In der zweiten Hälfte der neunziger Jahre setzten die Aktienmärkte weltweit zu einem außerordentlichen Höhenflug an, der vor allem von Internet- und anderen Technologiefirmen getragen wurde, die oft nur wenige Monate nach ihrer Gründung an die Börse gingen und von den Anlegern begeistert aufgenommen wurden, obwohl ein großer Teil der Unternehmen tiefrote Zahlen bei marginalen Umsätzen schrieb. Insbesondere die Internetunternehmen verblüfften weniger durch reale Gewinne als durch die exorbitanten Kurszuwächse ihrer Aktien, die häufig mehrere hundert Prozent binnen weniger Monate betrugen. Henry Blodget, der Internetexperte des Investmenthauses Merrill Lynch, war sich wie viele andere Berater und Anleger dennoch sicher, dass die erstaunlichen Kursgewinne durch die sich bietenden Möglichkeiten der neuen Internetära gerechtfertigt waren. Die Entwicklung der Internetaktien könne zwar auch als Kursblase bezeichnet werden, aber im Vergleich zu früheren Aktienblasen sei es dieses Mal anders, denn es gebe gute fundamentale Gründe, Internetaktien zu kaufen. Die nachfolgenden Jahre zeigten, dass es auch dieses Mal nicht anders war als so viele Male zuvor. Die Aktienblase platzte, und in dem nachfolgenden Crash verloren viele der um die Jahrtausendwende hochgejubelten Hightech-Aktien mehr als 95% ihres Wertes, wenn sie nicht durch Insolvenz ganz vom Kurszettel verschwanden. Dem längsten Aktienboom des 20. Jahrhunderts folgte der längste und schlimmste Börseneinbruch seit 1929. Die ökonomische Standardtheorie, die davon ausgeht, dass freie Märkte immer zu effizienten Ergebnissen führen, unterstellt als eine Grundannahme, dass Menschen rational handeln und immer Kosten und Nutzen abwägen, woraus auch folgt, dass es nicht zu spekulativen Kursblasen, also einem deutlichen Abweichen der Preise von Wirtschaftsgütern von ihren fundamentalen Daten kommen kann. Die Ereignisse der letzten Jahre an den Weltbörsen lassen freilich grundsätzliche Zweifel daran aufkommen, ob sich Menschen auf Märkten immer rational verhalten und ob es wirklich keine spekulativen Kursblasen geben kann. Wie auch John K. Galbraith, der Autor des Standardwerks zum großen Crash von 1929 bemerkt, bereichert die Betrachtung der Wirtschaftsgeschichte die rein ökonomischen Analyse um neue und faszinierende Einsichten, denn sie zeigt, dass es immer wieder in den letzten Jahrhunderten Perioden gab, in denen irrationales Anlegerverhalten bei Aktien, Immobilien oder anderen Gütern zu Spekulationsblasen führte.
Inhaltsverzeichnis
- 1. Einführung
- 1.1. Einleitung
- 1.2. Der Forschungsstand
- 1.3. Die Unterscheidung zwischen spekulativen und politischen Crashs
- 1.4. Zielsetzung der Arbeit
- 1.5. Übersicht
- 2. Grundlagen des Börsenhandels und der Aktienbewertung
- 2.1. Die Aktie als Form der unternehmerischen Beteiligung
- 2.2. Die Börse als Handelsplatz
- 2.3. Der Marktmechanismus an der Börse
- 2.4. Der „faire“ Wert einer Aktie
- 2.4.1. Diskontierungsverfahren
- 2.4.2. Bewertungskennziffern
- 2.4.3. Die Rolle von Geld und Zinsen
- 3. Effiziente Märkte und irrationale Anleger
- 3.1. Die Effizientmarkthypothese
- 3.2. Kritik an der Effizienzmarkthypothese
- 3.3. Behavioral Finance als Erklärung für irrationales Verhalten
- 3.4. The Madness of Crowds
- 3.4.1. Aktieninvestment als soziale Handlung
- 3.4.2. Luftschlösser und Greater Fools
- 3.4.3. Rückkoppelungsschleifen oder die Börse als Ponzi-Spiel
- 3.4.4. Am Scheideweg - der „rechtzeitige“ Ausstieg vor dem Crash
- 3.5. Die Märkte auf lange Sicht
- 4. Die Indikatoren
- 4.1. Hausse und Baisse an der Börse
- 4.2. Indikator 1: Das „Neue Ära Denken“
- 4.3. Indikator 2: Die Fundamentaldaten
- 4.4. Indikator 3: Das Sentiment – Die Stimmung der Anleger
- 4.5. Das Zusammenspiel der Indikatoren
- 5. Die Roaring Twenties und der große Crash
- 5.1. Indikator 1: Das „Neue Ära Denken“ in den zwanziger Jahren
- 5.1.1. Politische und kulturelle Faktoren
- 5.1.2. Technische Innovationen
- 5.1.3. Der Wirtschaftsboom der zwanziger Jahre
- 5.1.4. Das „Neue Ära Denken“
- 5.2. Indikator 2: Die Börse und die Fundamentaldaten
- 5.2.1. Der Beginn der Hausse 1921 und die Entwicklung bis 1926
- 5.2.2. Das Entstehen der Kursblase und die Entwicklung bis 1929
- 5.2.3. Die fundamentale Bewertung der Aktien im Jahr 1929
- 5.3. Indikator 3: Die Stimmung der Anleger
- 5.3.1. Die Entwicklung des Aktienemissionsvolumen
- 5.3.2. Die Rolle der Wertpapierkredite in den zwanziger Jahren
- 5.3.3. Die Investment Trusts
- 5.3.4. Die Medien und die Meinung der Experten
- 5.4. Der Crash
- 6. Die goldenen Neunziger und das Platzen der Hightech Bubble
- 6.1. Indikator 1: Das „Neue Ära Denken“ in den neunziger Jahren
- 6.1.1. Politische und kulturelle Faktoren
- 6.1.2. Technische Innovationen
- 6.1.3. Der Wirtschaftsboom der neunziger Jahre
- 6.1.4. Das „Neue Ära Denken“
- 6.2. Indikator 2: Die Börse und die Fundamentaldaten
- 6.2.1. Der Beginn der Hausse 1982 und die Entwicklung bis 1994
- 6.2.2. Das Entstehen der Kursblase und die Entwicklung bis 1999
- 6.2.3. Die fundamentale Bewertung der Aktien zur Jahrtausendwende
- 6.3. Indikator 3: Die Stimmung der Anleger
- 6.3.1. Die Entwicklung des Aktienemissionsvolumen
- 6.3.2. Die Rolle der Wertpapierkredite in den neunziger Jahren
- 6.3.3. Die offenen Investmentfonds
- 6.3.4. Die Medien und die Meinung der Experten
- 6.4. Der Crash
Zielsetzung und Themenschwerpunkte
Diese Magisterarbeit untersucht die historischen Zusammenhänge zwischen Jahrhundert-Booms an der Börse und den nachfolgenden Crashs. Ziel der Arbeit ist es, die Gemeinsamkeiten und Unterschiede der beiden untersuchten Crashs, der „Roaring Twenties“ und der „Hightech Bubble“ der 1990er Jahre, aufzuzeigen und zu analysieren, wie diese Phänomene aus historischer Perspektive verstanden werden können.
- Das „Neue Ära Denken“ als Kennzeichen von Boomphasen
- Die Rolle von Fundamentaldaten und Marktmechanismen in der Entwicklung von Blasen
- Die Bedeutung des Anlegersentiments und irrationalen Verhaltens
- Die Auswirkungen von politischen und technologischen Entwicklungen auf die Börse
- Der Vergleich der beiden Crashs und die Suche nach allgemeingültigen Erkenntnissen
Zusammenfassung der Kapitel
- Kapitel 1: Einführung: Diese Einleitung präsentiert den Forschungsstand und die Zielsetzung der Arbeit. Es wird die Unterscheidung zwischen spekulativen und politischen Crashs erläutert und eine Übersicht über die folgenden Kapitel gegeben.
- Kapitel 2: Grundlagen des Börsenhandels und der Aktienbewertung: Dieses Kapitel erläutert die Funktionsweise der Börse und die verschiedenen Ansätze zur Bewertung von Aktien. Dabei werden die Aktie als Form der unternehmerischen Beteiligung, der Marktmechanismus, das Diskontierungsverfahren und Bewertungskennziffern vorgestellt.
- Kapitel 3: Effiziente Märkte und irrationale Anleger: Dieses Kapitel widmet sich dem Konzept der Effizientmarkthypothese und der Kritik daran. Behavioral Finance wird als Erklärung für irrationales Verhalten an der Börse vorgestellt. Es werden verschiedene Phänomene wie „The Madness of Crowds“, „Luftschlösser“ und „Greater Fools“ diskutiert.
- Kapitel 4: Die Indikatoren: Dieses Kapitel stellt die Indikatoren vor, die zur Erkennung von Boomphasen und Crashs dienen können. Es werden das „Neue Ära Denken“, die Fundamentaldaten und das Sentiment der Anleger als wichtige Indikatoren identifiziert.
- Kapitel 5: Die Roaring Twenties und der große Crash: Dieses Kapitel untersucht die „Roaring Twenties“ und den großen Crash von 1929 anhand der drei Indikatoren. Es werden die politischen und kulturellen Faktoren, die technischen Innovationen, der Wirtschaftsboom und das „Neue Ära Denken“ der zwanziger Jahre beleuchtet. Des Weiteren werden die Entwicklung der Börse und die Stimmung der Anleger in dieser Zeit analysiert.
- Kapitel 6: Die goldenen Neunziger und das Platzen der Hightech Bubble: Dieses Kapitel analysiert die „goldenen Neunziger“ und das Platzen der „Hightech Bubble“ anhand der drei Indikatoren. Es werden die politischen und kulturellen Faktoren, die technischen Innovationen, der Wirtschaftsboom und das „Neue Ära Denken“ der neunziger Jahre beleuchtet. Des Weiteren werden die Entwicklung der Börse und die Stimmung der Anleger in dieser Zeit analysiert.
Schlüsselwörter
Die wichtigsten Schlüsselwörter dieser Arbeit sind: Börsencrash, Jahrhundert-Boom, „Neue Ära Denken“, Fundamentaldaten, Anlegersentiment, Behavioral Finance, Effizienzmarkthypothese, Roaring Twenties, Hightech Bubble, Investment Trusts, Wertpapierkredite, Medien und Expertenmeinung.
- Arbeit zitieren
- Manuel Schramm (Autor:in), 2005, "Dieses Mal ist alles anders" - Der Jahrhundert-Boom und der nachfolgende Crash im historischen Vergleich, München, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/48836