René Girard ist einem fundamentalen Wirkungsmechanismus auf der Spur: dem der Gewalt, die Opfer und Täter in einer endlosen Spirale aus Rache fortwirken lässt. Den „Gründungsmythos eines Opfersystems“ glaubt Girard in Jakobs Segnung durch seinen dem Sterben nahen Vater Isaak erkannt zu haben (Gen 27): „Zwei Typen von Stellvertretung stoßen hier aufeinander, jene des einen Bruders durch den anderen und jene des Menschen durch das Tier.“ Die mit einhergehender Verkennung verbundene Opferstellvertretung der Gewalt „zieht die überall vorhandenen Ansätze zu Zwistigkeiten auf das Opfer und zerstreut sie zugleich, indem sie sie teilweise beschwichtigt“
Inhaltsverzeichnis
- Ein Schaf wird geopfert
- Die Ambivalenz des Opfers
- Der aggressionsgeladene Mensch und das Ersatzopfer
- René Girards Ansatz: Gewalt, Opfer und Täter
- Rituelle Systeme und Menschenopfer
- Nietzsches Kritik: Menschliches Opfer und christliche Pseudo-Humanität
- Girards Sicht auf Gewalt: Ein geschichtlicher, nicht naturgegebenes Phänomen
- Das Bedürfnis nach Gewalt und die Notwendigkeit der Befriedigung
Zielsetzung und Themenschwerpunkte
Der Vortrag analysiert das Konzept des Opfers in der Arbeit von René Girard. Dabei werden zentrale Aspekte von Girards Argumentation betrachtet, die in seinen Werken "Das Heilige und die Gewalt" sowie "Ich sah den Satan vom Himmel fallen wie einen Blitz" behandelt werden.
- Die Ambivalenz des Opfers: Die widersprüchliche Natur von Opferung, zwischen Heiligkeit und Gewalt.
- Der Mechanismus des Ersatzopfers: Wie Aggression und Gewalt auf ein Objekt gelenkt werden, um die Spannung im sozialen Gefüge zu lösen.
- Die Rolle des Opfers in Rituellen und Mythen: Die Interpretation des Opfers als Vermittlungsinstanz zwischen Mensch und Göttlichkeit.
- Nietzsches Kritik an der christlichen Vorstellung von Menschenliebe: Die Notwendigkeit von Opfern für das Gemeinwohl im Vergleich zur angeblichen "Pseudo-Humanität" des Christentums.
- Girards These von der geschichtlichen Prägung von Gewalt: Die Überzeugung, dass Gewalt nicht ein Merkmal der menschlichen Natur ist, sondern ein sozial konstruiertes Phänomen.
Zusammenfassung der Kapitel
Ein Schaf wird geopfert
Das Kapitel beginnt mit der Einführung des Begriffs des Opfers und seiner Ambivalenz. Das Opfer wird als gleichzeitig heilig und verletzlich dargestellt, wodurch ein Kreislauf aus Gewalt entsteht. Die historische Bedeutung von Tieropfern und die Rolle des Opfers als Mittel zur Vermittlung zwischen Mensch und Göttlichkeit werden erläutert.
Die Ambivalenz des Opfers
Dieser Abschnitt behandelt die ambivalente Natur des Opfers, die durch das Zusammenspiel von Aggression und Heiligkeit entsteht. Girard argumentiert, dass die Ambivalenz des Opfers als eine tiefgreifende menschliche Erfahrung verstanden werden kann, die sich in verschiedenen Bereichen des Lebens, von der Religion bis zum Alltag, zeigt.
Der aggressionsgeladene Mensch und das Ersatzopfer
Das Kapitel fokussiert auf die menschliche Fähigkeit, Aggressionen auf ein Ersatzopfer zu lenken. Der Mechanismus des Ersatzopfers wird als eine Form der Gewaltverlagerung verstanden, die die Spannung im sozialen Gefüge reduziert, aber gleichzeitig neue Gewalt erzeugt.
René Girards Ansatz: Gewalt, Opfer und Täter
Girard stellt sein theoretisches Konzept von Gewalt vor, das auf die Rolle von Opfer und Täter im Kreislauf der Rache und Gewalt fokussiert. Er analysiert die Dynamik des Opfer-Täter-Systems und zeigt, wie Gewalt durch die Verlagerung auf ein Opfer perpetuiert wird.
Rituelle Systeme und Menschenopfer
Dieser Abschnitt behandelt die historischen Beispiele für rituelle Systeme, die Menschenopfer forderten. Girard argumentiert, dass Menschenopfer als eine Form der Gewaltverlagerung und als eine Art von "kathartischer Reinigung" verstanden werden können.
Nietzsches Kritik: Menschliches Opfer und christliche Pseudo-Humanität
Das Kapitel präsentiert Nietzsche Kritik an der christlichen Vorstellung von Menschenliebe und zeigt auf, wie Nietzsche die Notwendigkeit von Opfern für das Gemeinwohl bekräftigt. Er argumentiert, dass die christliche "Pseudo-Humanität" die Opferung von Einzelnen verhindert und damit dem Leben der Gattung schadet.
Girards Sicht auf Gewalt: Ein geschichtlicher, nicht naturgegebenes Phänomen
Girard erläutert seine These, dass Gewalt nicht ein Merkmal der menschlichen Natur ist, sondern ein sozial konstruiertes Phänomen. Er argumentiert, dass Gewalt durch gesellschaftliche Strukturen und Normen geprägt wird und durch Veränderungen in diesen Strukturen auch bekämpft werden kann.
Das Bedürfnis nach Gewalt und die Notwendigkeit der Befriedigung
Das Kapitel beschäftigt sich mit dem menschlichen Bedürfnis nach Gewalt und der Notwendigkeit, dieses Bedürfnis zu befriedigen. Girard argumentiert, dass die Unterdrückung des Gewaltbedürfnisses zu einer Destabilisierung des sozialen Gefüges führen kann und dass die Befriedigung dieses Bedürfnisses, sei es durch Rituale oder andere Formen von Gewalt, notwendig ist.
Schlüsselwörter
Der Vortrag behandelt die Themen Opfer, Gewalt, Ambivalenz, Ersatzopfer, Rituale, Menschliches Opfer, Gewaltfreiheit, Christentum, Nietzsche, Girard, Sozialkonstruktivismus.
- Arbeit zitieren
- Siegmar Faust (Autor:in), 2003, Zu: René Girard: "Das Opfer", München, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/47449