Das Phänomen der Selbstmordattentate hat seit dem 11. September 2001 eine neue Dimension erlangt. Durch den Anschlag auf das World Trade Center, bei dem Tausende von Unschuldigen ums Leben kamen, kann man von einer neuen Eskalationsstufe des Terrorismus auf internationaler Ebene sprechen. Journalisten, Politiker und Psychologen zeichnen seither das Bild:
„Selbstmordattentäter seien Fanatiker, Verrückte. Sie glaubten daran, hieß es, himmelwärts ins Paradies zu fahren, denn dort warteten in der Vorstellung dieser Fanatiker bereits 72 Jungfrauen.“
Dabei wird den Ursachen, wie es dazu kommen kann, dass Menschen ihrem eigenen Leben so wenig Wert beimessen, dass sie es nur noch als Waffe benutzen wollen, nur wenig Beachtung geschenkt. Nur allzu gern beschränkt man sich mit den Erklärungen, dass Versprechungen wie etwa der Aufstieg ins Paradies, in dem 72 Jungfrauen auf den Märtyrer warten, sowie die Möglichkeit bei ´Allah´ Fürsprache für 72 seiner engsten Freunde und Verwandten halten zu dürfen, ausreichen um die Motivation zur Selbstopferung zu schaffen. Den Grund hierfür fasst m.E. Christoph Reuter treffend zusammen, wenn er anmerkt, dass:
„ (...) es in jeder Zeitungsgeschichte hübsch klingt, dass wieder so ein 17-, 18-jähriger, zweifellos sexuell frustrierter Palästinenser ohne Freundin daran geglaubt habe, mit einem Knopfdruck das Elend mit der Orgie vertauschen zu können.“ Gern wird übersehen, dass eine der ersten Nationen, die mit Selbstmordattentaten operierte, Japan war. Dabei konnten sich die Kamikazeflieger im Zweiten Weltkrieg weder auf das Paradies und die dort angeblich wartenden 72 Jungfrauen berufen, noch existiert in der japanischen Kultur der Begriff des ´Heiligen Krieges´. Dennoch gibt es interessante Parallelen zu den Suizidanschlägen im Nahen Osten.
Inhaltsverzeichnis
- Einleitung
- Der ökonomische Ansatz
- WURZELN UND VARIANTEN DES ÖKONOMISCHEN VERHALTENSMODELLS
- DAS KONZEPT DER HAUSHALTSPRODUKTIONSFUNKTIONEN NACH GARY S. BECKER
- DAS KLASSISCHE MODELL DES HOMO OECONOMICUS
- Das Individuum als Analyseeinheit
- Anreize als Determinanten menschlichen Verhaltens
- Präferenzen und Restriktionen
- Individuen verhalten sich eigennützig
- Der mögliche Handlungsraum wird determiniert durch Einschränkungen
- RATIONALITÄT
- KOSTEN-NUTZEN-ANALYSE
- ENTSCHEIDUNG
- REGELN
- Der soziologische Ansatz
- WURZELN UND VARIANTEN DES RATIONAL-CHOICE-ANSATZES IN DER SOZIOLOGIE
- DAS SOZIOLOGISCHE MODELL NACH HARTMUT ESSER
- Die Logik der Situation
- Die Logik der Selektion
- Die Logik der Aggregation
- Die Definition der Situation
- Das SRSM-, OSAM- und SSSM-Modell und die Modellierung sozialer Prozesse
- ENTSCHEIDUNGSTHEORIEN BZW. SELEKTIONSREGELN
- Die Prospekttheorie
- Rahmung/Framing
- DAS KONZEPT DER SOZIALEN PRODUKTIONSFUNKTIONEN
- Das Problem der abnehmenden Abstraktion
- Kriterien und Regeln der Modellierung sozialer Prozesse
- Das RREEMM-Modell nach Siegwart Lindenberg
- Die Theorie des subjektiv erwarteten Nutzens (SEU-Theorie bzw. Wert-Erwartungs-Theorie)
- Die Einstellungstheorie
- Zusammenfassender Vergleich der beiden Ansätze
- RATIONAL CHOICE-THEORIEN
- ÖKONOMISCHER ANSATZ
- SOZIOLOGISCHER ANSATZ
- BEGRÜNDUNG FÜR DIE AUSWAHL DES MODELLS AUF ANALYSEEBENE
- PROBLEME UND ERWEITERUNGEN DER BEIDEN MODELLE
- RATIONALITÄT UND ENTSCHEIDUNG
- Unvollständige Rationalität
- Begrenzte Rationalität
- Die Theorie der Anspruchsanpassung
- Kritische Würdigung der Konzeptionen von unvollständiger und begrenzter Rationalität
- DIE THEORIE ÖFFENTLICHER GÜTER, TrittbrettFAHRERPROBLEMATIK (FREE-RIDER-DILEMMA)
- ALTRUISMUS
- DAS PROBLEM DER VERSUNKENEN KOSTEN
- ENTSCHEIDUNGEN IN LOW-COST BZW. HIGH-COST SITUATIONEN
- Selbstmordterrorismus als strategische Entscheidung
- ZUM BEGRIFF DES SELBSTMORDTERRORISMUS
- Eine Definition von Terrorismus
- Terrorismus als strategische Entscheidung
- Die Definition von Selbstmordterrorismus
- Selbstmordterrorismus als strategische Entscheidung
- Charakteristika von Selbstmordterrorismus
- Terroristische Vereinigungen die mit Selbstmord-attentaten operieren
- Anschläge durch Selbstmordattentäter
- Zur Geschichte des Selbstmordterrorismus
- Profile von Selbstmordattentätern
- Demographische Variablen
- Alter
- Familienstand
- Sozio-ökonomische Faktoren
- Sonstige relevante Faktoren
- Group
- Nationality
- Motivation
- Period
- Persönliche und psychopathologische Faktoren
- Ergebnisse
- Indoktrination
- Gruppenverpflichtung
- Persönliche Verpflichtung
- Öffentliche Unterstützung für Selbstmordattentate
- Anwendung des theoretischen Modells auf Selbstmordterrorismus als rationale Entscheidung
- Vorbemerkungen
- Vorgehensweise
- Soziale Situation 1
- Kulturelle Wurzeln
- Soziale, politische und ökonomische Ursachen
- Religiöser Extremismus
- Ergebnisse Soziale Situation 1
- Alternativen
- Kosten
- Nutzen
- Anwendung der Selektionsregel
- Tiefenerklärungen
- Psychologische Faktoren
- Soziale Situation 2
- Ergebnisse der Kosten-Nutzen-Abwägung
- Variablen
- Hypothesen
Zielsetzung und Themenschwerpunkte
Die Arbeit befasst sich mit dem Phänomen des Selbstmordterrorismus und untersucht dieses aus der Perspektive der Theorie der rationalen Wahl. Ziel ist es, die sozialen Zusammenhänge und Prozesse zu erklären, die zu Selbstmordattentaten führen.
- Die Anwendung der rationalen Wahl-Theorie zur Erklärung von Selbstmordterrorismus
- Die Unterschiede und Gemeinsamkeiten des ökonomischen und soziologischen Ansatzes der rationalen Wahl
- Die Analyse der Kosten und Nutzen von Selbstmordattentaten
- Die Bedeutung von kulturellen und sozialen Faktoren bei der Motivation von Selbstmordattentätern
- Die Rolle von Religion und Ideologie im Kontext des Selbstmordterrorismus
Zusammenfassung der Kapitel
Die Arbeit beginnt mit einer Einführung, die die Problematik des Selbstmordterrorismus im Kontext der Ereignisse des 11. September 2001 einordnet. Kapitel 2 beleuchtet den ökonomischen Ansatz der rationalen Wahl, wobei die Wurzeln des Modells, das Konzept der Haushaltsproduktionsfunktionen nach Gary Becker und das klassische Modell des Homo Oeconomicus im Detail analysiert werden. Kapitel 3 fokussiert auf den soziologischen Ansatz der rationalen Wahl und stellt das Modell nach Hartmut Esser vor, welches die Logik der Situation, der Selektion und der Aggregation erklärt.
Kapitel 4 bietet einen zusammenfassenden Vergleich der beiden Ansätze und geht auf Probleme und Erweiterungen der Modelle ein. Neben der Diskussion der Rationalität und Entscheidung werden Aspekte wie die Theorie der Anspruchsanpassung, die Theorie öffentlicher Güter und Altruismus beleuchtet.
Kapitel 5 widmet sich dem Selbstmordterrorismus als strategische Entscheidung, wobei der Begriff des Selbstmordterrorismus definiert und die Charakteristika dieses Phänomens, sowie historische Beispiele und Profile von Selbstmordattentätern untersucht werden.
Kapitel 6 wendet das theoretische Modell der rationalen Wahl auf Selbstmordterrorismus an und analysiert die Entscheidung für ein Attentat mithilfe einer Kosten-Nutzen-Abwägung, wobei verschiedene soziale Situationen betrachtet werden.
Die Arbeit schließt mit einem Ausblick, der weitere Forschungsbedarfe und Perspektiven in Bezug auf den Selbstmordterrorismus aufzeigt.
Schlüsselwörter
Die Arbeit konzentriert sich auf die Analyse des Selbstmordterrorismus unter Anwendung der Theorie der rationalen Wahl. Wichtige Begriffe und Konzepte sind Rationalität, Kosten-Nutzen-Abwägung, Entscheidung, Anreize, Präferenzen, Restriktionen, soziale Situation, kulturelle Faktoren, Religion, Ideologie, strategische Entscheidung, Terrorismus, Selbstmordattentäter, und die Modellierung sozialer Prozesse.
- Quote paper
- Simon Zabel (Author), 2004, Der (Ir)Rationale Terrorismus. Selbstmordattentate aus ökonomischer und soziologischer Perspektive der Rational-Choice-Theorie, Munich, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/48735