Zeugungstheorien im "Buch der Natur" von Konrad von Megenberg

Über seinen Artikel "von welhen sachen ain fraw swanger werde ains knäbleins"


Hausarbeit (Hauptseminar), 2019

21 Seiten, Note: 1,3


Leseprobe

Inhaltsverzeichnis

1. Einleitung

2. Konrad von Megenberg als Enzyklopädist
2.1. Das Buch der Natur
2.1.1. Frauenheilkunde im Buch der Natur

3. Paraphrasierung der Textoberfläche

4. Uterusmodelle
4.1. uterus ‚duplex’

5. Zeugungstheorien
5.1. Zweisamentheorie
5.2. Leistungsdualismus
5.3. Rechts-Links-Theorie
5.4. Heiß-Kalt-Theorie
5.5. Exkurs: Zeugungstheorien in ‚Von den Wundermenschen’

6. Fazit

7. Literaturverzeichnis

1. Einleitung

Konrad von Megenberg schuf mit dem „Buch der Natur“ laut Ruberg „das erste systematisierte deutschsprachige Kompendium des Wissens über die geschaffene Natur“.1 Konrads erster Herausgeber Franz Pfeiffer 1861 nannte es bewundernd „Die erste Naturgeschichte in deutscher Sprache“.2 Auf der Grundlage des Liber de natura rerum von Thomas Cantimpré 3 fungierte Konrad nicht nur als Übersetzer, er überarbeitete und erweiterte seine Vorlage auch noch. Die Inhalte seines Werkes sind auf eine breite Autorenschaft zurückzuführen. Somit tritt Konrad „als Traditor und ‚Herausgeber’ eines Nachschlagwerkes in Erscheinung“, dessen Inhalte nicht einzig auf ihn zurückzuführen sind.4

Diese Arbeit will sich nun mit einem embryologischen Themenkomplex auseinandersetzen, dem Konrad sich in seinem Werk widmet. Es wird sich im Folgenden mit den im Buch der Natur präsentierten Zeugungstheorien auseinandergesetzt. Dabei soll herausgearbeitet werden, welche Autoritäten und Theorien Konrad hauptsächlich referiert, welche Ergänzungen er vornahm und welche geschlechtsspezifischen Aspekte eine Rolle spielen. Das Hauptaugenmerk wird auf den Artikel von welhen sachen ain fraw swanger werde ains knäbleins gerichtet. Um zuallererst einen Einstieg in die gesamte Thematik zu bekommen, wird kurz Konrads Leben als Enzyklopädist skizziert, sowie ein Überblick zu dem Buch der Natur und dem Themenkomplex „Frauenheilkunde“ im Werk dargelegt. Im nächsten Schritt wird die Textoberfläche des zuvor genannten Artikels paraphrasiert, um erste Einblicke in die Themenschwerpunkte zu erlangen. Nachdem dieser Einstieg in die Thematik stattgefunden hat, kann sich mit den Zeugungstheorien auseinandergesetzt werden. Um ein besseres Vorstellungsvermögen für diese zu bekommen, wird zunächst dargelegt, wie zu Konrads Zeit die Vorstellung eines weiblichen Uterus aussah. Dabei liegt der Fokus auf dem Modell des „uterus duplex“, da Konrad sich auf dieses am ehesten bezieht. Daraufhin kann dann auf die Zeugungstheorien eingegangen werden, in die es eine kurze thematische Einführung geben wird, um dann explizit auf die einzelnen Theorien einzugehen. Konrad setzt sich in seinem Artikel als Erstes mit dem Samen auseinander, weshalb auch hier zunächst zwei verschiedene Theorien zu dem/den Samen dargelegt werden. Beginnend mit der „Zwei-Samen-Theorie“ Galens, welche sich jedoch in Konrads Text nicht eindeutig wiederfinden lässt, folgt die Darlegung des aristotelischen „Leistungsdualismus“, der viel Anlehnung in Konrads Text findet. Anschließend werden die Thesen der „Rechts-Links-Theorie“ und ihr Bezug zu Konrads Text erläutert. Die damit eng zusammenhängende „Heiß-Kalt-Theorie“ wird im nächsten Schritt in Bezug gesetzt. Die nun allesamt dargelegten Zeugungstheorien finden sich zu Teilen auch in einem weiteren Artikel Konrads, dem Von den Wundermenschen wieder. Daher wird diese Arbeit in Form eines Exkurses auch noch auf diesen Artikel eingehen und herausarbeiten, inwiefern sich die zuvor dargelegten Zeugungstheorien hierin wiederfinden und ob weitere interessante Ansätze hinsichtlich der „Zeugung“ in diesem Text enthalten sind. Am Ende meiner Arbeit werden die herausgearbeiteten Ergebnisse in einem Fazit zusammengefasst.

2. Konrad von Megenberg als Enzyklopädist

„Konrad von Megenberg hinterließ ein umfangreiches wissenschaftliches Oeuvre, dessen thematische Vielfalt seine umfassende Gelehrsamkeit erkennen läßt [sic!].“ 5 Der in Megenberg geborene Enzyklopädist entstammte zwar einer verarmten Ministerialenfamilie, doch sei er laut Johannes Hartlieb von klein auf sehr ehrgeizig gewesen.6 Konrads Eintrag im Verfasserlexikon ist zu entnehmen, dass seine Eltern ihn im Alter von sieben Jahren nach Erfurt zum Schulbesuch schickten, wo er sich seinen Lebensunterhalt selbst verdiente.7 Es folgte ein Studium der artes liberales 8 in Paris9, welches er mit dem Grad eines magister artium 10 abschloss. 11 Daraufhin lehrte Konrad einige Jahre an der Universität. 1348 siedelte er nach Regensburg über, wo er „eine außergewöhnlich rege literarische Tätigkeit“ entfaltete.12 Die Arbeit am ‚buch von den naturlichen dingen’, wie Konrad selbst es nannte, begann dort. Er erhielt außerdem das Amt des Dompfarrers, habe jedoch kurze Zeit später darauf verzichtet und bis zu seinem Tod 1374 als einfacher Domherr gelebt.13

2.1. Das Buch der Natur

In Konrads wohl wichtigster Hinterlassenschaft, dem Buch der Natur14, „wollte er [...] das Wissen über die von Gott geschaffene Natur in ihrer Seins (res)- und Sinn (significatio)- Dimension vermitteln“.15 Es stellt zunächst eine Übersetzung aus dem Lateinischen des „Liber de natura rerum“ dar, dem Grundbuch der Naturlehre im 14. Jahrhundert von Thomas von Cantimpré. Doch Konrad übersetze es nicht nur. Hartlieb betont, es sei Konrad wichtig gewesen, die lateinische Vorlage zusätzlich zur Übersetzung auch durch andere Quellen zu ergänzen sowie sachlich zu überarbeiten. Dabei bediente er sich zum Beispiel der „Etymologien“ des Isidor von Sevilla, der „Canon“ des Avicenna, das „Circa instans“, der „Physiologus“ und „De vegetabilius“ des Albertus Magnus.16 Des Weiteren wurden auch strukturelle Änderungen vorgenommen. Die Anzahl der Bücher ist von siebzehn auf acht gekürzt worden, sowie an anderen Stellen ergänzt wurde. 17 Saskia Wilhelmy macht deutlich, dass „Bücher“ hier im übertragenen Sinne zu verstehen sei, da es sich um ein Gesamtwerk, nicht mehrere Einzelbände handle18. „Am Ende des ‚BdN’ kann Konrad sagen, er habe die lat. Vorlage mêr dann daz drittail gemêrt und den sin erläucht (485, 34f.)“19. Geschrieben hat Konrad sein Werk für seine „ ga r guot freund“, es wird allerdings davon ausgegangen, er habe die Absicht gehabt, dass auch Geistliche sich daran für Predigen bereichern.20 Das Buch der Natur fand jedoch vor allem in Laienkreisen weite Verbreitung, da diese „damit enzyklopädisches Wissen, Wissen um die Schöpfung und die Geschöpfe Gottes, ihre Wirkkräfte und ihre Sinnbildhaftigkeit, das in dieser Fülle bislang nur dem lateinkundigen Gelehrten vorbehalten war“,21 erlangen konnten. Gerold Hayer hält das Buch der Natur mit den „80 Handschriften und Fragmenten, die bis in die Inkunabelzeit hinein geschrieben wurden“ für einen „Bestseller“ der volkssprachlichen spätmittelalterlichen Literatur.22 23 Nachdem Konrad sein Werk nach einigen Jahren erneut überarbeitete, entstand eine Gesamtdisposition, die dem „ordo- Gedanken“ untergeordnet ist. Die einzelnen Seinsbereiche sind also hierarchisch nach ihrer Seinsfülle geordnet.24 Nach den Büchern zu Gott, Engel und Seele folgt das des Menschen. Dabei wird dem capite ad calcem- Schema gefolgt25, das heißt, er strukturiert anatomisch von „oben“ nach„unten“, beginnend mit der hirnschal, endend mit den pantadern (BdN, S.4, S.36 ). Hier soll sich jedoch mit dem embryologischen Themenkomplex beschäftigt werden, auf den nun im Weiteren näher eingegangen wird.

2.1.1. Frauenheilkunde im Buch der Natur

Um den hier zu behandelnden Abschnitt des Buchs der Natur verstehen zu können, ist es wichtig, sich zunächst einen Überblick über Frauenheilkunde und Embryologie im Mittelalter sowie speziell in Konrads Werk zu verschaffen. Zunächst einmal ist festzuhalten, dass der Kenntnisstand der Frauenheilkunde im Mittelalter sich vor allem aus Überlieferungen der Antike und der arabischen Welt ergab.26 Thomas Bein erläutert den mittelalterlichen Stand der Frauenheilkunde wie folgt:

In der Gynäkologie ist die hippokratische Medizin ebenfalls noch nicht sehr weit entwickelt, was wohl damit zusammenhängt, daß [sic!] eine Untersuchung der weiblichen Geschlechtsteile nur Frauen, Hebammen gestattet ist. Immerhin waren bestimmte Kindslagen im Uterus bekannt, und verschiedene Frauenkrankheiten wurden durch Sitzbäder, Räucherungen und Vaginalzäpfchen behandelt.27

Die Gynäkologie war außerdem in zwei Bereiche gespalten: Den ersten bildeten Geschlechtsverkehr, Zeugung, Schwangerschaft und Geburt. Der zweite Bereich umfasste Anomalien des ersten, das heißt zum Beispiel Geschwüre an den Genitalien oder etwa Unfruchtbarkeit.28 Konrad von Megenberg beschäftigt sich umfassend mit dem ersten dieser Bereiche (Unterkapitel 45-48 des ersten Großkapitels) und widmet seine Aufmerksamkeit dabei speziell der Embryologie. Dabei strukturiert er in vier Texteinheiten, die logisch aufeinander aufbauen. Von den Anzeichen einer Schwangerschaft, über die Zeugung (speziell eines männlichen Nachkommens), den Anzeichen „ob ain fraw ains knäblein trage“, bis schließlich zum Akt der Geburt (vgl. BdN, S.38ff.) In dieser Hausarbeit wird das Augenmerk jedoch hauptsächlich auf den Artikel „ Vo n welhen sachen ain fraw swanger werde ains knäbleins“ (BdN, S.39f.) und die darin präsentierten Zeugungstheorien gerichtet.

3. Paraphrasierung der Textoberfläche

In „von welhen sachen ain fraw swanger werde ains knäbleins“ (BdN, S.39f.) gibt Konrad eine Theorie preis, wie es möglich sei, eine Frau gezielt mit einen Jungen zu schwängern. In Thomas Cantimprés lateinischer Vorlage gibt es einen solchen Artikel nicht, das heißt, Thomas hat diesen ergänzt und sich dabei auf andere Quellen gestützt. Dabei geht er zunächst auf den Samen des Mannes ein. Wenn dieser „haiz ist und daz sein vil ist“ (BdN, S.39), das heißt, wenn der Samen heiß ist und viel davon vorhanden ist, so sei das Potential des Mannes groß, einen ‚Knaben’ zu zeugen. Der Hauptteil des Artikels basiert hauptsächlich auf der so genannten ‚Rechts-Links-Theorie’ so wie der „Heiß-Kalt-Theorie“, auf die später noch im Detail eingegangen wird. Dabei wird der Seite der Hoden, sowie auch der Seite der Gebärmutter, in der der Samen des Mannes landet, eine große Bedeutung bezüglich des Geschlechts des Kindes zugeschrieben. Laut Konrad werde die Frau eines ‚Knaben’ schwanger, „wenn des mannes sâm nâch dem maisten tail kümpt aus dem rehten gezeuglein29 des mannes und genomen wirt in der muoter30 rehten seiten“ (BdN, S.39). Somit wird mit dem rechten Hoden des Mannes so wie der rechten Gebärmutterseite der Frau eine Schwangerschaft mit einem Jungen assoziiert. Konrads Begründung dazu führt auf seine erste These zurück, denn der Samen des rechten Hodens sei „hitziger“ (heißer) und „kreftiger“ (kräftiger) (BdN, S.39). Das „Linke“ (sowohl in der Gebärmutter, als auch die Seite der Hoden), was kälter und weniger ‚kräftig’ als das Rechte sei, wird somit mit dem Weiblichen assoziiert. Auf diese Annahmen hin rät Konrad, die Frau solle sich nach dem Geschlechtsakt auf die rechte Seite neigen, wenn sie sich einen Knaben wünsche.

Im Folgenden wird basierend auf den zuvor genannten Thesen bezüglich der Rolle der „Zwei-Seitigkeit“ sowie dem thermischen Aspekt herausgestellt, wie diese bei der Zeugung das Geschlecht des Kindes beeinflussen. Es werden vier mögliche „Ergebnisse“ im Hinblick auf die Kombination von „rechts“ und „links“ dargestellt. Dabei ordnet Konrad wiederholt den Samen aus dem rechten Hoden und die rechte Gebärmutterseite dem männlichen Kindesgeschlecht zu. Aus dem Samen aus dem „lenken gezeuglein“ des Mannes kombiniert mit der „lenken seiten der muoter“ werde hingegen ein Mädchen (BdN, S.39). Sollte der Samen jedoch aus dem linken Hoden in die rechte Gebärmutterseite springen, so werde laut Konrad ein ‚männliches Weib’ daraus. Entgegengesetzt werde dann ein weiblicher Mann aus dem Samen des rechten Hoden, der in die linke Gebärmutterseite springe (BdN, S.39). Als letzten wichtigen Einfluss, um einen Knaben zu zeugen, wird die Umwelt genannt. Genauer gesagt die Kälte „des luftes“, „des landes“ und „der wint“ (BdN, S.40). Durch die Kälte werde eine natürliche Hitze in den Körper getrieben, die es bei der Zeugung eines Knaben brauche (BdN, S.40). Sprachlich auffällig in diesem Artikel ist die Häufigkeit von kausal-erklärenden wenn-sô- Konstruktionen sowie außerdem Imperativwendungen, die thematisch vor allem rund um das „Männliche“ vermehrt auftreten.31

[...]


Ende der Leseprobe aus 21 Seiten

Details

Titel
Zeugungstheorien im "Buch der Natur" von Konrad von Megenberg
Untertitel
Über seinen Artikel "von welhen sachen ain fraw swanger werde ains knäbleins"
Hochschule
Rheinisch-Westfälische Technische Hochschule Aachen
Note
1,3
Autor
Jahr
2019
Seiten
21
Katalognummer
V484058
ISBN (eBook)
9783668968158
ISBN (Buch)
9783668968165
Sprache
Deutsch
Schlagworte
zeugungstheorien, buch, natur, konrad, megenberg, über, artikel
Arbeit zitieren
Sophie Vogt (Autor:in), 2019, Zeugungstheorien im "Buch der Natur" von Konrad von Megenberg, München, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/484058

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