Rating-Agenturen und die globale Finanzmarktkrise. Sind die internationalen Regulierungen der letzten 10 Jahre tatsächlich wirksam?


Fachbuch, 2019

84 Seiten


Leseprobe


Inhaltsverzeichnis

Abkürzungsverzeichnis

Abbildungsverzeichnis

Tabellenverzeichnis

1 Einführung
1.1 Problemstellung
1.2 Gang der Untersuchung

2 Begriffliche und theoretische Grundlagen
2.1 Bedeutung von Rating-Agenturen auf Finanzmärkten
2.2 Rating-Agenturen vor dem Hintergrund der Finanzmarkt- und EU-Staatsschuldenkrise
2.3 Relevante rechtliche Rahmenbedingungen

3 Sind die internationalen Regulierungsanstrengungen der letztenJahre zu Rating-Agenturen tatsächlich wirksam?
3.1 Untersuchungsperspektiven und Beurteilungskriterien
3.2 Vorsitzender der Europäischen Wertpapier- und Marktaufsichtsbehörde, der die umgesetzten Maßnahmen und Verfahren für zielführend erachtet, da sie auf eine Identifikation der schädlichsten Risiken ausgerichtet sind
3.3 Präsident des Europäischen Rechnungshofes, der den EU-Regulierungsansatz grundsätzlich zwar befürwortet, dessen Wirtschaftlichkeit jedoch wegen Umsetzungsschwierigkeiten seitens der ESMA kritisch hinterfragt
3.4 Geschäftsführer einer in der EU registrierten Rating-Agentur, der die Vorgaben im Unternehmen zwar als adäquat umgesetzt betrachtet, aufgrund des hohen Implementierungskostenaufwands jedoch vor Wettbewerbsverzerrungen warnt
3.5 Finanzvorstand einer deutschen Landesbank in Hinblick auf Regulierungsaspekte zur Bewertung strukturierter Finanzprodukte und der Abgabe nicht-risikoadäquater Ratings
3.6 Generalsekretär einer Nichtregierungsorganisation, der Anlegerschutzaspekte kritisch beleuchtet und für die Angabe konkreter Ausfallwahrscheinlichkeiten innerhalb der Ratingurteile plädiert
3.7 Diskussion konfligierender und harmonisierender Interessenlagen

4 Schlussbetrachtung

5 Anhang

6 Literaturverzeichnis

Abkürzungsverzeichnis

Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten

Abbildungsverzeichnis

Abbildung 1: Jährliches Risikobewertungsverfahren der ESMA

Abbildung 2: Prinzipal-Agenten-Problematik zwischen Investoren und CRAs

Abbildung 3: Prinzipal-Agenten-Problematik zwischen Gesetzgeber und Aufsichtsbehörde

Tabellenverzeichnis

Tabelle 1: Übersicht der Rating-Skalen bei Fitch Ratings, Standard & Poors und Moody’s

Tabelle 2: Überblick über die im Rahmen des CRARA erweiterten US-Regulierungsvorschriften

Tabelle 3: Überblick über die im Rahmen des DF erweiterten US-Regulierungsvorschriften

Tabelle 4: Mit Informationsasymmetrien verbundene Ursachen und Probleme

1 Einführung

1.1 Problemstellung

Bei der Aufarbeitung der weltweiten Finanzmarkt- und EU-Staatsschuldenkrise scheint sowohl in der Politik, als auch in den Medien bzw. dem öffentlichen Diskurs Einigkeit zu herrschen, dass Rating-Agenturen zum Ausbruch dieser Krisen entscheidend beigetragen haben. Ihnen wird in diesem Zusammenhang vorgeworfen, Ratings -insbesondere strukturierter Finanzprodukte- abgegeben zu haben, die nicht das tatsächliche Risiko widerspiegelten und damit weltweit hohe Wertverluste bei Investoren verursachten. Der starke Einfluss von Rating-Agenturen wird darüber hinaus in Hinblick auf Länderratings deutlich, da deren Abstufungen zu unverhältnismäßig negativen gesamtwirtschaftlichen Konsequenzen und damit verbundenen, systemweiten Risiken führen können. Diese Feststellungen werfen die Frage auf, ob die schädlichen Auswirkungen von Ratings allein auf Schwachstellen im Finanzsystem oder auf Unzulänglichkeiten im institutionellen Regulierungsrahmen zurückzuführen sind. Vor dem Hintergrund dieser Fragestellung verfolgt die vorliegende Arbeit das Ziel, die internationalen Regulierungsbemühungen als Reaktion auf die Krisen auf deren Wirksamkeit zu untersuchen, um eine Antwort darauf zu finden, ob sie ihre gewünschte Wirkung entfalten konnten. Die Besonderheit liegt dabei zum einen in der perspektivengetriebenen Herangehensweise, welche eine möglichst umfassende Untersuchung der Problemstellung aus verschiedenen Blickwinkeln heraus ermöglichen soll. Zum anderen wird die Analyse in den Kontext der Neuen Institutionenökonomik eingebunden, um die Wirkung von Regulierungsanstrengungen anhand entsprechender wissenschaftlicher Theorien hinreichend erklären zu können. Da eine Untersuchung der Forschungsfrage im institutionenökonomischen Zusammenhang unter einer perspektivengetriebenen Methodik in der empirischen Literatur bislang nicht vertreten ist, wird mit dieser Arbeit ein weiterer Erkenntnisgewinn für dieses Forschungsgebiet erhofft.

1.2 Gang der Untersuchung

Die Analyse soll aus verschiedenen Betrachtungsperspektiven heraus eine Antwort auf die Forschungsfrage finden, wozu im zweiten Kapitel zunächst die allgemeine Bedeutung von Rating-Agenturen auf Finanzmärkten erläutert wird. Um die Regulierungsanstrengungen der letzten 10 Jahre nachvollziehen und entsprechend bewerten zu können, sind zunächst damit verbundene Ursachen relevant. Dementsprechend wird auf das Verhalten von Rating-Agenturen vor dem Hintergrund der Finanzmarkt- und EU-Staatsschuldenkrise in Kapitel 2.2 relativ ausführlich eingegangen. Nachdem im Hauptteil fünf natürliche Person-en als Stellvertreter für relevante Interessengruppen mit ihrem jeweiligen ökonomischen Hintergrund und zuvor definierten Beurteilungskriterien vorgestellt wurden, wird die Wirksamkeit der Regulierungsanstrengungen je nach Perspektive subjektiv untersucht. Um trotz des begrenzten Umfangs vorliegender Arbeit eine möglichst gründliche Untersuchungstiefe zu gewährleisten und Wiederholungen bzw. Überschneidungen zu vermeiden, werden von den jeweiligen Interessenvertretern nicht alle Inhalte im gleichen Umfang betrachtet. Vielmehr werden schwerpunktmäßige Überlegungen angestellt, die in der Einzelanalyse bereits ein Urteil über entsprechende Regulierungsbemühungen erlauben. Einen wesentlichen Teil der Arbeit stellt die Diskussion in Kapitel 3.7 dar, in welchem die Ergebnisse der perspektivengetriebenen Analyse intensiv miteinander in Bezug gesetzt werden. Dabei werden sowohl Übereinstimmungen, als auch konfliktäre Meinungen zwischen den Interessenvertretern näher beleuchtet und die Zusammenhänge anhand der empirischen Literatur zu erklären versucht. Im Rahmen der kritischen Reflexion wird ferner perspektivengetrieben zu problemlösenden Alternativen angeregt. In der Schlussbetrachtung werden die wichtigsten Ergebnisse noch einmal resümiert, ein Ausblick gegeben und einige kurze Anknüpfungspunkte zu weiteren Forschungsbemühungen benannt.

2 Begriffliche und theoretische Grundlagen

2.1 Bedeutung von Rating-Agenturen auf Finanzmärkten

Rating-Agenturen (CRAs) nehmen im Finanzmarktsystem eine zentrale Rolle ein, indem sie sich u.a. mit der Bewertung von Risiken weltweit gehandelter Finanztitel befassen. Als (Credit-)Rating bezeichnet man die standardisierte Bonitätsbeurteilung von handelbaren Finanzinstrumenten oder ihrer Emittenten selbst, welche Aufschluss über die Fähigkeit zur vollständigen und fristgerechten Erfüllung der mit dem emittierten Wertpapier verbundenen Zahlungsverpflichtungen gibt.[1] CRAs beurteilen darüber hinaus die Kreditwürdigkeit von ganzen Volkswirtschaften (sog. „Sovereign Credit Ratings“, „Länderratings“), d.h. deren Fähigkeit, öffentlich-rechtliche Schulden vollständig und fristgerecht begleichen zu können.[2] Ein Rating teilt dem Bewertungsobjekt entsprechend der geschätzten Ausfallwahrscheinlichkeit unterschiedliche Klassen zu, die ein vergleichsweise geringes („Investment Grade“) oder hohes Risiko („Speculative Grade“) abbilden.[3] Die Darstellung erfolgt hierbei mit Hilfe von Ratingklassen/-kategorien anhand einer Skala (Tabelle 1):

Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten

Tabelle 1: Übersicht der Rating-Skalen bei Fitch Ratings, Standard & Poors und Moody’s

(Quelle: International Monetary Fund 2010, S. 90)

In einem gut funktionierenden und stabilen Finanzsystem wird Kapital zusammengeführt und bestmöglich auf die verschiedenen Investitionsmöglichkeiten verteilt. Das Wachstum einer Volkswirtschaft wird in diesem Zusammenhang durch die von CRAs übernommene Informationsfunktion zu unterstützen versucht, da Wirtschaftssubjekte (z.B. Finanzinstitute, institutionelle und private Anleger) zur Einschätzung des Risiko-Rendite-Profils von Vermögenswerten Informationen über mögliche Kapitalallokationen einholen und verarbeiten. Da der Prozess, innerhalb dessen die Informationen in die Preise der Vermögenswerte einfließen, äußerst komplex ist, verfügen die Akteure i.d.R. weder über den gleichen Zugang zu allen relevanten Daten, noch über die benötigten Kapazitäten zur Verarbeitung derer.[4] Liegen derartige Informationsasymmetrien vor, kann es zu Fehlentwicklungen bei den Vermögenswertpreisen kommen, sodass Ressourcen nicht mehr optimal alloziert werden können.[5] Informationsasymmetrien entstehen immer dann, wenn zwei Vertragsparteien ex ante (d.h. vor Vertragsabschluss) nicht über dieselben Informationen verfügen und infolge dessen der schlechter informierte Vertragspartner (Prinzipal) die Qualität der ihm vom besser informierten Partner (Agent) angebotenen Güter bzw. Dienstleistungen nicht vollständig beurteilen kann.[6] Hieraus ergeben sich mit der sog. „Adversen Selektion“ und „Moral Hazard“ zwei relevante Probleme für das Finanzsystem.[7] Ersteres tritt ex ante auf und kann dazu führen, dass Investitionen mit geringerer Qualität eher gewählt werden als jene mit höherer Qualität. Finanzinstitute bzw. Investoren können dementsprechend ohne zusätzliche Anstrengungen wie Screening (die mit Kosten verbundene Beschaffung zusätzlicher Informationen) oder Monitoring (Screening-Maßnahmen nach Vertragsabschluss) kaum zwischen „guten“ und „schlechten“ Kreditnehmern als Agenten unterscheiden, sodass Erstere aus dem Markt ausscheiden und sich der durchschnittliche Pool an Kreditnehmern verschlechtert.[8] Bei Moral Hazard handelt es sich dagegen um das Problem möglicher Anreize eines Wirtschaftssubjekts, sich ex post risikoreicher zu verhalten als vor Vertragsabschluss. Beide Phänomene verursachen höhere Transaktionskosten und verdrängen nützliche Transaktionen auf dem Markt, sodass das Kapital als ökonomische Ressource nicht mehr optimal alloziert werden kann und damit wachstumsfördernde Wirkungen auf Finanzmärkten eingeschränkt werden. Mit der Gewinnung und Verarbeitung von Informationen sind stets Kosten verbunden, woraus ferner sog. „Trittbrettfahrerprobleme“ entstehen können. Diese werden beobachtet, wenn die einzelnen Wirtschaftssubjekte von der Kostenübernahme für die Bereitstellung eines Gutes (z.B. Informationen) durch andere Marktteilnehmer ausgehen. Hierdurch können sie sich u.U. wenig veranlasst fühlen, das Gut selbst zu beschaffen oder für dessen Nutzung zu bezahlen - insbesondere wenn der Aufwand für die Gewinnung und Verarbeitung von Informationen im Verhältnis zum Ertrag vergleichsweise hoch erscheint.[9] CRAs treten zur Überwindung der aufgeführten Marktunvollkommenheiten als sog. „Informationsintermediäre“ in den Markt, indem sie durch die professionelle Bonitätsbeurteilung im Rahmen eines Ratings den beteiligten Marktteilnehmern den Zugang zu notwendigen Informationen erleichtern.[10] Durch die Bereitstellung von Ratingurteilen anhand einer Skala (Tabelle 1) versuchen sie Transparenz und Vergleichbarkeit für Investoren hinsichtlich des Ausfallrisikos (sog. „Default Risk“) des Bewertungsobjekts zu verschaffen und können damit den Grad an Informationsasymmetrien senken. Die Investitionsentscheidung von Anlegern hängt ganz wesentlich von Bewertungen seitens der CRAs ab, da neben der Vergleichbarkeit zwischen Emittenten auch die der unterschiedlichen Anlageformen ermöglicht wird.[11] Zur Erfüllung der originären Aufgaben als objektive Instanz ist ihre Unabhängigkeit ein entscheidendes Kriterium.[12] Über die Informationsfunktion hinaus kann die Rolle von CRAs auf Finanzmärkten anhand weiterer Funktionen verdeutlicht werden:

- Screening
- Signaling
- Zertifizierungsfunktion
- Regulierungsfunktion
- Kontroll-/ Überwachungsfunktion
- Beratungsfunktion

Aus Sicht der Investoren erfüllt das Rating eine Screening-Funktion, da verborgene Informationen (sog. „Hidden Information“) -wie z.B. die Einhaltung vereinbarter Kreditbedingungen- im Rahmen der Bonitätsbeurteilung durch CRAs überwacht werden. Aus dieser Funktion heraus können Probleme i.Z.m. Moral Hazard und Adverser Selektion gemindert werden.[13] Seitens der Kapitalnehmer (Emittenten) ist das Rating hingegen als Signaling-Instrument zu sehen, da potentiellen Investoren entscheidungsrelevante Informationen über die Qualität des Ratings vermittelt werden.[14] Hierdurch kann die Glaubwürdigkeit und Seriosität als Schuldner zur Erhöhung der Marktchancen einer Emission signalisiert werden; CRAs erfüllen demnach auch eine gewisse Zertifizierungsfunktion.[15] Zwar besteht im europäischen Recht für die Börsenzulassung von emittierten Wertpapieren keine Pflicht zur Einholung eines Ratings, doch haben Emittenten i.d.R. Interesse an einem Rating als Zertifizierung, um die Finanztitel erfolgreich am Markt platzieren zu können.[16] Des Weiteren erfüllen CRAs eine Regulierungsfunktion, da in der Vergangenheit aufsichtsrechtliche Vorschriften üblicherweise an Ratingurteile angeknüpft wurden. Die große Bedeutung für den internationalen Aufsichts- und Regulierungsprozess offenbarte sich in der Notwendigkeit externer Ratings zur Berechnung des geforderten Eigenkapitals (EK) von Kreditinstituten im Rahmen des Baseler Akkords.[17] Darüber hinaus verstärkte die allgemeine Anknüpfung staatlicher Regelungen an Ratingurteile den Einfluss von CRAs deutlich.[18] Durch die Kontroll- bzw. Überwachungsfunktion sind die Agenturen ferner in der Lage, Emittenten durch eine frühzeitige Ankündigung der Absicht einer Verschlechterung des Ratingergebnisses zu Korrekturmaßnahmen zu bewegen. Bei der Emission strukturierter Finanzprodukte (nähere Ausführungen folgen in Kapitel 2.2) kommt letztlich der Beratungsfunktion eine entscheidende Rolle zu: Da Emittenten i.d.R. konkrete Vorstellungen für die Bewertung derartiger Produkte besitzen, sind CRAs zur Sicherstellung der Kriterien für das gewünschte Ratingurteil aktiv an Strukturierungs- bzw. Beratungsprozessen beteiligt.[19] Dies scheint durch das praktizierte Geschäftsmodell, dessen Bedeutung an anderer Stelle näher beleuchtet wird, ermöglicht zu werden.

Gegenwärtig dominieren mit einem Weltmarktanteil von ca. 95% drei international tätige CRAs den Ratingmarkt als Oligopol: Standard & Poor’s (S&P), Moody’s und Fitch Ratings, wobei Letztere einen vergleichsweise deutlich kleineren Marktanteil besitzt.[20] Die zentrale Marktstellung dieser sog. „Großen Drei“ ist historisch betrachtet auf nur wenige Ereignisse zurückzuführen. So untersagte eine Verordnung der US-amerikanischen Börsenaufsichtsbehörde (SEC) aus dem Jahr 1936 Banken die Investition in spekulative Wertpapiere, welche ausschließlich in anerkannten Ratingberichten dokumentiert wurden. Diese durften zu jener Zeit ausschließlich von anerkannten CRAs veröffentlicht werden, sodass US-Banken in der Wahl ihrer Informationsquellen für Anlageentscheidungen nicht unabhängig sein konnten. Nachdem sich diese regulatorisch getriebene Entwicklung über Jahrzehnte fortsetzte, wurde die entscheidende Rolle der „Großen Drei“ im Zuge der Modifizierung von Mindestkapitalanforderungen für Finanzinstitute 1975 weiter gefestigt, da zur Bestimmung der Höhe von aufsichtsrechtlichem EK ausschließlich Ratingurteile von durch ein bestimmtes Zulassungsverfahren staatlich anerkannten „Nationally Recognized Statistical Rating Organizations“ (NRSROs) als Risikoindikator herangezogen werden durften. Diesen Status erhielten aufgrund ihrer bedeutenden Stellung im US-Finanzmarkt nur die drei marktführenden CRAs.[21]

2.2 Rating-Agenturen vor dem Hintergrund der Finanzmarkt- und EU-Staatsschuldenkrise

Seit dem Ausbruch der Finanzmarktkrise sind CRAs in den Fokus der öffentlichen Debatte geraten. Neben makroökonomischen Faktoren (weltweite Ungleichgewichte in Leistungsbilanzen und historisch niedrige Realzinsen, welche einen Kreditboom auslösten) spielten zwar auch mikroökonomische Ursachen (methodische Mängel im Risikomanagement von Investoren und Finanzinstituten, Schwachstellen in der Regulierung) eine wesentliche Rolle.[22] Es konnte jedoch festgestellt werden, dass CRAs einen wesentlichen Beitrag zum Ausbruch der Finanzmarktkrise geleistet haben, da Ratings gewisser Qualitätsstufe eine wichtige Voraussetzung für die Transformation risikobehafteter Subprime-Kredite in marktfähige Finanzprodukte darstellten. Ein Verbriefungsprozess wäre in dagewesenem Ausmaße ohne derartige Ratings nicht möglich gewesen, da Investoren wegen schwer durchschaubarer Strukturen nicht in der Lage waren, die Risiken der entsprechenden Produkte selbst einzuschätzen.[23] Um nachvollziehen zu können, weshalb den Ratings insbesondere im Rahmen von strukturierten Finanzprodukten eine derart entscheidende Bedeutung zukam, wird nachfolgend auf die grundlegende Funktionsweise und Komplexität dieser Produkte relativ ausführlich eingegangen. Eine detaillierte Darstellung erscheint insbesondere vor dem Hintergrund der Tatsache, dass die Bewertung strukturierter Finanzprodukte wegen dem hohen Marktpotential im Vorfeld der Finanzmarktkrise das Kerngeschäft und eine wichtige Haupteinnahmequelle von CRAs darstellte, sinnvoll.[24]

Strukturierte Produkte werden zur Transformation von Kreditrisiken eingesetzt und können im Rahmen der Risikoselektion wirksamer sein als andere Finanzinstrumente.[25] Sie beinhalten die Bündelung von Vermögenswerten in Pools mit einer gleichzeitigen Abkoppelung des Kreditrisikos des zugrunde liegenden, als Sicherheit dienenden Forderungspools von dem der Originatorbank (=Forderungsverkäufer). Dies geschieht i.d.R. durch den Transfer der entsprechenden Aktiva zu einer eigenständigen Zweckgesellschaft mit begrenzter Lebensdauer (SPV). Zwar kann im Rahmen der Poolbildung das Durchschnittsrisiko durch Diversifikationseffekte gesenkt werden; diese hängen jedoch maßgeblich von der Gesamtqualität der entsprechenden Kredite ab.[26] Ein spezifisches Merkmal strukturierter Produkte stellt ferner die Aufteilung des Pools in Tranchen dar, wonach mehrere Wertpapierklassen (deren Rating über dem Durchschnittsrating der Vermögenswerte im zugrunde liegenden Forderungspool liegt) geschaffen werden können. Diese besitzen jeweils unterschiedliche Risiko-Rendite-Profile, welche die Bildung einer Zahlungsrangfolge („Senior“, „Mezzanine“, „Junior-/Equity-/First-Loss“) nach dem Prinzip der Nachordnung (sog. „Subordination“) ermöglichen.[27] Als wesentlich i.Z.m. dem Ausbruch der Finanzmarktkrise wurden hauptsächlich Finanzprodukte, die aus der Verbriefung von Forderungen aus Immobilienkrediten bzw. -hypotheken hervorgingen, identifiziert. Diese forderungsbesicherten Wertpapiere (ABS) werden in ihrer Grundstruktur nach dem Forderungsverkauf des Originators von eigens zu diesem Zwecke gegründeten SPVs emittiert, die ihrerseits eine äußerst geringe bis gar keine Kapitalausstattung besitzen. Die Zins- und Rückzahlungen der ABS stammen dementsprechend in diesem Falle allein aus den zugrunde liegenden Forderungen, woraus sich eine starke Abhängigkeit von der Qualität der verbrieften Kredite bzw. der Schuldnerbonität ergibt.[28] ABS können nach der Art der verbrieften Vermögenswerte unterschieden werden; eine Subkategorie stellen die aus Wohnimmobilien hypothekenbesicherten Wertpapiere (RMBS) dar und sind i.Z.m. der Finanzmarktkrise von besonderer Bedeutung, da derartige Strukturen zu großen Teilen die Subprime-Krise auslösten.[29] Eine Weiterentwicklung der ursprünglichen Verbriefungskonstruktionen stellen forderungsgedeckte Schuldverschreibungen (CDOs) dar, welche in ihrer Struktur oft besonders komplex sind, da neben der mehrfachen Aggregation heterogener Forderungen auch die Bündelung von Tranchen unterschiedlicher ABS-Arten üblich ist.[30] Die Komplexität strukturierter Finanzinstrumente steckt in der Pool- und Tranchenbildung, da sich die Bewertung von Risiko und Rendite anhand der Modellierung von Verlustverteilungen und Zahlungsströmen innerhalb beider Prozesse analytisch äußerst anspruchsvoll gestaltet.[31] Die Bewertung von ABS schien wegen neuartiger Strukturen folglich selbst für CRAs eine technische Herausforderung (welche durch die stark gestiegene Emissionshäufigkeit und damit verbundene Nachfrage zur Erstellung von Ratings für derartige Papiere weiter verstärkt wurde) darzustellen. Wegen dieser schwer durchschaubaren Strukturen verließen sich selbst erfahrene institutionelle Anleger und Finanzinstitute, wie z.B. deutsche Landesbanken, in hohem Maße auf die Risikoeinschätzungen von CRAs, welche mit ihrer Aufgabe jedoch selbst überfordert zu sein schienen und damit zu einem Aufbau systemweiter Risiken beitrugen.[32] Trotz eigener Schwierigkeiten bei der Bewertung strukturierter Finanzinstrumente konnten sie wegen der Bedeutung ihrer Regulierungsfunktion und der großen Abhängigkeit seitens der Marktteilnehmer ihre Macht ausnutzen und Gewinne durch entsprechend hohe Ratingpreise maximieren.[33] So stieg der Umsatz der „Großen Drei“ im Zuge des Verbriefungsgeschäfts minderwertiger Kredite zwischen 2002 und 2007 von 3 Mrd. USD auf das rund Doppelte an.[34] Als die Agenturen erst nach dem Platzen der US-amerikanischen Immobilienblase Mitte 2007 mit massiven Herabstufungen (sog. „Downgrades“) der Bonitätseinschätzungen reagierten, äußerte sich weitläufige Kritik an ihrer Integrität, was einen erheblichen Vertrauensverlust und eine weitläufige Verunsicherung am Markt nach sich zog.[35] Zwischen 2007 und 2008 stellten 58% (=rund 303 Mrd. USD; davon 42% CDOs, 16% RMBS) aller weltweiten Abschreibungen von Finanzinstituten Wertverluste strukturierter Finanzprodukte, welche stets nach dem aktuellen Marktpreis bewertet werden müssen (sog. „Mark-to-Market“-Bewertung), dar.[36] Es konnte empirisch festgestellt werden, dass jene Wertverluste entscheidend zum Ausbruch der Finanzmarktkrise beigetragen haben, wobei die unzureichende Qualität der bewerteten strukturierten Finanzprodukte als Grund für diese Verluste angeführt wird. Da die Ratings der Agenturen für diese Produkte größtenteils „nicht-risikoadäquat“ (d.h. nicht das tatsächlich enthaltene Risiko abbildend) waren, trugen sie wiederum zu deren minderwertigen Qualität maßgeblich bei und sind damit als Ursache der Wertverluste zu betrachten.[37] Auch konnte beobachtet werden, dass CRAs mit ihren Ratingverschlechterungen vergleichsweise spät auf die Subprime-Krise reagierten, da sie den US-amerikanischen Immobilienmarkt falsch eingeschätzt haben.[38] In diesem Zusammenhang wurden Interessenkonflikte, deren Bedeutung im Rahmen der vorliegenden Arbeit eine wichtige Rolle spielt, als eine der größten Schwachstellen im Ratingmarkt identifiziert.[39] Eine weitere krisenverstärkende Problematik liegt in der gesamtwirtschaftlichen Wirkung von Ratings, da diese klassischerweise prozyklisch erstellt werden. Sie tragen demnach in wirtschaftlichen Aufschwungphasen zu einer Förderung der Investition in bestimmte Finanztitel bei, während Wertverluste durch Herabstufungen des Ratingurteils in Rezessionen weiter verstärkt werden. Durch unerwartete Downgrades der bewerteten Finanztitel tragen sie demnach zu einer Steigerung des systemischen Risikos bei.[40] Vor allem kurzfristige Ankündigungen zu Änderungen des Ratingergebnisses unterhalb des Investment Grades lösen i.d.R. sofortige, unverhältnismäßige Reaktionen aller Investoren (sog. „Klippeneffekte“) aus.[41] Die Bekanntgabe von Ratingverschlechterungen kann demnach einen Herdentrieb auslösen, welcher i.d.R. zu einer erheblichen Erhöhung der Marktvolatilität und damit zu einer sich selbst verstärkenden Abwärtsspirale der Preise von Finanztiteln führt.[42] Der mit dem erhöhten systemischen Risiko einhergehende Anstieg der Emissionskosten kann wiederum einen erschwerten Marktzugang bewirken. Die negativen Auswirkungen von Herabstufungen werden durch die Baseler Mindestkapitalvorschriften weiter verstärkt, da Kreditinstitute mit entsprechenden Wertpapierumschichtungen reagieren müssen.[43] In diesem Zusammenhang werden CRAs neben ihrer Rolle innerhalb der Finanzmarktkrise auch für den Ausbruch der EU-Staatsschuldenkrise verantwortlich gemacht, da Veröffentlichungen von Herabstufungen zu Länderratings staatliche Verschuldungsdynamiken massiv beeinflussen können.[44] Die Staatsschuldenkrise manifestierte, wie die Problematik der Prozyklizität von Ratings bei Bewertungen der Zahlungsfähigkeit ganzer Volkswirtschaften eine makroökonomische Abwärtsspirale in Gang setzen kann: Wird die Kreditwürdigkeit souveräner Staaten herabgestuft, so führt dies zwingend zu steigenden Zins-sätzen für Staatsanleihen, welche wiederum mit Refinanzierungsschwierigkeiten der Staaten und weiteren Verschlechterungen der Ratingergebnisse einhergehen.[45] Zwar lässt sich der Realwert festverzinslicher Staatsanleihen (und damit die Staatsverschuldung) i.d.R. durch die Steuerung der Inflationsrate im Rahmen einer unabhängigen Geldpolitik beeinflussen, da Inflationserwartungen einen festen Bestandteil des nominalen Zinssatzes darstellen. Doch steht dieses wirtschaftspolitische Instrument EU-Staaten seit dem Eintritt in die europäische Währungsunion nicht mehr zur Verfügung, sodass sich die aus Ratingverschlechterungen resultierende Erhöhung der Staatsverschuldung und steigende Refinanzierungskosten nicht mehr über die Renditen von Staatsanleihen marginalisieren lassen konnten.[46] Ratings können demzufolge –gleich sich selbst erfüllender Prophezeiungen– die Realität gemäß ihrer eigenen Vorgabe verändern.[47] Es wurde empirisch nachgewiesen, dass seit Beginn der Staatsschuldenkrise Länder bei gleicher Wirtschaftslage schlechter eingestuft wurden als zuvor. Insbesondere Portugal, Irland, Griechenland und Spanien (sog. „PIGS-Staaten“) wurden deutlich restriktiver bewertet, obwohl sie bis kurz vor Ausbruch der Krise ähnlich behandelt wurden wie andere OECD-Länder. Da jedes Rating aus einer objektiven, nachvollziehbaren Komponente (z.B. ökonomische Fundamentaldaten) und subjektiven Elementen bestehen, eröffnet sich insbesondere aus Letzteren für CRAs ein Spielraum zur Beeinflussung staatlichen Handelns. Bis zum Ausbruch der Staatsschuldenkrise mangelte es aufgrund der geringen Anzahl an tatsächlich realisierten Staatspleiten an einem validen Datenbestand zur objektiven Beurteilung von Ausfallwahrscheinlichkeiten.[48] Es erscheint daher naheliegend, dass die Ratingurteile zur Kreditwürdigkeit europäischer Staaten vorwiegend auf subjektiven, teils willkürlich erscheinenden Einschätzungen gründeten. Die internationale Finanzmarktentwicklung wurde wegen weitreichender Ansteckungseffekte (sog. „Contagion-Effekte“) auf diese Weise massiv gefährdet.[49]

2.3 Relevante rechtliche Rahmenbedingungen

Um die internationalen Regulierungsanstrengungen als Reaktion auf die Krisen evaluieren zu können, gilt es zunächst, die zugrunde liegenden Konzepte näher zu beleuchten. Der Fokus wird hierbei wegen des begrenzten Umfangs vorliegender Arbeit nachfolgend bewusst lediglich auf den US-amerikanischen und europäischen institutionellen Rahmen gelegt.[50]

Den Ausgangspunkt der US-Finanzmarktregulierung stellt der „Securities Exchange Act“ (SEA) von 1934 dar, welcher im Zuge schwerwiegender Unternehmensskandale im Rahmen des „Credit Rating Agency Reform Acts“ (CRARA) 2006 um Regulierungsmaßnahmen zu CRAs erweitert wurde („Abschnitt 15E“).[51] Mit Hilfe dieser Gesetzesvorschriften sollte sowohl eine Verbesserung der Ratingqualität zugunsten des Anlegerschutzes, als auch die Förderung von Transparenz und Wettbewerbsfähigkeit erreicht werden. Hierzu wurden CRAs beispielsweise verpflichtet, ihre Ratingmethoden und -prozesse offenzulegen.[52] Tabelle 2 fasst die relevanten Inhalte knapp zusammen:

Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten

Tabelle 2: Überblick über die im Rahmen des CRARA erweiterten US-Regulierungsvorschriften

(Quelle: Braun 2013, S. 133)

2010 wurden die Gesetzesvorschriften im Zuge der Finanzmarktkrise ferner durch den „Dodd-Frank Wall Street Reform and Consumer Protection Act“ (DF) umfassend reformiert (Tabelle 3).[53] Die Zielsetzung liegt in einer Förderung der US-Finanzmarktstabilität, der Schaffung von Transparenz im Finanzsystem sowie in einer Verbesserung des Anlegerschutzes.[54]

Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten

Tabelle 3: Überblick über die im Rahmen des DF erweiterten US-Regulierungsvorschriften

(Quelle: Braun 2013, S. 133)

Auf internationaler Ebene wurde bereits 2004 der sog. „Code of Conduct Fundamentals for Credit Rating Agencies“ (sog. „IOSCO-Kodex“), ein nicht-rechtsverbindliches Regelwerk der Internationalen Vereinigung von Wertpapieraufsichts­behörden (IOSCO), eingeführt.[55] Sein Hauptziel stellt ebenfalls eine Verbesserung des Anlegerschutzes dar, welche durch Integrität im Ratingprozess erreicht werden sollte.[56] Die Prinzipien besaßen durchaus eine wichtige Bedeutung im Verlauf der Regulierung von CRAs, da sie wesentliche Kritikpunkte abdeckten und auch bei den „Großen Drei“ weite Verbreitung zu finden schienen.[57] Allerdings erwies sich der Kodex -wie die Finanzmarktkrise zeigte- wegen der Freiwilligkeit seiner Befolgung als unzureichend, was weiteren Regulierungsbedarf offenbarte.[58] Innerhalb der EU wurde zwar ebenfalls bereits 2004 über eine europaweite Regulierung des Ratingmarktes diskutiert, doch sah die Kommission auch nach eingehender Beschäftigung mit der Thematik diesbezüglich keine Notwendigkeit, da die Selbstregulierung auf der Grundlage des IOSCO-Kodexes ausreichend erschien.[59] Erst nach Ausbruch der Finanzmarktkrise wurde 2009 die „Verordnung (EG) Nr. 1060/2009“ („CRA I“) durch das Europäische Parlament und den Rat verabschiedet. Sie stellt die erste verbindliche, explizit auf den Ratingmarkt ausgerichtete Regulierungsvorschrift auf EU-Ebene dar und verfolgt einen gemeinsamen Regulierungsansatz zur Förderung von Integrität, Transparenz, Verantwortung, guter Unternehmensführung und Verlässlichkeit von CRAs.[60] Das Hauptziel ist demnach in einer Verbesserung der Ratingqualität zu sehen, wodurch zu einem funktionierenden EU-Binnenmarkt beigetragen und ein hohes Maß an Anlegerschutz gewährleistet werden soll.[61] Zur Beurteilung der Rechtsnorm im Rahmen der perspektivengetriebenen Analyse werden die relevanten Inhalte nachfolgend vorgestellt.[62]

Artikel 4: Verwendung von Ratings

Gemäß Art. 14 müssen sich CRAs einem umfangreichen Registrierungsverfahren unter einheitlichen Bedingungen unterziehen, um innerhalb der EU Ratings abgeben zu dürfen bzw. gemäß Art. 2 als externe Ratingagentur (ECAI) anerkannt zu werden.[63] Wesentliche Finanzmarktteilnehmer (u.a. Kreditinstitute, Wertpapierfirmen, Versicherungsunternehmen) dürfen zur Bestimmung des aufsichtsrechtlich geforderten Mindest-EKs ausschließlich auf Ratings dieser ECAIs zurückgreifen.[64]

Artikel 6: Unabhängigkeit und Vermeidung von Interessenkonflikten

CRAs müssen ihre Unabhängigkeit sicherstellen und Interessenkonflikte vermeiden. Dazu sind organisatorische Anforderungen aufgeführt, welche in diesem Zusammenhang erfüllt werden sollen. So muss das Verwaltungs-/Auf-sichtsorgan einer CRA mind. zwei unabhängige Mitglieder enthalten, die nicht in die Tätigkeiten der CRA eingebunden sind und regelmäßig Stellung zur Entwicklung der Ratingpolitik nehmen müssen. Zur selbstständigen Überprüfung der Einhaltung der VO ist zudem eine sog. „Compliance-Funktion“ zu implementieren.[65] Auch werden konkrete Verhaltensvorschriften für CRAs als operationelle Anforderungen definiert. Demnach muss gewährleistet werden, dass mittel- oder unmittelbar mit der Ratingtätigkeit beauftragte Personen keinen Interessenkonflikten unterliegen; andernfalls müssen diese klar und unmissver-ständlich offengelegt werden. Auch sind die Namen jener Unternehmen zu veröffentlichen, aus deren Bewertung mehr als 5% des Jahresumsatzes entstam-men. Die Erstellung eines Ratings ist untersagt, sofern die CRA oder eine von ihr für die Ratingtätigkeit beauftragte Person Anteile an dem zu bewerteten Unternehmen hält oder wenn zwischen der CRA und dem Unternehmen ein Verhältnis besteht, aus dem ein Interessenkonflikt hervorgehen könnte (z.B. Kontrollverhältnis). Wird ein Rating unter derartigen Voraussetzungen erstellt, ist es zurückzuziehen. Darüber hinaus dürfen CRAs für die von ihnen bewerteten Unternehmen und verbundene Dritte (z.B. Forderungsverkäufer) keine Beratungsleistungen erbringen. Nebendienstleistungen (z.B. Markt­prognosen, Preisanalysen) sind nur dann gestattet, wenn sie keine Interessenkonflikte auslösen und müssen grundsätzlich offengelegt werden. CRAs sind verpflichtet, angemessene Aufzeichnungen über ihre Ratingtätigkeiten zu führen und müssen diese mind. 5 Jahre lang aufbewahren.[66]

Artikel 7: Ratinganalysten, Mitarbeiter und sonstige an der Abgabe von Ratings beteiligte Personen

CRAs haben sicherzustellen, dass die an Ratingtätigkeiten unmittelbar beteiligten Personen über angemessene Kenntnisse und Erfahrungen für die ihnen zugewiesenen Aufgaben verfügen. Ferner dürfen die am Ratingprozess bzw. an Verhandlungen über Entgelte und Zahlungsbedingungen beteiligten Personen in keinem Verhältnis zum bewerteten Unternehmen stehen. Ein derartiges Verhältnis liegt insbesondere dann vor, wenn der angesprochene Personenkreis Finanzinstrumente des zu bewertenden Unternehmens besitzt bzw. ein Beschäftigungsverhältnis mit Letzterem bestand.[67] Des Weiteren ist ein sog. „graduelles Rotationssystem“, wonach Ratinganalysten gestaffelt zwischen einzelnen Mandaten zu wechseln haben, einzuführen. Zur Vergütung und Leistungsbewertung von Ratinganalysten ist zu beachten, dass sie nicht von den durch die bewerteten Unternehmen erhaltenen Einkünften abhängen dürfen.[68]

Artikel 8: Methoden, Modelle und grundlegende Annahmen für Ratings

Die angewandten Methoden, Modelle und grundlegenden Ratingannahmen (z.B. mathematische Annahmen, Korrelationsannahmen[69] ) sowie deren wesentlichen Änderungen müssen offengelegt werden.[70] Als geeignet sind Verfahren zu betrachten, wenn sie auf der gründlichen Analyse aller zur Verfügung stehenden, relevanten Informationen basieren. Die CRA hat dafür Sorge zu tragen, dass diese von ausreichender Qualität sind und aus zuverlässigen Quellen stammen. Ferner sollen die Ratingmethoden sowohl „streng, systematisch und beständig“ sein, als auch auf historischen Rückvergleichen beruhen. Weichen Ratingprozesse (v.a. bei strukturierten Finanzprodukten) von denen anderer CRAs ab, so ist dies begründet zu dokumentieren. Die Ratingmethoden sind mind. einmal jährlich auf jene Änderungen zu überprüfen, die eine Auswirkung auf das Ratingergebnis besitzen könnten. Sofern Änderungen in den Methoden/Modellen/Annahmen vorgenommen werden, so sind diese auf bereits bestehende Ratings anzuwenden; ggf. ist ein neues Rating zu erstellen.[71]

Artikel 10: Bekanntgabe und Präsentation von Ratings

CRAs sind zu einer rechtzeitigen Bekanntgabe von Ratings verpflichtet. Handelt es sich um ein unbeauftragtes Rating (sog. „Unsolicited Rating“), so ist ein ausdrücklicher Hinweis auf eine etwaige Einbindung des bewerteten Unternehmens in den Ratingprozess erforderlich. Bei der Bewertung von strukturierten Finanzinstrumenten ist zudem durch ein eindeutiges Symbol, welches die Unterscheidung von anderen Ratingkategorien erleichtern soll, für besondere Transparenz zu sorgen.[72]

Artikel 11: Allgemeine und regelmäßige Bekanntgaben

Die Öffentlichkeit ist von CRAs über allgemeine Inhalte (Anhang 1) unverzüglich zu informieren.[73] Hierzu sind Informationen über historische Ratingergebnisse in einem zentralen Datenspeicher (CEREP) standardisiert zur Verfügung zu stellen.[74]

Artikel 12: Transparenzbericht

Spätestens 3 Monate nach Ablauf des Geschäftsjahres ist von CRAs ein jährlicher Transparenzbericht zu veröffentlichen, der mind. 5 Jahre lang verfügbar sein muss.[75]

Die CRA I wurde erstmalig mit der „Verordnung (EU) Nr. 513/2011“ („CRA II“) geändert, womit die ausschließliche Zuständigkeit der 2011 etablierten Europäischen Wertpapier und Marktaufsichtsbehörde (ESMA) für die Registrierung und Beaufsichtigung von CRAs in der EU begründet wurde.[76] Eine umfassende Überarbeitung fand mit der „Verordnung (EU) Nr. 462/2013“ („CRA III“), deren relevante Ergänzungen nachfolgend komprimiert aufgeführt werden, statt.[77]

[...]


[1] Vgl. Cortez/Schön 2010, S. 170.

[2] Vgl. Chiwitt 2014, S. 5.

[3] Vgl. Chiwitt 2014, S. 3.

[4] Vgl. hierzu auch Simon 1957 zum Modell der „Bounded Rationality“, welches menschliches Entscheidungsverhalten in der realen Welt (entgegen der neoklassischen Annahme des Homo oeconomicus) anhand von Grenzen des Intellekts erklärt.

[5] Vgl. Chiwitt 2014, S. 15.

[6] Vgl. Chiwitt 2014, S. 16.

[7] Vgl. Chiwitt 2014, S. 16f.

[8] Vgl. hierzu auch Akerlof 1970 zum „Market of Lemons“ als Markt, auf dem durch Informationsasymmetrien qualitativ höherwertige Güter sukzessive von minderwertigen Gütern verdrängt und damit gesamtwirtschaftlich sinnvolle Transaktionen verhindert werden.

[9] Vgl. Chiwitt 2014, S. 17.

[10] Vgl. Pukropski 2013, S. 105.

[11] Vgl. Cortez/Schön 2010, S. 170.

[12] Vgl. Cortez/Schön 2010, S. 170.

[13] Vgl. Braun 2013, S. 51ff.

[14] Vgl. Cortez/Schön 2010, S. 171.

[15] Vgl. Chiwitt 2014, S. 18f.

[16] Vgl. Hammen 2013, S. 2.

[17] Ein Überblick über die Entwicklung der Baseler EK-Standards findet sich in Deutsche Bundesbank 2001; zur Bedeutung externer Ratings im Rahmen des sog. „Standardansatzes“ (Basel II) vgl. insbesondere S. 20f.

[18] Vgl. Cortez/Schön 2010, S. 171.

[19] Vgl. Chiwitt 2014, S. 20.

[20] Vgl. Stuwe et al. 2012, S. 15.

[21] Vgl. Chiwitt 2014, S. 11f.

[22] Vgl. Bank für Internationalen Zahlungsausgleich 2009, S. 5ff.

[23] Vgl. Cortez/Schön 2010, S. 171.

[24] Vgl. Fender/Mitchell 2005, S. 84.

[25] Vgl. Fender/Mitchell 2005, S. 77f.

[26] Vgl. Paul/Frank 2015, S. 2.

[27] Vgl. Fender/Mitchell 2005, S. 80 sowie Paul/Frank 2015, S. 2.

[28] Vgl. Paul/Frank 2015, S. 1f.

[29] Eine ausführliche Darstellung zur Rolle der ABS in der Finanzmarktkrise findet sich in Paul/

Frank 2015, S. 3f.

[30] Vgl. Paul/Frank 2015, S. 3.

[31] Vgl. Fender/Mitchell 2005, S. 82f. sowie Braun 2013, S. 33f.

[32] Vgl. Bank für Internationalen Zahlungsausgleich 2009, S. 9f.

[33] Vgl. Chiwitt 2014, S. 9.

[34] Vgl. Cortez/Schön 2010, S. 171.

[35] Vgl. Cortez/Schön 2010, S. 171 sowie Financial Crisis Inquiry Commission 2011, S. 212.

[36] Vgl. Benmelech/Dlugosz 2010, S. 163.

[37] Vgl. Braun 2013, S. 9ff.

[38] Vgl. Pukropski 2013, S. 107.

[39] Vgl. The Technical Committee of the International Organization of Securities Commissions 2008b sowie Financial Crisis Inquiry Commission 2011.

[40] Vgl. Sy 2009, S. 13f.

[41] Vgl. Chiwitt 2014, S. 7.

[42] Vgl. Kiff 2013, S. 35.

[43] Vgl. Chiwitt 2014, S. 7.

[44] Vgl. Gärtner et al. 2012, S. 251ff.

[45] Vgl. Gärtner et al. 2012, S. 253.

[46] Vgl. Gärtner et al. 2012, S. 251 sowie Url 2011, S. 811.

[47] Vgl. Gärtner und Griesbach 2012.

[48] Vgl. Gärtner et al. 2012, S. 252 sowie Url 2011, S. 816.

[49] Vgl. Alfonso et al. 2011, S. 17f.

[50] Eine knappe Darstellung weiterer internationaler Regulierungsbemühungen (Japan, Australien, Kanada) findet sich in International Monetary Fund 2010, S. 97.

[51] I.Z.m. diesen Skandalen wurde den Agenturen vorgeworfen, Probleme von US-Unternehmen (z.B. Enron, Worldcom) nicht rechtzeitig erkannt zu haben, vgl. Braun 2013, S. 24.

[52] Vgl. Congress of the United States of America 2006, S. 1 sowie International Monetary Fund, S. 95.

[53] Vgl. Congress of the United States of America 2010.

[54] Vgl. Chiwitt 2014, S. 21; bei einem Verstoß gegen Vorschriften des DF drohen den NRSROs Sanktionen, wie z.B. die Suspendierung für max. 12 Monate, Entzug der Registrierung für bestimmte (z.B. strukturierte Finanzprodukte) oder alle Ratingkategorien, vgl. Congress of the United States of America 2010, 219f.

[55] Der Kodex ist nicht als Regulierungsmaßnahme der letzten 10 Jahre zu betrachten; deshalb werden seine Inhalte im Verlauf vorliegender Arbeit zwar am Rande miteinbezogen, jedoch nicht tiefergehend evaluiert.

[56] Vgl. The Technical Committee of the International Organization of Securities Commissions 2004, S. 2f.

[57] Vgl. Cortez/Schön 2010, S. 173.

[58] Vgl. Chiwitt 2014, S. 21.

[59] Vgl. Europäische Kommission 2006, S. 6 sowie Pfanzelt 2012 zur Fragestellung, weshalb die USA bei der Regulierung von CRAs vorangingen, als die EU einen solchen Schritt noch ablehnte.

[60] Bei einem vorsätzlichen Verstoß gegen Vorschriften der EU-Rating-VO drohen den Agenturen Sanktionen, wie z.B. Geldbußen, Zwangsgelder (Artikel 36a und 36b der CRA II), vgl. Europäisches Parlament und Rat der Europäischen Union 2011, S. 45f.

[61] Vgl. Europäisches Parlament und Rat der Europäischen Union 2009, S. 8.

[62] Die Auswahl der hier vorgestellten und nachfolgend behandelten Inhalte der EU-Rating-VO hat bewusst keinen Anspruch auf Vollständigkeit; sie beschränkt sich vielmehr auf jene Artikel, die auf die in Kapitel 2.2 erläuterten Hauptursachen des Fehlverhaltens von CRAs abzustellen scheinen. Des Weiteren wird auf eine Überführung der Vorschriften in nationales Recht nicht gesondert eingegangen, da die EU-Rating-VO einen Rechtsakt mit allgemeiner Gültigkeit in allen europäischen Mitgliedstaaten darstellt und somit unmittelbar gültig ist, vgl. Bundesgerichtshof 2014 sowie Bachstädt/Henn 2013, S. 20.

[63] Vgl. Europäisches Parlament und Rat der Europäischen Union 2009, S. 8.

[64] Vgl. Europäisches Parlament und Rat der Europäischen Union 2009, S. 9f.

[65] Vgl. Europäisches Parlament und Rat der Europäischen Union 2009, S. 23f.

[66] Vgl. Europäisches Parlament und Rat der Europäischen Union 2009, S. 25f.

[67] Vgl. Europäisches Parlament und Rat der Europäischen Union 2009, S. 26.

[68] Vgl. Europäisches Parlament und Rat der Europäischen Union 2009, S. 12.

[69] Vgl. Europäisches Parlament und Rat der Europäischen Union 2009, S. 29.

[70] Vgl. Europäisches Parlament und Rat der Europäischen Union 2009, S. 12.

[71] Vgl. Europäisches Parlament und Rat der Europäischen Union 2009, S. 12f.

[72] Vgl. Europäisches Parlament und Rat der Europäischen Union 2009, S. 13.

[73] Vgl. Europäisches Parlament und Rat der Europäischen Union 2009, S. 13, S. 29.

[74] Vgl. Europäisches Parlament und Rat der Europäischen Union 2009, S. 13.

[75] Vgl. Europäisches Parlament und Rat der Europäischen Union 2009, S. 14.

[76] Vgl. Europäisches Parlament und Rat der Europäischen Union 2011.

[77] Im Folgenden wird wo eine Unterscheidung nicht notwendig erscheint vereinfachend auf die Bezeichnung „EU-Rating-VO“ zurückgegriffen, womit die Gesamtheit der CRA I, II, und III gemeint sei.

Ende der Leseprobe aus 84 Seiten

Details

Titel
Rating-Agenturen und die globale Finanzmarktkrise. Sind die internationalen Regulierungen der letzten 10 Jahre tatsächlich wirksam?
Autor
Jahr
2019
Seiten
84
Katalognummer
V487795
ISBN (eBook)
9783960956068
ISBN (Buch)
9783960956075
Sprache
Deutsch
Schlagworte
Neue Institutionenökonomie, Ratingagenturen, Finanzmarktkrise, Wertpapiere, Europäische Union, Europäischer Rechnungshof, European Securities and Markets Authority, Credit Rating Agency
Arbeit zitieren
Julia Zerr (Autor:in), 2019, Rating-Agenturen und die globale Finanzmarktkrise. Sind die internationalen Regulierungen der letzten 10 Jahre tatsächlich wirksam?, München, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/487795

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