An die Aufnahme von Enquete-Kommissionen (EK) in die Geschäftsordnung des Deutschen Bundestages (GO-BT) im Rahmen der kleinen Parlamentsreform 1969 waren viele Erwartungen geknüpft. Nicht weniger als ein neutrales Instrument der Informationsbeschaffung für die Legislative, die damit verbundene Stärkung der Kontrolle der Exekutive und die fraktionsübergreifende Nutzbarmachung externen
wissenschaftlichen Sachverstands sollten erreicht werden. HAMPEL sieht in ihnen sogar den Versuch, „ganz generell die wissenschaftlich angeleitete Kompetenz des Parlaments auszubauen, um nicht zuletzt über diesen Weg dem beobachteten Legitimitätsverfall des demokratischen repräsentativen Systems der BRD entgegenzuwirken.“ Die charakteristische gemischte Besetzung aus Sachverständigen und Parlamentariern sollte es ermöglichen, die wissenschaftliche, nach Wahrheit suchende Erkenntnislogik mit der nach Konsens suchenden, auf dem Mehrheitswillen basierenden Handlungslogik der Politik zu verbinden und darüber hinaus einen „ständige[n] Dialog [...] mit der (qualifizierten) Öffentlichkeit“ zu führen.
Die Unterschiede zum zweiten Typus des parlamentarischen Sonderausschusses im Deutschen Bundestag, den Untersuchungsausschüssen, sind die Enquete-Kommissionen (EKen) nicht auf die Vergangenheit, sondern in die Zukunft gerichtet. Nicht Skandale oder Fehlverhalten sollen aufgeklärt werden, im Gegenteil stehen sie vor der Aufgabe, zukünftige Entscheidungen des Bundestages über umfangreiche und bedeutende Sachkomplexe vorzubereiten. Nicht weniger also, als die konzeptionellen Grundlagen die den „Erkenntnis-, Interaktions- und Entscheidungsprozeß“ eines Politikfeldes strukturieren zu hinterfragen und dabei gegebenenfalls neu zu formulieren, wie es SCHULTZE/ ZINTERER umschreiben, soll durch die Enquete Kommissionen geleistet werden.
Gegenstand dieser Arbeit ist die Untersuchung der obigen Ansprüche und Erwartungen an Enquete Kommissionen und deren Möglichkeiten eine Umsetzung bzw. Erfüllung zu erfahren. Bevor jedoch die Erfolgschancen interner parlamentarischer Politikberatung durch EKen besprochen werden, diskutiert das erste Kapitel grundsätzliche Überlegungen zur Politikberatung in parlamentarischen Demokratien. Darauffolgend wird das Instrument der Sachenquete im Deutschen Bundestag vorgestellt. Hierbei wird dessen rechtliche Verankerung und Einberufung sowie die bisherige Zusammensetzung, Arbeitsweise und Selbstverständnis vorgestellt.
Inhaltsverzeichnis
- Einleitung
- (Interne) wissenschaftliche Politikberatung
- Politikberatungsmodelle
- Politische Einbindung der Beratung
- Enquete-Kommissionen des BT (Aufgaben des Sachausschusses EK)
- Verortung im politischen System der Bundesrepublik
- Rechtliche Verankerung und Mechanismen der Einberufung
- Mitglieder, Arbeitsweisen und Kompetenzen
- Möglichkeiten wissenschaftlicher Politikberatung in EKen des Deutschen Bundestags
- Einfluss auf die Gesetzgebung
- Wissenschaft vs. Politik, pragmat(ist)ische Politikberatung?
- Abstimmungsprinzipien innerhalb der Enquete Kommissionen
- Wirkungsweisen der Politikberatung durch Enquete Kommissionen
- Fazit
- Literatur
Zielsetzung und Themenschwerpunkte
Die Arbeit untersucht die Möglichkeiten und Herausforderungen wissenschaftlicher Politikberatung in Enquete-Kommissionen des Deutschen Bundestags. Ziel ist es, die Wirksamkeit dieses Instruments im Hinblick auf die Stärkung der parlamentarischen Kontrolle und die Nutzung von wissenschaftlichem Sachverstand zu beurteilen.
- Die Rolle von Enquete-Kommissionen in der deutschen Politik
- Die Beziehung zwischen Wissenschaft und Politik in der Politikberatung
- Die Herausforderungen der Einbindung wissenschaftlichen Sachverstands in politische Entscheidungsprozesse
- Der Einfluss von Enquete-Kommissionen auf die Gesetzgebung und die öffentliche Meinung
- Die Auswirkungen von Enquete-Kommissionen auf die Legitimität des parlamentarischen Systems
Zusammenfassung der Kapitel
Die Einleitung stellt die Entstehung und Entwicklung von Enquete-Kommissionen im Deutschen Bundestag vor und skizziert die Erwartungen, die an diese Form der Politikberatung geknüpft werden. Das erste Kapitel behandelt die allgemeine Thematik wissenschaftlicher Politikberatung in parlamentarischen Demokratien, indem es verschiedene Beratungsmodelle und die Herausforderungen der Einbindung von Sachverstand beleuchtet. Das zweite Kapitel geht näher auf die Enquete-Kommissionen selbst ein, wobei die rechtliche Verankerung, die Einberufungsmechanismen sowie die Zusammensetzung und Arbeitsweise dieser Gremien im Detail beleuchtet werden. Das dritte Kapitel setzt sich mit den Möglichkeiten wissenschaftlicher Politikberatung in Enquete-Kommissionen auseinander und analysiert deren Einfluss auf die Gesetzgebung, die Beziehung zwischen Wissenschaft und Politik sowie die Wirkungsweisen dieser Form der Beratung.
Schlüsselwörter
Wissenschaftliche Politikberatung, Enquete-Kommissionen, Deutscher Bundestag, Gesetzgebung, Sachverstand, Politik, Öffentlichkeit, Legitimität, parlamentarische Kontrolle, Politikberatung.
- Arbeit zitieren
- David Runschke (Autor:in), 2005, Wissenschaftliche Politikberatung in Enquete-Kommissionen des Deutschen Bundestages, München, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/48344