Leseprobe
Inhaltsverzeichnis
1.o Einleitung
2.o Nelson und seine Zeit
3.o Joseph Mallord William Tuner: The Battle of Trafalgar, as seen from the Mizen Starboard Shrouds of the Victory
3.1 Beschreibung
3.2 Entstehung
3.3 Deutung
4.o Arthur William Devis: The Death of Nelson, 21 October 1805
4.1 Beschreibung
4.2 Entstehung
4.3 Deutung
5.o Benjamin West
5.1 The Death of Lord Nelson
5.1.1 Beschreibung
5.1.2 Entstehung
5.1.3 Deutung
5.2 The Immortality of Nelson
5.2.1 Beschreibung
5.2.2 Entstehung
5.2.3 Deutung
5.3 The Death of Lord Nelson in the Cockpit of the Victory
5.3.1 Beschreibung
5.3.2 Deutung
6.o Stampa & Son, The Noble Adml. Ld. Nelson, Mortally wounded by a Musket Ball, in the moment of brilliant and decisive Victory, over the Combined Fleets of Fance and Spain. October 21st. 1805
6.1 Glass pictures
6.2 Beschreibung
6.3 Deutung
7.o Resümee
8.o Literaturverzeichnis
1.o Einleitung
Der folgende Text beschäftigt sich mit Darstellungen in der Malerei, die sich mit dem Tod des englischen Nationalhelden Admiral Nelson befassen. Die vorgestellten Malereien sind ohne Ausnahme kurz nach Nelsons Tod zu Beginn des 19. Jahrhunderts entstanden. Da die Kunstwerke beinahe gleichzeitig fertig gestellt wurden, sehe ich von einer chronologischen Reihenfolge ab. Nach einer knappen Einführung in den historischen Hintergrund und die Person Nelson, werde ich in die Analyse ausgewählter Kunstwerke einsteigen. Es soll herausgestellt werden, in welcher Art und Weise und aus welchen Gründen die einzelnen Künstler das Thema bearbeiteten. Um einen Eindruck von der Bedeutung Nelsons und der ihn abbildenden Malerei im 19. Jahrhundert zu bekommen, werde ich mich auf Tagebucheinträge eines Zeitgenossen stützen, eine Nelson- Biographie als Quelle heranziehen und aktuelle Sekundärliteratur berücksichtigen.
2.o Nelson und seine Zeit
Horatio Nelson wurde am 29. September 1758 in der Gemeinde Burnham Thorpe, Norfolk, geboren[1] und fiel am 21. Oktober 1805. Er liebte sein Heimatland England und wurde ebenso sehr von den Engländern geliebt[2], die ihn bereits zu Lebzeiten als „hero of England“[3] feierten. Biographen wissen zu berichten, dass er durchdrungen gewesen sei von „Furchtlosigkeit, Pflicht- und Ehrgefühl“[4]. Er habe einen unbändigen Siegeswillen gehabt und seine Aufgabe darin gesehen, die Erwartungen die England an ihn stellte, zu erfüllen[5]. Sein Herz soll „as human as it was fearless“[6] gewesen sein. Nicht Selbstsüchtigkeit und Habgier hätten Nelsons Sein geprägt, sondern der Wille, seinem Land mit seinem Herzen, seiner Seele und seiner Kraft zu dienen[7]. Nelsons Patriotismus, seine Tapferkeit und seine Führungsqualitäten wurden verehrt[8]. Sein Image war schon zu seinen Lebzeiten so gefestigt, dass Kritik an der Person Nelson undenkbar war[9].
Im Alter von zwölf Jahren stand Nelson das erste Mal als Midshipman auf einem Schiff der Royal Navy, auf dem sein Onkel Maurice Suckling als Kapitän das Kommando führte[10]. Seitdem ließen ihn die Weltmeere und der Dienst für England nicht mehr los. 1787 heiratete Nelson Frances Nisbet[11]. 1794 verlor Nelson nach einem Schuss ins Gesicht sein Augenlicht auf seinem rechten Auge[12], drei Jahre später traf ihn eine Kugel in den Ellbogen und er verlor seinen rechten Arm[13]. Im selben Jahr erreichte er den ersten Admiralsgrad[14]. 1798 besiegte er die Franzosen bei Abukir[15]. Die Times schrieb am 1. Oktober 1798: „A victory more glorious and more compleat is not recorded in the annals of our Navy; nor has any of our naval triumuphs been so likely to produce a general good influence throughout Europe“[16]. Nelson wurde schon vor seinem Tode als Nationalheld verehrt und sein Sieg bei Abukir wurde in Großbritannien ausgiebig gefeiert[17]. Auf Sizilien lernte er Lady Emma Hamilton kennen mit der er ein Verhältnis und ab 1801 auch eine Tochter namens Horatia hatte[18]. Im selben Jahr kämpfte er vor Kopenhagen gegen Dänemark, Schweden und Russland[19]. 1805 kämpfte er an der Südküste Spaniens, bei Trafalgar, gegen die vereinigte französische- und spanische Flotte. Er ließ vor Beginn der Seeschlacht Signalfahnen mit folgendem Inhalt hissen: „England expects every man to do his duty“[20]. Diese Haltung macht deutlich wie Nelson selbst zu England stand und was er von seinen Landsleuten erwartete. Nelson konnte einen Sieg erringen und damit die britische Seemacht stärken. Allerdings wurde er am Tag des Sieges, am 21. Oktober 1805, von einer Kugel getroffen und starb im Cockpit seines Schiffes.
Zu Nelsons Zeit verband Endland und Frankreich keine Freundschaft[21]. Europa befand sich in einer Umbruchszeit, hervorgerufen durch die Französische Revolution. Napoleon I. herrschte in Frankreich und die Engländer sahen sich beauftragt, für „Frieden und Freiheit“[22] zu kämpfen, nicht zuletzt aus Angst vor einer Invasion der Franzosen. Nelson lebte in einer Zeit in der versucht wurde, „nationale Mythologien von hinreichender Überzeugungskraft zu entwickeln“[23] um das Volk gewissermaßen zusammenzuschweißen. In der Geschichtsschreibung, aber vor allem in der Kunst kam es darauf an, Großbritannien zu loben und zu rühmen[24]. In Nelson fand die britische Bevölkerung einen Helden, der das mächtige Frankreich besiegen konnte, was sie sehr beeindruckte[25]. Durch Nelsons Wirken, fasste die Öffentlichkeit wieder mehr Vertrauen in die Regierung und hatte keine Angst davor, dass eine französische Invasion nicht abzuwehren oder gar zu verhindern sei[26]. Die Nachricht vom Sieg gegen die Franzosen und dem Tod Nelsons, die London am 6. November 1805 erreichte[27], wurde mit Freude über den Sieg, aber auch mit großer Bestürzung aufgenommen. Nelsons Tod wurde laut Southey in der englischen Bevölkerung wie der Verlust eines guten Freundes aufgenommen und die Engländer hätten eine tiefe Liebe zu dem Mann, zu dem sie mit Stolz hinauf geschaut hatten, empfunden[28]. Der Sieg Nelsons beim Kap Trafalgar wurde zum „Symbol für Englands Entschlossenheit zur Loslösung von Europa“[29] und stärkte das Selbstbewusstsein und den Glauben der englischen Nation an die Freiheit und an das Vaterland[30]. Nelson wurde schon vor seinem Tode als Held verehrt, aber durch sein dramatisches Ableben erfuhr die Verehrung Nelsons ihren Höhepunkt, die sich in unzähligen kleineren Erinnerungsgegenständen, die in Massenproduktionen hergestellt wurden[31], und in Gemälden, Drucken, Skulpturen, Theaterstücken, Biographien und Liedern ausdrückte[32]. Auch heutzutage wird Horatio Nelson noch immer als Nationalheld gefeiert und geehrt[33].
3.o Joseph Mallord William Tuner: The Battle of Trafalgar, as seen from the Mizen Starboard Shrouds of the Victory, 1806-1808, 171 x 239 cm, Öl auf Leinwand, National Maritime Museum in Greenwich, London
3.1 Beschreibung
Von einem erhöhten Standpunkt (dem Besansegel) aus, sieht der Bildbetrachter auf das Deck eines Schiffes. Es handelt sich hierbei um das britische Kriegsschiff Victory. Es sind weitere Schiffe, oder vielmehr Masten und Segel zu erkennen die sich vor einem grau-blauen, nebligen Hintergrund präsentieren. Zahlreiche Männer sind zu sehen, die sich unter einem bedeckten Himmel und umgeben von Kanonenrauch ihrem Gegner stellen.
Erst auf den zweiten Blick erkennt der Betrachter, dass es sich nicht bloß um eine Seekampfszene handelt, sondern auch um die Präsentation von Nelsons Tod. Ein auffällig weißes Segel, das sich etwa in der Bildmitte befindet, leitet den Blick des Betrachters zum einen auf den Schiffsmast an dessen Fuß, der bereits vom Schuss getroffene Nelson liegt und zum anderen in die Richtung aus der der Schuss kam sowie auf die französische Flagge.
Nelson ist in Turners Gemälde zunächst eine Figur von vielen, hebt sich aber dadurch von der Menge ab, dass der Blick auf Nelson nicht unterbrochen wird und vor allem durch seine weiße Uniform, auf der kein Blut zu sehen ist. Er wird von einer kleinen Gruppe umringt und angehoben, um im nächsten Moment vom Deck fort getragen zu werden. Die übrigen Figuren sind damit beschäftigt, ihre Aufgaben zu erledigen und schenken Nelson keine Beachtung. Auf dem Deck der Victory sind Menschen beim Einholen einer französischen Flagge zu erkennen.
Der tödliche Schuss wird erst kurz zuvor gefallen sein, da der Betrachter noch den aus der Schusswaffe austretenden Rauch erkennen kann. Die Nelson umgebenden Offiziere blicken in die Richtung aus der der Schuss kam – von einem Scharfschützen, hoch oben in einem Mastkorb des französischen Schiffes in der rechten Bildhälfte, welches als die Redoutable identifiziert werden kann.
3.2 Entstehung
Turner, der für die Napoleonischen Kriege großes Interesse gezeigt hatte, hat sich sehr um eine realistische Darstellung bemüht und viele Skizzen gemacht um das Schiff originalgetreu abzubilden[34]. Dennoch beeilte er sich mit der Fertigstellung des Historiengemäldes, das er bereits 1806 in seiner eigenen Galerie ausstellte. Joseph Farington[35] äußert sich in seinem Tagebucheintrag vom 3. Juni 1806 recht negativ über Turners Gemälde, dass ihm „very crude“ und unfertig erscheint, zudem seien die Figuren „miserably bad“ gemalt[36]. Ob Turner diese Meinung zugetragen wurde ist nicht bekannt, aber er schien selbst mit seinem Kunstwerk nicht vollends zufrieden gewesen zu sein, da er es noch einmal überarbeitete, indem er den Farbreichtum erweiterte und den Helldunkel-Effekt noch mehr herausarbeitete[37], bis er es 1808 in der British Institution vorführte[38].
[...]
[1] Nelsons Vater Edmund Nelson war Pfarrer, seine Mutter hieß Catherine geb. Suckling und starb als Nelson zehn Jahre alt war. Truchanowski, Wladimir Grigorjewitsch: Horatio Nelson. Triumph und Tragödie eines Admirals. Berlin 1990, S. 9 f.
[2] Southey, Robert: The life of Horatio Lord Nelson. London, New York 1906, S. 245 f.
[3] Vgl. Southey 1906 (wie Anm. 2), S. 246.
[4] Vgl. Truchanowski 1990 (wie Anm. 1), S. 12.
[5] Vgl. Southey 1906 (wie Anm. 2), S. 245.
[6] Vgl. Southey 1906 (wie Anm. 2), S. 245.
[7] Vgl. Southey 1906 (wie Anm. 2), S. 245.
[8] Czisnik, Marianne: Admiral Nelson. Image and Icon. Diss. Edinburgh 2003, S. 36 f.
[9] Vgl. Czisnik 2003 (wie Anm. 8), S. 37.
[10] Vgl. Truchanowski 1990 (wie Anm. 1), S. 14.
[11] Vgl. Southey 1906 (wie Anm. 2), S. 34.
[12] Vgl. Southey 1906 (wie Anm. 2), S. 60.
[13] Vgl. Southey 1906 (wie Anm. 2), S. 95.
[14] Vgl. Truchanowski 1990 (wie Anm. 1), S. 107.
[15] Vgl. Czisnik 2003 (wie Anm. 8), S. 6.
[16] Vgl. Czisnik 2003 (wie Anm. 8), S. 7.
[17] Vgl. Czisnik 2003 (wie Anm. 8), S. 8 f.
[18] Vgl. Czisnik 2003 (wie Anm. 8), S. 23-29.
[19] Vgl. Southey 1906 (wie Anm. 2), S. 175 ff.
[20] Vgl. Southey 1906 (wie Anm. 2), S. 254.
[21] Vgl. Truchanowski 1990 (wie Anm. 1), S. 251.
[22] Syriatou, Athena: Großbritannien. Für König und Freiheit. In: Flacke, Monika (Hrsg.): Mythen der Nationen. Ein europäisches Panorama. München, Berlin 1998, S. 191.
[23] Vgl. Syriatou 1998 (wie Anm. 22), S. 175.
[24] Vgl. Syriatou 1998 (wie Anm. 22), S. 176.
[25] Vgl. Czisnik 2003 (wie Anm. 8), S. 36.
[26] Vgl. Czisnik 2003 (wie Anm. 8), S. 32.
[27] Von Erffa, Helmut; Staley, Allen: The paintings of Benjamin West. New Haven, London 1986, S. 221.
[28] Vgl. Southey 1906 (wie Anm. 2), S. 267.
[29] Vgl. Syriatou 1998 (wie Anm. 22), S. 196.
[30] Vgl. Syriatou 1998 (wie Anm. 22), S. 196.
[31] Vgl. Czisnik 2003 (wie Anm. 8), S. 12.
[32] Mitchell, Charles: Benjamin West’s Death of Nelson. In: Fraser, Douglas; Hibbard, Howard; Lewine, Milton J. (Hrsg.): Essays in the history of art presented to Rudolf Wittkower. 2 Bde. Bd. 2: Essays in the history of art with thirty-nine contributions. London 1969, S. 266.
[33] Dem 200sten Jahrestag des Sieges bei Trafalgar widmet das National Maritime Museum in Greenwich, London, vom 7. Juli bis zum 13. November 2005 eine Ausstellung.
[34] Irwin, David: Trafalgar and Waterloo: The British hero. In: Mai, Ekkehard (Hrsg.): Historienmalerei in Europa. Paradigmen in Form, Funktion und Ideologie. Mainz am Rhein 1990, S. 46.
[35] Joseph Farington (1747-1821) war Maler, Zeichner, Illustrator und Graphiker, Mitglied der Royal Academy, vor allem aber bekannt als Kunstsachverständiger, mit Interesse am Kunstmarkt, an Techniken und an der Beobachtung der Kunst und der Künstler seiner Zeit. Farington hat von Juli 1793 bis Dezember 1821 Tagebuch geschrieben (siehe Literaturverzeichnis, Hrsg. Kathryn Cave; Zitate nachfolgend gekennzeichnet durch die Angabe Farington, Bd. und Seitenzahl).
[36] Farington, VII, S. 2777.
[37] Vgl. Irwin 1990 (wie Anm. 34), S. 46.
[38] Butlin, Martin; Joll, Evelyn: The paintings of J.M.W. Turner. Text. New Haven, London 1977, S. 39.