opfer oder Täterin? Was frau lieber wäre...
Zur Opfer - Täter(In) - Dynamik

(10) Rassismus von Frauen / Rassismus innerhalb der Frauenbewegung
Die konkreten Vorwürfe (Beispiele)

(11) Gegenstrategien / Zukunftsperspektiven

Literaturverzeichnis

(1) Einleitung

Ich schreibe eine Arbeit über Feminismus und Rassismus. - „Du meinst Sexismus und Rassismus...“, ist die Reaktion, die ich am häufigsten zu hören bekomme. Mit der Kombination können nur wenige etwas anfangen. Tatsächlich ist das Thema sehr interessant und vor allem umfangreich: Es gibt Berge an Literatur zu den verschiedenen Aspekten. Deshalb mußte ich meine Arbeit stark einschränken. Ich habe der neueren Literatur den Vorzug gegeben, weshalb fast alle verwendeten Bücher und Texte aus den 90ern stammen. Ich habe mich außerdem auf Deutschland beschränkt, einerseits weil es historisch am meisten hergibt, andererseits weil auch die aktuelle Diskussion am interessantesten ist.[1]

Wenn ich über Frauen schreibe, die rassistisch und gewalttätig sind oder waren, will ich damit keineswegs Männergewalt legitimieren oder gegeneinander aufrechnen. Genausowenig will ich all die Frauen vergessen, die Widerstand geleistet haben, vor allem gegen das Nazi - Regime. Über sie, die Widerstandskämpferinnen in ganz Europa habe ich im Rahmen eines anderen Seminars eine Arbeit geschrieben.

Mit der Geschichte des deutschen Kolonialismus habe ich mich ausführlicher beschäftigt, d.h. ich habe mich durch einen Nazi - Wälzer, das „Buch der deutschen Kolonien“ gekämpft, in dem auch etliche Frauen zu Wort kommen und ihre nationale Überheblichkeit und ihren Rassismus verbreiten. Ich konnte das Kapitel aber stark kürzen, weil sie sich eigentlich ständig wiederholen.

Das Kapitel über Frauen und Rechtsextremismus habe ich ebenfalls gekürzt, da ich auch zu diesem Thema eine eigene Arbeit geschrieben habe.

Ein Aspekt, der vielleicht etwas zu kurz kommt, sind feministische Strategien gegen Rassismus. Diese Arbeit ist eher theoretischer Natur, die Gegenstrategien müssen ohnehin in der Praxis ausgearbeitet werden.

Wenn ich an manchen Stellen etwas zu „unwissenschaftlich“ werde, liegt das an dem Thema, das einfach unter die Haut geht und es schwierig macht, „objektiv“ zu bleiben und nicht Stellung zu beziehen.

(2) Begriffsdefinitionen

Feminismus

Die vielen verschiedenen feministischen Bewegungen und Strömungen lassen sich nur schwer auf einen Nenner bringen. Ich gehe eher davon aus, daß es eine große Anzahl von „Feminismen“ gibt. Einen Minimalkonsens stellen möglicherweise folgende Forderungen dar:

„1. Gleichheit, Würde und Entscheidungsfreiheit für Frauen auf der Basis der Kontrolle der Frauen über ihr eigenes Leben und ihren Körper, innerhalb wie außerhalb des Hauses. (...)
2. Beseitigung aller Formen von Ungleichheit, Herrschaft und Unterdrückung durch die Schaffung einer gerechteren sozialen und ökonomischen Ordnung, national und international.“[2]

(Die zweite Forderung scheint jedoch vielen Strömungen schon abhanden gekommen zu sein bzw. war teilweise nie vorhanden.)

Rassismus

In meiner Arbeit gehe ich von folgender Prämisse aus: Genauso wie der Begriff „Geschlecht“ ist auch „Rasse“ kein real existierendes Phänomen; es handelt sich vielmehr um soziale Konstruktionen. Verschiedene Gruppen oder Völker wurden immer dann „rassialisiert“, also zur Rasse gemacht, wenn es die Kolonialmächte zur Legitimation von Ausbeutung und Unterdrückung brauchten.[3] (Auch heute noch sind „wir“, also Menschen, die in Europa sozialisiert wurden, von dieser Tradition geprägt, auch wenn uns diese „Mentalität der Überlegenheit“ nicht bewußt ist.) In der Biologie werden physische Unterscheidungsmerkmale nicht mehr benutzt, weil sie sich als nicht trennscharf herausgestellt haben. „Eine moderne Methode der Unterscheidung ist heute die Häufigkeit, mit der bestimmte Genkombinationen in einer Bevölkerungsgruppe vorkommen.“ Dabei hat es sich herausgestellt, daß „es in einer als genetisch gleich definierten Gruppe genauso große Unterschiede zwischen den Individuen geben kann, wie zwischen den Individuen von als genetisch verschieden definierten Gruppen.“[4] Es kann also behauptet werden, daß es keine verschiedenen Rassen gibt.[5]

„Und wenn es keine Rassen gibt, dann gibt es ja auch keinen Rassismus!“, lautet zumindest die Argumentation alt- und neurechter IdeologInnen. Rassismus ist aber gerade die soziale Konstruktion einer bestimmten Menschengruppe als „Rasse“. Sogenannte „Rassenmerkmale“ (sowohl äußerliche Merkmale als auch Charaktereigenschaften) werden zu Kennzeichen der Minderwertigkeit. Kalpaka und Räthzel[6] beschreiben und erklären diesen Prozeß der Konstruktion einer „rassischen Differenz“: „Untergeordnete ethnische Gruppen (...) erscheinen nicht als Resultate spezifischer historischer Verhältnisse (Sklavenhandel, europäische Kolonisation, aktive „Unterentwicklung“ der „unterentwickelten“ Gesellschaften) sondern als die gegebenen Eigenschaften einer minderwertigen „Abstammung“.“[7]

Während der Begriff „Rasse“ in Europa historisch vorbelastet ist und von fortschrittlichen Bewegungen selten verwendet wird, gibt es im englischsprachigen Raum sehr wohl einen positiven Bezug auf „race“, der das Zusammengehörigkeitsgefühl der „black community“ stärken soll. Ruth Frankenberg kritisiert jedoch diese Praxis: „Es ist bemerkenswert, daß wir heute in den Vereinigten Staaten und in Großbritannien in unserer politischen Praxis im allgemeinen dazu neigen, „Rasse“ als selbstverständliche Realität hinzunehmen, anstelle eindeutig davon auszugehen, daß „Rasse“ konstruiert ist...“[8]

Abgrenzung / Beziehung zu anderen Begriffen:

Abgesehen davon, daß es verschiedene Formen, also verschiedene „Rassismen“, gibt, wird der Begriff immer wieder mit anderen Wörtern in Verbindung gebracht bzw. es wird auch manchmal darauf geachtet, daß er auf keinen Fall mit einem bestimmten Wort in Verbindung gebracht wird.

- „Ausländerfeindlichkeit“

Rassismus wird heute häufig durch das Wort „Ausländerfeindlichkeit“ ersetzt - ein beschönigender, verharmlosender Begriff. Den Begriff „Rassismus“ nicht zu verwenden, suggeriert einen Bruch mit der Vergangenheit. Es wird so getan, als hätten Anschläge auf Flüchtlingsheime im heutigen Deutschland nichts mit dem Antisemitismus im deutschen Faschismus zu tun. Es wird (un/bewußt) der Versuch unternommen, jegliche Verbindungen zur Vergangenheit zu verdrängen, denn nicht als „Ausländer“ wurden Juden und Jüdinnen in Deutschland verfolgt.[9] (Auch der dazugehörige Begriff des Begriffspaares „Ausländerfeindlichkeit“ - „Ausländerkriminalität“ verzerrt sprachlich die Realität: Wenn ein Haus in Brand gesteckt wird und fünf Frauen und Mädchen dabei ums Leben kommen, heißt es „Ausländerfeindlichkeit“. Wenn MigrantInnen gegen die restriktiven Asylgesetze verstoßen, zum Beispiel eine Frist versäumen, werden sie kriminalisiert.[10] )

- „Rechtsextremismus“

Helga Amesberger und Brigitte Halbmayer[11] liefern folgende Definitionsmerkmale von „Rechtsextremismus“:

- Ideologie der Ungleichheit und Ungleichwertigkeit („Recht des Stärkeren“)
- Akzeptanz von Gewalt als Konfliktlösungsmittel
- biologistische Argumentationsmuster
- dualistische Denkweisen
- autoritäre, undemokratische politische Ordnungsvorstellungen
- in Deutschland kommt hinzu: „Volksgemeinschaft“, „(Deutsch-)Nationalismus“

Rechtsextremismus ohne Rassismus gibt es nicht! Aber es gibt sehr wohl Rassismus auch bei demokratisch gesinnten Menschen, bei Linken, Feministinnen, ÖkologInnen. Daß Diskriminierung und Dominanz gleichzeitig wirksam sein können, wird im Kapitel über „neuere Ansätze“ näher erläutert.

- „Kultur“

In der „neuen Rechten“ ist die Tendenz feststellbar, daß „der Bezug auf „Rasse“ (...) durch das salonfähige Wort Kultur ersetzt (wird). Postuliert wird selten oder seltener die Unvereinbarkeit von Blut und Genen, sondern die Unüberwindbarkeit essentieller kultureller Differenzen, die Gefahr der „Kulturvermischung“ und die Notwendigkeit der Wahrung kultureller Distanzen. Die „biologisierte Rasse“ wird häufig von der „kulturalisierten Rasse“ abgelöst.“[12]

- „Sexismus“

„Rassismus ist immer ein geschlechtlich strukturiertes Phänomen. Während viele TheoretikerInnen Rassismus als geschlechtsneutrales Konzept abhandeln, ist zu beachten, daß Rassismus das weibliche und das männliche Geschlecht unterschiedlich konstruiert. Es werden nicht nur die Männer und die Frauen einer rassisierten Gruppe unterschiedlich konstruiert, sondern die Männer einer untergeordneten Gruppe können auch durch die Zuschreibung „weiblicher“ Eigenschaften rassisiert werden; ebenso können Frauen in einer Weise dargestellt werden, daß sie „männliche“ Eigenschaften verkörpern.“[13]

Läßt sich aus dem Zusammenhang zwischen Rassismus und Sexismus ableiten, daß Frauen und ethnische Minderheiten gleichermaßen Opfer sind? Birgit Rommelspacher schreibt über die enge Verbindung der beiden Unterdrückungsformen: „Allein im Begriff „Herrenrasse“ wird deutlich, daß in erster Linie die Herren davon zu profitieren gedenken. (...) Daraus nun in der Umkehrung zu schließen, Frauen seien weniger rassistisch, ist keineswegs zwingend.“[14] Auch Frauen sind rassistisch. Die Schwierigkeit Mancher (Frauen), diese Tatsache zu akzeptieren ist ein Thema dieser Arbeit.

(3) Diskussion über Rassismus in der deutschen Frauenbewegung

In der BRD ist diese Diskussion in der Frauenbewegung noch kaum geführt worden. „Das ist schon deshalb interessant, weil eigentlich alle wichtigen anderen relevanten Diskussionen aus dem Ausland immer schnell importiert werden.“[15]

„Warum tun wir uns und mit uns große Teile der deutschen Frauenbewegung so schwer, Rassismus, Antisemitismus, Behindertenfeindlichkeit und all die anderen Unterdrückungsstrukturen zu thematisieren?“, überlegt sich etwa die Gruppe „Gretchens Faust Aachen“. „Weil es sich hierbei nicht um originäre Frauenthemen, nicht um das Thema Sexismus handelt? Oder weil wir Angst haben, hart erkämpfte Privilegien mit Migrantinnen teilen zu müssen? Diesen Fragen stellt sich die deutsche Frauenbewegung nicht. Statt dessen formuliert sie Forderungen für die Frauen, obwohl doch nur - bewußt oder unbewußt - die Interessen der deutschen Mittelschicht gemeint sind.“[16]

Birgit Rommelspacher meint, daß „die deutsche Frauenbewegung (...) von diesen drängenden und bedrückenden Fragen (zunehmende Gewalt in Deutschland gegenüber Flüchtlingen, EinwanderInnen u. Menschen dunkler Hautfarbe, Behinderten, Lesben, Schwulen, Obdachlosen, usw., Anm.d.V.) merkwürdig unberührt blieb, weil es sich (...) ganz offensichtlich (...) hier um ein Männerproblem handelt.“[17] Das ist zumindest die Antwort, die frau am öftesten zu hören bekommt.

Warum gibt es gerade in Deutschland so viel Widerstand gegen das Thema Rassismus? Helma Lutz macht dafür drei Gründe aus:

[...]


[1] Auf diese Weise kommt auch der Österreich - Bezug nicht zu kurz, da generell viele Diskussionen aus Deutschland „importiert“ werden.

[2] Bunch, Charlotte / Carillo, Roxanna / Guinee, Ied: Feminist Perspectives. Report on the Feminist Perspectives Working Group to the Closing Plenary, 2. Internationaler Frauenkongreß in Groningen 1984

[3] vgl. Lutz, Helma: Sind wir uns immer noch fremd? - Konstruktionen von Fremdheit in der weißen Frauenbewegung. In: Hügel, Ika u.a. (Hg.): Entfernte Verbindungen. Berlin 1993. (S) 142

[4] Kalpaka, Annita / Räthzel, Nora (Hg.): Die Schwierigkeit, nicht rassistisch zu sein. Leer 1990. (S) 12

[5] Dennoch kommt es im Alltag, nicht nur am Stammtisch - auch im Biologieunterricht oder im Museum immer noch zu Begegnungen mit VerfechterInnen der diversen Rassenlehren. Jedoch auch unter „fortschrittlichen“ Menschen, unter Linken und Feministinnen ist dieses Thema nicht unumstritten. Ich weise daher darauf hin, daß die von mir versuchte Definition meiner Meinung entspricht und wahrscheinlich mancherorts auf Widerspruch stößt. Als „wissenschaftlicher Beleg“ meiner Definition sei jedoch angeführt, daß Levi-Strauss 1951 im Auftrag der UNESCO in der Menschenrechtscharta feststellte, daß „der Rassebegriff keinen wissenschaftlichen Wert habe.“ In: Lutz; Hügel a.a.O. (S) 143

[6] Kalpaka a.a.O.

[7] ebd., (S)13

[8] Frankenberg, Ruth: Weiße Frauen, Feminismus und die Herausforderung des Antirassismus. In: Fuchs, Brigitte / Habinger, Gabriele (Hg.): Rassismen und Feminismen. Differenzen, Machtverhältnisse und Solidarität zwischen Frauen. Wien 1996. (S) 27

[9] vgl. Kalpaka, (S) 18

[10] vgl. Najafi, Behshid: Paragraph 19: das „Rückgaberecht“ im Ausländergesetz. In: beiträge zur feministischen Theorie und Praxis: Ent-fremdung. Migration und Dominanzgesellschaft. Köln 42/1996. (S) 32

[11] vgl. Amesberger, Helga / Halbmayer, Brigitte: Verführung oder Entscheidung? Frauen im Dunstkreis rechtsextremer Ideologien. In: Fuchs, a.a.O. (S) 127

[12] Kossek, Brigitte: Rassismen und Feminismen. In: Fuchs, a.a.O. (S) 18

[13] Brah, Avtar: Die Neugestaltung Europas. Geschlechtsspezifisch konstruierte Rassismen, Ethnizitäten und Nationalismen in Westeuropa heute. In: Fuchs, a.a.O. (S) 28

[14] Rommelspacher, Birgit: Warum Frauen rassistisch sind. In: Wlecklik, Petra (Hg.): Frauen und Rechtsextremismus. Göttingen 1995. (S) 19

[15] Lutz; Hügel, a.a.O. (S) 138

[16] Gretchens Faust Aachen. In: Wlecklik, a.a.O. (S) 160

[17] Rommelspacher, Birgit: Antisemitismus und Frauenbewegung in Deutschland. In: Fuchs, a.a.O. (S) 112

Ende der Leseprobe aus 30 Seiten

Details

Titel
Feminismus und Rassismus - Der Mythos vom friedlichen Geschlecht
Hochschule
Universität Wien  (Institut für Politikwissenschaft)
Veranstaltung
Feminismus und internationale Frauenbewegungen
Note
1
Autor
Jahr
1997
Seiten
30
Katalognummer
V47432
ISBN (eBook)
9783638443838
ISBN (Buch)
9783638659413
Dateigröße
541 KB
Sprache
Deutsch
Schlagworte
Feminismus, Rassismus, Mythos, Geschlecht, Feminismus, Frauenbewegungen
Arbeit zitieren
Karin Lederer (Autor:in), 1997, Feminismus und Rassismus - Der Mythos vom friedlichen Geschlecht , München, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/47432

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