Gottfried Benn hat sich im Laufe seines Lebens oft und ausgiebig mit dem Künstler und der Kunst an sich beschäftigt, so ab 1930 mit Person und Psyche des Künstlers, ab 1931 in erster Linie mit der Sache und der Leistung der Kunst. In der vorliegenden Arbeit wird Gottfried Benns Verständnis von Kunst und Künstler untersucht, vorrangig anhand seiner Essays, Reden und Vorträge und nur am Rande anhand literarischer Werke.
Benns Entwicklung führte zunehmend zu einer Kunst- und auch Lebensauffassung, die auf Form und Stil, eine ausgeprägte Ästhetik gerichtet war, nicht nur im Kontrast zu einem Inhalt, sondern auch in Bezug auf Menschen und Gesellschaft sowie Politik und Geschichte. Auch die aktive Teilhabe an Fragen der Zeit, gar im Sinne des Anstrebens von Veränderungen, war bis auf eine kurze Phase zu Beginn der Herrschaft des Nationalsozialismus 1933/34 nicht in Benns Sinne. Jegliche Wirkungsabsichten wurden negiert, die Zweckfreiheit von Kunst propagiert und ebendiese Kunst absolut gesetzt; ein Rückzug aus dem sozialen Feld zugunsten der Ästhetik, was schließlich darin gipfelte, die Welt als ästhetisches Phänomen zu betrachten – in Anlehnung an Friedrich Nietzsche – und diese Interpretation mit allen Konsequenzen als alleinige Realität zu akzeptieren. Die Welt wird Kunst und Kunst wird Lebensinhalt und Sinn. Um diese Aspekte soll es gehen.
Zugleich wird kritisch beleuchtet werden, wie Benn das Setzen der Alleingültigkeit von Form und Stil in Bezug zur benannten Zweckfreiheit und Wirkungslosigkeit möglicherweise – bewusst oder unbewusst – nutzt, um sich politisch und gesellschaftlich zu entlasten, was seine unrühmliche Rolle zu Beginn des Nationalsozialismus betrifft.
Die vorliegende Arbeit orientiert sich primär am Aufbau des Textes „Probleme der Lyrik“ (1951) (IV, 1058-1096) von Gottfried Benn selbst. Hier finden sich als Essenz die vollständig entwickelten ästhetischen Ansichten Benns – ausgeführt anhand der Lyrik, aber ebenso auf andere Bereiche übertragbar – gegen Ende seines Lebens, somit zum Abschluss seiner Entwicklungen. Wesentliche Ansichten zu oben genannten Themen können extrahiert, entwickelt und kritisch beleuchtet werden unter Zuhilfenahme weiterer Texte.
Inhaltsverzeichnis
- I. Einleitung
- II. Hauptteil
- 1. „Das Wort“ statt „Stimmung“
- 2. Friedrich Nietzsche
- 3. Die Aufgaben der Kunst und des Künstlers
- 4. Das Monologische
- 5. Die Wirklichkeit
- 5.1 Der Lyriker - ein Realist?
- 5.2 Der Mimesis-Begriff und die ästhetische Eigenwelt
- 6. Die Form
- 6.1 Die Statik
- 6.2 Die absolute Kunst
- 6.3 Benn – ein Ästhetizist?
- 7. Die Bedeutung des Inhalts
- 8. Die Autarkie
- 9. Das Wesen des Künstlers
- 10. Der Künstler im Gegensatz
- 10.1 Der Staat und Kunst & Kultur
- 10.2 „Die Mitte“ und der Künstler als „Kranker“
- 10.3 Asozialität von Dichtung“ - Benn und soziale Bezüge
- 11. Kommunikation und Rezeption
- 12. Die Wirkungslosigkeit
- 13. Die Zweckfreiheit der Kunst
- 13.1 Politische Zweckfreiheit
- 13.2 Moralische Zweckfreiheit
- 14. Das Zurückweisen von Verantwortung und das Verwerfen von Handeln
- III. Schlussbemerkung
Zielsetzung und Themenschwerpunkte
Diese Arbeit befasst sich mit Gottfried Benns Verständnis von Kunst und Künstler, vorrangig anhand seiner Essays, Reden und Vorträge. Der Schwerpunkt liegt auf Benns Entwicklung einer Kunst- und Lebensauffassung, die auf Form und Stil, eine ausgeprägte Ästhetik gerichtet war, nicht nur im Kontrast zu einem Inhalt, sondern auch in Bezug auf Menschen und Gesellschaft sowie Politik und Geschichte.
- Benns Kunstbegriff und seine Ablehnung von Wirkungsabsichten
- Die Rolle von Form und Stil in Benns Kunstauffassung
- Die Bedeutung der Zweckfreiheit der Kunst
- Benns Sicht auf die Beziehung zwischen Künstler und Gesellschaft
- Die Frage nach Benns Verantwortung und seiner Rolle im Nationalsozialismus
Zusammenfassung der Kapitel
Die Einleitung führt in das Thema ein und stellt den Schwerpunkt der Arbeit auf Benns Kunstauffassung dar. Sie beleuchtet die Entwicklung von Benns Kunstverständnis von einer frühen Phase, in der das „Dionysische“ dominierte, hin zu einer Fokussierung auf den formreflexiven Aspekt. Benns Weltbild wird als ästhetisches Phänomen vorgestellt, das in Anlehnung an Friedrich Nietzsche als alleinige Realität betrachtet wird.
Das erste Kapitel behandelt den Begriff „Artistik“ bei Benn und zeigt, dass ein Gedicht nicht aus einer Stimmung entsteht, sondern ein Kunstprodukt ist, das mit „Bewußtheit“, „kritischer Kontrolle“ und „Vorstellung“ von „Artistik“ geschaffen wird.
Das zweite Kapitel widmet sich Friedrich Nietzsche, dessen Einfluss auf Benns Kunstauffassung deutlich wird. Nietzsche prägte Benns Verständnis von Kunst als ästhetisches Phänomen und trug zur Betonung von Form und Stil in Benns Werk bei.
Im dritten Kapitel werden die Aufgaben der Kunst und des Künstlers aus Benns Sicht beleuchtet. Dabei wird deutlich, dass Benn die Kunst als eine autonome Sphäre betrachtet, die sich von gesellschaftlichen und politischen Einflüssen distanzieren sollte. Die Rolle des Künstlers wird als eine elitäre und bedeutende Rolle in Geschichte und Gesellschaft dargestellt.
Schlüsselwörter
Die Arbeit beschäftigt sich mit den zentralen Themen des Kunstbegriffs, der Zweckfreiheit der Kunst, der Ästhetik, dem Künstler und seiner Rolle in Gesellschaft und Geschichte, sowie Benns Bezug zu Friedrich Nietzsche.
- Arbeit zitieren
- Claudia Kollschen (Autor:in), 2003, Gottfried Benns Kunstkonzept - Die Welt als ästhetisches Phänomen, München, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/47617