„Por mi raza habla el espiritu“ sind die Worte, die auf dem Stein des berühmten Bibliotheksgebäudes der Universidad Nacional Autónoma de México (UNAM) weit sichtbar geschrieben stehen. Sie stammen von dem mexikanischen Philosophen und Schriftsteller José Vasconcelos, der im ideologischen Vakuum, das nach der Revolution Anfang der 1920er-Jahre entstand, mit seinen Überlegungen zur „Mestizaje“, der „iberoamerikanischen“ und der „kosmischen“ Rasse der mexikanischen Gesellschaft eine neue Identität gab, die diese bis heute prägt. Der Literaturnobelpreisträger und wichtigste mexikanische Intellektuelle des 20. Jahrhunderts, Octavio Paz, unterstrich bereits im Jahre 1950 die Bedeutung Vasconcelos, da für ihn schon damals „sein kurzes, doch segensreiches Werk [...] im wesentlichen noch lebendig [ist]“. Und die Literaturwissenschaftlerin Silvia Spitta schrieb Ende der 1990er über Vasconcelos Hauptidee der raza cósmica, dass „se ha vuelto [...] un concepto fundacional no sólo en México y toda Latinoamérica sino que también en el pensamiento chicano al norte del río Grande“. Der Philosoph Manuel Vargas meinte zudem, dass sich erst mit dem Zapatisten-Aufstand im Jahre 1994 eine neue Diskussion über Vasconcelos Werk entsponnen hätte.
Die Renaissance des Hauptwerkes von Vasconcelos ist jedoch mitnichten der einzige aktuelle Versuch, eine kollektive Identität zu definieren. Im Zuge der Debatten über die grassierende neoliberale Globalisierung und die Neuen Weltordnung nach dem Zusammenbruch der Sowjetunion sind immer wieder dergleichen Versuche zu entdecken, um Kräfte in Blöcken zu mobilisieren. Spätestens bei der durch das enge Abstimmungsverhalten der Dritten Welt gescheiterten Weltwirtschaftskonferenz 2003 in Cancún erlebte auch die Bewegung des Tercermundismo, der eigentlich durch das genannte Ende der bipolaren Weltordnung ihre ursächliche Motivation fehlt und demnach als abgeschlossen galt, ihre vielbeachtete Renaissance. Die Hintergründe dieser beiden überraschenden „Wiedergeburten“, die beide auf ihre Art die Konstruktion einer lateinamerikanischen Identität anstreben, wird das vorliegende Buch beleuchten, um der Frage auf den Grund zu gehen, wodurch die Suche nach einer kollektiven Identität motiviert ist und was ihre Folgen sind.
1 Einleitung
„Por mi raza habla el espiritu“ sind die Worte, die auf dem Stein des berühmten Bibliotheksgebäudes der Universidad Nacional Autónoma de México (UNAM) weit sichtbar geschrieben stehen. Sie stammen von dem mexikanischen Philosophen und Schriftsteller José Vasconcelos, der im ideologischen Vakuum, das nach der Revolution Anfang der 1920er-Jahre entstand, mit seinen Überlegungen zur „Mestizaje“, der „iberoamerikanischen“ und der „kosmischen“ Rasse der mexikanischen Gesellschaft eine neue Identität gab, die diese – wie hier zu sehen – bis heute prägt.
Der Literaturnobelpreisträger und wichtigste mexikanische Intellektuelle des 20. Jahrhunderts, Octavio Paz, unterstrich bereits im Jahre 1950 die Bedeutung Vasconcelos, da für ihn schon damals „sein kurzes, doch segensreiches Werk [...] im wesentlichen noch lebendig [ist]“[1]. Und die Literaturwissenschaftlerin Silvia Spitta schrieb Ende der 1990er über Vasconcelos Hauptidee der raza cósmica, dass „se ha vuelto, [...], un concepto fundacional no sólo en México y toda Latinoamérica sino que también en el pensamiento chicano al norte del río Grande“[2]. Der Philosoph Manuel Vargas meinte zudem, dass sich erst mit dem Zapatisten-Aufstand im Jahre 1994 eine neue Diskussion über Vasconcelos Werk entsponnen hätte.[3]
Die Renaissance des Hauptwerkes von Vasconcelos ist jedoch mitnichten der einzige aktuelle Versuch, eine kollektive Identität zu definieren. Im Zuge der Debatten über die grassierende neoliberale Globalisierung und der Neuen Weltordnung nach dem Zusammenbruch der Sowjetunion sind immer wieder dergleichen Versuche zu entdecken, um Kräfte in Blöcken zu mobilisieren. Spätestens bei der durch das enge Abstimmungsverhalten der Dritten Welt gescheiterten Weltwirtschaftskonferenz 2003 in Cancún erlebte auch die Bewegung des Tercermundismo, der eigentlich durch das genannte Ende der bipolaren Weltordnung ihre ursächliche Motivation fehlt und demnach als abgeschlossen galt, ihre vielbeachtete Renaissance.
Die Hintergründe dieser beiden überraschenden „Wiedergeburten“, die beide auf ihre Art die Konstruktion einer lateinamerikanischen Identität anstreben, wird die vorliegende Arbeit beleuchten, um der Frage auf den Grund zu gehen, wodurch die Suche nach einer kollektiven Identität motiviert ist und was ihre Folgen sind. Dazu wird eingangs analysiert, auf welchen Ideen Vasconcelos La Raza Cósmica (1925) gründet und ob seine Ansichten für eine moderne Gesellschaft überhaupt tragbar sind, und im Anschluss wird der Neo-Tercermundismo vorgestellt und unter den gleichen Gesichtspunkten analysiert.
2 La Raza Cósmica
In der folgenden Analyse von Vasconcelos Hauptwerk wird insbesondere untersucht, auf welche Konzeptionen sich Vasconcelos bei seinem Entwurf der Mestizaje und seinen Überlegungen zur raza iberoamericana bzw. der raza cósmica beruft. Dabei sollen vor allem die Ideen von Rasse und Rassismus, die diesem Werk zugrunde liegen, dargestellt werden.[4]
2.1 Rassismus: Begriffserklärung
Um im weiteren Verlauf der Arbeit einen klaren Maßstab an den zu untersuchenden Text anlegen zu können, wird zunächst eine Klärung des Begriffs Rassismus vorgenommen. Durch diese Definition sind die im Text vorhandenen Ideen besser aufzudecken, die auf rassistischer Ideologie beruhen, um auf dieser Basis den Gehalt von La Raza Cósmica aufzeigen zu können.
Für eine Definition von Rassismus gilt es zunächst festzuhalten, dass sich der Begriff auf die besonders im 19. Jahrhundert in Europa stark aufgekommene Ideologie der Rasse bezieht, die nach äußerlichen körperlichen Merkmalen wie Hautfarbe Personen bestimmte menschliche und kulturelle Eigenschaften zuschreibt.[5]
Der Begriff Rassismus steht demnach vom Prinzip her für die Kategorisierung und (pejorative) Bewertung von Rassen nach der zu dieser Zeit gängigen Rasseneinteilung. Wichtig ist, dass bei der Einteilung der Weltbevölkerung in Rassen das Konzept Rassismus automatisch implizit vorhanden ist. Daher, „in this respect, 'racism' is not so much a product of race as the very reason for its existence“[6].
Die verschiedenen Rassen werden bei dieser Einteilung einzig und allein auf sehr oberflächliche Weise durch äußerliche körperliche Merkmale von Menschen bestimmt. Hauptmerkmal ist dabei meist die Hautfarbe, in verschiedenen Ansätzen wurden aber beispielsweise auch die Kopfform oder andere physische Besonderheiten als Kategorie benutzt.[7]
Entscheidend bei der Einteilung der Menschheit in „Rassen“ sind nun zwei Faktoren:
- Erstens wurde davon ausgegangen, dass die verschiedenen Rassen[8] naturgegeben und unverrückbar seien, und sich die Rassenzugehörigkeit über das Blut weitervererbe, mit der Konsequenz, dass eine Person entweder einer reinen Rasse zugehöre oder ein Mischling aus verschiedenen Rassen sei.[9]
- Zweitens wurde die Einteilung in Rassen als Grundlage für die Bewertung des „mental and moral behaviour of human beings, as well as individual personality, ideas and capacities“[10] benutzt, was die eigentliche rassistische Ideologie, den Rassismus, darstellt.
Üblicherweise stand auf der obersten Hierarchiestufe dieser Einteilung die weiße Rasse mit höchster moralischer Integrität und zivilisiertestem Denken[11], während auf der untersten Stufe die Schwarzen standen, die im Europa des 19. Jahrhunderts größtenteils als Sklaven wahrgenommen wurden.[12]
Wie bereits angemerkt entspricht die hier ausgebreitete Theorie von Rasse und Rassismus im weitesten Rahmen der Rassenlehre des 19. Jahrhunderts, dem so genannten wissenschaftlichen Rassismus, der unter anderem im Franzosen Gobineau mit seinem Essai sur l´inégalité des races humanés, in Robert Knox mit The Races of Mankind und in Sozialdarwinisten wie Herbert Spencer seine Vordenker hatte. Aus den Ideen des Sozialdarwinismus[13] entwickelte sich zudem später die perverse Idee der Eugenik, durch gezielte Weiterentwicklung der reinen und überlegenen Rassen[14] bei gleichzeitiger Ausschaltung der minderwertigen Rassen, der „natürlichen Auslese“ zuvor zu kommen (Vgl. Ashcroft, Griffiths, Tiffin 1998, S.201).
Ausgehend von den Ideen und Konzeptionen des 19. Jahrhunderts ist auch der heutige Rassismus zu verstehen, der sich zwar nicht mehr in einer so expliziten wissenschaftlichen Form niederschlägt, aber in der Denkweise vieler Menschen weltweit vorhanden ist. Der Soziologe Sergio Costa stellt in diesem Sinne den Rassismus heutzutage folgendermaßen dar:
„Rassismus entspricht der Unterstellung einer qualitativen Hierarchie zwischen den Menschen, die aufgrund bestimmter Körpermerkmale in verschiedene Gruppen aufgeteilt werden. Daraus ergeben sich sowohl sozioökonomische als auch soziokulturelle Folgen. Erstere beziehen sich auf die Entstehung einer ungleichen Chancenstruktur, da diejenigen, die in der unterstellten rassistischen Hierarchie schlecht da stehen, im sozialen Wettbewerb (Jobsuche, Zugang zum Schulsystem usw.) systematisch benachteiligt werden. Die kulturelle Dimension des Rassismus drückt sich im Alltag durch Verhaltensformen, Rituale (rassistische Beschimpfungen, Demütigungen) sowie räumliche und soziale Exklusion aus.“[15]
Bezogen auf den für diese Arbeit interessanten Fall Mexiko konstatiert er weiterhin, dass besonders die Bevölkerungsgruppen mit indigenen Körpermerkmalen von dieser rassistischen Denkweise betroffen seien.[16]
Zwei weitere Aspekte runden die Problematisierung des Begriffes Rassismus ab. Zunächst ist dies der Gesichtspunkt, dass das Konzept Rassismus heutzutage auch von Betroffenen strategisch als Identitätsstifter benutzt wird (z.B. den Black Panthers), mit der Argumentation, dass das „[abwertende] Konzept weiterhin gesellschaftlich wirksam sei“[17], und somit die einzige Möglichkeit zur gesellschaftlichen Emanzipation die Übernahme desselben sei.[18] Das bedeutet, dieser Logik zu Folge, dass eine vom Rassismus betroffene Person die primitive rassistische Kategorisierung akzeptieren müsse, um eine Gruppe bilden zu können, die stark genug sei, sich beispielsweise gegen den „weißen Mainstream“[19] zu wehren, ohne dass sie die theoretischen Implikationen und praktischen Konsequenzen bedenkt.
Darüber hinaus sind selbst „antirassistische Politiken darauf angewiesen, ihre Zielgruppe zu benennen und dabei auf die gleichen Kategorien zurückzugreifen, die die rassistischen Konstruktionen begründen“[20]. Das Paradox, welches dadurch entsteht, liegt auf der Hand, da, um „die benachteiligten Gruppen erfassen und definieren [zu können], [...] die bestehenden rassistischen Hierarchien diskursiv bestätigt werden“[21].
Ein zweiter Aspekt ist, dass heutzutage der Begriff Rasse „eher kulturell denn biologisch kodiert ist“[22], sich also beispielsweise auf linguistische und kulturelle Eigenheiten einer Gruppe bezieht. Das Problematische an solch einer Begriffsverwendung ist, dass dadurch zum einen die eigentliche Definition von Rasse und Rassismus anhand von Körpermerkmalen mit ihren menschenverachtenden Grundideen überdeckt wird. Zum anderen müsste man in diesem Zusammenhang einen anderen problematischen Begriff diskutieren, nämlich den der Ethnie, was aber den Rahmen dieser Arbeit sprengen würde.
2.2 Das Konzept der Mestizaje
Der Begriff Mestizaje (= Mischung verschiedener „Rassen“ und Kulturen[23] ) greift bei seiner Beschreibung des Ergebnisses sexuellen und kulturellen Kontaktes zwischen verschiedenen Menschen weitestgehend auf im vorhergehenden Kapitel besprochene rassistische Kategorien zurück. So wurde der Begriff Mestizaje (bzw. als Resultat die Bezeichnung Mestizo) im Kolonialdiskurs dazu verwendet, die reinrassigen Kolonisatoren von den Kolonisierten und den Nachkommen der Kolonisierten zu unterscheiden. Innerhalb dieser Konzeption wurde daher eine Taxonomie der rassischen Mischung erfunden[24], um die rassistische Diskriminierung zu fundamentieren.[25]
Das Konzept der Rassenmischung, das als unbedingte Voraussetzung das Prinzip der – in diesem Fall an Herkunft und Körpermerkmalen festgemachten – rassischen Reinheit[26] hat, existiert fast in allen kolonialen Kontexten. Der Begriff Mestizo bzw . Mestizaje wurde aber vor allem auf die Mischung zwischen Europäern und der indigenen Bevölkerung des lateinamerikanischen Subkontinents bezogen. Dies hat zur Folge, dass die Bezeichnung Mestizo wegen der frühen Unabhängigkeit von Spanien und Portugal heute nicht mehr rassistisch abwertend benutzt wird, sondern zu einem „positive 'national' cultural sign“[27] der lokalen Bevölkerung geworden ist. Dies kann man beispielsweise daran festmachen, dass sich in vielen lateinamerikanischen Ländern (nicht zuletzt wegen Vasconcelos) im 20. Jahrhundert die Ideologie der Mestizaje „als positives Modell der friedlichen Verschmelzung von vielfältigen Kulturen und Menschentypen“[28] durchgesetzt hat.
Zum einen bedeutet dies, dass auf diese Weise zur Eigendefinition der Bevölkerung eigentlich rassistische Prinzipien akzeptiert wurden, da – wie oben angemerkt – nur Mischung/Mestizaje existieren kann, wenn es vorher Rassen und speziell reine Rassen gab.[29] Immer wieder betont wurde/wird daher beispielsweise in Mexiko, dass die mestizische Rasse klar auf eine Mischung der starken spanischen Kolonisatoren („iberische Rasse“) mit den „stolzen“ Azteken zurückzuführen ist[30]. So wurde zum Ausdruck einer unabhängigen, mestizischen Nation Mexiko erst Anfang der 1970er-Jahre auf dem Platz der drei Kulturen in Tlatelolco (México DF) ein Stein mit der Inschrift aufgestellt:
„Am 13. August 1521 fiel das von Cuauhtémoc heldenhaft verteidigte Tlatelolco in die Hände von Hernan Cortés. Es war weder Triumph noch Niederlage. Es war die schmerzhafte Geburtsstunde des heutigen Mexikos, eines Volkes von Mestizen.“[31]
Weiterhin ist es wichtig festzuhalten, dass trotz der Übernahme des Konzepts der Mestizaje, also der Festschreibung der aktuellen Bevölkerung Lateinamerikas als Resultat einer kulturellen und biologischen Verschmelzung von „dunkelhäutigen, indigenen und als Mestizen bezeichneten Bevölkerungsgruppen“[32], „die in der Gesellschaft tief verankerten rassistischen Hierarchien“[33] in den lateinamerikanischen Ländern fortbestehen. Dies bedeutet, dass es immer noch zu extremer gesellschaftlicher Diskriminierung anhand von körperlichen Merkmalen (z.B. indigenes Aussehen oder dunkle Haut) kommt, was aber vom offiziellen, positiv besetzten Mestizaje-Diskurs verwischt wird.
Mestizaje bedeutet überdies, dass ein Assimilierungsprozess stattfinde bzw. stattgefunden habe, der dazu führe, dass sich im Rahmen von sexuellem und kulturellem Kontakt zwischen verschiedenen Rassen nur spezielle Eigenschaften durchsetzen, die dann zu einem einzigen Resultat verschmelzen. Weil daher beispielsweise einzelne Charaktereigenschaften am spanischen und andere am indianischen Erbe festgemacht werden – oft mit jeweils positiver und negativer Konnotation – setzt sich auch auf diese Weise das rassistische Grundprinzip der Mestizaje in lateinamerikanischen Gesellschaften weiter fort.
Aktuellere Konzeptionen, die den Kulturkontakt zu Kolonialzeiten beschreiben, gehen daher nicht mehr von einer kompletten Mischung oder Assimilierung der verschiedenen Kulturen aus, sondern versuchen auf differenziertere Weise das Zusammentreffen der Bevölkerung der zwei Kontinente zu beschreiben. Zu nennen wären hier die Konzepte der kulturellen Heterogenität (Conejo Polar) und das der kulturellen Hybridität (Bachtin / Bhaba), in denen die aktuelle indigene Kultur bzw. Bevölkerung Lateinamerikas nicht als minderwertig betrachtet oder diskursiv ausgelöscht wird.
2.3 Hauptthesen des Prolog-Essays von La Raza Cósmica
2.3.1 José Vasconcelos
José Vasconcelos, Jahrgang 1882, ist einer der wichtigsten mexikanischen Philosophen der ersten Hälfte des 20. Jahrhunderts und wird als „Prototyp jener 'caudillos culturales', die die intellektuelle Szene Mexikos und die mystische Auslegung der Revolution prägen“[34] bezeichnet. Wichtigkeit erlangte er zum einen dadurch, dass er das intellektuelle Vakuum der postrevolutionären Phase mit der „Erfindung eines neuen Systems [...], [...] eine[r] Philosophie der iberoamerikanischen Rasse“[35] auffüllte. Zum anderen entwarf er zu dieser Zeit ein neues Bildungssystem, das – unter anderem wegen in diesem Kapitel anzusprechender Ideen – insbesondere die Ausbildung der indigenen Bevölkerung Mexikos fördern sollte. Umsetzen konnte er dieses Bildungsprogramm zur Zeit der Präsidentschaft von Álvaro Obregón, unter dem er von 1921 bis 1925 Bildungsminister war.
Vasconcelos Überlegungen zur iberoamerikanischen Rasse beinhalten vor allen Dingen das zuvor erläuterte Konzept der Mestizaje, das eine Synthese von Rassen und Kulturen der reinen Rassenlehre eines Spencers gegenüberstellt. Ausgehend von der in Lateinamerika laut Vasconcelos schon vorhandenen Mestizaje solle dann weiterhin eine fünfte („kosmische“) Rasse entstehen, in der die vier Ausgangsrassen[36] aufgehen, und die zur bestimmenden globalen Einflussgröße werden solle.
Die beiden Hauptwerke, die Vasconcelos zu dieser Thematik geschrieben hat, sind La Raza Cósmica (1925) und Indología – Una interpretación de la cultura iberoamericana (1926). Der Rahmen dieser Arbeit beschränkt sich auf den Text La Raza Cósmica und insbesondere den essayistisch geschriebenen Prolog dieses Werkes, der Vasconcelos Hauptüberlegungen enthält[37]. Die Hauptthesen dieses Prologs werden im Folgenden vorgestellt.
2.3.2 Die Rassenkonzeption Vasconcelos
In Vasconcelos Augen besteht die menschliche Bevölkerung des Planeten Erde aus vier verschiedenen Rassen, den „lemurios o raza negra del sur“, den „hombres rojos“ oder „indios“ in Amerika, die die Erben der untergegangenen „atlantischen Rasse“ sind, den „amarillos“ bzw. „mongoles“ und der „raza blanca“[38]. Diese letztgenannte „raza blanca“ oder „civilización de los blancos“ habe laut Vasconcelos gegenwärtig die Vorherrschaft in der Welt, nachdem sie diese von den anderen Rassen übernommen habe, die jeweils in einer eigenen Epoche die Herrschaft inne hatten.[39]
Durch ihre aktuelle Vormachtstellung und ihren Eroberungsdrang hätten, seiner Meinung nach, die „blancos“ weiterhin die Grundlage geschaffen, eine „unión de todos los hombres en una quinta raza universal, fruto de las anterirores y superación de todo lo pasado“[40] zu schaffen. Unter ihrer Ägide sollen also – auf eine nicht näher erläuterte Art und Weise – alle vier Rassen verschmolzen und zur im Folgenden näher erläuterte raza cósmica werden.
Ein erster Schritt in diese Richtung war bereits die über die Kolonisierung herbeigeführte „Mission der Eingliederung“[41] der indigenen Bevölkerung Amerikas durch die zwei stärksten Vertreter der weißen Rasse, den „españoles“ (oder „castellanos; „latinos“) und den „ingleses“ (oder „británicos“; „sajones“).[42] Während jedoch die in Mentalität und Weltanschauung den „españoles“ in quasi binärer Opposition entgegenstehenden „ingleses“ die indigene Bevölkerung weitestgehend vernichtet hätten[43], hätten die „Spanier“ durch ihre bessere Assimilationsfähigkeit den Grundstein zur Mestizaje gelegt, wobei sich, laut Vasconcelos, bei diesem ersten Schritt der Mestizaje ganz klar die spanischen (und nicht die indianischen) Elemente durchsetzten, so dass er von den heutigen Lateinamerikanern als „nosotros los españoles, por la sangre, o por la cultura“[44] spricht[45].
[...]
[1] PAZ (1998), S.151
[2] SPITTA (1997), S.193
[3] vgl. VARGAS (2004)
[4] Diese Begriffe sind schon im Titel des Werkes als maßgeblich angedeutet.
[5] vgl. ASHCROFT, GRIFFITHS, TIFFIN (1998), S.199
[6] ebd. S. 199
[7] vgl.ebd. S. 203
[8] Der Franzose Curvier unterteilt im Jahre 1805 die Menschheit etwa in eine schwarze, eine weiße und eine gelbe Rasse. vgl. ebd. S.200
[9] vgl. ebd. S. 198
[10] ebd. S. 198
[11] Hier wird auch deutlich, dass die „Rasseneinteilung“ unter anderem den europäischen Kolonialismus mit seinem „Zivilisierungsgedanken“ rechtfertigte. vgl. BROCKHAUS (1998), S.301
[12] vgl. ASHCROFT, GRIFFITHS, TIFFIN (1998), S. 199
[13] die Idee, dass die natürliche Auslese der Besten auch in menschlichen Gesellschaften stattfinde
[14] In dieser Ideologie war dies meist die reine weiße, also die arische bzw. angelsächsische oder teutonische Rasse.
[15] COSTA (2005), S. 22
[16] vgl. COSTA (2005), S. 22f
[17] NÜNNING (1998), S. 451
Hinsichtlich dessen macht auch der postkoloniale Theoretiker Frantz Fanon darauf aufmerksam, dass „that however lacking in objective reality racist ideas such as 'blackness' were, the psychological force of their construction of self meant that they ocupied an objective existance in and through the behaviour of people“. ASHCROFT, GRIFFITHS, TIFFIN (1998), S.205 Dies bedeutet, dass – neben dem gesellschaftlichen Kontext – die Psyche einer Einzelperson ganz entscheidenden Einfluss auf das Entstehen und die Akzeptanz von Rassismus hat, was man nicht durch oberflächliche anti-rassistische Maßnahmen bekämpfen kann.
[18] Vgl. NÜNNING (1998), S. 451
[19] ebd. S. 451
[20] COSTA (2005), S. 26
[21] ebd. S. 26
[22] NÜNNING (1998), S. 451
[23] vgl. Begriff Mestizo in ASHCROFT, GRIFFITHS, TIFFIN (1998), S.136
[24] Einordnungskriterien waren dabei beispielsweise der Anteil des Blutes oder der Grad der Schattierung der Haut einer Person, die dann zum Teil auf Gemälden festgehalten wurden, wie sie zum Beispiel noch im Kolonialmuseum in Madrid zu sehen sind.
[25] vgl. ASHCROFT, GRIFFITHS, TIFFIN (1998), S. 136
[26] Paradoxerweise war die Idee der rassischen Reinheit in der Praxis von Relevanz, obwohl sie theoretisch eigentlich unhaltbar ist. Um eine reine Rasse zu bestimmen, bräuchte man einen eindeutig festgelegten Ausgangspunkt, der offensichtlich nicht vorhanden sein kann.
[27] ASHCROFT, GRIFFITHS, TIFFIN (1998), S. 136
[28] COSTA (2005), S. 23
[29] Die dahinter steckende von den Spaniern übernommene Rassenkategorisierung kann man in Lateinamerika immer noch oft an der Diskriminierung indigener Bevölkerungsgruppen erkennen, die auf einer nach rassistischen Kriterien funktionierenden Gesellschaftsskala ganz unten stehen. In Mexiko beispielsweise werden daher oft weder indigenes Aussehen noch die aktuelle indigene Kultur gesellschaftlich anerkannt und als rückschrittlich betrachtet.
[30] die wohlgemerkt mit der heutigen indigenen Bevölkerung überhaupt nichts gemein haben
[31] BAEDECKER (1998), S. 323
[32] COSTA (2005), S. 23
[33] ebd. S. 23
[34] RÖSSNER (1995), S. 266
[35] PAZ (1998), S. 151
[36] nach Vasconcelos schwarz, weiß, gelb und rot; vgl. VASCONCELOS (1925), S.1
[37] Der zweite Teil von La Raza Cósmica beinhaltet weitestgehend eine stark deskriptive Reisebeschreibung von Vasconcelos Reise durch Südamerika vor seiner Zeit als Bildungsminister.
[38] vgl. VASCONCELOS (1925), S. 1f
[39] vgl. ebd. S. 4
[40] ebd. S. 4
[41] vgl. ebd. S. 4
[42] vgl. ebd. S. 4
[43] vgl. ebd. S. 15
[44] ebd. S. 10
[45] Hier muss jedoch etwas differenziert werden, da sich Vasconcelos dabei auf das alte Spanien bezieht, das durch die „zerstörerischen aber auch schöpferischen“ Eroberer Cortés, Pizarro und Alvarado y Cordoba repräsentiert werde. Der Kreoladel in Lateinamerika und beispielsweise die Bourbonen in Spanien selbst, repräsentierten für ihn keine „spanischen Werte“ mehr. (vgl. ebd. S.9) Ähnlich verhält es sich mit den in der Mestizaje übernommenen indianischen Werten, die auf Aztekenkrieger wie Cuauhtémoc und Atahualpa zurückzuführen seien. (vgl. ebd. S.7)
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