1. Einleitung
Der Schienverkehr vor der Bahnreform war geprägt von verschlissener Infrastruktur, veraltetem rollenden Material und wenig Fahrgästen. Es schien als hätte der Schienenverkehr seine Daseinsberechtigung verloren. Eine grundlegende Umgestaltung des deutschen Eisenbahnwesens war notwendig.(1)
Die vorliegende Arbeit behandelt im ersten Teil die Entwicklung des deutschen Eisenbahnsektors von den Anfängen bis zur Bahnreform 1994. Es werden die Maßnahmen und Rahmenbedingungen dargestellt, welche den reformbedürftigen Zustand der Deutschen Bahn (DB) herbeiführten bzw. begünstigten. Die Reform der Bahn bildet den zweiten Schwerpunkt der Ausarbeitung. Im Fokus der Betrachtung stehen die Ziele der Reform, sowie das angewandte Stufenkonzept.
Inwieweit der Staat in den Wettbewerb mit regulativen Mitteln eingreifen soll, wird im nachfolgenden Abschnitt erörtert. Ausgehend von der Theorie des Marktversagens werden die Aspekte natürliches Monopol, externe Effekte, öffentliches Gut und ruinöser Wettbewerb für den Schienenverkehrssektor geprüft.
[...]
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1 Vgl. Gradjot(2002), S. 140.
Inhaltsverzeichnis
Abkürzungsverzeichnis
1. Einleitung
2. Die Entwicklungen des deutschen Bahnsektors vor der Bahnreform 1994
3. Die deutsche Bahnreform 1994/1999
3.1. Ziele der Bahnreform
3.2. Das Stufenkonzept der Bahnreform
4. Rahmenbedingungen vor der Bahnreform – Marktversagen ?
4.1. Natürliches Monopol
4.2. Externe Effekte
4.3. Eigenschaft der Verkehrsleistungen als öffentliche Güter
4.4. Tendenz zum ruinösen Wettbewerb
5. Trennung Fahrweg und Betrieb
5.1. Rechnerische Trennung
5.2. Organisatorische Trennung
5.3. Institutionelle Trennung
6. Eigentumsstruktur Eisenbahninfrastrukturunternehmen
6.1. Staatliche Bereitstellung
6.2. Private Bereitstellung
7. Schlussbemerkungen
Literaturverzeichnis
Eidesstattliche Erklärung
Abkürzungsverzeichnis
Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten
1. Einleitung
Der Schienverkehr vor der Bahnreform war geprägt von verschlissener Infrastruktur, veraltetem rollenden Material und wenig Fahrgästen. Es schien als hätte der Schienenverkehr seine Daseinsberechtigung verloren. Eine grundlegende Umgestaltung des deutschen Eisenbahnwesens war notwendig.[1]
Die vorliegende Arbeit behandelt im ersten Teil die Entwicklung des deutschen Eisenbahnsektors von den Anfängen bis zur Bahnreform 1994. Es werden die Maßnahmen und Rahmenbedingungen dargestellt, welche den reformbedürftigen Zustand der Deutschen Bahn (DB) herbeiführten bzw. begünstigten. Die Reform der Bahn bildet den zweiten Schwerpunkt der Ausarbeitung. Im Fokus der Betrachtung stehen die Ziele der Reform, sowie das angewandte Stufenkonzept.
Inwieweit der Staat in den Wettbewerb mit regulativen Mitteln eingreifen soll, wird im nachfolgenden Abschnitt erörtert. Ausgehend von der Theorie des Marktversagens werden die Aspekte natürliches Monopol, externe Effekte, öffentliches Gut und ruinöser Wettbewerb für den Schienenverkehrssektor geprüft.
Die Möglichkeiten der Trennung von Fahrweg und Betrieb, ausgelöst u.a. durch die EG –Richtlinie Nr. 91/440/EWG[2] werden im Punkt fünf behandelt. Der Verfasser diskutiert Möglichkeiten und Grenzen der einzelnen Modelle.
Die Bereitstellung der Schieneninfrastruktur, am Bespiel eines privaten und eines staatlichen Eisenbahninfrastrukturanbieters, wird abschließend betrachtet.
Mit einer Zusammenfassung der gewonnenen Erkenntnisse schließt die vorliegende Seminararbeit.
2. Die Entwicklungen des deutschen Bahnsektors vor der Bahnreform 1994
Durch den Zusammenschluss der Ländereisenbahnen entstand am 1. April 1920 die deutsche Reichsbahn. Aufgrund der fast monopolartigen Stellung der Eisenbahn handelte es sich größtenteils um hoch rentable Unternehmen. Die gewählte Organisationsform war die einer staatlichen Behörde. In der Gründungszeit entfielen rund 70 Prozent des Güterverkehrsmarktes auf den Eisenbahnsektor. Der in den dreißiger Jahren einsetzende Güterverkehr lies durch seine größere Flexibilität und Kundenorientierung den Wettbewerbsanteil der Eisenbahn schrumpfen.[3]
Im Jahre 1949 wurde die Deutsche Bundesbahn gegründet. Diese wurde nach § 87 Grundgesetz alte Verfassung in bundeseigner Verwaltung mit eigenem Verwaltungsunterbau geführt und besaß einen dreistufigen, behördlichen Aufbau. Der Ursprung der strukturellen finanziellen Abhängigkeit vom Eigentümer Bund, lag in der zu geringen Eigenkapitalausstattung des Unternehmens, vor dem Hintergrund der ausstehenden Reparatur der Kriegsschäden. Die DB war von Anfang an gezwungen mit Fremdkapital zu wirtschaften, was eine Initialschuldenlast bedeutete. Auch das 1951 erlassene Bundesbahngesetz (BbG) hatte keine Neuorganisation der DB hin zu einem neutralen Bahnunternehmen mit größeren unternehmerischen Freiheiten zur Folge.[4] Das durch den Gesetzgeber geforderte gemeinwirtschaftliche Unternehmensziel „beste Verkehrsbedienung“ (§ 18 BbG) stand der Unternehmensführung nach wirtschaftlichen Grundsätzen (§28 (1) BbG) entgegen, welches zur Folge hatte, dass die DB im härter werdenden Wettbewerbsumfeld wenig entgegenzusetzen hatte.[5] Die Reformbemühungen in den folgenden Jahrzehnten, wie z.B. kleine Verkehrsreform 1961, die zweite Novelle des Bundesbahngesetzes vermochten nichts an dieser Situation zu ändern. Der Einfluss der Politik auf die DB war teilweise so stark, so dass die Bundesbahn für regional-, sozial- und konjunkturpolitische Ziele instrumentalisiert wurde.[6]
Eine Folge dieser Unternehmenspolitik waren sinkende Marktanteile der Bahn. In den Jahren 1960-1992 ging der DB Güterverkehr von 44 % auf 22 % des gesamten Güterverkehrsaufkommen zurück. Im Bereich des Personenverkehrs musste ein Rückgang von 16 % auf 7 % verzeichnet werden. Dies ist umso kritischer zu betrachten, da sich im gleichen Zeitraum das Güterverkehrsaufkommen mehr als verdoppelte und der Personenverkehr sich fast verdreifachte.[7]
Seit der Gründung der DB musste regelmäßig ein Verlust ausgewiesen werden, obwohl der Bund als Abgeltung der gemeinwirtschaftlichen Verpflichtungen (z.B. Schienenpersonennahverkehr, Sozialtarife) Zuschüsse von zuletzt 13 Mrd. DM jährlich zahlte.[8] Der Schuldenberg der Bahn wuchs bis zum Jahre 1994 auf ca. 34 Mrd. €. Eine Prognose des Bundesministeriums für Verkehr ergab ein vorrausichtliches Anwachsen der Schulden bis zum Jahr 2003 auf 195 Mrd. €.[9]
Zusammenfassend lässt sich feststellen, dass die dargestellte negative Entwicklung der Bahn auf endogene und exogene Ursachen zurückführen ist. Einerseits haben sich die Rahmenbedingungen im Verkehrssektors verschärft. Durch die Änderung der zu transportierenden Güterstruktur, der Anteil der Rohstoffe und landwirtschaftlichen Massengüter sinkt zu Gunsten hochwertiger Halb- und Fertigfabrikaten, und den sich ändernden Bedürfnissen der Industrie weg von isolierten Transportleistungen hin zu logistischen Dienstleistungspaketen konnte die DB ihre Stellung im Güterverkehrssektor nicht behaupten.[10] In der Literatur wird hier von dem Güterstruktur- und Logistikeffekt gesprochen.[11]
Der Einbruch des Marktanteils im Personenverkehr kann durch die mangelnde Anpassung der DB an die wachsenden Bedürfnisse der Kunden erklärt werden. Flexibilität des Fahrzeugeinsatzes, Schnelligkeit sowie wachsende Ansprüche an den Fahrkomfort wurden immer wichtiger um im Wettbewerb bestehen zu können. Der Ausbau der Nah- und Fernstraßen führte ebenfalls zu einer Schwächung des deutschen Bahnsektors.[12]
Ein Grund für die nicht erfolgten notwendigen marktlichen Anpassungen liegen im institutionellen Rahmen der DB.[13] Die bereits erwähnten gemeinwirtschaftlichen Ziele ließen keine Marktorientierung zu. Zudem wurde der Handlungsspielraum der Unternehmensführung durch politische und lobbyistische Einflussnahme sehr begrenzt. Als Konsequenz des öffentlichen Dienstrechts und des behördlichen Aufbaus war die Motivation zum wirtschaftlichen Arbeiten durch die Mitarbeiter eher gering ausgeprägt. Abschließend zeigt sich, dass die nichterfolgte Anpassung des institutionellen Rahmens an den sich wandelnden Verkehrssektor das Hauptproblem der DB war.[14]
3. Die deutsche Bahnreform 1994/1999
3.1. Ziele der Bahnreform
Mit der Bahnstrukturreform in Deutschland wurde aus gesamtwirtschaftlicher und bahnspezifischer Sicht ein notwendiger Schritt zur Existenzsicherung und Steigerung der Wettbewerbsfähigkeit der Eisenbahn gemacht.[15] Die wichtigsten Elemente, der am 01.01.1994 formell durch das Gesetz zur Neuordnung des Eisenbahnwesens (EneuOG) in Kraft getretenen Bahnreform sind die institutionelle Umstrukturierung, die Entschuldung und die Privatisierung der DB. Auch im Kontext der europäischen Öffnung der Verkehrsmärkte musste die Bahn wettbewerbsfähiger werden. Des Weiteren lag der Fokus der Reform in der Einführung von Wettbewerbselementen in die vormals monopolitische Organisation des Bahnsektors.[16] Die Öffnung des DB-Netzes für andere Eisenbahnunternehmen bei diskriminierungsfreien Bedingungen sei hier exemplarisch genannt.[17]
Die Schwerpunkte des Reformbedarfs, aus politischer Sicht lassen sich in verkehrspolitische, umweltpolitische und finanzpolitische Zielen gliedern. Die Bundesrepublik Deutschland wird mit zunehmender Europäisierung Verkehrsdrehscheibe im Gemeinsamen Europa. Durch die Bahnreform soll die Bahn bereit sein ihren Beitrag zu einer integrierten europäischen Verkehrspolitik leisten zu können. Mit zunehmender wirtschaftlicher Anbindung Osteuropas ist mit einem wachsenden Verkehrsaufkommen zu rechnen. Die erneuerte Bahn besitzt hier ein großes Wachstumspotential. Im Bereich der Umweltpolitik soll durch die Maßnahmen der Reform einen steigender Marktanteil der Bahnunternehmen am gesamtem Verkehrssektor erreicht werden, was eine Reduzierung der Kohlendioxid-Emission zur Folge hätte. Die finanzpolitischen Ziele liegen in der mittel- und langfristigen finanziellen Entlastung des Haushalts und der Lösung des Schuldenproblems.[18]
3.2. Das Stufenkonzept der Bahnreform
Die Bahnreform basiert auf einer dreistufigen Umstrukturierung des deutschen Bahnwesens. Das Basis der neuen Bahn wurde in der ersten Stufe der Reform geschaffen, in den zwei weiteren Stufen wurde der Sektor Bahn weitergehend modifiziert.[19]
Stufe 1 der Bahnreform (1994)
In einem ersten Schritt wurden die Deutsche Bahn und die Deutsche Reichsbahn zu einem Bundeseisenbahnsondervermögen zusammengefasst. Danach wurde eine organisatorische und rechtliche Neuordnung vorgenommen. Es erfolgte eine Aufteilung in einen unternehmerischen Bereich und einen hoheitlichen Verwaltungsteil mit getrennter Wirtschafts- und Rechnungsführung.[20] Es entstanden die Institutionen Deutsche Bahn AG, Eisenbahnbundesamt EBA und das Bundeseisenbahnvermögen BEV. Die DB wurde finanziell entlastet. Die aufgelaufenen „Alt“ –Schulden von ca. 66 Mrd. DM wurden vom Bund übernommen. Als zweite Maßnahme wurde eine Abwertung des Anlagevermögens vorgenommen. Die Sachanlagen sanken von ca. 98 Mrd. DM auf knapp 25 Mrd. DM, damit verbesserte sich das Jahresergebnis signifikant, da nun weniger Abschreibungen vorgenommen werden mussten. Des Weiteren verpflichtete sich der Bund die Kosten, welche durch die Altlasten der Deutschen Reichsbahn auf die DB entfielen, zu übernehmen.[21]
[...]
[1] Vgl. Gradjot(2002), S. 140.
[2] Vgl.Eckey/Stock (2000), S. 353.
[3] Vgl. o.V.: „Die Bahnreform - Die Vorgeschichte“, elektronisch veröffentlicht unter der URL: http://www.bmvbw.de/Verkehr/schiene-,1462/Bahnreform.htm, Datum der Recherche: 05.09.05.
[4] Vgl. Munzert (2001), S. 12.
[5] Vgl. o.V.: „Die Bahnreform - Die Vorgeschichte“, elektronisch veröffentlicht unter der URL: http://www.bmvbw.de/Verkehr/schiene-,1462/Bahnreform.htm, Datum der Recherche: 05.09.05.
[6] Vgl. Munzert (2001),S. 13f.
[7] Vgl. Forschungsinstitut der Friedrich-Ebert-Stiftung (1993), S. 5.
[8] Vgl. Munzert (2001), S.15f.
[9] Vgl. o.V.: „Die Bahnreform - Die Vorgeschichte“, elektronisch veröffentlicht unter der URL: http://www.bmvbw.de/Verkehr/schiene-,1462/Bahnreform.htm, Datum der Recherche: 05.09.05.
[10] Vgl. Burmeister (2001), S. 25.
[11] Vgl. Burmeister (2001) S.25; Munzert(2001) S. 16.
[12] Vgl. Burmeister (2001), S. 26.
[13] Vgl. Schneider (1996), S. 35.
[14] Vgl. Munzert (2001) S. 17.
[15] Vgl. Aberle/Brenner (1996), S. 5.
[16] Vgl. Berndt/Kunz (2003), S. 166.
[17] Vgl. o.V.: Task Force „Zukubft der Schiene“ legt Abschlussbericht vor, elektronisch veröffentlicht unter der URL: http://www.bmvbw.de/artikel,-6535/Task-Force-Zukunft-der-Schiene.htm, Datum der Recherche: 15.09.05.
[18] Vgl. Forschungsinstitut der Friedrich-Ebert-Stiftung (1993), S. 7f.
[19] Vgl. Munzert (2001), S. 19.
[20] Vgl. Aberle/Brenner (1996), S. 6.
[21] Vgl. Munzert(2001), S. 24.
- Quote paper
- Andreas Ginter (Author), 2005, Die deutsche Bahnreform: Spartentrennung und Privatisierungsmöglichkeiten, Munich, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/48632
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