Der Skandal um die Person Hans Globkes, der in der vorliegenden Arbeit untersucht werden soll, beginnt um das Jahr 1950 und setzt sich mit unterschiedlicher Akzentuierung bis zu dessen Pensionierung im Jahre 1963 fort. Aber auch nach seiner Dienstzeit behielt der Name Globke einen Symbolwert, auf den Bezug genommen wurde.
Nur wenige Personen der Bonner politischen Szene waren während der vierzehn- jährigen Kanzlerschaft Konrad Adenauers wegen ihrer Tätigkeit im Dritten Reich so heftigen Angriffen ausgesetzt wie sein Staatssekretär Hans Globke. Den Haupt- vorwurf bildete während des gesamten Konfliktverlaufs sein Verbleiben im Reichsinnenministerium nach 1933 sowie insbesondere seine Autorenschaft eines Kommentars zu den „Nürnberger Gesetzen“ . Wie noch zu zeigen sein wird, hatte er sich dadurch in den Augen vieler Zeitgenossen in einer Weise mit dem Nationalsozialismus identifiziert, die ihn für eine herausragende Tätigkeit in der Verwaltung der Bundesrepublik disqualifizierte. Erweitert wurde dieser Vorwurf im Laufe der Jahre zum einen durch die Beschuldigung, diese Gesetze mitverfasst zu haben, zum anderen durch zahlreiche Nebenvorwürfe.
Hierbei spielte seit 1956 die SED, namentlich das für Propaganda zuständige Politbüromitglied Albert Norden, eine herausragende Rolle durch mehrfache Weitergabe und Veröffentlichung von Dokumenten, welche einzelne Vorwürfe untermauern sollten. Als Koordinationszentrum hierfür diente ihm ein „Ausschuß für deutsche Einheit“, dem er, mit weitgehenden Vollmachten der Parteiführung versehen, vorstand.
Nicht zuletzt durch diese „sukzessive Veröffentlichungstaktik“ und ‚Instrumentalisierung’ der Angriffe gegen Globke seitens der DDR lebte dieser „längste aller NS-Konflikte“ immer wieder von Neuem auf. Gleichzeitig situierte er sich dadurch quasi zwangsläufig innerhalb des Ost/West-Konfliktes.
Auch heute noch fällt es schwer, der Persönlichkeit Hans Globkes gerecht zu werden. Die Schwierigkeit, ein objektives Urteil über sein politisches Wirken zu fällen, spiegelt sich deutlich auch in der dieser Arbeit zugrundegelegten Fachliteratur zu Globke wider, die teilweise selbst zum Bestandteil der Auseinandersetzung wurde . Sie umfasst ein vielfältiges Spektrum an zum Teil sich widersprechenden Interpretationsmöglichkeiten, die es in den nachfolgenden Ausführungen herauszuarbeiten und gegeneinander abzuwägen gilt.
Inhaltsverzeichnis
Einleitung
1. Der Skandalierte - ein biographischer Überblick
2. Der „Fall Globke“ - Chronologische Darstellung eines NS-Skandals
2.1 Globke als Charakteristikum einer insgesamt als verfehlt angesehenen Personalpolitik Adenauers (1950-1951)
2.2 Die Erkrankung Adenauers und der Bruch der Regierungskoalition durch die FDP als Auslöser der Angriffe 1956
2.3 Der „Fall Globke“ wird ab 1960 Teil des Ost/West-Konflikts
2.3.1 Die Angriffe des „Ausschusses für deutsche Einheit“ ab Mitte 1960
2.3.2 Ausweitung der Berichterstattung ab Anfang 1961
2.3.3 Der Prozess gegen Globke in Ostberlin im Juli 1963
3. Schlussbetrachtung
Quellen- und Literaturverzeichnis
Einleitung
Der Skandal um die Person Hans Globkes, der in der vorliegenden Arbeit untersucht werden soll, beginnt um das Jahr 1950 und setzt sich mit unterschiedlicher Akzentuierung bis zu dessen Pensionierung im Jahre 1963 fort. Aber auch nach seiner Dienstzeit behielt der Name Globke einen Symbolwert, auf den Bezug genommen wurde[1].
Nur wenige Personen der Bonner politischen Szene waren während der vierzehn- jährigen Kanzlerschaft Konrad Adenauers wegen ihrer Tätigkeit im Dritten Reich so heftigen Angriffen ausgesetzt wie sein Staatssekretär Hans Globke. Den Haupt- vorwurf bildete während des gesamten Konfliktverlaufs sein Verbleiben im Reichsinnenministerium nach 1933 sowie insbesondere seine Autorenschaft eines Kommentars zu den „Nürnberger Gesetzen“[2]. Wie noch zu zeigen sein wird, hatte er sich dadurch in den Augen vieler Zeitgenossen in einer Weise mit dem Nationalsozialismus identifiziert, die ihn für eine herausragende Tätigkeit in der Verwaltung der Bundesrepublik disqualifizierte. Erweitert wurde dieser Vorwurf im Laufe der Jahre zum einen durch die Beschuldigung, diese Gesetze mitverfasst zu haben, zum anderen durch zahlreiche Nebenvorwürfe.
Hierbei spielte seit 1956 die SED, namentlich das für Propaganda zuständige Politbüromitglied Albert Norden, eine herausragende Rolle durch mehrfache Weitergabe und Veröffentlichung von Dokumenten, welche einzelne Vorwürfe untermauern sollten. Als Koordinationszentrum hierfür diente ihm ein „Ausschuß für deutsche Einheit“, dem er, mit weitgehenden Vollmachten der Parteiführung versehen, vorstand.
Nicht zuletzt durch diese „sukzessive Veröffentlichungstaktik“[3] und ‚Instrumentalisierung’ der Angriffe gegen Globke seitens der DDR lebte dieser „längste aller NS-Konflikte“[4] immer wieder von Neuem auf. Gleichzeitig situierte er sich dadurch quasi zwangsläufig innerhalb des Ost/West-Konfliktes.
Auch heute noch fällt es schwer, der Persönlichkeit Hans Globkes gerecht zu werden. Die Schwierigkeit, ein objektives Urteil über sein politisches Wirken zu fällen, spiegelt sich deutlich auch in der dieser Arbeit zugrundegelegten Fachliteratur zu Globke wider, die teilweise selbst zum Bestandteil der Auseinandersetzung wurde[5]. Sie umfasst ein vielfältiges Spektrum an zum Teil sich widersprechenden Interpretationsmöglichkeiten, die es in den nachfolgenden Ausführungen herauszuarbeiten und gegeneinander abzuwägen gilt.
Da zwischen dem Lebenslauf Globkes - insbesondere seiner politischen Laufbahn vor 1945 - und der ab Ende 1949 einsetzenden Auseinandersetzung um seine Person ein kausaler Zusammenhang besteht, soll zunächst in einem ersten Teil der vorliegenden Arbeit eine biographische Darstellung folgen.
Dies geschieht jedoch ohne den erklärten Anspruch, damit den Wahrheitsgehalt der später erhobenen Vorwürfe zu untersuchen.
Im Anschluß daran soll die Auseinandersetzung um Hans Globke in erster Linie als Medienereignis beschrieben werden, wie es sich während seiner Dienstzeit in der Berichterstattung der Presse darstellte[6].
2. Der Skandalierte - ein biographischer Überblick
Hans Maria Globke wurde am 10. September 1898 in Düsseldorf geboren. Sein Vater Josef (1856-1920), ein erfolgreicher Tuchgroßhändler, stammte aus der Nähe von Danzig. Jedoch hatte ihn sein beruflicher Werdegang schon früh in das Rheinland geführt. Dort heiratete er die Düsseldorferin Sophie Erberich (1872-1954), Hans Globkes Mutter. Wenige Monate nach der Geburt Hans Globkes verzogen seine Eltern nach Aachen, wo Hans Globke zusammen mit vier Geschwistern in wirtschaftlich guten Verhältnissen aufwuchs. Von großem Einfluß für Globkes spätere „tiefe Verwurzelung im christlichen Glauben“ scheint das streng katholische Vorbild des Vaters, eines Zentrumsanhängers, gewesen zu sein. Zudem sei er schon in seiner Jugend geprägt worden von einer Distanz gegenüber dem protestantisch-zentralistischen Preußen[B1][7]. In Aachen besuchte er das katholische Kaiser-Karl-Gymnasium und erwarb dort im November 1916 das Abitur. Im unmittelbaren Anschluß wurde Globke eingezogen und leistete zwei Jahre Kriegsdienst als Artillerist im Ersten Weltkrieg. Im April 1917, also noch während seiner Zeit als Soldat, trat er in die „Katholische Deutsche Studentenverbindung Bavaria Bonn“ ein. 1918 folgte ein Jurastudium an den Universitäten Bonn und Köln, wo er 1921 das Referendarexamen mit der Note „ausreichend“ ablegte. Während seiner Referendarzeit promovierte Globke im Mai 1922 in Gießen mit einer Arbeit über „Die Immunität der Reichstage und Landtage“ zum Doktor juris (Prädikat: magna cum laude). Zudem war er 1922 in Aachen der Deutschen Zentrumspartei beigetreten, deren Mitglied er bis zu ihrer Auflösung am 5. Juli 1933 blieb. Seit 1924 arbeitete er dort im Vorstand und Parteiausschuss des Ortsvereins mit.
In demselben Jahr bestand Globke das Assessorexamen mit der Note „gut“ und war danach vorübergehend bei Anwälten und als Richter am Amtsgericht Aachen tätig. Vier Jahre lang, von 1925-1929 vertrat er anschließend den Aachener Polizeipräsidenten, seit 1926 in der Stellung eines Regierungsassessors.
Im Dezember 1929 wurde Globke unter Beförderung zum Regierungsrat nach Berlin in das Preußische Innenministerium versetzt, wo er, zunächst als Hilfsarbeiter im Verfassungsreferat und Justitiariat, seit 1932 als Leiter des Verfassungs- und Saarreferats tätig war[8]. Als preußischer Minister des Innern amtierte in dieser Zeit von 1930-1932 der Sozialdemokrat Carl Severing.
Nach Hitlers Machtergreifung vom 30. Januar 1933 verlor Globke die Zuständigkeit für das Saarreferat wieder, angeblich weil „die NSDAP wünschte, das Referat mit einem alten Nationalsozialisten zu besetzen“[9]. Dennoch wurde er zum 1. November 1933 zum Oberregierungsrat befördert[10].
1934 heiratete Globke Augusta Vaillant, die Tochter eines Remscheider Industriellen. Aus der Ehe gingen drei Kinder hervor.
Nach der Eingliederung des Preußischen Innenministeriums in das Reichsministerium des Innern im Jahre 1934[11] mußte Globke auch das Verfassungsreferat abgeben.
Seine Tätigkeit reduzierte sich somit zunächst auf das Personenstandsreferat. Neu hinzu kamen nach eigenen Angaben „das Gebiet der Straftilgung und Auskunftsbeschränkung bei polizeilichen Strafvermerken“[12] sowie seine Verantwortlichkeit als „Korreferent für Eheschließungen von Ariern und Juden mit sog. jüdischen Mischlingen 1. Grades“[13]. Nach Ulrich von Hehl wurde Globke im Herbst 1935 das Korreferat für alle mit Eheschließungen zusammenhängenden „Rassefragen“ übertragen, „sofern Angelegen- heiten des Personenstandes oder der Namensänderung betroffen waren“[14].
An dieser Stelle muß im Vorgriff auf die folgenden Ausführungen erwähnt werden, dass ein Spezifikum des Skandals um Hans Globke gerade in der Unklarheit über dessen tatsächliche Tätigkeit im Reichsinnenministerium begründet liegt: Der eigentliche Tätigkeitsbereich Globkes im Reichsinnenministerium war in der späteren Diskussion Gegenstand heftigster Spekulationen[15].
1935 verfaßte Globke einen Kommentar[16], der sich u.a. mit den „Nürnberger Gesetzen“ befasste und zu dem sein Dienstvorgesetzter, der Staatssekretär im Reichsministerium des Innern, Wilhelm Stuckart, eine ausführliche Einleitung im Stil der nationalsozialistischen Rassenideologie beisteuerte. Gegenstand des Kommentars, der Anfang 1936 erschien, waren drei verschiedene Gesetze, nämlich
1) das „Reichsbürgergesetz“,
2) das „Gesetz zum Schutze des deutschen Blutes und der deutschen Ehre“ (genannt „Blutschutzgesetz“) und
3) das „Gesetz zum Schutze der Erbgesundheit des deutschen Volkes“ (genannt
„Erbgesundheitsgesetz“ oder „Ehegesundheitsgesetz“).
Die ersten beiden Gesetze vom 15. September 1935, auf dem Nürnberger Parteitag der NSDAP verkündet, werden als die „Nürnberger Gesetze“ bezeichnet. Das „Gesetz zum Schutze der Erbgesundheit des deutschen Volkes“ wurde dagegen am 18. Oktober 1935 erlassen und gehört nicht zu den sog. Nürnberger Gesetzen. Dennoch wurde in der gesamten Auseinandersetzung um die Autorenschaft Globkes zu diesem Kommentar nie zwischen den einzelnen Gesetzen differenziert. Man sprach immer nur von dem „Kommentar zu den Nürnberger Gesetzen“, obwohl die Bezeichnung insofern ungenau ist, als darüber hinaus ein drittes Gesetz kommentiert wurde[17].
Später erklärte Globke, dass er Arbeitsüberlastung vorgeschützt habe, um sich einer Überarbeitung des Kommentars für eine zweite Auflage zu entziehen. Er sei dem „wiederholt geäußerten dringenden Wunsch des Verlages, eine Neuauflage herauszubringen“ deshalb nicht nachgekommen, „weil eine Vertretung der in dem Kommentar niedergelegten Auffassung angesichts der Entwicklung der Judenfrage [...] nicht mehr möglich gewesen wäre“[18].
Unklarheit besteht zudem in der Frage, ob und inwieweit Hans Globke mit Entwürfen für die „Nürnberger Gesetze“ befasst gewesen ist. Wie eingangs erwähnt, gehörte es zu den zentralen Vorhaltungen in der späteren Auseinandersetzung, dass er über die Kommentierung der „Nürnberger Gesetze“ hinaus auch an deren Abfassung beteiligt gewesen sei. Nahegelegt hat dies Reinhard M. Strecker 1961 in seiner Akten-Dokumentation. Dabei stützte er sich auf jene Bemerkung in dem Ministerialblatt des Reichs- und Preußischen Ministeriums des Innern vom 11. März 1936, nach der dem Kommentar schon deswegen besondere Bedeutung zukomme, „weil die beiden Verfasser [Wilhelm Stuckart und Hans Globke] am Zustandekommen der Rassengesetzgebung amtlich beteiligt waren und daher zu ihrer Auslegung in erster Linie berufen sind“[19]. Diese Auffassung schien ihre Bestätigung in einem Schreiben des damaligen Reichsinnenministers Wilhelm Frick an Rudolf Heß, den Stellvertreter Hitlers, vom 25. April 1938 zu finden, in dem Frick Oberregierungsrat Globke als einen der „befähigsten und tüchtigsten Beamten“ seines Ministeriums beschreibt, der „in ganz hervorragendem Maße [...] an dem Zustandekommen“ des „Blutschutzgesetzes“, des „Erbgesundheitsgesetzes“, des „Personenstandsgesetzes“ (erlassen am 3. November 1937) und des „Gesetzes zur Änderung von Familiennamen und Vornamen“ (erlassen am 5. Januar 1938) beteiligt gewesen sei. Eine Beförderung Globkes zum Ministerialrat sei daher „dringend erforderlich“[20].
Nach Ulrich von Hehl hat Globke am „Erbgesundheitsgesetz“ mitgearbeitet, jedoch nicht an den „Nürnberger Gesetzen“[21]. Als Personenstands- referent wurde er jedoch nach eigenen Angaben mit deren ersten Ausführungs- bestimmungen betraut[22].
Zudem gab Globke 1961 in einem Fernsehinterview an, das „Gesetz zur Änderung von Familiennamen und Vornamen“ sei von ihm verfasst worden[23].
Am 13. Juli 1938 wurde er schließlich, wohl als Reaktion auf das oben zitierte Schreiben Fricks, zum Ministerialrat befördert.
Der Kriegsausbruch brachte für Globke eine Reihe weiterer Aufgaben mit sich. Mit „Judensachen“ oder mit „allgemeinen Rassefragen“ war er seitdem jedoch nicht mehr befasst[24]. Ausweislich der Geschäftsverteilungspläne umfasste Globkes Tätigkeitsbereich nach Kriegsbeginn Staatsangehörigkeitsfragen, Optionsverträge, Ausländisches Staatsangehörigkeitsrecht sowie zusätzliche Fragen der Verwaltungsneuordnung und Organisation in den besetzten und angegliederten Gebieten[25]. Außerdem hatte er als Referent des Generalbevollmächtigten für die Reichsverwaltung (gemeint ist Wilhelm Frick) Verbindung zu anderen Ministerien zu halten[26].
Am 24. Oktober 1940 beantragte Globke die Aufnahme in die NSDAP. Sein Aufnahmeantrag scheiterte jedoch im Februar 1943, also zweieinhalb Jahre nach der Antragstellung, am Widerspruch von Martin Bormann, zu dieser Zeit Stabsleiter beim Stellvertreter Hitlers, Rudolf Heß. In seiner Funktion als Leiter der Parteikanzlei der NSDAP hatte Bormann in einem Schreiben vom 30. November 1941 an den Reichschatzmeister der NSDAP gegen eine Parteiaufnahme Globkes Bedenken angemeldet mit der Begründung, dass Globke langjähriges Mitglied der Zentrumspartei gewesen sei und noch immer „Verbindungen zu den Kreisen führender Männer der früheren Zentrumspartei“ pflege[27].
Zu einem wichtigen und umstrittenen Dauerthema der öffentlichen Diskussion um Hans Globke gehörte die Rolle seiner angeblichen Widerstandstätigkeit im Dritten Reich[28]. Als Begründung dafür, warum an der Person Globkes festzuhalten sei, stellte der Hinweis auf die Mitarbeit Globkes in der Widerstandsbewegung für die CDU beziehungsweise für Adenauer ein immer wiederkehrendes Argument dar. Jedoch wurde seine Widerstandstätigkeit auch von Anbeginn in Zweifel gezogen. Auf der anderen Seite ist ihm von einer Reihe namhafter Persönlichkeiten zum großen Teil in Form eidesstattlicher Erklärungen attestiert worden, im Umfeld des 20. Juli mitgewirkt zu haben. So schilderte Jakob Kaiser in seinem Gutachten vom 31. Dezember 1945[29], dass Globke in einer Regierung unter dem ehemaligen Oberbürgermeister von Leipzig, Carl Friedrich Goerdeler, als Staatssekretär im Erziehungsministerium vorgesehen gewesen sei. Er selbst habe Globke ab 1940 mit dem Kreis um Goerdeler und den Generälen Ludwig Beck und Kurt von Hammerstein-Equord in Verbindung gebracht. Globke sei in die Umsturzpläne dieses Kreises eingeweiht worden und habe danach „fortlaufend über Vorgänge im Innenministerium und Reichssicherheitshauptamt“ informiert. Auch Otto Lenz, Globkes späterer Vorgänger als Staatssekretär im Bundeskanzleramt, bestätigte dies in einer eidesstattlichen Versicherung vom 3. Januar 1946[30]. Darin bekräftigte er, dass Globke seine Stellung im Reichsinnenministerium nur „außerordentlich ungern“ beibehalten und mehrfach die Absicht gezeigt habe, aus dem Dienst auszuscheiden. Nur auf „besonderen Wunsch“ des Goerdelerkreises sei er in seinem Amt verblieben, um über „alle Vorgänge dort wie auch im Reichssichheitshauptamt“ zu berichten. In vielen weiteren Bescheinigungen wurden ihm eine grundsätzliche Gegnerschaft zum Nationalsozialismus und Verbindungen zu oppositionellen Kreisen, vor allem führenden Persönlichkeiten der Militäropposition attestiert[31]. Der wohl prominenteste Zeuge, der auch in der späteren Auseinandersetzung immer wieder Erwähnung fand, war der Berliner Bischof und spätere Kardinal Konrad Graf von Preysing. In seiner Erklärung vom 18. Januar 1946[32] charakterisierte er Globke als einen Mann, der „über seine Grundsätzliche Ablehnung hinaus [...] stets bemüht [war], Übergriffe, Ungerechtigkeiten und Gewaltakte des Nationalsozialismus zu verhindern“. So habe Globke ihn und seine Mitarbeiter zeitweise „fast täglich“ über Pläne, Beschlüsse und streng geheim- gehaltene Gesetzesentwürfe informiert, wobei er oft Freiheit und Leben „aufs Spiel“ gesetzt habe.
[...]
[1] Vgl. dazu: Herz/Boumann 1997, S. 59, die in dem Namen „Globke“ hinsichtlich des Umgangs der Deutschen mit der NS-Vergangenheit eine meist negativ konnotierte „’catchphrase’ für einen bestimmten Aspekt der Ära Adenauer [...]“ (Zitat ebd.) sehen. Vgl. auch: Mitscherlich 1991, S. 20, die den Entschluß Adenauers, Globke zu seinem Staatssekretär zu ernennen, als ein Symbol fehlender Urbanität in der politischen Kultur Westdeutschlands während der Nachkriegszeit interpretieren.
[2] Stuckart, Wilhelm/Globke, Hans: Kommentare zur deutschen Rassengesetzgebung, Bd. I, München/Berlin 1936.
[3] Schwab-Trapp 1997, S. 109.
[4] Herz/Boumann 1997, S. 57.
[5] So wurde die im Jahre 1961 auf dem Höhepunkt des Skandals erschienene Dokumentation von Reinhard M. Strecker [Strecker 1961] Gegenstand einer gerichtlichen Auseinandersetzung zwischen Globke und dem Autor beziehungsweise dem Verlag, die in der Presse umfangreichen Widerhall fand. Das Buch enthält eine Zusammenstellung der in dieser Zeit erhobenen Vorwürfe gegen Globke, die durch den Abdruck einzelner Dokumente - als Kopie oder als Faksimile - untermauert werden sollen. Es ist daher wohl eher als eine Schrift zu verstehen, die mit der Intention verfaßt wurde, Globke aus seinem Amt zu entfernen. Hinsichtlich der gerichtlichen Auseinandersetzung und zur Person Streckers vgl. die Ausführungen weiter unten auf Seite 26-27.
[6] Wenngleich vom Verfasser diesbezüglich ausschließlich die Berichterstattung des „Spiegel“ als Quelle zugrundegelegt wurde, ermöglichten ihm die auf breiter publizistischer Grundlage durchgeführten Untersuchungen von Jacobs [Jacobs 1992 I,II] und Herz/Boumann [Herz/Boumann 1997] doch einen Gesamtüberblick des nach außen hin sichtbaren Teils des „Falles Globke“. Insofern wird man die vorliegende Arbeit auch als eine (notwendigerweise knappe) Zusammenfassung der Ergebnisse der genannten beiden Veröffentlichungen ansehen dürfen.
[7] Dies unterstreichen unisono Jacobs 1992 I, S. 29 und Hehl 1979, S. 248 (hier verw. Zitat ebd.).
[8] Vgl. hierzu: Hans Globke, „Aufzeichnung“ (Frühjahr 1956), S. 247-249, abgedruckt als Dokument Nr. 4 bei: Hehl 1980, S. 247-259.
[9] Ebd., S. 248.
[10] Vgl. Strecker 1961, S. 36. Die von von Hehl [vgl. Hehl 1979, S. 249] vertretene Behauptung, die Beförderung Globkes sei ursprünglich für das Frühjahr 1932 vorgesehen gewesen, dann aber wegen kritischer Äußerungen Globkes hinsichtlich des sog. „Preußenschlags“ Papens vom 20. Juli 1932 zurückgestellt worden, bleibt unbelegt und wird in der behandelten Literatur auch sonst nicht aufgegriffen. Selbst Globke stellt den Sachverhalt anders dar [vgl. Hans Globke, „Aufzeichnung“ (Frühjahr 1956), S. 249, abgedruckt als Dokument Nr. 4 bei: Hehl 1980, S. 247-259].
[11] Sie erfolgte aufgrund des „Gesetzes über den Neuaufbau des Reiches“ vom 30. Januar 1934.
[12] Hans Globke, „Aufzeichnung“ (Frühjahr 1956), S. 249, abgedruckt als Dokument Nr. 4 bei: Hehl 1980, S. 247-259.
[13] Schreiben Globkes an Thomas Dehler vom 29.11.1950, S. 480, abgedruckt als Dokument Nr. 55 bei: Jacobs 1992 II, S. 479-483.
[14] Hehl 1979, S. 250.
[15] Selbst Globke konnte oder wollte nicht genaue Auskünfte über den von ihm zu verantwortenden Tätigkeitsbereich geben. So schrieb er schon 1950 in dem oben (vgl. Fußnote 13) angegebenen Brief an Thomas Dehler, dass er „möglicherweise [...] gleichzeitig auch Referent, sonst Korreferent, für die Eheheschließung von ‘Ariern’ mit Angehörigen farbiger Völker“ gewesen sei (verw. Zitat ebd.).
[16] Stuckart/Globke 1936.
[17] Als ein weiteres Kuriosum kann nach Ansicht des Verfassers angesehen werden, dass Globke in der dieser Arbeit zugrundegelegten Literatur fast ausnahmslos als „Mitverfasser“ der Kommentare neben Stuckart genannt wird [so beispielsweise bei Jacobs 1992 I, S. 33; Herz/Boumann 1997, S. 57; Reinhardt 1995, S. 438], wenngleich er selbst in seiner „Aufzeichnung“ vom Frühjahr 1956 angibt, für „die ganze Kommentierung“ alleinig verantwortlich gewesen zu sein, während sein Vorgesetzter Stuckart „lediglich die Einführung schrieb“; vgl. Hans Globke, „Aufzeichnung“ (Frühjahr 1956), S. 253, abgedruckt als Dokument Nr. 4 bei: Hehl 1980, S. 247-259.
[18] Schreiben Globkes an Thomas Dehler vom 29.11.1950, S. 481, abgedruckt als Dokument Nr. 55 bei: Jacobs 1992 II, S. 479-483. Ähnlich: Hans Globke, „Aufzeichnung“ (Frühjahr 1956), S. 252, abgedruckt als Dokument Nr. 4 bei: Hehl 1980, S. 247-259.
[19] Ministerialblatt des Reichs- und Preußischen Ministerium des Innern vom 11.03.1936, Nr. 11, 1(97) Jg. Die hinsichtlich Globke relevante Textpassage (Spalte 316e), der das hier verwendete Zitat entnommen wurde, ist als Fotokopie abgedruckt bei Strecker 1961, S. 93.
[20] Das zitierte Schreiben Fricks an Heß ist als Fotokopie vollständig abgedruckt bei Strecker 1961, S. 83-84.
[21] Vgl. Hehl 1980, S. 242, Anm. 2. Gestützt wird diese Behauptung dadurch, dass von Hehl seinerzeit Einblick in den Nachlaß Globkes erhalten hatte (so Gotto 1980, S. 11).
[22] Vgl. hierzu: das Schreiben Globkes an Thomas Dehler vom 29.11.1950, S. 480, abgedruckt als Dokument Nr. 55 bei: Jacobs 1992 II, S. 479-483. Siehe ebenfalls: Der Spiegel, 10.05.1961, S. 22 (wörtlicher Abdruck eines von Globke am 28. April 1961 in der NDR-Fernsehsendung „Die Rote Optik“ gegebenen Interviews).
[23] Vgl. ebd.
[24] Vgl. Hehl 1980, S. 239-240, Anm. 7. Der Begriff „Judensachen“ stammt von Globke. Er benutzt ihn noch im Februar 1948 (siehe Kempner 1980, S. 221).
[25] Vgl. hierzu und für weitere Quellenbelege: Hehl 1980, S. 245, Fußnote 4.
[26] Vgl. Jacobs 1992 I, S. 34.
[27] Das o.g. Schreiben Bormanns vom 30.11.1941, dem das hier verwendete Zitat entnommen wurde, ist im Faksimile vollständig abgedruckt als Dokument Nr. 2 bei: Jacobs 1992 II, S. 385-386.
[28] Globke selbst schrieb in seiner „Erklärung“ vom Frühjahr 1956 über seine Tätigkeit im Umkreis des 20. Juli: „Waren zunächst die Zirkel, in denen ich regelmäßig verkehrte nicht Kreise einer organisierten Widerstandsbewegung [...], so trat ich doch schon bald sowohl mit den militärischen wie den zivilen Kreisen des Widerstandes, die später den Umsturzversuch vom 20. Juli gemacht haben, in Verbindung. [...]. Ich habe sowohl bei der geplanten Personalbesetzung aktiv mitgewirkt, als auch bei den Arbeiten über den geplanten Staatsaufbau. [...].“ In: Hans Globke, „Aufzeichnung“ (Frühjahr 1956), S. 257, abgedruckt als Dokument Nr. 4 bei: Hehl 1980, S. 247-259.
[29] Die eidesstattliche Erklärung Jakob Kaisers zu Hans Globke vom 31.12.1945 ist im Faksimile vollständig abgedruckt als Dokument Nr. 7 bei: Jacobs 1992 II, S. 396-397.
[30] Die eidesstattliche Versicherung von Otto Lenz für Hans Globke vom 3.1.1946 ist im Faksimile vollständig abgedruckt als Dokument Nr. 8 bei: Ders. S. 398-399 (hier verw. Zitat ebd).
[31] Auf sie kann im einzelnen an dieser Stelle nicht eingegangen werden. Für eine wohl nahezu vollständige Auflistung der Personen, die Erklärungen zu Globke abgaben, vgl.: Jacobs 1992 I, S. 38-43 u. S. 113-117.
[32] Die Erklärung Kardinal Konrad von Preysings für Hans Globke vom 18.1.1946 ist im Faksimile vollständig abgedruckt als Dokument Nr. 12 bei: Jacobs 1992 II, S. 407-408.
- Quote paper
- Oliver Laschet (Author), 2002, Der 'Fall Hans Globke', Munich, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/47677
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