Kritische Analyse zur Monographie von Joel F. Harrington "Die Ehre des Scharfrichters – Meister Frantz oder ein Henkersleben im 16. Jahrhundert"

Monographieanalyse


Rezension / Literaturbericht, 2017

19 Seiten, Note: 2,0


Leseprobe


Inhaltsverzeichnis

1. Einleitung

2. Forschungsdesign und Grundlegendes

3. Inhaltlicher Bericht

4. Kritik und Einordnung in den Forschungsdiskurs

5. Fazit

Literaturverzeichnis

1. Einleitung

Das Werk „Die Ehre des Scharfrichters“ von Joel F. Harrington, erzählt die Geschichte von Frantz Schmidt, eines Henkers aus dem 16. Jahrhundert aus der Freien Reichsstadt zu Nürnberg. Bis zum Ende seiner Karriere folterte und verstümmelte der Scharfrichter unzählige Menschen und vollstreckte 394 Hinrichtungen. Während seiner Berufstätigkeit von 45 Jahren fertigte Meister Frantz eine Art Tagebuch an, in dem er sein Leben als Henker sachlich dokumentierte. Diese Quelle nutzte der Autor, Joel F. Harrington. Zum Einen, um einen detailgenauen Einblick in das Leben des Henkers Frantz Schmidt, und somit in das Leben eines Henkers im 16. Jahrhundert, zu geben. Zum anderen, um „[...] die Reflexion über die menschliche Natur und den gesellschaftlichen Fortschritt[...]“1 dieser Zeit zu eruieren. Harrington untersucht mit Hilfe der Quelle und umfangreicher Forschungen, welche Beweggründe es für den gesellschaftlichen Wandel, weg von gerichtlicher Gewalt durch Folter und Hinrichtung, gab. Neben den sozialwissenschaftlichen Aspekten, legt der Autor jedoch ein großes Augenmerk auf das individuelle Dasein des Scharfrichters, auf sein Denken, sein Gefühlsleben und auf seinen unentwegten Kampf die Ehre seiner Familie wiederherzustellen.2

Joel F. Harrington lehrt als Professor für Europäische Geschichte an der Vanderbilt University und hat sich auf die Sozialgeschichte Deutschlands in den Epochen der Reformation und der Frühen Neuzeit spezialisiert. Er war unter anderem Gastprofessor an der Universität Erlangen-Nürnberg.3

Das Ziel dieser Arbeit ist es, die vorliegende Monographie kritisch zu analysieren und zu würdigen. Zum Einstieg wird der bisherige Forschungsstand skizziert und die Quellengrundlage, sowie die Methoden des Autors und die Struktur des Buches vorgestellt. Darauf folgt ein inhaltlicher Bericht, welcher die wichtigsten Teilergebnisse der Studie vorstellt. Im Anschluss wird die Monographie, unter Hilfenahme verschiedener Rezensionen, in den Forschungsdiskurs eingeordnet. Ein Fazit mit kritischer Würdigung wird die Arbeit abschließen.

2. Forschungsdesign und Grundlegendes

Im folgenden Kapitel wird die Struktur des Buches und die Methoden des Autors beschrieben, sowie die Quelle genauer definiert und der Forschungsstand vorgestellt. Das Buch besteht aus fünf Kapiteln, die jeweils in kleinere Teilkapitel unterteilt sind, sowie einem Vorwort, in dem der Autor in das Thema und seine Forschung einführt. Und einem Epilog, welcher die Arbeit zusammenfassend abschließt. Die Kapitel führen chronologisch durch die verschiedenen Lebensabschnitte des Nürnberger Scharfrichters und werden dabei in den historischen Kontext der Gesellschaft der Frühen Neuzeit eingeordnet. Die englischsprachige Originalausgabe erschien 2013 unter dem Titel „The Faithful Executioner. Life, Death, Honor and Shame in the Turbulent Sixteenth Century“. Die deutschsprachige Ausgabe erschien 2014.

Die grundlegende Quelle der Monographie bildet das Arbeitstagebuch des Meisters Frantz. Es beinhaltet jede Handlung seines 45-jährirgen Berufslebens, von 1573 bis 1618. Nach seinem Tod entstanden, auf Grundlage des inzwischen verlorengegangenen Originals, mindestens fünf Abschriften. 1801 und 1913 erschienen erstmals zwei gedruckte Exemplare, sowie eine gekürzte Version aus dem Jahre 1928. Später folgten weitere Auflagen der beiden deutschsprachigen Versionen. Dem Autor fiel das Tagebuch erstmals in einer Buchhandlung in Nürnberg in die Hände. Dies verleitete den Wissenschaftler dazu das Buch zu nutzen, um die vier Jahrhunderte alte Lebensgeschichte des Verfassers zu rekonstruieren und sie in die Gegebenheiten und Umstände der Gesellschaft jener Zeit einzubetten. Dabei merkt der Autor jedoch selber an, dass Frantz Schmidt nicht der einzige Henker der damaligen Zeit war, welcher sein Tagewerk dokumentierte. Jedoch der Einzige, der es in dieser Sorgfalt und über einen so bemerkenswert langen Zeitraum hinweg tat. Harrington verglich während seiner Studie die verschiedenen Texteditionen, um ein genaueres Bild über die wahre Intention des ursprünglichen Verfassers zu erschließen und die später hinzugefügten Details der Editoren herauszufiltern. Er geht davon aus, dass die ursprüngliche Version nicht zur Veröffentlichung für die Nachwelt gedacht war.4

Harrington nutzt jedoch weniger eigene unerforschte Quellen, um die Gesellschaft der Frühen Neuzeit darzustellen, als vielmehr bereits publiziertes Wissen. Über das Leben des 16. Jahrhunderts, aber auch speziell über Henkersfamilien in dieser Zeit, gibt es bereits zahlreiche Veröffentlichungen. Auch einige Versionen der Abschriften wurden Auszugsweise in wissenschaftlichen Forschungen behandelt.5

Den roten Faden, welcher den Leser durch das Buch begleitet, bildet die Frage, wie es dem Protagonisten gelang die Ehre seiner Familie wiederherzustellen. Harrington zieht bei seinen Erklärungen immer wieder Vergleiche durch Daten und Fakten zwischen der heutigen und der damaligen Gesellschaft. Wie veränderte sich ihre Sichtweise und warum? Dabei gleicht das Werk eher einer biographischen Nacherzählung. Eine spezifische Fragestellung, sowie eine klassische Argumentationsstruktur lassen sich dabei nicht erkennen. Als weitere Quelle und gleichzeitig als Grundlage seiner These, Frantz und sein Vater hätten sich zur Lebensaufgabe gemacht die Familienehre wiederherzustellen, dient die Bittschrift, die Frantz Schmidt an Kaiser Ferdinand II. verfasste. Diese These kann jedoch nicht eindeutig belegt werden und beruht weitgehend auf Spekulationen des Autors. Unterstützt wird die Monographie durch vom Autor ausgewählte Zitate und Illustrationen, welche der Veranschaulichung von bestimmten Sachverhalten dienen. Das folgende Kapitel beinhaltet einen inhaltlichen Bericht der Monographie, welcher die wichtigsten Teilergebnisse der Studie vorstellt.

3. Inhaltlicher Bericht

Im ersten Kapitel, mit dem Titel der „Lehrling“, wird über die Kindheit und Jugend, sowie die Gegebenheiten, wie Meister Frantz zu seinem Beruf kam, berichtet. Ebenfalls werden sozialgeschichtliche Aspekte über die Umstände des Lebens im 16. Jahrhundert dargelegt.6

Die Menschen der Frühen Neuzeit lebten unter der ständigen Angst vor natürlichen und übernatürlichen feindlichen Kräften, vor oftmals tödlich endenden Krankheiten und Seuchen und vor übermäßiger Gewalt und Gefahr durch die Böswilligkeit oder Fahrlässigkeit der Mitmenschen. Durch viele Fehl- und Todgeburten, die hohe Kindersterblichkeitsrate, massiv grassierende Seuchen und Krankheiten und existenzbedrohende Missernten, ausgelöst durch die extreme Witterung zu dieser Zeit, stieg der Hunger und die Not der damaligen Bevölkerung exponentiell, was zu einem hohen Maße an Kriminalität in allen Bereichen führte. Somit wurde das Leben von einer stetigen Angst begleitet, ausgelöst durch traumatische Erlebnisse. Diese frühzeitlichen Lebensumstände der Bevölkerung können natürlich nicht die vollständige Erklärung für die ausgeprägt grausamen Maßnahmen der Obrigkeit der damaligen Zeit sein. Jedoch die zwar dankbare aber auch abneigende Haltung gegenüber der Scharfrichter verständlich machen. Der Wunsch nach Sicherheit, Recht und Ordnung war groß und die weltlichen Obrigkeiten teilte diesen, sowohl aus dem Grund, ihre Bevölkerung zu schützen, als auch um ihre Autorität zu sichern. Die pedantische Verfolgung von Straftaten war die effektivste Methode, um die vorherrschende Regierung zu etablieren und legitimieren. Um dies zu erreichen, war die Tätigkeit des Scharfrichters obligat für die Gesellschaft und ihre Ordnung der damaligen Zeit. Die „Ritualisierte Gewalt“7 des Scharfrichters erfüllte den Wunsch nach Vergeltung, bekämpfte die Gefahr, welche von dem Verbrecher ausgegangen war und zeigte eine im hohen Maße abschreckende Wirkung. Die oft aufwendig inszenierten und zumeist grausamen öffentlichen Hinrichtungen verliehen den Anschein einer intakten gerechten und sicheren Gesellschaft. 8 Zusätzlich sollte der Beruf des Scharfrichters dafür sorgen, die Ausübung von Blutrache einzudämmen, wie sie seit den Tagen des römischen Reiches praktiziert wurde.9

In dieser extrem standesbewussten Gesellschaft bemühten sich Frantz und sein Vater ein Leben lang, ihre Familie des ausgestoßenen Standes der Scharfrichterfamilien, wieder in die Gesellschaft einzugliedern.10 Wie es zu dieser Zeit üblich war, gab es für Frantz Schmidt keine Möglichkeit einen anderen Beruf als den des Schafrichters zu erlernen und so wurde die Ausgrenzung und damit einhergehende lebenslange Erniedrigung über Generationen weitergegeben. 11 Durch eine unglückliche Begebenheit, wurde Frantzens Vater Heinrich Schmidt, aus dem Leben eines ehrbaren und angesehenen Försters, zum verhängnisvollen Schicksal eines Scharfrichters degradiert. Er ging ebenfalls der traditionelle Nebentätigkeit des Wunderheilers nach, wie es für Scharfrichter der damaligen Zeit oft üblich war.12 Die Entstehung eines globalen Marktes in der zweiten Hälfte des 16. Jahrhunderts, sorgte für schwerwiegende Folgen für die traditionellen Handwerksberufe und deren Produkte.13

Zusätzlich wurde das Leben für die weniger angesehenen Berufe, durch die strenge soziale Rangordnung der Gesellschaft, beeinträchtigt. An Festtagen oder beliebigen gesellschaftlichen Anlässen wurde Familien, wie die von Frantz, ausdrücklich die Teilnahme untersagt.14

Im Spätmittelalter kam es zu einer Art Intervention der Obrigkeit in der Strafjustiz.

Ihre Souveränität wurde dadurch gestärkt, dass bisher privat geregelte Sachverhalte nun durch Vorschriften geregelt wurden. Dies sollte dafür sorgen die Rechtsprechung zu sichern und der Stadt zu einer höheren Produktivität und einem größeren Handlungsspektrum zu verhelfen. Ein weiteres Element dieser Intervention war eine junge Generation akademisch geschulter und reformorientierter Juristen, welche den Gesetzesapparat umstrukturierten und ihm mehr Komplexität und Professionalität verliehen. Die Anstellung, als ständiger städtischer und ausgebildeter Angestellter, wertete das Ansehen und die Stellung des Henkers zumindest theoretisch etwas auf und stärkte seine Legitimität. Zusätzlich unterstütze es das Gefühl der Sicherheit vor Ort. Dies war jedoch nicht in jeder deutschen Stadt der Fall. Bis ins 18. Jahrhundert arbeiteten Henker auf Honorarbasis. Der Fürstbischof von Bamberg und die Reichstadt Nürnberg, welche Frantzens Arbeitgeber waren, setzten sich jedoch schon früh für die Etablierung des neuen deutschen Stadtrechts und somit für die Einführung eines ständig angestellten Schafrichters ein. Das durch diese Bewegung etablierte Gesetzesbuch nannte sich Carolina und vereinte das innovative, einheitliche römische Recht der neuen Juristen mit der misstrauischen und eher konservativen Haltung der weltlichen Obrigkeit, gegenüber neuen Gesetzen.15

Die Vorstellung einer Strafe durch Verbannung oder langjährige Haft erschienen den damaligen Gesellschaft als zu grausam und kostspielig und sorgte dafür, dass der Beruf des Henkers noch mehrere Jahrhunderte erhalten blieb. Zusätzlich machte das neue Gesetzbuch das Gewerbe des Meisters Frantz und seinen Berufsgenossen zu einem unverzichtbaren Element des Gerichtssystems.

[...]


1 Harrington, Joel F., Die Ehre des Scharfrichters. Meister Frantz oder ein Henkersleben im 16. Jahrhundert. München 2014: S. 22.

2 Ebd.: S. 9-24.

3 Bio of Joel F. Harrington, URL: https://divinity.vanderbilt.edu/people/bio/joelf-harrington [letzter Zugriff: 25.09.2017].

4 Harrington 2014: S. 13-18.

5 Groebner, Valentin, Rezension zu: Die Ehre des Scharfrichters. Meister Frantz oder ein Henkersleben im 16. Jahrhundert, in Frankfurter Allgemeine Zeitung. 09.07.2014; Kästner, Alexander, Rezension zu: Joel F. Harrington, Die Ehre des Scharfrichters. Meister Frantz oder ein Henkersleben im 16. Jahrhundert, in: Zeitschrift für Historische Forschung, Bd.: 42, 2015, S. 785-787; Kürbis, Holger, Rezension zu: Joel F. Harrington, Die Ehre des Scharfrichters. Meister Frantz oder ein Henkersleben im 16. Jahrhundert, in: Zeitschrift für Geschichtswissenschaft, Bd.: 7/8, 2014, S. 945-947.

6 Harrington 2014: S. 27-81.

7 Ebd.: S. 42.

8 Ebd.: S.29-42.

9 Ebd.: S. 57.

10 Ebd.: S. 45.

11 Ebd.: S 72.

12 Ebd.: S. 45-51.

13 Ebd.: S. 53-54.

14 Ebd.: S. 54-56.

15 Ebd.: S. 58-61.

Ende der Leseprobe aus 19 Seiten

Details

Titel
Kritische Analyse zur Monographie von Joel F. Harrington "Die Ehre des Scharfrichters – Meister Frantz oder ein Henkersleben im 16. Jahrhundert"
Untertitel
Monographieanalyse
Hochschule
Universität Bielefeld
Note
2,0
Autor
Jahr
2017
Seiten
19
Katalognummer
V489923
ISBN (eBook)
9783668971691
ISBN (Buch)
9783668971707
Sprache
Deutsch
Schlagworte
Monographieanalyse, Analyse Monographie, Die Ehre des Scharfrichters, Meister Frantz oder ein Henkersleben im 16. Jahrhundert, Joel F. Harrington
Arbeit zitieren
Paulina Tiepermann (Autor:in), 2017, Kritische Analyse zur Monographie von Joel F. Harrington "Die Ehre des Scharfrichters – Meister Frantz oder ein Henkersleben im 16. Jahrhundert", München, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/489923

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