Alfred Döblin als Journalist


Hausarbeit (Hauptseminar), 2005

19 Seiten, Note: 1,3


Leseprobe


Gliederung

1 Einleitung

2 „Für dich dies von mir, o Demokratie“ Döblin und die Politik

3 „Linke Poot geht euch mit gutem Beispiel voran“ Politischer Journalismus?

4 „Eine kurze Demaskierung“

Der deutsche Maskenball und eine Schlussbemerkung

1 Einleitung

Wer Döblin sagt, muss Alexanderplatz sagen. Dieses Berlin-Epos brachte dem Autor weltweite Anerkennung und durch die Verfilmung Fassbinders noch größere Popularität. Für seine zahlreichen weiteren Werke jedoch ist Döblin weit weniger bekannt, obwohl sie durch groß angelegte, bizarre Handlungsstränge und schriftstellerische Genialität begeistern.

Obwohl die Vielfältigkeit seiner Arbeit nur einem kleinen Leserkreis bewusst ist, ist der Autor Döblin zweifellos ein Begriff. Völlig in den Hintergrund gerückt ist dagegen sein über Jahrzehnte hinweg aktives Schaffen als Journalist.

Er publizierte regelmäßig in den verschiedensten Zeitungen Glossen und Feuilletons, kommentierte das politische Tagesgeschehen und veröffentlichte medizinische Aufsätze. Während der Emigrationszeit in Frankreich und den USA bezog Döblin engagiert Position und beurteilte aus der Ferne die Ereignisse in Deutschland; nach seiner Rückkehr in die Heimat gründete er die Zeitschrift „Das Goldene Tor“.

Nie wohlhabend, zeitweise sogar ein ärmliches Dasein fristend, stellte er den Glauben an die Erreichbarkeit der Menschen durch seine Arbeit und die Illusion von einer vollendeten Demokratie in Deutschland über die kärgliche finanzielle Entlohnung. „Ich bin schauderhaft abgerissen und es ist alles unerschwinglich, “ schrieb er im Juni 1920 an Albert Ehrenstein, mit der Bitte, ihm statt des Honorars einen Anzugstoff zu senden. „Es lohnt sich gar nicht für die pa[a]r Pfennige sich hinzusetzen“[1].

Wer Döblins scharfe, bissige Feuilletons und groß angelegte Satiren kennt, weiß: Es lohnte sich doch. Allerdings, wie so oft, mehr ideell als finanziell. Und trotzdem ist der Journalist Döblin schwer greifbar, sind seine journalistischen Arbeiten mal von einer bestechenden Klarheit, dann wieder von einer fast abwesenden Entrücktheit und Unspezifität. Voll des politischen Engagements und einer erstaunlichen Weitsicht, dann vor dem Hintergrund einschneidender politischer Ereignisse neutral und fast unbeteiligt.

Auch die politische Positionierung des Autors, der sich Zeit seines Lebens als überparteilich bezeichnete, ist mehr als schwierig. Er lässt sich keinesfalls eindeutig im Parteienspektrum seiner Zeit verorten.

Die Analyse der Sekundärliteratur ergibt ein paradoxes Bild: ein engagierter Schriftsteller sei Döblin gewesen, politisch sehr interessiert; und doch ein Individualist, der vorrangig seine eigenen Interessen vertrat, sich nie einer Partei oder politischen Gruppierung zugehörig fühlte. „Ja, Döblin sei kaum festzulegen, sein Standpunkt verschiebe sich ständig“[2].

Ein politischer Schriftsteller ohne festgelegten Standpunkt. Ein Journalist, der die publizistischen Gesetze von Kürze und Prägnanz ignorierte, der es dennoch immer schaffte, in seiner bilderreichen, phantasievoll-ausschweifenden Sprache konkret zu werden. Und ein trotz regelmäßiger Resignation immer wieder humorvoller Autor, dessen „privates Unglück ist, dass [er] immer statt Cervantes Cervelat [liest]“[3]. Das alles ist der Journalist Alfred Döblin.

Ihn zu mögen, fällt leicht. Ihm eine politische Zuordnung oder einen roten Faden nachzuweisen, bleibt ein schwieriges Vorhaben. Kaum scheinen sich Zusammenhänge zu ergeben, stößt man auf die nächste Veröffentlichung, die laut „Ja: aber“ sagt.

Döblin entzieht sich jeder Kategorisierung; er windet sich flink durch seine Zeit und bleibt schwer greifbar. „Ich- bin sehr schwankend. Das Tagewerk geht so hin, aber mein Skeptizismus wächst enorm, für alles, was ich tue. Geht wohl vielen in Deutschland so?“[4] fragt er sich am 25. Mai 1925.

Diese Arbeit will durch die Analyse seiner Publikationen- besonders zu Zeiten der Weimarer Republik- und Auszüge seines Briefwechsels eine Annäherung an den Journalisten und politischen Kommentator Alfred Döblin versuchen.

2 „Für dich dies von mir, o Demokratie“ Döblin und die Politik

„Für dich dies von mir, o Demokratie, dir zu dienen, ma femme, für dich, für dich rufe ich diese Lieder“[5], so zitiert Döblin Whitmann in seinem September 1919 erschienenen Aufsatz Die Drahtzieher. Damit beschreibt er sein größtes Anliegen und gleichzeitig die entscheidende Frage, die er sich immer wieder stellen musste: Welche Chancen hat Demokratie in Deutschland?

Um Alfred Döblin sinnvoll politisch einordnen zu können, muss man auf seine Verankerung im Expressionismus hinweisen. Die Verbindung mit jener Kunstrevolution bestimmt den Autor und sein politisches Handeln unverkennbar; „denn Expressionismus heißt Überschwang, Rausch, Pathos, Ideologie, naiver Glaube an eine Mission der Kunst und eine weltverändernde Macht der Phantasie“[6]. In diese Phantasiewelt scheint sich Döblin oftmals zurückzuziehen; dann, wenn er das aktuelle politische Tagesgeschehen in seinen Veröffentlichungen entweder ausblendet oder mit satirischen, eher abstrakten Bildern darauf reagiert.

Wie bereits einleitend gesagt, ist es äußerst schwierig, auf Basis der Sekundarliteratur einen übereinstimmenden Konsens zur Definition der politischen Stellung Döblins zu finden. Einmal wird die „geisterhafte Listigkeit eines Mannes, der seine Zeit durchschaut hatte[7] “ in den Vordergrund gestellt, dann wiederum sein Entwurf einer neuartigen Gesellschaftsform „utopisch und unpraktisch“[8] genannt.

Wie viele Intellektuelle seiner Zeit war Döblin eher ein Theoretiker als ein Vordenker politischer Sofortlösungen. Seine moralische Verantwortung als Schriftsteller nahm er durchaus ernst; doch blieb er oftmals in der Rolle eines Beobachters und Kommentators, der allenfalls Entwürfe einer möglichen Lösung andeuten konnte.

Ein Vergleich der politischen Artikel und Aufsätze verschiedener Datierung zeigt, welches Spektrum politischer Orientierungsmöglichkeiten Döblin durchlaufen hat.

So stößt man beim Lesen seiner Vorkriegsessayistik oftmals auf mit antibourgeoisen Affekten versetzte Bemerkungen. Zu dieser Zeit scheint der Autor seine künstlerische Energie hauptsächlich auf die Definition der für ihn bedeutenden ästhetischen Prinzipien konzentriert zu haben; erst der Ausbruch des ersten Weltkrieges erweckte sein politisches Bewusstsein.

Wie viele Intellektuelle seiner Zeit identifizierte er sich anfangs mit den Zielen deutscher Politik, wie etwa aus dem 1914 in der Neuen Rundschau publizierten Artikel Reims herauszulesen ist. Hier bekräftigte Döblin seine damalige Überzeugung, dass Deutschland unüberwindlich sei, und rechtfertigte die Beschießung der französischen Kathedrale. Erst die tatsächliche Realität, die der Lazarettarzt täglich vor Augen hatte, bewirkte eine radikale Politisierung und die Reflektion über Ursachen und Folgen des Krieges.

Die russische Revolution, mit der er die Hoffnung auf einen radikalen Neubeginn verband, wurde zum auslösenden Faktor für den Einstieg Döblins in die politische Publizistik.

Er bezeichnete sich als Sozialisten und sah sich tendenziell in der Zeit von 1919-21 eher dem radikalen Flügel der Partei zugehörig, aus der sich unter Karl Liebknecht und Rosa Luxemburg erst der Spartakusbund und später die kommunistische Partie entwickelte. „Es gibt nur eine Zukunftsmöglichkeit: Sozialismus!“[9] stellte Döblin 1728 fest. Allerdings führte ihn diese Überzeugung keineswegs zum Eintritt in eine der sozialistischen Parteien.

Seine individualistisch-unorthodoxe Idee des Sozialismus sah er eher als eine Utopie, die nicht in reeller Parteiarbeit durchzusetzen war. Auch stellte sich Döblin zwar immer wieder die Frage, auf welchem Wege die Massen zu erreichen seien, lehnte jedoch die potentielle Einflussnahme über parteiliche Gruppierungen grundsätzlich ab. Obwohl zu seiner Zeit von einem Schriftsteller nicht nur soziale, politische und sittliche Verantwortung, sondern eben auch praktische Parteiarbeit gefordert wurde, blieb er konsequent überparteilich.

Köpke weist richtig nach, dass „Wissen und Verändern die aussichtlose Lage der „heimatlosen Linken“ [ebenso wie] die unlösbare Aporie des geistigen Menschen [aufzeigt], der nicht Partei nehmen kann, ohne sich selbst aufzugeben, dem aber ohne Parteilichkeit der Boden unter den Füßen schwindet“[10].

[...]


[1] Döblin, Alfred: Ausgewählte Werke in Einzelbänden. Bd 13,2: Briefe. Olten: Walter-Verlag AG, 1970. S.114.

[2] Köpke, Wulf: Alfred Döblins Überparteilichkeit. In: Weimars Ende. Hrsg. von Thomas Koebner, 1982. S. 318.

[3] Döblin, Alfred: Der Knabe bläst ins Wunderhorn. Erstdr.: Die neue Rundschau, Juni 1920, Bd.1. In: A.D. AW Bd.14: Der deutsche Maskenball. Olten: Walter-Verlag, 1972. S.140.

[4] Döblin, Alfred: Ausgewählte Werke in Einzelbänden. Bd 13,2: Briefe. Olten: Walter-Verlag AG, 1970. S.126f.

[5] Döblin, Alfred: Die Drahtzieher. Erstdr.: Die neue Rundschau, September 1919, Bd.1. In: A.D. AW Bd.15. Olten: Walter-Verlag, 1972. S. 46.

[6] Muschg, Walter: Alfred Döblin heute. In: Edition Text + Kritik, Zeitschrift für Literatur. Heft 13/14. Hrsg. Heinz Ludwig Arnold. München: Richard Boorberg Verlag, 1972. S.1.

[7] Ebd. S.4.

[8] Köpke, Wulf: Alfred Döblins Überparteilichkeit. In: Weimars Ende. Hrsg. von Thomas Koebner, 1982. S.328.

[9] Wissen und Verändern ! In: A.D. Ausgewählte Werke in Einzelbänden. Bd.14: Der deutsche Maskenball. Olten: Walter-Verlag, 1972. S. 138.

[10] Köpke, Wulf: Alfred Döblins Überparteilichkeit. In: Weimars Ende. Hrsg. von Thomas Koebner, 1982. S.319.

Ende der Leseprobe aus 19 Seiten

Details

Titel
Alfred Döblin als Journalist
Hochschule
Freie Universität Berlin  (Deutsche Philologie)
Veranstaltung
Alfred Döblin
Note
1,3
Autor
Jahr
2005
Seiten
19
Katalognummer
V48303
ISBN (eBook)
9783638450492
ISBN (Buch)
9783640836819
Dateigröße
513 KB
Sprache
Deutsch
Anmerkungen
Eine hochinformative und bestens informierte Arbeit, die mit ihrem Gegenstand einiges an Witz gemeinsam hat.
Schlagworte
Alfred, Döblin, Journalist, Alfred, Döblin
Arbeit zitieren
Anna Brixa (Autor:in), 2005, Alfred Döblin als Journalist, München, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/48303

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