Zu den autobiographischen Schriften von Thomas Bernhard - Analyse eines Ausnahmezustands - eine Annäherung


Examensarbeit, 2005

99 Seiten, Note: 1,3


Leseprobe


Inhaltsverzeichnis

I. Einleitung

II. Dichtung und Wahrheit
II.1 Autobiographisches Material in Bernhards Werk
II.2 Erinnerung als „Selbsterlebensbeschreibung“
II.3 Von der „Ursache“ zum „Kind“

III. „Jedes Wort ein Treffer, jedes Kapitel eine Weltanklage, und alles zusammen eine totale Weltrevolution bis zur totalen Auslöschung“

IV. Absurdität des Daseins

V. Lachen, Weinen, Brüllen, Kopfschütteln - oder alles auf einmal:

VI. Schweigen oder „Herr Bernhard, wir danken Ihnen für das ultimative Gespräch“

VII. Schlussbetrachtung

Anmerkungen zur Gestaltung

Siglenverzeichnis

Quellen und verwendete Literatur

Was die SCHRIFTSTELLER schreiben

ist ja nichts gegen die Wirklichkeit
jaja sie schreiben ja dass alles fürchterlich ist
dass alles verdorben und verkommen ist
dass alles katastrophal ist
und dass alles ausweglos ist
aber alles das sie schreiben
ist nichts gegen die Wirklichkeit
die Wirklichkeit ist so schlimm
dass sie nicht beschrieben werden kann.

Thomas Bernhard (aus dem Theaterstück Heldenplatz)

I. Einleitung

Viele Kommentare, viele Leserbriefe, viele Empörungen und viele Miss-verständnisse vor allem - das waren häufig die Reaktionen auf Neu-Erschei-nungen von Thomas Bernhard. Die Provokation war quasi vorprogrammiert.

Falls im Jahr 2005 beim Lesen und Studieren überhaupt noch etwas nachhaltig zu provozieren und zu irritieren vermag, dabei womöglich auch noch die eigenen Rezeptionsgewohnheiten durcheinander rüttelt, so eignen sich die Werke Bernhards immer noch hervorragend, gleichwohl der Autor seit nunmehr sechzehn Jahren ‚seinen Frieden gefunden’ hat.

Dennoch scheint es gerade bei Bernhard unangemessen, sich voreilig provozieren oder gar abschrecken zu lassen von dem, was man mitunter vorgesetzt bekommt, denn wo die Provoktion sonst oft nur noch effekt-heischendes Aufflackern ist, da kann sich kein nachhaltiger Widerstand mehr regen, und da ist auch kein Leben mehr.

Nehmen wir schlicht an, was wir vorfinden, betrachten wir es immer wieder gründlich, bevor wir es in uns aufnehmen, mit sämtlichen bitteren Beigeschmäcken, und nehmen wir uns vor allem viel Ruhe beim Verdauen.

Seien wir stets wählerisch bei der Wahl unseres Bestecks, denn mit literaturwissenschaftlichen Standardwerkzeugen (Seziermessern, Pinzetten, Mikroskopen, Schraubstöcken, Schablonen und dergleichen) ist dem gesamten Werk dieses Autors ohnehin nicht angemessen zu begegnen, auch nicht seinen autobiographischen Schriften.

Bei letzteren beginnt die Provokation ja bereits mit der Gattungsfrage sowie der Frage, ob es sich bei den fünf Prosa -Texten „Die Ursache“, „Der Atem“, „Der Keller“, „Die Kälte“, „Ein Kind“ überhaupt um eine tatsächliche Form autobio-graphischen Schreibens handelt, denn alle fünf Texte verfügen über eigene thematische Akzente und können, weil je in sich geschlossen, ohne Kenntnis der anderen Bände gelesen werden. Gleichwohl sind zweifellos und nachweis-lich die Mehrheit der dort beschriebenen Erlebnisse faktische Bestandteile der Bernhardschen vita. Die Provokation setzt sich fort mit der Debatte, ob „Wittgensteins Neffe“ nicht ebenso zwingend den autobiographischen Schriften zuzurechnen ist und wird in den Texten selbst erst richtig virulent durch Sätze wie: „Die Wahrheit ist immer ein Irrtum, obwohl sie hundert-prozentig die Wahrheit ist“ (Kä, S. 46). -

Derlei Begleitgedanken können entstehen, je mehr man sich mit dem gesamten Prosa-Werk von Bernhard auseinandersetzt und je länger mit dem Fortschreiten analytischer Ansätze zu den vorgefundenen Themenkomplexen einerseits und zu Erzähltechniken und Stilistik andererseits das Gefühl stetiger Entfernung von wissenschaftlich unumstößlich herausfilterbaren Kategorien nicht weichen will.

Mit dem Interpretieren verhält es sich kaum anders:

Bernhards Prosa versperrt sich in weiten Teilen geradezu einer Interpretation, - wegen jener den Leser immer wieder in die Irre führenden und ihn narrenden Grenzverwischung zwischen Fiktionalität und Authentitzität, zwischen reiner Funktionalität der Protagonisten als Rolle oder Transportmittel für Reflexionen und ihrer Konzeption als in sich selbst gefangene Subjekte, die kaum handelnd - nur redend, beschreibend, nachdenkend agieren.

Wagt man es dennoch, nimmt es sich nicht häufig wie eine Abfolge vergeblichster Aktionen aus, zunächst die schwere Tür zu einer tief in einem Salzstock gelegenen Schatzkammer zu öffnen, in der jeder einzelne Text Bernhards in einem eigenen Schatzkästchen verwahrt liegt, um dann an einem gigantischen Schlüsselbund mit Tausenden von Schlüsseln den einen passenden zu finden, mit dem sich jenes eine gewünschte Schatzkästchen öffnen ließe, in welches der Autor seinen Text einzeln, bewusst und akribisch verschlossen, - und noch dazu bereits beim Schreiben so verschlüsselt hat, dass nur ein geklontes Bernhard-Gehirn je einmal in die Lage käme, das Verfasste zu entschlüsseln?

Und selbst wenn letztlich der Versuch, das eine gewünschte Kästchen zu öffnen, scheinbar gelingt, springen dem verdutzten Betrachter dann nicht nur Springteufel, Schabernack und Narreteien entgegen, die sein unnachgiebiges Bemühen, den Schatz zu bergen, als Absurdität dastehen lassen?

Wendelin Schmidt-Dengler stellt hierzu in seinem Band „der Übertreibungs-künstler“ unter dem Schlagwort „Untauglichkeit der literaturwissenschaftlichen Kategorien“ folgende These auf:

„Dass die Kritik (..) den Zusammenhang immer als einen unvermittelten herzustellen suchte, hat zu den Missverständnissen geführt, die indirekt die Geltung des Bernhardschen Werkes bedingten. Man kann dieses einordnen als >Anti-Idylle<, als Kritik einer bestimmten Gesellschaftsform, als konsequente Pathographie, als >Modell der Entfremdung<. Die Divergenz in der Wertung wie die Unsicherheit in den Kategorien, die zur Beschreibung herangezogen werden mussten, weil sie in den betreffenden Disziplinen vorrätig waren, belegt die Untauglichkeit der Mittel, mit denen dieses Werk gepriesen oder radikal in Frage gestellt werden sollte. Positiv formuliert: Bernhards Werk könnte den Wissenschaften (und nicht nur der Literaturwissenschaft) helfen, neue Kategorien der Beschreibung zu finden.“1

Wie aber wollen wir uns überhaupt den Werken Bernhards nähern, wie sie interpretieren? Ist etwa schon alles in den Texten selbst gesagt, wie der Autor es zu vemuten gibt?:

„Alles ist das, das es ist, nichts sonst.“ 2

Allein in einem Pendeln zwischen größtmöglicher Empathie, Empfänglichkeit für Ironie und kritischster Distanz scheint die einzig sinnvolle Möglichkeit zu liegen, sich mit Bernhardscher Komplexität und seinen Verwirrspielen zu beschäftigen. Aus diesem Grund sei für die gesamte hier vorliegende Arbeit als Leitfaden ein Zitat vorangestellt, dessen Kernaussage für Bernhard selbst, sein schriftstellerisches Selbstverständnis und auch für Inhalte und Strukturen seiner autobiographischen Texte von essentieller Bedeutung scheint:

„Wir müssen sagen, wir haben nie etwas mitgeteilt, das die Wahrheit gewesen wäre, aber den Versuch, die Wahrheit mitzuteilen, haben wir lebenslänglich nicht aufgegeben(..).

Da die Wahrheit mitzuteilen und also zu zeigen, nicht möglich ist, haben wir uns damit zufriedengestellt, die Wahrheit schreiben und beschreiben zu wollen, wie die Wahrheit zu sagen, auch wenn wir wissen, dass die Wahrheit niemals gesagt werden kann.“ (Ke, 30)

Ziel soll es hier also sein, die autobiographischen Schriften Bernhards nicht als Kommentar oder gar Schlüssel zu seinem Gesamtwerk zu betrachten, vielmehr soll es hier vornehmlich darum gehen, diese auf ihre Eigenstellung als literarische Gattung hin zu untersuchen, sie zum Gegenstand einer behutsamen Deutung zu machen, sie auch mittels exemplarischer (wo geboten auch ausführlicher) Passagen zu zitieren und der ebenfalls in weiten Teilen stark auto-biographisch anmutenden übrigen Erzählprosa des Autors gegenüberzustellen.

Ferner seien an den vom Autor gewählten Erzählverfahren, an der Konzeption seines/seiner in permanenter Alternanz zwischen Beobachtungs-, Berichts- und Reflexionshaltung verharrenden und in monologischen Strukturen verhafteten Protagonisten die Bernhards gesamtes Werk durchziehenden Kardinalthemen einer tiefen Sprachskepsis einerseits und andererseits der Existenzbewältigung durch kontinuierliches und radikales Ringen um Klarheit und Wahrheit auf ihre Relevanz innerhalb der autobiographischen Schriften betrachtet.

Es scheint, als bedingten sich in Bernhards ‚Erinnerungswerk’ formelle Ausgestaltung und Inhalt / Dimension der vom Erzähler-Ich widergegebenen Berichte und Überlegungen gegenseitig (Eyckeler spricht von einer „an Mündlichkeit orientierten überstarken rhetorischen Durchformung der Texte“)3, als sei für die Widergabe jener meist aus Katastrophen, Traumata, Krankheiten und Leidenserfahrungen bestehenden Erinnerungsfragmente die verschriftlichte Variante der Mitteilung nicht die ideale. Denn neben dem Moment einer möglichen Selbstinszenierung des Autors trifft der Leser dort auf lange Textabschnitte, die, macht man die Probe aufs Exempel, im oralen Vortrag erst ihre ganze Wirkung entfalten, - man denke nur allein an die Einstiegspassagen der beiden Kapitel aus „Die Ursache“. Ihnen eigentümlich sind monströse syntaktische Konstrukte, durchsetzt von skurrilen Komposita und Neologismen, von geradezu aufdringlichen Wort-Wiederholungen und inhaltlichen Redundan-zen, sich steigernd ins Tiradenhafte, gar Manische, als sei der Ich-Erzähler selbst ein „Verstörter“, der eben durch dieses Verstörtsein nun seinerseits verstören, aufrütteln, aufmerksam machen, Verdrängungen durchbrechen will;

Phrasen, die an einen Atemlosen, einen Gehetzten erinnern, der noch im Schreibprozess der Erinnerungen nicht zur Ruhe gekommen scheint, der das Unglaubliche und Entsetzliche des ihm Widerfahrenen in Überwindung der eigenen Sprachlosigkeit formt und formuliert, gleich einer Redemaschine, die, erst einmal in Gang gesetzt, nicht mehr von allein zum Stillstand zu bringen ist und aus dem Ruder zu laufen droht.

Daher gilt es im Weiteren auch den Charakteristika Bernhardscher Sprach- / Redegestaltung in den autobiographischen Schriften nachzugehen und einerseits zu klären, inwieweit der Autor auch dort seine eigene „Sprachgewinnung inszeniert“; inwieweit dort von einer „versuchten Loslösung des Ich-Erzählers von der Auslieferung an die dominanten Hauptfiguren“4, mithin von seiner beharrlichen Ausrichtung auf Ich-Findung und Selbstdefinition oder gar von einer „Ich-Erfindung“ gesprochen werden kann, wie es bei E. Marquardt 5 heißt und somit von einem Modell einer radikal aus sich selbst heraus eigenbestimmten Existenz.

Zum anderen soll untersucht werden, ob und wie in Sprach- und Redeaufbau der Erzählfigur(en) deren eigene Sprachunsicherheit und die vom Autor immer wieder thematisierte Problematik der Instabilität und Unzuverlässigkeit von Sprache als Instrument zur Wahrheitsfindung generell widergespiegelt wird. -

Schließlich sei auch punktuell auf eine Thematik eingegangen, die bislang in der Bernhard-Forschung verhältnismäßig wenig Beachtung fand, die aber, dem eigenen Ansatz gemäß, eine nicht zu vernachlässigende Größe im Werk des Autors darstellt, - die Rede ist von Humor, Groteskheit und Lächerlichkeit der Bernhardschen Figuren, wie auch deren Verhalten.

Zahllose Textpassagen von Bernhards autobiographischen Schriften verleiten oft lange zu einer dauerhaften Betroffenheit, finden dann aber ihre unerwartete Ergänzung/Umkehrung in einer ad hoc auftretenden Komik, etwa in „Die Kälte“, wo nach kurzer, letale Trostlosigkeit widerspiegelnden Eingangs-beschreibung jener Gemeinde todgeweihter Lungenkranker in der öffentlichen Lungenheilstätte Grafenhof für den Leser das Bild in eine an krasser Bizarrheit kaum zu überbietende Szenerie kippt:

„Im Vorübergehen schraubten diese zweifellos endgültig aus der Menschen-gesellschaft Ausgestoßenen widerwärtig, armselig und wie in einem heiligen Stolze verletzt, ihre braunen Glasspuckflaschen auf und spuckten hinein, mit einer perfiden Feierlichkeit holten sie hier überall schamlos und in einer nur ihnen eigenen raffinierten Kunst das Sputum aus ihren angefressenen Lungen und spuckten es in die Spuckflaschen." (Kä, 8)

Und der Ich-Erzähler über seine eigene Situation in jener Umgebung:

„..ich steigerte mich mehr und mehr in einen absoluten Auswurfswillen, in eine Auswurfshysterie hinein...“ (Kä, 9) ... Ich war lungenkrank, also hatte ich auszuspucken(..). Nach fünf Wochen war es soweit, der Befund war: positiv. Ich war plötzlich Vollmitglied der Gemeinschaft.“ (Kä, 11)

Aus dem gleichen Band ein Ausschnitt, in dem das davor geschilderte, für den Rezipienten kaum für steigerbar gehaltene physische wie seelische Elend des Protagonisten in eine Episode mündet, fürchterlich und skurril zugleich, sich in ihr zu entladen, ja in ihr zu explodieren scheint.

Es handelt sich um die Stelle, an der der Ich-Erzähler die Todesanzeige seiner Mutter entdeckt, einer Anzeige mit Druckfehler, - seine Mutter hieß ‚Fabjan’ und nicht ‚Pavian’ - und sich auf diese hin von der Lungenheilstätte in Grafenhof aus zur Beerdigung aufmacht, wo ihn ein Lachanfall überkommt, wie man ihn sich nur von einem Wahnsinniggewordenen vorstellt:

„Während ich mit meiner Großmutter und dem Vormund hinter dem Sarg ging, wurde ich plötzlich von einem Lachkrampf befallen, mit welchem ich während der ganzen Zeremonie zu kämpfen hatte. Immer wieder hörte ich das Wort Pavian von allen Seiten, und ich war schließlich gezwungen, noch vor Ende der Zeremonie den Friedhof zu verlassen. Pavian, Pavian, Pavian, schrie es mir in die Ohren, und ich verließ fluchtartig und ohne die Meinigen den Ort und fuhr nach Salzburg zurück.“ (Kä, 87)

Was sich in diesen wenigen Zitaten andeutet, hat offensichtlich System beim Autor, entspringt einer Programmatik, die einem Großteil seiner Prosa zu eigen scheint. Das Lachen ist meist gekoppelt an das Entsetzliche, die Verzweiflung, das unvorstellbar Grausame, so, wie es der Maler Strauch bereits in „der Frost“ auf den Punkt bringt, als er Zeuge einer entsetzlichen Abschlachtungsszene wird: „Das Fürcherliche muss sein Gelächter haben.“ (F, 278), ein Lachen, schon jenseits von Galgenhumor, als letztes Mittel, Erlebtes zu ertragen.

Auf der anderen Seite: Lachen und Lächerlichkeit, die sich in der Sicht auf Bernhards Figuren gegenseitig zu bedingen scheinen und oft vor dem Hintergrund eines permanenten ‚memento mori’ entstehen, welches zugleich jegliches Bemühen Bernhardscher Protagonisten um Perfektionierung ihrer hybriden Projekte oder in ihrer unermüdlichen Selbstbeobachtung, Selbst-reflexion, Selbstfindung a priori zum Scheitern verurteilt und ad absurdum führt.

Jenes Bemühen und seine voraussehbare Vergeblichkeit im Sinne eines ‚Du hast keine Chance, aber nutze sie’ führen dann gleichermaßen auch zu jener Komik, die bei den Worten des Ich-Erzählers am Ende von „der Keller“ entsteht:

„Der Mann aus der Scherzhauserfeldsiedlung mit seinem Presslufthammer hat mir mein Stichwort gegeben, dass alles egal ist. Es ist das Wesen der Natur, dass alles egal ist. Servus und es ist alles egal, seine Worte höre ich immer wieder, seine Worte, obwohl die seinigen auch die meinigen sind und obwohl ich selbst sehr oft gesagt habe Servus und es ist alles egal.“ (Ke, 107)

Die vorgenannten Phänomene gilt es näher zu untersuchen, sowie aufzuzeigen zu versuchen, in welchem möglichen philosophischen Kontext sie beim Autor stehen und möglicherweise seine grundsätzliche Haltung zur Existenz reflektieren.

Das Ende letztlich der vorliegenden Arbeit soll zum einen eine Persiflage auf Thomas Bernhards Interviewhaltung zu seinen Lebzeiten bilden, bewusst collagenhaft, dem mündlichen und schriftlichen Sprachduktus des Autors hinsichtlich Lexematik (v.a. Wortschöpfungen, Komposita, Neologismen) und Syntax angenähert - auch in teilweiser Verwendung von originalem Wortgut des Autors, - nicht ohne eine gewisse Überzeichnung in der Konzeption und nicht ohne einen häufig oberflächlichen Feuilleton mitzureflektieren, mit dem sich der Autor zeit seines Lebens konfrontiert sah, bevor im Schlusskapitel die gewonnenen Ergebnisse noch einmal zusammengefasst werden.

II. Dichtung und Wahrheit

Zur Stellung der autobiographischen Schriften in Bernhards

Erzählprosa und Versuch ihrer Typisierung

II.1 Autobiographisches Material in Bernhards Werk

Spurenelemente und Bausteine von autobiographischem Material finden sich in einer Vielzahl Bernhardscher Proastexte wieder, hierauf wurde auch in der Fachliteratur bereits hinreichend hingewiesen. E. Marquardt erwähnt eine Reihe Werke, aus denen sie „offene oder versteckte Annäherungen“1 des Autors an autobiographisches Schreiben herausliest. Dazu zählt sie „Frost“, „Amras“, „das Kalkwerk“ und eine Reihe von Erzählungen, die zunächst in dem Band „Prosa“ gesammelt wurden. Die Belegstellen, die sie dabei anführt sind, wenn nicht allesamt Beweise für authentische Erlebnisse des Autors, so zumindest nachvollziehbare Details, die ihre Entsprechungen in Bernhards Kindheits- und Jugenderinnerungen haben, etwa in „Frost“, wo sie auf die Ähnlichkeit des Malers Strauch mit der offensichtlichen Lebenssituation von Thomas Bernhard in dessen Jugend verweist und wo das „noch häufig wiederholte“ Selbstmordmotiv des Bruders von Strauchs Großvater, „das Elend der Menschen nicht mehr ertragen zu können“ (F, 148) in „der Keller“ eine „nahezu wörtliche Entsprechung findet“2 wenn der Erzähler mitteilt, dass aus gleichem wie oben zitiertem Grund, der Bruder seines Großvaters, ein Revierförster, sein Leben selbst beendete (vgl. Ke, 82).

Auch in der Erzählung „Das Verbrechen eines Innsbrucker Kaufmannssohns“ lassen sich frappante inhaltliche und sprachliche Similaritäten zu den Kindheits-und Jugenderinerungen des Autors konstatieren. Wenn es etwa heißt, dass der dortige Protagonist Georg, ein verkrüppelter, gesundheitlich anfälliger und von seiner Familie ob dieser ‚Missratenheit’ gehasster Sohn einer Kaufmannsfamilie gar auch von seiner Mutter als „Verbrecher“ und „völlig erziehungsunfähig“ beschimpft wurde und erst Jahre später begann, diese „in einem milderen Licht zu sehen“ (alle Erz, 11), so erinnert das stark an die Beschreibungen des Ich-Erzählers in „Ein Kind“, wo der dortige Protagonist (= Erzähler) seine Kindheitserfahrungen in Bezug auf die Mutter ähnlich widergibt:

Auch hier Beschimpfungen wie „Du bist nichts wert“, „Dich soll der Teufel holen!“ oder „Du bist ein Nichts, ich schäme mich Deiner“ (Ki, 27), auch hier nach Jahren erst eine offene Zuwendung ihr gegenüber „Nun war die Mutter der Mensch, der mir der nächste war“ (At, 94) , hier (Erz, 11), wie in „Ein Kind“ (Ki, 26/27) wird der „Ochsenziemer“ mit aller Drastik als regelmäßiges Züchtigungsinstrument genannt.

Der Zustand des Ausgeliefertseins, den der Erzähler in „die Ursache“ beschreibt, deckt sich mit dem des Erzählers in o.g. Prosastück genauso, wie umgekehrt auch dessen Empfindungen einerseits anlässlich seiner unfrei-willigen Fahrt zum Studienbeginn nach Wien, jener Fahrt, die er „gegen meinen Willen zu fahren gezwungen gewesen war“ (Erz, 15) und andererseits im Hinblick auf die während dieser Studienzeit immer wieder im Zentrum stehenden Selbstmordgedanken („Wir studierten und dachten an den Selbst-mord; wir lasen und dachten an den Selbstmord; wir verkrochen uns und schliefen und träumten und dachten an Selbstmord.“ (Erz, 16)). Sie sind fast identisch mit den Erlebensbeschreibungen des Erzählers in „die Ursache“ in Bezug auf dessen Internatseinweisung nach Salzburg und dessen Zeit dort:

„Der in dieser Stadt nach dem Wunsche seiner Erziehungsberechtigten, aber gegen seinen Willen Aufgewachsene(..)“ (Ki, 7)

und:

„Das Selbstmorddenken, das ihn im Internat und außerhalb beinahe ununterbrochen beschäftigte (..)“ (Ur, 14)

„Die Lern-und Studierzeit“ ist vornehmlich eine Selbstmordgedankenzeit (..).“ (Ur, 16)

Es ließe sich die Anführung thematischer und inhaltlicher Überschneidungen zwischen Bernhards fiktiver Prosa und seinen ‚Erinnerungsschriften’ noch lange fortsetzen. Dies soll aber nicht Gegenstand der vorliegenden Arbeit sein, zumal Bernhards gesamte Prosa voll ist von verwandten Motiven und Situationen, die auf die eigene vita des Autors deuten. Es soll auch nicht die Frage diskutiert werden, inwiefern der Autor als quasi ‚Erprobender’ sich innerhalb seiner Prosa über eine Art fiktive Autobiographie dem eigentlichen autobiographischen Schreiben genähert hat, wie dies E. Marquardt3 nachzuweisen versucht.

Vielmehr soll kurz und skizzenhaft an einem exemplarischen Werk, das zeitnah zu den autobiographischen Schriften entstanden ist, überprüft werden, inwiefern dieses auch als ‚autobiographisch’ eingeordnet werden kann. Es handelt sich um „Wittgensteins Neffe“, das immerhin im Klappentext die Mitteilung enthält, dass es dabei um eine Fortführung der Autobiographie des Autors gehe und zwar die Jahre 1967 bis 1979 umfassend.

In diesem Werk beschreibt ein Ich-Erzähler seine Freundschaft mit Paul Wittgenstein, dem Neffen des Philosophen Ludwig Wittgenstein, den er bei einem Sanatoriumsaufenthalt wieder trifft, protokolliert dessen Verfallsgeschichte und darin eingebettet seine Reflexionen über ihrer beider Existenzen und ihrer beider Krankheiten.

Beide, Ich-Erzähler und Freund befinden sich zur gleichen Zeit in einem Krankenhaus auf dem Wilhelminenberg / Wien, unweit voneinander entfernt, der eine wegen seiner Lungenerkrankung auf der „Baumgartnerhöhe“, der andere am „Steinhof“, der Irrenanstalt, wegen seiner vom Erzähler als „sogenannte Geisteskrankheit“ (WN, 12) bezeichneten Erkrankung, soge-nannt, weil „Die sogenannten psychiatrischen Ärzte(..) die Krankheit (..) einmal als diese, einmal als jene“ bezeichneten. (WN,13)

Beide scheinen durch eine Reihe Themen miteinander verbunden, von denen das markanteste die vom Erzähler beschriebene Ursache und Gemein-samkeit ihrer jeweiligen Erkrankung ist:

Sie hatten ihre Existenz “wieder einmal übertrieben (..) und also über das Äußerste hinaus ausgenützt gehabt“ und zwar mit einer „krankhaften Rück-sichtslosigkeit (..) gegen alles“ (WN, 32).

„Wie der Weg des Paul immer wieder in einer Irrenanstalt hatte enden müssen, abgebrochen hatte werden müssen, so hat mein Weg immer wieder in einer Lungenanstalt enden, abgebrochen werden müssen. Wie der Paul immer wieder ein Höchstmaß an Aufsässigkeit gegen sich und gegen seine Umwelt ereicht hat und in die Irrenanstalt eingeliefert werden musste, habe ich selbst immer wieder ein Höchstmaß an Aufsässigkeit gegen mich und gegen meine Umwelt erreicht und bin in eine Lungenanstalt eingeliefert worden.“ (WN, 33)

Und somit „ist er verrückt geworden aus demselben Grund, aus dem ich lungenkrank geworden bin“ (WN, 35).

Der entscheidende Unterschied zwischen ihnen wird vom Ich-Erzähler aber auch geliefert, denn sein Freund Paul hatte sich „von seiner Verrücktheit vollkommen beherrschen lassen (..), während ich meine Verrücktheit (..) beherrscht habe“ (WN, 35).

Das spiegele sich v.a. darin, dass jener Paul nicht nur in einer rettungslos enthemmten Freigiebigkeit und Hilfsbereitschaft sein „Geldvermögen“, sondern auch sein „Denkvermögen zum Fenster hinauswarf“ und am Ende ist sein „Kopf ganz einfach explodiert, weil er mit dem Hinauswerfen seines Geistes-vermögens (aus seinem Kopf) nicht mehr nachgekommen ist“ (alle WN 39).

Im Verlauf der Schilderungen und Analyse von beider Werdegang und Existenz werden die Übereinstimmungen zwischen Ich-Erzähler-Charakter und dem des Freundes immer wieder und anhand zahlreicher Beispiele betont, wie etwa jenem der Leidenschaft für Musik und Oper, für Kunst, und Mathematik, v.a. aber auch über skurille Gemeinsamkeiten, wie die der bewusst inszenierten Despektierlichkeit. Der Erzähler über seinen Freund:

„Es gab nichts, das er nicht bezichtigte. Die Leute, die ihm unter die Augen kamen, waren niemals länger als nur die allerkürzeste Zeit ungeschoren, schon hatten sie einen Verdacht auf sich gezogen und sich eines Verbrechens oder wenigstens eines Vergehens schuldig gemacht und sie wurden von ihm gegeißelt mit jenen Wörtern, die auch die meinigen sind, wenn ich mich auflehne oder wehre, wenn ich gegen die Unverschämtheit der Welt vorzugehen habe (..).“ (WN, 99)

- Hier kommt ein Motiv des Autors zum Vorschein, das sich durch sein ganzes Werk zieht als Teil seines schriftstellerischen Selbstverständnisses, nämlich jenes des ‚Verstörens’ und ‚Irritierens’. -

Auch die Geistesverwandtschaft hinsichtlich der Philosophie zwischen Ich-Erzähler und dem Freund Paul wird thematisiert und zwar einmal über dessen bekannteren Onkel Ludwig Wittgenstein,: „der eine hat sein Gehirn publiziert, der andere hat sein Gehirn praktiziert“ (WN, 45), zum anderen aber auch über beider Vorliebe für die ‚Unterhaltungsphilosophie’, die v.a dann in Gang kam, wenn beide, im Kaffeehaus Sacher sitzend, durch ein gemeinsames Opfer ihrer Beobachtungen animiert, „genau zu diesem Betrachteten die passenden Gedanken knüpften“ (WN, 122).

Beide treffen sich im Verlauf der Schilderungen des Erzählers nur einmal im Krankenhaus, als Paul den Ich-Erzähler in der Lungenabteilung aufsucht.

Doch der Freund ist in einem solch desolaten und zerrütteten Nerven-und Geisteszustand, dass ihnen eine weitere Begegnung zumindest auf dem Wilhelminenberg (wegen der Belastung für beide) nicht sinnvoll erscheint, was ihnen beiden klar war und worüber wegen des hervorragenden gegenseitigen Verstehens „nicht ein einziges Wort zu verlieren gewesen war“ (WN, 75). -

Von der Erzählstruktur her ist „Wittgensteins Neffe“ ähnlich wie Bernhards ‚Jugenderinnerungen’ konzipiert. Aus der retrospektiven Sicht eines Ich-Erzählers werden Vorgänge geschildert, Beschreibungen geliefert, die sich auf einen abgeschlossenen Zeitrahmen beziehen. Auch in diesem Text tauchen wertende und Einzelthemen beleuchtende Reflexionspassagen des Ich-Erzählers auf, wie etwa jener, in der er über die Distanzierung der Gesunden von der Welt der Kranken sinniert. „Die Kranken haben, von den Gesunden aus gesehen, kein Recht mehr“ (WN, 79). Diese Stelle ist gleich-zeitig der Wendepunkt der „identifikatorischen Verbindung“ zwischen Erzähler und Protagonisten und leitet schleichend auch das Ende des Textes ein, wenn der Erzähler über seinen Freund sagt:

„Ich hatte ihn plötzlich nicht mehr ausgehalten, fortwährend dachte ich, dass ich ja schon nicht mehr mit einem Lebendigen, sondern mit einem Toten zusammen-sitze und ich habe mich von ihm zurückgezogen.“ (WN, 127)

Mittermayer weist ebenfalls auf den o.g. Wendepunkt hin, indem er schreibt:

„Genau dieselbe Logik ist (..) auch dafür verantwortlich, dass am Ende die zuvor beschworene identifikatorische Verbindung mit dem Gleichgesinnten zerbricht“4, eben weil der Erzähler Angst davor hat, „mit dem Tod unmittelbar konfrontiert zu sein“ (WN, 161), ein Ende, das auf reale Erfahrungen und Einstellungen des Autors Bezug nehmen könnte, zumal auch dieser durch seine eigene langjährige Lungenerkrankung und Krankenhausaufenthalte sowie durch Depressionen und Selbstmordgedanken (die im Text ebenfalls zur Sprache kommen) permanent mit dem Tod in Kontakt geraten war.

Zu der genremäßigen Einordnung von „Wittgensteins Neffe“, speziell zur Ausgangsfrage, ob dieses Stück Prosa ebenfalls zu den autobiographischen Schriften von Thomas Bernhard hinzugerechnet werden kann, gibt es in der Fachliteratur unterschiedliche, wenn auch sich oft ähnelnde Positionen. Huntemann etwa schreibt:

„In der Parallelisierung von (lungenkrankem) Ich-Erzähler und (geistesgestör-tem) Protagonisten erscheint auch dieser als ‚alter ego’ des Autors wie seine fiktiven Vorgänger.“5

E. Marquardt „erscheint (..) der autobiographische Charakter in gleicher Weise gegeben“6 wie bei den zuvor veröffentlichten ‚Jugenderinnerungen’ des Autors, weist aber auch auf einen hier als wichtig erachteten, entscheidenden Unterschied hin, den der Ich-Erzähler selbst formuliert

„(..) der Mittelpunkt dieser Notizen ist mein damals mit mir auf dem Wilhelminen-berg stationierter (..) Freund Paul, den ich mir mit diesen Notizen deutlich machen will, mit diesen Erinnerungsfetzen, die mir im Augenblick nicht nur die ausweglose Situation meines Freundes, sondern meine eigene damalige Aus-weglosigkeit verdeutlichen sollen.“ (WN, 32)

Am ehesten ließe sich von „Wittgensteins Neffe“ wohl als von einem ‚Poträt mit stark autobiographischen Zügen’ sprechen, denn im Gegensatz zu den „offziellen“ autobiographischen Schriften Bernhards wird in dem Text nicht ein Entwicklungsabschnitt des Ich-Erzählers ausgestaltet (nur ganz punktuelle Ereignisse beziehen sich auf ihn allein, etwa jene Passage, in der er sich mit der grotesken Vorepisode und dem Festakt der Grillparzerpreis-Verleihung ausei-nandersetzt, mit dem er in der Akademie der Wissenschaften geehrt wurde, - im Übrigen ein historisch verbürgter Vorgang in Bezug auf die vita des Autors), - der Akzent hier liegt eindeutig auf der Aufzeichnung der Verfallsgeschichte seines Freundes Paul Wittgenstein, auf der Charakterisierung von dessen Persön-lichkeit und von ihrer beider, sie auch in ihren selbst gewählten Außenseiter-rollen verbindenden Persönlichkeitsmerkmalen - und Entwicklungsgeschichten.

Die Frage aber, warum der Autor so gern zwischen den Grenzen von fiktionaler und autobiographischer Schreibhaltung ‚mäandert’, muss vorerst offen bleiben.

Wir sind uns unbekannt, wir Erkennenden, wir selbst uns selbst: das hat seinen guten Grund. Wir haben nie nach uns gesucht,—wie sollte es geschehn, dass wir eines Tags uns fänden? Mit Recht hat man gesagt: “wo euer Schatz ist, da ist auch euer Herz”; unser Schatz ist, wo die Bienenkörbe unsrer Erkenntniss stehn. Wir sind immer dazu unterwegs, als geborne Flügelthiere und Honigsammler des Geistes, wir kümmern uns von Herzen eigentlich nur um Eins—Etwas “heimzubringen.” Was das Leben sonst, die sogenannten “Erlebnisse” angeht,—wer von uns hat dafür auch nur Ernst genug? Oder Zeit genug? Bei solchen Sachen waren wir, fürchte ich, nie recht “bei der Sache”: wir haben eben unser Herz nicht dort—und nicht einmal unser Ohr! Vielmehr wie ein Göttlich-Zerstreuter und In-sich-Versenkter, dem die Glocke eben mit aller Macht ihre zwölf Schläge des Mittags in's Ohr gedröhnt hat, mit einem Male aufwacht und sich fragt “was hat es da eigentlich geschlagen?” so reiben auch wir uns mitunter hinterdrein die Ohren und fragen, ganz erstaunt, ganz betreten, “was haben wir da eigentlich erlebt?” mehr noch: “wer sind wir eigentlich?” und zählen nach, hinterdrein, wie gesagt, alle die zitternden zwölf Glockenschläge unsres Erlebnisses, unsres Lebens, unsres Seins—ach! und verzählen uns dabei ... Wir bleiben uns eben nothwendig fremd, wir verstehn uns nicht, wir müssen uns verwechseln, für uns heisst der Satz in alle Ewigkeit “Jeder ist sich selbst der Fernste”— für uns sind wir keine “Erkennenden” ...

(Friedrich Nietzsche, Zur Genealogie der Moral, Vorrede, 1)

II.2 Erinnerung als „Selbsterlebensbeschreibung“

Thomas Bernhard war vor allem Schriftsteller und Theaterautor. Das gilt für seine als „autobiographische Schriften“ deklarierten Kindheits-und Jugend-erinnerungen nicht minder als für sein übriges Werk. Konsequenterweise käme bereits der Gedanke, seine autobiographischen Schriften als reine Quelle nachprüfbarer Fakten heranziehen und das von ihm dort Beschriebene auf dem Prüfstand reiner Faktizität in ‚wahre’ oder ‚falsche’ Information differenzieren zu wollen, einem kurzsichtigen Missbrauch gleich.1

Bereits indirekt durch den Untertitel seines ersten Erinnerungsbandes „Die Ursache. Eine Andeutung“ gibt er einen wichtigen Hinweis, was ihm autobio-graphisches Schreiben nie zu sein vermochte: chronologisch saubere Dokumentation von Lebensetappen und Meilensteinen, die allzeit und unumstößlich einer akribischen Überprüfung seines Weges auf historische Wirklichkeiten und Vollständigkeit standhalten, und somit den Status einer quasi abgeschlossenen Datenbank für sich reklamieren könnte, wobei selbst eine Datenbank ja an sich zunächst nur tote Information darstellt, entliehen hat und die von dessen Herausgeber als Titel für Jean Pauls autobiographische

Schriften gewählt wurde.

die erst in der Draufschau, dem Bezug und in der Anwendung interpreta-torischer und somit subjektiver geistiger Tätigkeit für ihre Benutzer Aussage-kraft erhält.

Wie in der Folge aufzuzeigen ist, stellt sich Thomas Bernhard jedwedes offizielles und von seinem übrigen Werk abgekoppelt betrachtbares, dieses womöglich auch noch direkt erklärendes autobiographisches Schreiben als unmögliches Unterfangen dar, und zwar aus einer Reihe von Hinderungs-gründen, die zum einen seinem schriftstellerischen Selbstverständnis entspringen, zum anderen aber bereits von den Figuren seiner übrigen Prosa vorweggenommen, reflektiert und formuliert werden.

In seinem Prosatext „Gehen“ lässt Bernhard seinen Protagonisten Oehler über die Selbstbeobachtung reflektieren und zu dem Ergebnis gelangen:

„Während wir einen anderen ohne weiteres(..) beobachten können(...), können wir uns selbst niemals, ohne dass wir es wissen, beobachten (..).Wir können also niemals von Selbstbeobachtung sprechen, oder wir sprechen davon, dass wir uns selbst beobachten als der, der wir sind, wenn wir uns selbst beobachten, der wir aber niemals sind, wenn wir uns nicht selbst beobachten und also beobachten wir, wenn wir uns selbst beobachten, niemals den, welchen wir zu beobachten beabsichtigt haben, sondern einen Anderen. Der Begriff der Selbstbeobachtung, also auch der Selbstbeschreibung ist also falsch. So gesehen sind alle Begriffe (Vorstellungen), sagt Oehler, wie Selbstbeobachtung, Selbstmitleid, Selbst-bezichtigung und so fort, falsch. Wir selbst sehen uns nicht, wir haben niemals die Möglichkeit, uns selbst zu sehen (..). So ist alles immer ganz anders, als es für uns ist, sagt Oehler. Und immer etwas ganz anderes, als es für alles andere ist. Ganz abgesehen davon, dass auch noch die Bezeichnungen, mit welchen wir bezeichnen, ganz andere als die tatsächlichen sind (..).“ (Ge, 87)

Aus dem Kontext isoliert betrachtet werden hier offensichtlich zwei große Themen angesprochen, die Bernhards gesamtes Werk wie einen roten Faden durchziehen und die er beide auch in seinen autobiographischen Schriften immer wieder als Hürden für ein wie immer geartetes ‚historische-Wirklichkeit-verkaufendes’ Autobiographisieren anspricht, - eine Subjekt-Objekt-Wirklich-keits-Problematik, sowie das Handicap sprachlicher Instabilität im Sinne des Saussurschen ‚signifiant’ und ‚signifie auf der einen und ‚Assoziation’ und ‚Syntagma’ auf der anderen Seite. Vor dem Hintergrund der Kenntis anderer Bernhardscher Prosatexte könnte sich die konstatierte Problematik sogar als eine noch viel weitreichendere entpuppen.

Es scheint, als steckte Bernhard somit in einem Dilemma, wenn man an Autobiographie generell den Anspruch stellt, dass sie einerseits sehr wohl über die Textkonzeption und ihre Inhalte an sich Aufschlüsse über subjektives Erleben des Verfassers liefern, gleichzeitig aber auch einer historischen Wahrheit verpflichtet sein soll.

Mit der Frage, was denn generell von autobiographischer Literatur erwartet werden darf und muss, beschäftigt sich u.a. E. Marquardt in ihrem Band ‚ Gegenrichtung’ und weist dort auf einen für wesentlich erachteten Aspekt hin:

Es soll nicht heißen, dass die Konfrontation der Autobiographie mit objektiven Tatsachen im Einzelfall nicht möglich und sinnvoll sein kann; vor allem aber ist die Selbstbiographie jedoch Gestaltung von Vergangenheit im Medium der Erinnerung.“2

Dass auch Thomas Bernhard sich neben den oben angesprochenen Punkten dieses „Mediums der Erinnerung“, dessen Unvollkommenheit, Veränderlich-keit und auch dessen Abhängigkeit von der eigenen Entwicklung bewusst war, kann aus zahllosen in sein Erzählen und seine Darstellungen eingeflochtenen, direkten und indirekten Hinweisen erschlossen werden. An die Stelle von Eindeutigkeit und Vollständigkeit treten ‚Andeutungen’ als das Maximale, was vom Schreibenden erwartet werden kann. Allein in dem Band „Die Ursache“ verwendet der Ich-Erzähler mehrfach Sätze wie:

Aber ich kann nur andeuten.“ (Ur, 70) oder aber:

„An dieser Stelle muss ich wieder sagen, dass ich notiere oder auch nur skizziere und nur andeute, wie ich damals empfunden habe, nicht wie ich heute denke, denn die Empfindung von damals ist eine andere gewesen, als mein Denken heute, und die Schwierigkeit ist, in diesen Notizen und Andeutungen die Empfindung von damals und das Denken von heute zu Notizen und Andeutungen zu machen, die den Tatsachen von damals,(..)entsprechen.“ (Ur, 73)

Und im Zusammenhang mit einer seiner ‚Tiraden’ über Salzburg schreibt Bernhard:

„Aber auch das muss Andeutung bleiben, hier ist nicht der Platz und jetzt ist nicht die Zeit für eine diese ganze damalige und heutige Stadt betreffende Analyse,(..).“ (Ur, 77)

[Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten] Noch präziser lässt er seinen Ich-Erzähler in „D er Atem“ dem Leser mitteilen, als was der den vorliegenden Text einzustufen habe, aber auch, was der trotz aller Unvollkommenheit des Materials mit diesem Material immerhin anzufangen vermag, ein Hinweis also auf eine Ergänzungsarbeit, die im Kopf des Lesers stattfinden kann.

„Die Vollkommenheit ist für nichts möglich, geschweige denn für Geschriebenes und schon gar nicht für Notizen wie diese, die aus Tausenden und Abertausenden von Möglichkeitsfetzen von Erinnerung zusammengesetzt sind. Hier sind Bruchstücke mitgeteilt, aus welchen sich, wenn der Leser gewillt ist, ohne Weiteres ein Ganzes zusammensetzen lässt. Nicht mehr. Bruchstücke meiner Kindheit und Jugend, nicht mehr(..)“. (At, 57)

Bernhard macht aber ebenso deutlich, worauf es ihm in seiner Rück-erinnerung und deren sprachlicher Darstellung ankommt, welche Einstellung für ihn maßgeblich ist. Im Anschluss an eine ausführliche Schilderungs-sequenz über entsetzliche Zustände und das Sterben in jenem Salzburger Spital, in das er als Achtzehnjähriger wegen einer nassen Rippenfell-entzündung eingeliefert worden war, heißt es:

„Die Ärzte und überhaupt die sogenannten Mediziner, zu welchen ja nicht nur die Ärzte zu zählen sind, mögen über alles, was hier notiert ist, den Kopf schütteln, aber hier wird auf das Kopfschütteln gleich auf welcher Seite und mag sie sich als die kompetenteste ansehen, keinerlei Rücksicht genommen. Solche Notizen müssen auch in jedem Falle naturgemäß immer im Hinblick darauf gemacht werden, dass sie angefeindet und/oder verfolgt oder ganz einfach für die eines Verrückten gehalten werden. Den Schreiber hat eine solche Tatsache und eine solche noch so unsinnige Aussicht nicht zu irritieren,(..).“ (At 56)

Hat der Autor also einerseits durch den permanenten und prophylaktischen Verweis auf das Andeutungs-, das Notizenhafte und Fragmentarische seiner Erinnerungen und deren Beschreibungen dem Rezipienten quasi einen Beipackzettel mit Warnungen vor Risiken und Nebenwirkungen einer zu engen Rezeptionshaltung an die Hand gegeben, so wird hier auch suggeriert, dass es ihm, Bernhard, in der Erinnerung seiner eigenen Wahrnehmungen zumindest um eine Haltung des Nicht-Vergessens, der Schonungslosigkeit, der (Eigen)-Aufklärung, v.a. aber der schriftstellerischen Freiheit geht (vgl. „..wird auf das Kopfschütteln (..) keinerlei Rücksicht genommen.“ - bzw. „hat den Schreiber eine solche Tatsache (..) nicht zu irritieren“).

Zu hinterfragen wäre daher im nächsten Schritt, welche Folgen eine solche für sich reklamierte schriftstellerische Freiheit für die Authentizität autobio-graphischen Materials haben kann und ob diese dann auch konkret bei Thomas Bernhards ‚Erinnerungsschriften’ nachzuweisen sind.

Grundsätzlich verhält es sich so, dass Sprache jenes Instrumentarium bereit hält, mit dem ein Autor arbeitet, um eine von ihm vorgefundene Rohmasse an Erlebnissen, Gedanken, Reflexionen und Phantasien zu bearbeiten und zu strukturieren. Dieses ist, da der Autor immer nur über ein für ihn typisches und nicht das Instrumentarium an sich verfügt, sein persönlicher Werkzeug-kasten, mit dem er einerseits auskommen, über das hinaus er andererseits aber Wahrgenommenes, Gedachtes, Empfundenes, Vorgestelltes oder Erinnertes nicht anders gestalten kann, als ihm, einem einzelnen Subjekt, gemäß ist, - dies obendrein vor dem Hintergrund zeitlicher Distanz, wenn es bei diesem Akt der sprachlichen Gestaltung um autobiographisches Material geht und vor dem Hintergrund des ‚Ausgeliefertseins’ an Einflüsse in der Gegenwart des Schreibens. Es scheint, als müssten zur Feststellung von Authentizität bei autobiographischem Material fast zwangsläufig andere Kriterien im Vordergrund stehen, als Überprüfbarkeit und Vollständigkeit von Sachverhalten.

Bernhard lässt seine Erzählerfiguren die vorgenannten Gesetzmäßigkeiten permanent mitreflektieren, insbesondere jene des defizitären Charakters von Sprache im Hinblick auf die Unmöglichkeit der Konstitution subjektentkoppelter Objektivität und thematisiert sie auch in seinen Kindheits-und Jugenderinnerun-gen demonstrativ, wie davor bereits in vielen seiner Prosa-Stücken:

„..Die Sprache ist unbrauchbar, wenn es darum geht, die Wahrheit zu sagen, Mitteilung zu machen, sie lässt dem Schreibenden nur die Annäherung, immer nur die verzweifelte, und dadurch auch nur zweifelhafte Annäherung an den Gegenstand, die Sprache gibt nur ein gefälschtes Authentisches wider, das erschreckend Verzerrte, sosehr sich der Schreibende auch bemüht, die Wörter drücken alles zu Boden und verrücken alles und machen die totale Wahrheit auf dem Papier zur Lüge(..).“ (Kä, 59)

Wahrheitsanspruch und Sprache werden hier als stets aufeinander bezogen aufgefasst, immer aber ist das Resultat sowohl für den Verfasser und konsequenterweise erst recht für den Leser ein „gefälschtes Authentisches“, eine Lüge und zwar genau dann, wenn „die totale Wahrheit“ als Anspruchs-haltung zu Grunde gelegt ist.

Wenn also alles Mitteilbare und Mitgeteilte, wie es sinngemäß an zahllosen weiteren Stellen von Bernhards autobiographischen Bänden heißt,

unter Anwendung von Sprache und unter Berücksichtigung von deren Subjektabhängigkeit dem Verfasser immer zur Fälschung, Verfälschung und somit Lüge gerät, drängt sich die Frage auf, über welche Kriterien der Leser überhaupt verfügt, um in dessen Kindheits- und Jugenderinnerungen Authentizität von Fiktionalität zu unterscheiden.

Fast scheint es, als verberge sich hinter Bernhards regelmäßigen Hinweisen auf Unvollständigkeit und Subjektivität seiner Texte ein Spiel, mit dem er zweierlei bezwecken könnte: Zum einen verschafft ihm die Betonung der selbstauferlegten ‚Zügelung’ hinsichtlich des eigenen Wahrheitsanspruchs und des Andeutungshaften den nötigen Spielraum, die Erinnerungs-„Bruchstücke“ in bewusster oder unbewusster Verwendung fiktiver Elemente zu schlüssigen Geschichten und runden Bildern zu formen (möglicherweise in ganz bestimmter Wirkungsabsicht). Fiktionalität träte so für ihn bereits dann auf den Plan, wenn sie garnicht beabsichtigt war, weil sie bereits im Defizitären des Erinnerungsversuchs als ‚Keimzelle’ zur Verwischung von Wirklichkeit und Möglichkeit enthalten ist. Ein Indiz, dass dies für Teile von Bernhards autobiographischen Texten zutreffen könnte, liefert ein Interview, das Andre Müller Ende der 70er Jahre mit Bernhard geführt hat. Dort äußert er sich wie folgt:

„Wer weiß, ob das, was ich da geschrieben hab, überhaupt stimmt. Ich bin immer wieder selbst überrascht, wie viele Leben man als das eigene ansieht, die zwar alle miteinander Ähnlichkeit haben, aber eigentlich doch nur Figuren sind, die mit einem selbst genausoviel und sowenig zu tun haben wie irgendwelche anderen Leben. Es stimmt ja immer zugleich alles und nichts (..).“3

(‚Angedeutet’ wird im übrigen in Bernhards Prosa fortwährend. Der Autor spielt damit, etwa in „die Billigesser“, wo der Erzähler die Andeutungen, die der Protagonist Koller ihm gegenüber vom Inhalt einer Studie über die Physiognomik macht, seinerseits versucht, anzudeuten.)

Zum anderen ermöglicht dem Autor dieser Spielraum auch im Zuge der Prozesshaftigkeit seiner Selbsterforschung, des Pendelns zwischen Erinnerung und Schreibvorgang, eine Selektionsfreiheit dessen, was er von seinen Gedanken und den immer ja seiner individuellen Sicht entspringenden Wertungen seiner Erlebensschilderungen preisgibt.

Besonders bei „die Ursache“, dem ersten Band seiner Erinnerungen, gewinnt der Leser phasenweise den Eindruck, als betreibe Bernhard das Schreiben nicht für ihn, den zukünftigen Leser sondern v.a. für sich selbst, - Schreiben als sich selbst erforschende Selbstinszenierung, bei dem es v.a. darum geht,

einerseits im Erinnern den Prozess einer Ich-Findung zu reflektieren und andererseits die Analyse der eigenen Existenz wie auch die Ich-Findung im Schreibprozess weiterzuführen. In Zitierung von Montaigne, einem von Bernhards geistigen ’Hausgöttern’ formuliert der Ich-Erzähler in „die Ursache“:

„(..) es gibt nichts Schwierigeres aber auch nichts Nützlicheres, als die Selbst-beschreibung. Man muss sich prüfen, muss sich selbst befehlen und an den richtigen Platz stellen. Dazu bin ich immer bereit, denn ich beschreibe mich immer und ich beschreibe nicht meine Taten, sondern mein Wesen (..) Ich habe mir zum Gesetz gemacht, alles zu sagen, was ich zu tun wage, und ich enthülle sogar Gedanken, die man eigentlich nicht veröffentlichen kann(..). Wenn ich mich kennenlernen will, so deshalb, damit ich mich kennenlerne, wie ich wirklich bin, ich mache eine Bestandsaufnahme von mir(..).“ (Ur, 86)

Kehrt man zur letzten Frage zurück, zu der Unterscheidbarkeit von Fiktionalem und Authentischem bei Bernhards ‚Jugenderinnerungen’, so verhilft möglicherweise der Ansatz von Alfred Doppler, diese Frage in Bezug auf eine literarische Autobiographie (um diese Kategorie scheint es sich bei Bernhards autobiographischen Schriften zu handeln) wenn schon nicht ganz auszuklammern, so doch zumindest als nachrangig einzustufen.

Dopplers Ansatz, der sich auf die Bewertung der autobiographischen Bücher von Elias Canetti bezieht und auf den T. Parth hinweist, berücksichtigt die bei Bernhard als Kern-Topos vorkommende Reflexion der Subjektproblematik und erkennt neben dem Vorgang des Sich-Erinnerns, als Grundvoraussetzung, das Moment des Erschreibens und das Moment des Narrativen als die entscheidenden Größen zur Differenzierung von literarischen Autobiographien gegenüber ‚bloßen’ Memoiren:

„Der autobiographische Text will nicht außerliterarische Wirklichkeit durch Sprache vermitteln oder über gelebtes Leben bloß berichten (..), sondern will Wirklichkeit mit Hilfe der Sprache herstellen, und diese hergestellte Wirklichkeit ist nicht Abbildung oder Mimesis, sondern Zeichen einer bestimmten Form von Welt-Zuwendung.“4

Dem Ansatz folgend, erfährt dann auch der Begriff der Authentizität im Kontext einer im eigentlichen Sinn literarischen Autobiographie eine Erweiterung und lässt Kontinuierlichkeit und autortypische Gestaltung des Mitgeteilten gewichtiger erscheinen, als die bloßen numerischen, historischen oder geographisch verbürgten Sachinformationen, was freilich nicht heißen soll, dass Autobiographie an sich und die Kindheits-und Jugenderinnerungen Bernhards im Konkreten auf reinen Erfindungen und auf Beliebigkeit und Austauschbarkeit des Mitgeteilten aufgebaut sein sollten.

Davon möchte sich auch Bernhard selbst abgrenzen, und er tut dies durch die Abgabe von Absichtserklärungen, so nah, als ihm möglich, die eigene Wahrheit, die von ihm als solche empfundenen Tatsachen mitteilen zu wollen, und zwar in Form der bereits erwähnten regelmäßig in den Erzählstrang der Ich-Erzähler eingebauten Leserhinweise wie:

„..Das Beschriebene macht etwas deutlich, das zwar dem Wahrheitswillen des Beschreibenden, aber nicht der Wahrheit entspricht, denn die Wahrheit ist überhaupt nicht mitteilbar(..). Es kommt darauf an, ob wir lügen wollen oder die Wahrheit sagen und schreiben wollen oder die Wahrheit sagen und schreiben, auch wenn es niemals die Wahrheit sein kann, niemals die Wahrheit ist. Ich habe zeitlebens immer die Wahrheit sagen wollen, auch wenn ich jetzt weiß, es war gelogen(..).“ (Ke, 29/30)

Dass dieses Wahrheitsbemühen immer auch begleitet ist von einer enorm emotionalen, streckenweise absurd tiradenhaften Sprache angesichts der präsentierten Erinnerung vieler Schrecklichkeiten und seelischer Beschädi-gungen (an welchen Stellen inszeniert, an welchen echt, das sei hier offen gelassen), stellt für Bernhard keinen Widerspruch dar und ist eines der für sämtliche seiner Erinnerungsbände durchgänig zutreffenden Gestaltungs-merkmale. Selbsterlebensbeschreibung ist zwangsläufig mehr als kalte Dokumentation.

Und auch das Spiel mit seinen eigenen Reflexionen zum Thema Wahrheit müsste dann bei Bernhard mit zur Authentizität gerechnet werden, wie am letzten Satz des folgenden Zitats ersichtlich.

„Hätte ich eine noch so geringe Scham, ich könnte ja überhaupt nicht schreiben, nur der Schamlose schreibt, nur der Schamlose ist befähigt, Sätze anzupacken und auszupacken und ganz einfach hinzuwerfen, nur der Schamloseste ist authentisch. Aber auch das ist natürlich so wie alles ein Trugschluss." (Kä, 42)


[...]

1 W. Schmidt-Dengler, der Übertreibungskünstler, S. 149

2 Thomas Bernhard, KORREKTUR, S. 172

3 F. Eyckeler, Reflexionspoesie, S. 11

4 M. Mittermayer, Thomas Bernhard, S. 93

5 E. Marquardt, Gegenrichtung, S. 164

1 E. Marquardt, 1990, S. 127

2 ebd., S. 127

3 vgl. E. Marquardt, 1990, S. 124 - 133

4 vgl. M. Mittermayer, 1995, S. 109

5 W. Huntemann, 1991, S. 51

6 E. Marquardt, 1990, S. 130

1 T. Parth, „Verwickelte Hierarchien“, S. 20, -der die Bezeichnung selbst bei Jean Paul

2 E. Marquardt, 1990, S. 122

3 Bernhard, Entblößungen. In: Müller, Entblößungen, 1979, S. 88

4 T. Parth, 1995, S. 27 unter Hinweis auf Doppler, 1990, S. 198

Ende der Leseprobe aus 99 Seiten

Details

Titel
Zu den autobiographischen Schriften von Thomas Bernhard - Analyse eines Ausnahmezustands - eine Annäherung
Hochschule
Universität Koblenz-Landau  (Institut für Germanistik)
Note
1,3
Autor
Jahr
2005
Seiten
99
Katalognummer
V48169
ISBN (eBook)
9783638449465
ISBN (Buch)
9783638742085
Dateigröße
860 KB
Sprache
Deutsch
Schlagworte
Schriften, Thomas, Bernhard, Analyse, Ausnahmezustands, Annäherung
Arbeit zitieren
Bertram Wetzel (Autor:in), 2005, Zu den autobiographischen Schriften von Thomas Bernhard - Analyse eines Ausnahmezustands - eine Annäherung, München, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/48169

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