Die Richtlinie ist in Art 249 EGV definiert, in welchem alle förmlichen Rechtsakte aufgezählt werden, die von Organen der Gemeinschaft erlassen werden können. Hierzu zählen die Verordnungen, die Richtlinien, die Entscheidungen sowie die Empfehlungen und Stellungnahmen. „Die Richtlinie ist für jeden Mitgliedstaat, an den sie gerichtet wird, hinsichtlich des zu erreichenden Ziels verbindlich, überlässt jedoch den
innerstaatlichen Stellen die Wahl der Form und der Mittel.“ Die Richtlinie ist nach Maßgabe des EGV von den Gemeinschaftsorganen erlassenes Recht und somit dem sekundären Gemeinschaftsrecht zuzuordnen.
Innerhalb der in der Richtlinie angegebenen Fristen sind die Mitgliedsstaaten zu deren ordnungsgemäßen Umsetzung in nationales Recht verpflichtet.
Inhaltsverzeichnis
1. Abkürzungsverzeichnis
2. Die Richtlinie
a) Rechtsnatur der Richtlinie
b) Pflicht zur normativen Umsetzung von Richtlinien
c) Subjektive unmittelbar Wirkung von Richtlinien
d) Keine unmittelbare Wirkung bei Verpflichtung Einzelner
e) Keine horizontale Wirkung
f) Staatshaftung bei Nichtumsetzung
3. Die objektive Wirkung von Richtlinien
a) Rechtssache C-431/92 - Kommission der europäischen Gemeinschaften gegen Bundesrepublik Deutschland – Urteil vom 11. August 1995
b) Rechtssache C-194/94 - CIA Security International SA gegen Signalson SA und Securitel SPRL - Urteil vom 30. April 1996
c) Rechtssache C-72/95 - Aannemersbedrijf P.K. Kraaijeveld BV e.a. gegen Gedeputeerde Staten van Zuid-Holland - Urteil des Gerichtshofes vom 24. Oktober 1996
d) Rechtssache C-226/97 - Strafverfahren gegen Johannes Martinus Lemmens - Urteil des Gerichtshofes vom 16. Juni 1998
e) Rechtssache C-435/97 - World Wildlife Fund (WWF) u. a. gegen Autonome Provinz Bozen u. a. - Urteil vom 16. September 1999
f) Rechtssache C-443/98 - Unilever Italia SpA gegen Central Food SpA – Urteil vom 26. September 2000
4. Zusammenfassung
5. Literaturverzeichnis
1. Abkürzungsverzeichnis
Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten
2. Die Richtlinie
Die Richtlinie ist in Art 249 EGV definiert, in welchem alle förmlichen Rechtsakte aufgezählt werden, die von Organen der Gemeinschaft erlassen werden können. Hierzu zählen die Verordnungen, die Richtlinien, die Entscheidungen sowie die Empfehlungen und Stellungnahmen. „Die Richtlinie ist für jeden Mitgliedstaat, an den sie gerichtet wird, hinsichtlich des zu erreichenden Ziels verbindlich, überlässt jedoch den innerstaatlichen Stellen die Wahl der Form und der Mittel.“[1]
Die Richtlinie ist nach Maßgabe des EGV von den Gemeinschaftsorganen erlassenes Recht und somit dem sekundären Gemeinschaftsrecht zuzuordnen.
Innerhalb der in der Richtlinie angegebenen Fristen sind die Mitgliedsstaaten zu deren ordnungsgemäßen Umsetzung in nationales Recht verpflichtet.[2]
a) Rechtsnatur der Richtlinie
Nach Art 249 Abs 3 EGV ist die Richtlinie für jene Mitgliedsstaaten, an die sie gerichtet ist, hinsichtlich Ihres Ziels verbindlich, es wird jedoch den innerstaatlichen Stellen die Wahl der zur Umsetzung nötigen und geeigneten Mittel selbst überlassen. Das wesentliche Kennzeichen einer Richtlinie ist also ihre gestufte Verbindlichkeit, d.h. sie ist im Gegensatz zur Verordnung nicht in allen ihren Teilen verbindlich, sondern nur in Hinblick auf die zu erreichenden Ziele.[3] Dies nennt man das Prinzip der gestuften Verbindlichkeit.
Die Richtlinie wurde konstruiert um einen Kompromiss zu finden zwischen dem Erfordernis der einheitlichen Gestaltung des Rechtes in den Mitgliedstaaten sowie der weitest möglichen Beibehaltung nationaler Eigentümlichkeiten.
Die teilweise fehlende, verzögert oder unzureichende Umsetzung der Richtlinien durch die Mitgliedsstaaten kann zu Defiziten für die Einheitlichkeit des Gemeinschaftsrechtes führen und stellt den größten Nachteil der Richtlinie dar.[4]
Durch die ständige Rechtssprechung des EuGH hat sich mittlerweile die Ansicht durchgesetzt, dass Richtlinien einen erheblichen Grad an Detailliertheit haben dürfen, woraus sich ergibt, dass der Unterschied zwischen einer Richtlinie und einer Verordnung in einigen Fällen keineswegs mehr so groß ist, wie häufig angenommen wird. Den Mitgliedsstaaten steht zwar weiterhin die Wahl der Form der Mittel zur Umsetzung frei, die Wahl muss aber auf jene Weise getroffen werden, dass die praktische Umsetzung der Richtlinie am besten gewährleistet ist, hierfür hat der EuGH strenge Anforderungen entwickelt. Weiters hat der EuGH in einigen Fällen die unmittelbare Wirkung einer Richtlinie in den Mitgliedsstaaten, an die sie gerichtet war, bejaht.
Bei Harmonisierungsrichtlinien der technischen Art ist diese Detailliertheit ja geradezu zwangsläufig, ein Extrembeispiel ist die Regelung der Sommerzeit in den Mitgliedsstaaten.[5]
Die im Folgenden kurz umrissenen Prinzipien im Bezug auf die Richtlinie haben sich in der Vergangenheit durch die Rechtssprechung des EuGH herauskristallisiert.
b) Pflicht zur normativen Umsetzung von Richtlinien
Durch Art 249 Abs 3 EGV wird die Verbindlichkeit der Richtlinie für die Mitgliedsstaaten, an die die Richtlinie gerichtet ist, bestimmt. Grundsätzlich sind Richtlinien zuerst also nur für die Mitgliedsstaaten, nicht aber für die Bürger der Mitgliedsstaaten verbindlich. Deshalb müssen die Mitgliedsstaaten die Richtlinien nach Art 10 Abs 1 EGV fristgerecht und vollständig umsetzen, wobei dies in der Regel durch Gesetzgebungsverfahren passiert.[6]
Das Publizitätsgebot muss hierbei eingehalten werden. Die von der Richtlinie Betroffenen müssen über ihre Rechte und Pflichten informiert werden.[7]
Vor dem Gericht müssen die von der Richtlinie Betroffenen sich auf die nationale Regelung berufen können, d.h. dass die nationale Regelung eine zwingende Vorschrift, z.B. eine Norm, sein muss.[8]
Die bloße Anwendung der Norm im innerstaatlichen Bereich ist nicht ausreichend, d.h. es besteht eine Pflicht zur normativen Umsetzung.[9] In der Sache Rs. 96/81, Kommission/Niederlande, Slg. 1982. S. 1791 ff – Urteil vom 25. Mai 1982 entschied der EuGH, „dass das Königreich Niederlande nicht innerhalb der vorgeschriebenen First die erforderlichen Vorschriften in Kraft gesetzt hat, um die vollständige Durchführung der fraglichen Richtlinie sicherzustellen. Es ist daher festzustellen, dass es gegen seine Verpflichtungen aus dem Vertrag verstoßen hat.“[10] Von den Niederlanden wurde nicht bestritten, dass die Richtlinie 76/160 nicht umgesetzt wurde, aber die es wurde vorgebracht, dass die Behörden unmittelbar an die Richtlinie gebunden seien und diese auch anwendeten. Vom EuGH wurde dies als nicht ausreichend angesehen.
c) Subjektive unmittelbare Wirkung von Richtlinien
Die Richtlinie besitzt zwar im Gegensatz zur Verordnung keine unmittelbare Geltung in den Mitgliedsstaaten an die sie gerichtet ist, jedoch kann man durch die unterschiedliche Ausgestaltung des Art 249 Abs 3 und Abs 2 EGV der Richtlinie nicht jegliche unmittelbare Wirkung absprechen. Nach der ständigen Rechtssprechung des EuGH und der herrschenden Lehre kann den Richtlinien unter besondern Voraussetzungen sehr wohl eine unmittelbare Wirkung zugesprochen werden, es können also auch ohne innerstaatliche Umsetzung Rechte und Pflichten entstehen.[11]
Diese Auffassung wird damit begründet, dass die praktische Wirksamkeit, „effet utile“, von Richtlinien in großem Maße beeinträchtigt würde, wenn jeder Mitgliedsstaat, an den die Richtlinie gerichtet ist, es selbst in der Hand hätte, den Eintritt der Richtlinie hinauszuzögern oder gar zu verhindern, in dem er einfach mit der Umsetzung in innerstaatliches Recht wartet oder die Umsetzung komplett unterlässt.[12]
Zwar kann in solchen Fällen von der Kommission ein Vertragsverletzungsverfahren nach Art. 226 EGV eingeleitet werden, jedoch kann dadurch die Verzögerung der Umsetzung der Richtlinie verhindert werden und es kann auch nur ein Feststellungsurteil erfolgen.[13]
Zur Sicherung des Gemeinschaftsrechts ist dies nicht ausreichend, deshalb tritt hier auch der Sanktionsgedanke auf den Plan, nach welchem es den Mitgliedsstaaten verwehrt bleiben soll, den Bürgern, welche sich auf die Rechte aus der Richtlinie berufen wollten, die Nichtumsetzung derer entgegenzuhalten. Hierzu kann die Entscheidung im Fall Ursula Becker / Finanzamt Münster Innenstadt herangezogen werden, welche die subjektive unmittelbare Wirkung von Richtlinien begründetet.
Die vom Rat 1977 verabschiedete Umsatzsteuerrichtlinie 77/388 hätte bis zum 01.01.1979 umgesetzt werden müssen, in Deutschland trat das entsprechende UStG erst mit 01.01.1980 in Kraft, es trat die Frage auf, wie die Umsatzsteuer der Kreditvermittler im Jahr 1997 behandelt werden sollte. Die Kreditvermittlerin Ursula Becker beantragte in Kenntnis der Richtlinie beim Finanzamt Münster-Innenstadt Steuerbefreiung für die im Jahr 1979 erziehlten Umsätz, was vom Finanzamt abgelehnt wurde und zog die Umsätze unter Anwendung der bis zum 31. Dezember 1997 geltenden deutschen Rechtsvorschriften zur Umsatzsteuer heran.[14]
In einem Vorabentscheidungsverfahren entschied der EuGH dazu:
„Demnach können sich die einzelnen in Ermangelung von fristgemäß erlassenen Durchführungsmaßnahmen auf Bestimmungen einer Richtlinie, die inhaltlich als unbedingt und hinreichend genau erscheinen, gegenüber allen innerstaatlichen, nicht richtlinienkonformen Vorschriften berufen; Einzelne können sich auf diese Bestimmungen auch berufen, soweit diese Rechte festlegen, die dem Staat gegenüber geltend gemacht werden können.“[15]
Aus der unmittelbaren Wirkung von Richtlinien ergibt sich, dass sich der einzelne gegenüber innerstaatlichen Stellen darauf berufen kann. Dennoch macht der EuGH die unmittelbare Wirkung von Richtlinien nicht von einer Einrede des Bürgers abhängig, die Richtlinien sind von den Behörden und Gerichten des Staates, an den sie gerichtet sind, von Amts wegen als vorrangiges Gemeinschaftsrecht zu beachten und auf Grund des Anwendungsvorrang ist die Richtlinie dem nationalen Recht vorzuziehen. Dies stellte der EuGH in der Rechtssache Peterbroeck, Van Campenhout & Cie SCS gegen Belgischen Staat fest, er entschied:
„Schließlich lässt es sich durch Grundsätze wie den der Rechtssicherheit oder den des ordnungsgemäßen Verfahrensablaufs nicht in vertretbarer Weise rechtfertigen, dass es den nationalen Gerichten unmöglich ist, von Amts wegen auf Gemeinschaftsrecht gestützte Gesichtspunkte aufzugreifen.
Auf die Frage der Cour d' appel Brüssel ist daher zu antworten, dass das Gemeinschaftsrecht der Anwendung einer nationalen Verfahrensvorschrift entgegensteht, die es einem im Rahmen seiner Zuständigkeit angerufenen nationalen Gericht unter Voraussetzungen, wie sie durch das im Ausgangsrechtsstreit maßgebliche Verfahren vorgegeben werden, verbietet, von Amts wegen die Vereinbarkeit eines innerstaatlichen Rechtsakts mit einer Vorschrift des Gemeinschaftsrechts zu prüfen, wenn sich kein Verfahrensbeteiligter innerhalb einer bestimmten Frist auf die letztgenannte Vorschrift berufen hat.“[16]
Dabei spielt es keine Rolle, ob eine Richtlinienvorschrift die Begründung subjektiver Rechte einzelner zum Inhalt hat (objektive unmittelbare Wirkung).[17]
d) Keine unmittelbare Wirkung bei Verpflichtung Einzelner
Eine innerstaatliche Behörde kann sich nicht nach dem Becker-Urteil zu Lasten eines einzelnen auf eine Bestimmung einer noch nicht umgesetzten Richtlinie berufen, deren erforderliche Umsetzung in innerstaatliches Recht nicht fristgerecht erfolgt ist. Im Fall Kolpinghuis Nijmegen verkaufte das Unternehmen Kolpinghuis Nijmegen in seinem Cafe ein Getränk, das aus Leitungswasser und Kohlensäure zusammengemischt wurde, unter der Bezeichnung Mineralwasser. Gemäß der Mineralwasserrichtlinie 80/777 vom 15. Juli 1980 ist dies verboten. Die Richtlinie wurde von der niederländischen Regierung nicht fristgerecht in nationales Recht umgesetzt, trotzdem wurde gegen Kolpinghuis Nijmegen ein Strafverfahren eingeleitet, wobei sich der Staatsanwalt auf die Richtlinie 80/777 berief. Der Fall wurde vom niederländischen Gericht dem EuGH zur Vorabentscheidung vorgelegt.[18]
[...]
[1] Hummer 2001, Seite 274
[2] Niedermühlbichler 1998, Seite 11
[3] vgl Streinz 2003, Seite 158 RN 384
[4] vgl Streinz 2003, Seite 158 RN 385f
[5] vgl Streinz 2003, Seite 158 RN 386f
[6] vgl Streinz 2003, Seite 159 RN 388ff
[7] vgl Streinz 2003, Seite 162 RN 393
[8] vgl Streinz 2003, Seite 162 RN 393
[9] vgl Streinz 2003, Seite 162 RN 393
[10] Rs 69/81, Ziffer 15
[11] vgl Streinz 2003, Seite 163 RN 395
[12] vgl Streinz 2003, Seite 164 RN 396
[13] vgl Hummer 2002, Seite 266
[14] vgl Hummer 1994, Seite 50
[15] Rs 8/81 Ziffer 25
[16] Rs C-312/93 Ziffer 11
[17] vgl Streinz 2003, Seite 164 RN 396
[18] vgl Rs C-80/86, Ziffer 2ff
- Quote paper
- C. H. Knopf (Author), 2004, Die objektive Wirkung von Richtlinienbestimmungen, Munich, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/48099
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