Einleitung
Die meiste Kritik an der nationalsozialistische Diktatur entstand aus gegebenem Anlass im Ausland. Exilierte Schriftsteller, Künstler und Intellektuelle konnten von dort das Geschehen im damaligen Deutschen Reich beobachten und kommentieren, ohne sich damit in Lebensgefahr zu begeben. Eine der Schwierigkeiten war jedoch, nicht nur im Ausland eine Stimme und damit Zuhörer zu haben, sondern die Kritik auch in die Heimat zurückzutragen, um dort zu wirken, wo Kritik angebracht war. Eine der besten Möglichkeiten war der Auslandsdienst der BBC, denn die professionelle Organisation, die weite Verbreitung des Volksempfängers und die einfache Möglichkeit der Publikation – in Relation zu Flugblätter, eingeschmuggelter Literatur usw. – garantierten zumindest eine gewisse Anzahl Zuhörer. Robert Lucas, geborener Ehrenzweig, emigrierte 1934 von Wien nach London; dort arbeitete er zunächst als Korrespondent der Neuen Freien Presse, Wien und wechselte 1938 zum Rundfunk. Seine Briefe des Gefreiten Adolf Hirnschal sind ein Stück satirischer Faschismuskritik, witzig, pointiert, scharfsinnig, schnell, oft verglichen mit Haseks Schwejk, an dessen literarische Qualität die Arbeit von Lucas jedoch nicht heranreicht. Man merkt den Briefen an, dass sie für das Radio produziert wurden, dass sie ein Bestandteil britischer Propaganda waren und auch ein Stück der täglichen Arbeit von Lucas. Die Sendung erfreute sich im Deutschen Reich vor allem gegen Ende des Krieges großer Beliebtheit. Im historischen Kontext kommt ihr eine Bedeutung zu, die in der folgenden Arbeit skizziert werden soll. Um dies zu bewerkstelligen, möchte ich zunächst einen Arbeitsbegriff für Satire im Nationalsozialismus formulieren. Was bedeutet Satire in dem speziellen historischen Kontext? Welche besonderen Voraussetzungen hatte Satire im Nationalsozialismus, mit welchen Schwierigkeiten war sie konfrontiert, welche Wirkung war intendiert und welche konnte sie unter den gegebenen Umständen tatsächlich erzielen?
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Inhaltsverzeichnis
- Einleitung
- Satire und Nationalsozialismus. Bemühung um einen Arbeitsbegriff
- Robert Lucas „Briefe des Gefreiten Hirnschal" – Analyse
Zielsetzung und Themenschwerpunkte
Die Seminararbeit untersucht die satirische Faschismuskritik in den „Briefen des Gefreiten Hirnschal" von Robert Lucas. Im Fokus steht dabei die Wirkung von Satire im nationalsozialistischen Kontext, wobei die besonderen Schwierigkeiten und Möglichkeiten dieser Form der Kritik im Verhältnis zur Propaganda des Regimes analysiert werden.
- Entwicklung eines Arbeitsbegriffs für Satire im Nationalsozialismus
- Analyse der satirischen Mittel und Angriffsziele in den Hirnschal-Briefen
- Die Rolle des Volksempfängers und der britischen Propaganda im Kontext der Briefe
- Bewertung der Möglichkeiten und Grenzen von Satire im Widerstand gegen die NS-Diktatur
- Die Bedeutung der Briefe für die deutsche Bevölkerung während des Krieges
Zusammenfassung der Kapitel
- Die Einleitung beleuchtet die Entstehung der Briefe im Kontext des Exils und der Schwierigkeiten, Kritik in die Heimat zu tragen. Sie stellt die Arbeit von Lucas im Vergleich zu Haseks Schwejk dar und kündigt die Analyse der Briefe im Kontext der NS-Propaganda an.
- Das Kapitel „Satire und Nationalsozialismus. Bemühung um einen Arbeitsbegriff" befasst sich mit den Herausforderungen der Definition von Satire im historischen Kontext. Es werden die konstitutiven Elemente der Satire, wie von Jürgen Brummack definiert, vorgestellt, und der spezifische Kontext der NS-Zeit beleuchtet.
- Das Kapitel „Robert Lucas „Briefe des Gefreiten Hirnschal" – Analyse" analysiert die Briefe in Bezug auf ihre satirischen Mittel und Angriffsziele. Dabei werden die Briefform als Propagandainstrument, die Wirkung des Volksempfängers und die Beziehung zur britischen Propaganda untersucht.
Schlüsselwörter
Satire, Nationalsozialismus, Robert Lucas, Briefe des Gefreiten Hirnschal, Volksempfänger, Propaganda, Exil, Widerstand, britische Propaganda, Faschismuskritik.
- Arbeit zitieren
- Miriam Kruppa (Autor:in), 2002, Satire und Nationalsozialismus - Die Briefe des Gefreiten Adolf Hirnschal an seine Frau Amalia, München, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/4833