Gotthold Ephraim Lessing gilt als Schöpfer einer dramatischen Gattung der deutschen Aufklärung: dem bürgerlichen Trauerspiel. Auch wenn „Miß Sara Sampson“ (1755) das erste Werk ist, so kommt „Emilia Galotti“ (1772) doch eine besondere Bedeutung zu. Mit ihr wird der Typus des empfindsamen bürgerlichen Trauerspiels abgelöst. An ihr orientieren sich nachfolgende Stückeschreiber, so auch Friedrich Schiller, dessen „Kabale und Liebe“ (1784) als ein Höhepunkt der Gattung im Sturm und Drang gilt.
Das Bürgerliche wird nicht allein durch den sozialen Stand des Personals bestimmt, sondern durch die Wert- und Moralvorstellungen der Protagonisten (Tugend und Vernunft als leitende Prinzipien), die Lebenssphäre der bürgerlichen Kleinfamilie, ihre Beziehungen und Konflikte (Familienkonvention und Ich-Autonomie als Pole) - namentlich in der Gattenwahl der Tochter als freie Entscheidung. Grundlegend handelt es sich oft um einen Vater-Tochter-Konflikt in Form eines dominanten Vaters und einer gefährdeten Tochter. Darin, dass das Private Gegenstand der Tragödie ist, liegt das Bürgerliche der Gattung. Die Geschäftswelt, als zweite Sphäre des Bürgertums, bleibt ausgeklammert.
Später rückt der Konflikt der Stände – oft durch Liebesbeziehungen zwischen den Ständen ausgelöst – in den Mittelpunkt, für die beide behandelten Dramen Beispiele sind. Die politischen Konflikte des hohen Adels werden durch private Konflikte von niederem Adel und Bürgertum abgelöst.
Im Sturm und Drang erhält das bürgerliche Trauerspiel zudem eine offen gesellschaftskritische Tendenz.
In der vorliegenden Arbeit beschäftige ich mich mit einem Vergleich dieser beiden Klassiker des deutschen Dramas und lege den besonderen Schwerpunkt auf die weiblichen Hauptfiguren Emilia Galotti und Luise Millerin. Dreiteilig gestaltet sich die Arbeit. Zunächst geht es um einen direkten Vergleich der beiden jungen Frauen unter verschiedenen Aspekten, danach um interpersonelle Strukturen und in einem abschließenden allgemeineren Teil um Ähnlichkeiten und Unterschiede in den behandelten Trauerspielen.
Inhaltsverzeichnis
- I. Einleitung
- II. Vergleich von Emilia Galotti und Luise Millerin
- 1. Das Bürgertum, das Milieu und die jeweilige Stellung der Familie
- 2. Einbettung in die Familie und Erziehung
- 3. Vermittelte Werte und die christliche Religion
- 4. Frauenbild
- 5. Handlungen und Handlungsfähigkeit
- 6. Charakterzeichnung
- 7. Tod
- III. Interpersonelle Strukturen
- 1. Vater und Tochter
- 2. Mutter und Tochter
- 3. Emilia und Appiani bzw. Prinz sowie Luise und Ferdinand
- IV. Ähnlichkeiten und Unterschiede der Trauerspiele
- 1. Schillers Anlehnung an Lessings Stück
- 2. Unterschiede
- 2.1 Epoche (Aufklärung bzw. Sturm und Drang) und Zeit (1772 und 1784)
- 2.2 Persönlicher Stil
- 2.3 Persönliche Anschauung
- 2.4 Wirkungsabsicht und politische Bedeutung
- V. Abschließende Bemerkung
Zielsetzung und Themenschwerpunkte
Die vorliegende Arbeit untersucht die weiblichen Hauptfiguren Emilia Galotti und Luise Millerin in Lessings „Emilia Galotti“ und Schillers „Kabale und Liebe“ und analysiert sie in einem vergleichenden Kontext. Die Arbeit zielt darauf ab, die Gemeinsamkeiten und Unterschiede in den beiden Dramen aufzudecken, insbesondere in Bezug auf die Charakterisierung der Protagonistinnen, ihre sozialen Kontexte, die familiären Beziehungen und die erlebten Konflikte.
- Vergleich der beiden Protagonistinnen Emilia Galotti und Luise Millerin in Bezug auf ihre soziale Stellung, Erziehung, Wertevorstellungen und Handlungsfähigkeit.
- Analyse der Familienstrukturen in beiden Dramen und die Rolle der Eltern in der Erziehung ihrer Töchter.
- Untersuchung des Frauenbildes in den Werken und die Darstellung von Tugendhaftigkeit, Liebe und Opferbereitschaft.
- Bedeutung der ständischen Konflikte und ihrer Auswirkungen auf die Entscheidungen der Protagonistinnen.
- Analyse der Ähnlichkeiten und Unterschiede in den Dramen im Kontext der Aufklärung und des Sturm und Drang.
Zusammenfassung der Kapitel
Die Einleitung beleuchtet Lessings Bedeutung als Schöpfer des bürgerlichen Trauerspiels und stellt „Emilia Galotti“ und „Kabale und Liebe“ als zentrale Werke der Gattung vor. Sie thematisiert die spezifischen Charakteristika des bürgerlichen Trauerspiels, die sich in den Familienstrukturen, Moralvorstellungen und Konflikten der Protagonisten widerspiegeln.
Kapitel II widmet sich einem detaillierten Vergleich von Emilia Galotti und Luise Millerin unter verschiedenen Aspekten. Es wird die soziale Stellung ihrer Familien, ihre Erziehung, ihre Wertevorstellungen und ihre Handlungsmöglichkeiten analysiert. Dabei werden die Unterschiede in ihrem Milieu, ihrer Bildung und ihren Handlungsspielräumen deutlich.
Kapitel III untersucht die interpersonellen Strukturen in den Dramen, insbesondere die Beziehungen zwischen Vater und Tochter sowie Mutter und Tochter. Es werden die Konflikte, die aus den unterschiedlichen Perspektiven und Erwartungen der Familienmitglieder entstehen, analysiert.
Kapitel IV fokussiert auf die Ähnlichkeiten und Unterschiede zwischen den beiden Trauerspielen. Die Anlehnung Schillers an Lessings Stück wird beleuchtet, ebenso wie die spezifischen Merkmale der Epochen, der persönlichen Stile, der Anschauungen und der Wirkungsabsichten der beiden Dramatiker.
Schlüsselwörter
Das bürgerliche Trauerspiel, Emilia Galotti, Luise Millerin, Aufklärung, Sturm und Drang, Ständekonflikt, Familienstrukturen, Erziehung, Tugend, Moral, Frauenbild, Handlungsfähigkeit, Vergleich, Ähnlichkeiten, Unterschiede.
- Arbeit zitieren
- Claudia Kollschen (Autor:in), 2001, Emilia Galotti und Luise Millerin. Die Protagonistinnen von 'Emilia Galotti' und 'Kabale und Liebe' im Vergleich, München, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/47616