Das mittelalterliche Nibelungenlied lässt sich wohl ohne Frage als einer der bedeutendsten Werke der mittelhochdeutschen Heldenepik bezeichnen. Seine mündlichen Überlieferungstraditionen reichen zurück bis in das heroische Zeitalter der germanischen Völkerwanderung und finden seine historischen Wurzeln wohl in der Zerstörung des Burgundenreiches um Worms herum in der Spätantike durch die Römer im Verbund mit den Hunnen. Ein Dichter wird nicht benannt und ist auch nicht über Sekundärquellen eindeutig identifizierbar. Dies entspricht der Tradition der Heldenepik, um das Prinzip der Mündlichkeit zu betonen. Der Stoff des Nibelungenlieds erfuhr nicht nur im Mittelalter eine weite Verbreitung auch über die deutschen Sprachgrenzen hinweg, sondern wurde im 18. und 19. Jahrhundert mehrfach rezipiert und sogar zum Nationalepos erhoben. Bis heute kennt man die Sage von Siegfried dem Drachentöter, sodass diese alte germanische Sage ihren Weg bis in die Filmindustrie des 21. Jahrhunderts fand.
Doch neben den Protagonisten des Epos, die nicht einfach zu definieren und abzugrenzen sind, gibt es auch noch etliche Nebencharaktere, deren Lebensläufe und Rollen sorgfältig konstruiert und in die Handlung eingearbeitet wurden, auch wenn sie selbst für den Fortgang der Haupthandlung nicht besonders relevant erscheinen. Einer dieser Charaktere ist Rüdiger von Bechelaren, ein Vasall Etzels, der in drei Aventiuren des zweiten Teils erscheint und dabei jeweils zentrale Rollen einnimmt. Im Gegensatz zum Stoff des Nibelungenliedes sind seine historischen Wurzeln in der Forschung stark umstritten, wobei die Tendenz eher dahingeht, dass der Dichter keine historische Person als Vorbild wählte. Geschickt wird der Gewissenskonflikt des "vollkommenen Ritters" Rüdiger Schritt für Schritt aufgebaut und der Leser, der das Ende Rüdigers bereits früh erahnt, muss mit ansehen, wie Rüdiger unwissend, aber konsequent seinem Tod entgegensteuert.
Die Ursache für Rüdigers Tod liegt in einem Loyalitätskonflikt zwischen Etzel und Kriemhild auf der einen und der Freundschaft zu den Burgunden auf der anderen Seite. Das Zustandekommen dieses Konfliktes, dessen Ausmaße und Verflechtungen, sowie die Beantwortung der Frage, warum sich Rüdiger letzten Endes für Etzel und Kriemhild und gegen die Burgunden entscheidet, sollen im Folgenden herausgearbeitet werden.
Inhaltsverzeichnis
- Einleitung
- Rüdiger der Vasall und Brautwerber
- Rüdiger der Gastgeber und Schwiegervater
- Rüdigers Konflikt und Tod
- Zusammenfassung
Zielsetzung und Themenschwerpunkte
Die Arbeit untersucht den tragischen Loyalitätskonflikt des Ritters Rüdiger von Bechelaren im Nibelungenlied. Sie analysiert Rüdigers Rolle als Vasall, Brautwerber und Gastgeber und beleuchtet die Herausforderungen, die sich aus seinen widersprüchlichen Loyalitäten zu Etzel, Kriemhild und den Burgunden ergeben.
- Rüdigers Loyalität zu Etzel und Kriemhild als Vasall und Brautwerber
- Die Entstehung des Konflikts zwischen Rüdigers Loyalitäten
- Rüdigers Rolle als Gastgeber und die Bewirtung der Burgunden
- Die Folgen des Konflikts für Rüdiger
- Die Darstellung des Ideals des „vollkommenen Ritters“ im Nibelungenlied
Zusammenfassung der Kapitel
Die Arbeit beginnt mit einer Einführung in die Figur Rüdigers und die historische und literarische Bedeutung des Nibelungenliedes. Das zweite Kapitel analysiert Rüdigers Rolle als Brautwerber und Vasall, die ihn in einen Loyalitätskonflikt zwischen Etzel und Kriemhild auf der einen Seite und den Burgunden auf der anderen Seite verwickelt. Das dritte Kapitel beleuchtet Rüdigers Rolle als Gastgeber und die Bewirtung der Burgunden, wobei die Spannungen und Unsicherheiten innerhalb der Gesellschaft deutlich werden. Das vierte Kapitel behandelt Rüdigers Konflikt und Tod, der auf die unlösbaren Widersprüche seiner Loyalitäten zurückzuführen ist.
Schlüsselwörter
Die Arbeit beschäftigt sich mit den Schlüsselbegriffen Loyalitätskonflikt, Vasallentum, Brautwerbung, Gastfreundschaft, Ritterideal, Nibelungenlied, Rüdiger von Bechelaren, mittelalterliche Heldenepik.
- Quote paper
- Andreas Schumacher (Author), 2016, Rüdiger von Bechelaren. Ein tragischer Loyalitätskonflikt im Nibelungenlied, Munich, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/489203