"Seit dem Zweiten Vatikanischen Konzil haben rund 100.000 Priester ihr Amt aufgegeben. Allein in Deutschland dürften es schätzungsweise 10000 sein. Offizielle Zahlen liegen nicht vor. Der Rückgang der Priesteramtskandidaten, bei erheblichem Zuwachs von Laientheologen und die erschreckende Zahl von Priestern, die ihre Laiisierung und Dispens vom Zölibat beantragt haben, hängen zweifellos mit der Zölibatsverpflichtung der katholischen Priester zusammen. Andererseits ist die Tatsache, dass durch die Abschaffung des priesterlichen Zölibats der katholischen Kirche etwas Unersetzliches verloren ginge, eine Mahnung zu sehr behutsamen Überlegungen.
"Die katholische Kirche soll also entweder den Zölibat aufgeben oder in Anbetracht der erschreckenden hohen Zahlen von Laisierungsgesuchen, eine wesentlich tragfähigere Grundlage für die Entscheidung zum Zölibat und für ein zeugnishaftes Leben schaffen." (Aussage von Weihbischof Josef Maria Reuß + 1985)
Diese Forderung scheint ungehört verhallt.
Mit der vorliegenden Publikation habe ich mich bemüht, den Wandel von der jesuanischen Freiwilligkeit ehelosen Lebens in die rechtliche Form des gesetzlich aufoktroyierten Zwangszölibates aufzuzeigen. Der historische Wandel zur kirchenrechtlichen Zementierung wird dargelegt.
Wenn die Liebe in ein Priesterleben 'einbricht', steht 'Mutter Kirche' nicht als Helferin bereit, sondern eine Schar von Psychologen und Psychotherapeuten. Anträge auf Laiisierung bleiben unbearbeitet liegen. Priester unter 40 Jahren haben durchweg keine Chance, 'erhört' zu werden.
Die katholische Kirche pflegt ihre Doppelmoral.
Priester, die sich aufrichtig zu ihren Frauen (und Kindern) bekennen, fliegen aus dem Amt. Jedoch der prominente Religionswissenschaftler und katholische Priester Raimon Panikkar durfte mit offizieller Genehmigung des Vatikans heiraten, ohne sein Priesteramt aufgeben zu müssen. Diese Logik verstehe, wer will.
Die empirischen Untersuchungen in meiner Arbeit zeigen verheerende Auswirkungen des zwangsverordneten Zölibates."
(Vgl. Bernd Marz in Antje Di Bella: Die Priesterkirche, das Zölibatsgesetz und Jesu Nachfolge- Eine Provokation-, Publik-Forum-Verlag, Oberursel, 1998, S. 4.)
Inhaltsverzeichnis
- Vorwort
- EINLEITUNG: Problemerhebung
- ERSTER TEIL: THEOLOGISCHER TEIL
- I. Darstellung der geschichtlichen, ideellen und theologischen Hintergründe des Zölibats, Darstellung und Hinterfragung des katholischen Kirchenrechts in bezug auf die Zölibatsgesetzgebung, Zusammenfassung und Analyse
- 1. Definition des Zölibats
- 2. Der Konzilstext
- 1. Theologische Analyse
- 3. Die Geschichte des Zölibats
- 3.1. Die Entstehung des Klerus
- 3.2. Das Mittelalter
- 3.3. Die Reformationszeit
- 3.4. Die Neuzeit
- 3.5. Die heutige Zeit
- 3.5.1. Die Spaltung zwischen Klerus und Laien
- 3.5.2. Die jüngsten Ereignisse in Pressemeldungen
- 4. Zölibat und Recht
- 4.1. Das katholische Kirchengesetz
- 4.2. Die wichtigsten für den Zölibat relevanten Gesetze des Codex Iuris Canonici von 1983
- 4.2.1. Das Konkubinat
- 4.2.2. Dispens
- 4.2.3. Unterhaltsanspruch
- 4.2.4. Nothilfe
- 4.3. Aspekte der Fortentwicklung bzw. der Veränderung
- 5. Theologische Analyse: Theorien kirchengeschichtlicher Hintergründe des katholischen Glaubensgefüges mit Folgerung auf den Zölibat
- 5.1. Vom Verständnis der Heiligkeit und Reinheit
- a) Kultische Reinheit
- b) Jesus und sein Standpunkt zur Reinheit
- c) Sakramental
- 5.2. Die kirchengeschichtlichen Hintergründe des früh- und altkatholischen Glaubensgefüges
- 5.3. Geschichtliche Zusammenfassung; abschließende theologische Erkenntnisse bzgl. des Priesteramtes und der möglichen Aufhebung des Pflichtzölibats
- a) Geschichtliche Zusammenfassung
- b) Abschließende theologische Erkenntnisse bzgl. des Priesteramtes und der möglichen Aufhebung des Pflichtzölibats
- II. Aktuelle Ansichten und theologische Erklärungen über den Zölibat
- 1. Glaube in unserer Zeit
- 1.1. Die heute am häufigsten angewandten Argumente gegen den Zölibat: Eine Gemeinde stellt Fragen
- 2. Die heute am häufigsten angewandten theologischen Argumente
- 2.1. Analyse der heutigen Argumente für den Zölibat
- a) Geschenk (Charisma) von Gott
- b) Apostolisches Wirken für das Reich Gottes
- c) Jungfräulichkeit und Maria
- d) Jungfräulichkeit und das engelsgleiche Leben
- III. Der Zölibat aus der Sicht anderer Wissenschaften
- 1. Zölibat und theologische Ethik
- 2. Der Zölibat in den Humanwissenschaften
- 2.1. Psychologie: Enthaltsamkeit in der Psychoanalyse
- 2.2. Psychologie: Der Zölibat und die Formen der Angst
- 2.2.1. Zölibat und Schizoidie
- a) Der Schizoide und die Liebe
- b) Lebensgeschichtlicher Hintergrund
- c) Zusammenfassung:
- 3. Der Zölibat in der Sozialwissenschaft
- 3.1. Sozialethik: Der Zölibat im Vergleich zur Gesellschaftsanalyse Erich Fromms: Haben oder Sein
- 3.2. Zölibat und soziale Umwelt
- ZWEITER TEIL: PROBLEMANALYTISCHER TEIL
- I. Problemdarstellung und Analyse bezüglich der Priester
- 1. Die Zölibatsproblematik unter folgenden Aspekten
- a) Motive zur Berufswahl und der Zwang zur Ehelosigkeit - Auszüge aus autobiographischen Berichten -
- b) Die Diskrepanz zwischen Ideal und Wirklichkeit in bezug auf Nähe und Distanz, Christsein und Gesetz
- 2. Einbruch der Liebe ins Priesterleben und die damit auftretenden Probleme
- 2.1. Schilderung des typischen Ablaufes einer Priesterliebe mit dem Schwerpunkt der Selbstfindung
- 2.2. Erlebnisbeschreibungen mit dem Schwerpunkt der Bedrängnis von außen
- 2.3. Erlebnisbeschreibung mit dem Schwerpunkt des Verbleibens im Amt und der damit verbundenen Konsequenzen
- 3. Zusammenfassung: Analyse der Problematik bzgl. der Priester
- II. Problemdarstellung und Analyse der mit Priestern liierten Frauen
- 1. Probleme und Einsichten
- 1.1. Der Zölibat, wie Frauen ihn erleben
- 1.2. Die Frauen
- 2. Darstellung der Beziehungen aus der Sicht der Frauen
- a) Stagnierte Beziehungen
- b) Heimliche Beziehungen
- c) Legitimierte Beziehungen
- d) Priesterkinder
- 3. Analyse der Problematik bezüglich des Ausscheidens aus dem Amt und deren Auswirkungen auf das Verhalten gegenüber Frauen und eigenen Kindern als Grunderkenntnis für die Folgen
- 1. Zur geistigen Schulung der Kleriker: neurotische Idealbildung
- 2. Schuldgefühle, Entstehung und Wirkung
- 3. Laisierungschancen bei Nachweis einer Triebanomalie
- 4. Zum objektiv etablierten System der sozialen Strafe
- 5. Statistik: Auszüge aus dem Forschungsbericht über die im Auftrag der Deutschen Bischofskonferenz durchgeführte Umfrage unter allen Welt- und Ordenspriestern in der Bundesrepublik Deutschland von 1973
- I. Sozialpädagogische Überlegungen, Darstellung der Hilfsinitiativen und deren Tätigkeiten und Ziele, Aufzeigen weiterer Möglichkeiten und Erstellung eines Konzeptes
- 1. Identitätsaufbau
- 1.1. Leben in gebrochener Identität
- 1.2. Die psychoanalytische Beratung
- 2. Darstellung der bereits vorhandenen Initiativen und deren Möglichkeiten und Ziele
- a) Die Initiative der "Vereinigung katholischer Priester und ihrer Frauen e. V."
- b) Die Initiativgruppe der vom Zölibat betroffenen Frauen
- 3. Aufzeigen von weiteren Hilfsmöglichkeiten
- Entwurf eines Projektes
- Beratungskonzept
- Tätigkeitsfelder
Zielsetzung und Themenschwerpunkte
Die vorliegende Diplomarbeit befasst sich mit dem Zölibat aus verschiedenen Perspektiven und analysiert dessen Folgen für Priester und Frauen. Ziel ist es, ein umfassendes Bild der Problematik zu zeichnen, die durch den Pflichtzölibat im katholischen Kontext entsteht.
- Historische Entwicklung und theologische Hintergründe des Zölibats
- Rechtliche Rahmenbedingungen des Zölibats und dessen Relevanz für das katholische Kirchenrecht
- Psychologische und sozialpädagogische Folgen des Zölibats für Priester und Frauen
- Analyse der Problematik aus Sicht verschiedener Disziplinen, wie Theologie, Psychologie und Sozialwissenschaften
- Entwicklung von Hilfsmöglichkeiten und Konzept für betroffene Menschen
Zusammenfassung der Kapitel
Der erste Teil der Arbeit beleuchtet die geschichtlichen, ideellen und theologischen Grundlagen des Zölibats. Er analysiert das katholische Kirchenrecht und seine Auswirkungen auf die Zölibatsgesetzgebung. Des Weiteren werden aktuelle Ansichten und theologische Erklärungen zum Zölibat aus verschiedenen Perspektiven beleuchtet.
Der zweite Teil der Arbeit befasst sich mit der Problematik des Zölibats für Priester und Frauen. Er analysiert die Herausforderungen, denen Priester im Umgang mit Liebe und Sexualität im Kontext des Zölibats begegnen. Weiterhin werden die Erfahrungen und Sichtweisen von Frauen, die mit Priestern liiert sind, beleuchtet. Der Teil schließt mit empirischen Forschungsergebnissen zur Thematik.
Der dritte Teil der Arbeit widmet sich den sozialpädagogischen Aspekten des Zölibats. Er analysiert den Identitätsaufbau von Priestern, die unter dem Zwang zur Ehelosigkeit leben, und stellt Hilfsinitiativen für betroffene Menschen vor. Des Weiteren werden weitere Hilfsmöglichkeiten und ein Konzept zur Unterstützung von Priestern und Frauen, die vom Zölibat betroffen sind, entwickelt.
Schlüsselwörter
Zölibat, katholische Kirche, Priester, Frauen, Theologie, Kirchenrecht, Psychoanalyse, Sozialpädagogik, Identitätsentwicklung, Hilfsinitiativen, Problematik, Folgen, Empirische Forschung, Dispens, Konkubinat, Heiligkeit, Reinheit, Geschenk Gottes, Charisma, Schuldgefühle, neurotische Idealbildung, soziale Strafe, Erich Fromm, Haben oder Sein.
- Arbeit zitieren
- Dipl.Soz.päd. Antje-Marianne Di Bella (Autor:in), 1995, Der Zölibat und seine Folgen. Problemanalyse und sozialpädagogische Überlegungen, München, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/48398