1. Einleitung
Seit jeher waren in Politik und Krieg diejenigen erfolgreich, die über mehr Informationen verfügten, als ihre Widersacher. Aber Information war nur ein, zugegeben wichtiges, Hilfsmittel. Vor etwas mehr als zwanzig Jahren bekam der Faktor Information einen neuen Stellenwert. Langsam wurde klar, dass das Industriezeitalter seinem Ende entgegengeht. Der Übergang zum Informationszeitalter hatte begonnen.
Wie alle gesellschaftlichen Phänomene, hängt auch die Art der Kriegführung vom wirtschaftlichen System ab. In der Agrargesellschaft bekämpfte man sich mit primitiven Waffen; man schlug aus nächster Nähe aufeinander ein. Der entscheidende Faktor in Arbeit und Krieg war die Muskelkraft. In der Industrie- oder Massengesellschaft flossen die Faktoren Mechanisierung und Masse in die Kriegführung ein, es wurden ganze Landstriche entvölkert. Im zwanzigsten Jahrhundert erreichte die Menschheit einen traurigen Höhepunkt: Sie ist nun in der Lage, den gesamten Planeten zu vernichten. Der zentrale Faktor war nun die ad infinitum gesteigerte Feuerkraft.
Mit Beginn des Übergangs zum Informationszeitalter erkannten die Militärs, dass es nicht nötig ist, den Gegner vollständig zu vernichten oder ihm auch nur große Verluste zuzufügen. Es ist völlig ausreichend, ihn von seiner Führung abzuschneiden und ihn ohne klare Anweisungen und Wissen über die Vorgänge um ihn herum in einen Zustand der Verwirrung zu versetzen. Der wichtigste Faktor überhaupt heißt hierbei "Information".
Welche Perspektiven zeigen sich hier? Ist Informationskrieg die Fortsetzung der Informationspolitik mit anderen Mitteln? Besteht überhaupt noch ein Unterschied zwischen Krieg und Frieden?
Zunächst wird in diesem Beitrag der Begriff des Informationskrieges näher erläutert. Es folgen die Darstellungen der technischen Möglichkeiten, der Akteure, und der deutschen Institutionen, die sich u. U. bald mit diesem Thema auseinandersetzen müssen. Darüber hinaus wird der Einsatz von Informationsoperationen auf dem Balkan untersucht.
[...]
INHALTSVERZEICHNIS
1. Einleitung
2. Begriff
2.1. Information
2.2. Informationsoperationen
2.2.1. Definitionen
3. Durchführung und Durchführende
3.1. Einsatzmöglichkeiten
3.2. Akteure
4. Deutsche Institutionen
4.1. Allgemeines
4.2. Bundeswehr
5. Informationsoperationen auf dem Balkan
5.1. Bosnien-Herzogowina
5.2. Kosovo
6. Fazit
7. Quellen
1. Einleitung
Seit jeher waren in Politik und Krieg diejenigen erfolgreich, die über mehr Informationen verfügten, als ihre Widersacher. Aber Information war nur ein, zugegeben wichtiges, Hilfsmittel. Vor etwas mehr als zwanzig Jahren bekam der Faktor Information einen neuen Stellenwert. Langsam wurde klar, dass das Industriezeitalter seinem Ende entgegengeht. Der Übergang zum Informationszeitalter hatte begonnen.[i]
Wie alle gesellschaftlichen Phänomene, hängt auch die Art der Kriegführung vom wirtschaftlichen System ab. In der Agrargesellschaft bekämpfte man sich mit primitiven Waffen; man schlug aus nächster Nähe aufeinander ein. Der entscheidende Faktor in Arbeit und Krieg war die Muskelkraft. In der Industrie- oder Massengesellschaft flossen die Faktoren Mechanisierung und Masse in die Kriegführung ein, es wurden ganze Landstriche entvölkert. Im zwanzigsten Jahrhundert erreichte die Menschheit einen traurigen Höhepunkt: Sie ist nun in der Lage, den gesamten Planeten zu vernichten. Der zentrale Faktor war nun die ad infinitum gesteigerte Feuerkraft.[ii]
Mit Beginn des Übergangs zum Informationszeitalter erkannten die Militärs, dass es nicht nötig ist, den Gegner vollständig zu vernichten oder ihm auch nur große Verluste zuzufügen. Es ist völlig ausreichend, ihn von seiner Führung abzuschneiden und ihn ohne klare Anweisungen und Wissen über die Vorgänge um ihn herum in einen Zustand der Verwirrung zu versetzen. Der wichtigste Faktor überhaupt heißt hierbei „Information“.[iii]
Welche Perspektiven zeigen sich hier? Ist Informationskrieg die Fortsetzung der Informationspolitik mit anderen Mitteln? Besteht überhaupt noch ein Unterschied zwischen Krieg und Frieden?
Zunächst wird in diesem Beitrag der Begriff des Informationskrieges näher erläutert. Es folgen die Darstellungen der technischen Möglichkeiten, der Akteure, und der deutschen Institutionen, die sich u. U. bald mit diesem Thema auseinandersetzen müssen. Darüber hinaus wird der Einsatz von Informationsoperationen auf dem Balkan untersucht.
2. Begriff
2.1. Information
Momentan gilt „Information“ als eine geistige Größe. Die Definition des Begriffs sind jedoch keineswegs eindeutig. Einige Autoren betrachten Information lediglich als Maßeinheit für übermittelte Daten, andere gehen auf den Inhalt ein und bezeichnen Informationen als „kontextualisierte Daten“. Weiterhin wird Information als „Wissen in Anwendung“ bezeichnet (während andere umgekehrt Wissen als „Information in Anwendung“ betrachten).[iv]
Da hier die militärische Komponente untersucht werden soll, wird die amerikanische Dienstvorschrift FM 100-6 “Information Operations“ zitiert:
“Information is defined as Data collected from the environment and processed into a usable form.“[v]
2.2. Informationsoperationen
2.2.1. Definitionen
Da in der Fachpresse die unterschiedlichsten Bezeichnungen für “Information Operations“ kursieren und es viele Verwechslungen gibt, ist es notwendig, den Begriff eindeutig zu definieren. Gemäß FM 100-6 versteht man unter “Information Operations“:
“Continuous military operations within the MIE [Military Information Environment] that enable, enhance, and protect the friendly force’s ability to collect, process, and act on information to achieve an advantage across the full range of military operations; IO include interacting with the GIE [Global Information Environment] and exploiting or denying an adversary’s information and decision capabilities.“[vi]
In der Fachliteratur wurde bisher deutlich, dass es um zwei Dinge geht: Zum einen sollen Informationssysteme des Gegners unbrauchbar gemacht werden (vgl. 3.1.); zum anderen geht es um den Einsatz von Information als Waffe.
3. Durchführung und Durchführende
3.1. Einsatzmöglichkeiten
Unter Psychologischen Operationen (PsyOps) versteht man die psychologische Beeinflussung des Gegners. Sie werden mitunter auch schon in Friedenszeiten eingesetzt.[vii]
Im Krisenfall werden diese Maßnahmen durch den Einsatz von Computerviren, „logischen Bomben“, manipulierten Chips, die auf ein bestimmtes Signal hin ausfallen, so genanntes “Videomorphing“ (Verfälschen von Auftritten von Politikern etc.) und elektronischen Störsendern ergänzt.[viii]
Im Kriegsfall beginnen zusätzlich Attacken auf das C4I2-System[ix] des Gegners, z.B. durch den Einsatz von “High Energy Radio Frequency“(HERF)-Kanonen und nicht-nuklearen “Electro-Magnetic-Pulse“(EMP)-Waffen bis hin zur physischen Vernichtung der Informationsinfrastruktur.[x]
3.2. Akteure
Träger des Information Warfare sind zwar das Militär und die Geheimdienste, jedoch ist jeder, der über einen Computer und ein Modem verfügt, zumindest theoretisch in der Lage, großen Schaden zu verursachen. Das kann ein Vierzehnjähriger sein, der sich in den FBI-Computer hackte[xi] oder ein Angestellter eines britischen Atomkraftwerks, der versuchte, wichtige Daten seiner Firma zu löschen.[xii] Klassische Industriespione[xiii] sind ebenso beteiligt wie politische Aktivisten.[xiv]
4. Deutsche Institutionen
4.1. Allgemeines
Aufgrund der Rechtslage in der Bundesrepublik Deutschland gibt es mehrere Einrichtungen, die sich mit der Problematik des Informationskriegs beschäftigen müssen. Es hängt davon ab, wer der Angreifer bzw. das Opfer einer Attacke z.B. aus dem Internet ist. Die Aktion eines kriminellen Hackers innerhalb Deutschlands wäre Angelegenheit der Polizei oder des Bundeskriminalamtes. Websites von politischen Extremisten sind ebenso Angelegenheit des Verfassungsschutzes wie Spionageaktivitäten ausländischer Nachrichtendienste. Letztere fallen aber auch in den Bereich des Bundesnachrichtendienstes. Dieser wiederum führt eigene Erkundungen mit elektronischen Mitteln durch. Für die Abwehr elektronischer Angriffe auf die Bundeswehr ist diese selbst zuständig. Sie ist auch Träger des eigentlichen “Information Warfare“. Der Im- und Export sensibler Hard- und Software ist Angelegenheit des Zolls, der dem Bundesministerium der Finanzen untersteht, fällt aber auch in den Aufgabenbereich des Bundesministeriums für Wirtschaft und Technologie. Das Bundesamt für Sicherheit in der Informationstechnik (BSI) berät die deutsche Industrie. Eine Behörde, die sich mit allen Aspekten der Problematik befasst, existiert noch nicht. Es wäre denkbar, eine entsprechende Abteilung innerhalb des Bundessicherheitsrates aufzubauen, dem ja alle oben genannten Ministerien angehören.
4.2. Bundeswehr
Nach der im Jahr 2000 beschlossenen Reform wird die Bundeswehr neu strukturiert sein. Neben Heer, Luftwaffe, Marine und dem Zentralen Sanitätsdienst wird die Streitkräftebasis als neue Teilstreitkraft eingerichtet. Diese Streitkräftebasis integriert unter anderem die Einheiten, die im Bereich der Informationskriegführung eine wichtige Rolle spielen: Das Zentrum für Nachrichtenwesen, die Kräfte der Operativen Information (zuständig für elektronische und psychologische Operationen) sowie das Kommando Strategische Aufklärung [vermutlich Satellitenbildauswerter – M.R.].[xv]
5. Informationsoperationen auf dem Balkan
5.1. Bosnien-Herzogowina
Seit Beginn des Krieges in Jugoslawien wurden die Medien von fanatischen Nationalisten kontrolliert und instrumentalisiert.[xvi] Von Seiten der UN oder der NATO wurde nichts unternommen, deren Propaganda zu stören bzw. der Bevölkerung objektive Nachrichten zukommen zu lassen. Die Möglichkeit dazu bestand durchaus: So hätte man bestimmte jugoslawische Kommunikationsverbindungen mit dem Ausland unterbrechen können. Die in der Adria kreuzenden NATO-Marineeinheiten wären in der Lage gewesen, Nachrichten zu senden, eine weitere Idee war das Abwerfen von einigen tausend kleiner Radios, die auf die Frequenz eines Friedenssenders eingestellt gewesen wären.[xvii] Diese Option wurde ebenso wenig genutzt wie die Ausrüstung einheimischer Friedensaktivisten mit moderner Kommunikationstechnologie.[xviii] 1997 wurden schließlich drei EC-130E “Commando Solo“-Flugzeuge eingesetzt, die die regionalen Radioprogramme durch eigene Sendungen überlagerten.[xix]
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[i] Toffler, Alwin und Heidi Toffler: Überleben im 21. Jahrhundert, Stuttgart 1994, S. 86ff.
[ii] Toffler: Überleben, S. 52ff. u. 59ff.
[iii] Toffler: Überleben, S. 199ff.
[iv] eine Zusammenstellung v. Definitionen findet man bei: Döbeli, Beat: Beats Bibliotheksnetz: http://www.doebe.li/bibliothek/w00021/html 03.03.2001, 16.23 Uhr
[v] US Army Training and Doctrine Command: Field Manual 100-6 “Information Operations“: http://www.fas.org/irp/doddir/army/fm100-6/ 05.01.2001, 10.15 Uhr
[vi] ebd.
[vii] Drechsler: Informationsoperationen, S.132
[viii] Drechsler: Informationsoperationen, S. 133
[ix] C4I2 – Command, Control, Communications, Computers, Intelligence, Interoperability
[x] Drechsler: Informationsoperationen, S. 133
[xi] Giesecke, Wolfram: Anti-Hacker Report, Düsseldorf 2001, S. 58
[xii] Giese>
[xiii] Giese>
[xiv] Claßen, Elvi: Infopeace im Cyberspace? – In: Texte zur Sicherheitspolitik in der Informationsgesellschaft 1997-1999, FoG:IS Arbeitspapiere Nr. 1, S. 52, Download: http://www.fogis.de 03.03.2001, 14.12 Uhr
[xv] Bundesministerium der Verteidigung: Neuausrichtung der Bundeswehr, Berlin (?) 2000 (?), Broschüre ohne Seitenzahlen
[xvi] Toffler: Überleben, S. 332
[xvii] Toffler: Überleben, S. 333
[xviii] Toffler: Überleben, S. 335
[xix] Ruhmann, Ingo: Information Warfare an der Grenze? – In: Wissenschaft und Frieden, Bonn, 17 (September 1999) 3, S.25
- Citation du texte
- Michael Rieck (Auteur), 2001, Information Warfare, Munich, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/4822