Die Beziehung zwischen Haupt- und Ehrenamtlichen stellt das Personalmanagement vor grosse Herausforderungen, welche nur mit fundiertem Wissen über die Eigenarten der beiden Beschäftigungsarten und deren Interaktionen gemeistert werden können. In der Literatur fehlt jedoch ein Überblick über die bestehenden Erkenntnisse. Dieses Buch versucht, diese Lücke zu schliessen. Ein "State of the art".
Inhalt:
II.Abbildungsverzeichnis
III Tabellenverzeichnis
IV Abkürzungsverzeichnis
1 Einleitung
1.1 Problemstellung
1.2 Zielsetzungen
1.3 Aufbau der Arbeit
2 Begriffsabgrenzung
2.1 Definition Nonprofit-Organisation
2.2 Definition Ehrenamt
2.3 Definition Hauptamt
3 State of the art
4 Hauptamt vs. Ehrenamt
4.1 Motivation und Entlohnung
4.1.1 Motivation und Entlohnung von Ehrenamtlichen
4.1.1.1 Motivation aus Eigennutz
4.1.1.2 Gemischte Motivation
4.1.1.3 Entlohnung von Ehrenamtlichen
4.1.2 Motivation und Entlohnung von Hauptamtlichen
4.2 Einsatzgebiete haupt- und ehrenamtlicher Mitarbeiter
5 Das Verhältnis zwischen ehren- und hauptamtlichen Mitarbeitern in NPO
5.1 Chancen
5.2 Konflikte
5.2.1 Strukturinduzierte Konflikte
5.2.1.1 Unklare Auftrags- und Kompetenzabgrenzungen
5.2.1.2 Arbeitsplatzbedrohung
5.2.1.3 Motivations- und Entlohnungskonflikte
5.2.1.4 Formalisierung
5.2.1.5 Informationsverteilung
5.2.1.6 Verfügbarkeit und Qualifikation
5.2.1.7 Hierarchisch bedingte Konflikte
5.2.2 Verhaltensinduzierte Konflikte
5.3 Lösungsansätze
6 Weitere Forschung
7 Schlussfolgerungen
V.Anhang
VI Literaturverzeichnis
II.Abbildungsverzeichnis
Abbildung 1: Formen gemeinwohlorientierten Engagements
Abbildung 2: Anteil Haupt- und Ehrenamtlichen in NPO (Durchschnitt von 35 Staaten)
Abbildung 3: Stellenwert des Einsatzes von Motivationsinstrumenten aus Sicht der Verbandsführung
Abbildung 4: Beziehungstypen zwischen Haupt- und Ehrenamt
Abbildung 5: Ist- und Soll-Zustand der haupt- und ehrenamtlichen Tätigkeitsfelder
Abbildung 6: Typologie der Freiwilligenarbeit
Abbildung 7: Einsatzgebiete bezahlter und unbezahlter Mitarbeiter in NPO
Abbildung 8: Vergleich zwischen ehrenamtlichen und hauptamtlichen Mitarbeitern im Hinblick auf ihre altruistischen und egoistischen Erfahrungen.
Abbildung 9: Problemzonen des Phänomens Ehrenamt
III Tabellenverzeichnis
Tabelle 1: Literatur zum Verhältnis zwischen HA und EA
Tabelle 2: Vor- und Nachteile Ehrenamtlicher
Tabelle 3: Konflikte zwischen EA und HA aus der Sicht der EA
Tabelle 4: Unterschiede zwischen Ehrenamtlichen und Freiwilligen
Tabelle 5: Vor- und Nachteile Haupt- und Ehrenamt
Tabelle 7: Motivation und Rahmenbedingungen Haupt- und Ehrenamtlicher
Tabelle 8: Studien über Lohnunterschiede zwischen Angestellten von FPO und NPO
IV Abkürzungsverzeichnis
Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten
1 Einleitung
Nonprofit-Organisationen (NPO) sind oft Dienstleistungsbetriebe und das Personal, welches die Leistungen erbringt, ist von besonderer Bedeutung. Um die Wichtigkeit der NPO als Arbeitgeber und für die Volkswirtschaft zu zeigen, sollen an dieser Stelle einige Zahlen genannt werden: In der Schweiz hatten sich z.B. im Jahre 2000 ca. 1,5 Millionen Menschen bzw. jede vierte Person ab 15 Jahren für mindestens eine ehrenamtliche Tätigkeit in einer NPO engagiert.[1] Dabei beträgt der durchschnittliche Zeitaufwand pro ehrenamtlich Arbeitenden im Monat rund 14 Stunden. Der Wert der gesamten ehrenamtlichen und gemeinnützigen Tätigkeiten in der Schweiz beläuft sich auf ca. CHF 10 Mrd.[2] International gesehen werden durchschnittlich rund 4,4 % (davon 2,8 % hauptamtlich und 1,6 % ehrenamtlich) der Gesamtbeschäftigung durch NPO angeboten. In Belgien, Irland und Holland beträgt der Anteil sogar mehr als 10 % der Gesamtbeschäftigung.[3]
1.1 Problemstellung
Das Personal in NPO setzt sich aus einem grossen Spektrum unterschiedlicher Personaltypen zusammen.[4] Neben den auch in Forprofit-Organisationen (FPO) anzutreffenden Typen, ist ein besonderes Charakteristikum vieler Organisationen die gleichzeitige Beschäftigung bezahlter und unbezahlter Mitarbeiter/innen.[5]
Am Anfang der Gründungsgeschichte ist vorwiegend die ehrenamtliche Arbeit ein treibender Faktor für das Wachstum der NPO.[6] Viele kleine NPO sind bis zu einer gewissen Grösse in der Lage, ihre Aufgabenbereiche ausschliesslich mit ehrenamtlichen Arbeitskräften zu decken.[7] Die Leistungserstellung auf freiwilliger und unbezahlter Basis scheint jedoch zunehmend an ihre Grenzen zu stossen: Verschiedene Autoren weisen auf den Trend einer Professionalisierung hin, was als zunehmender Einsatz bezahlter Fachkräfte verstanden wird.[8] Durch diesen Druck zur Professionalisierung und durch die gemischte Personalstruktur, ist das Konfliktpotential in NPO gross.[9] Unterschiedliche Ziele, Einstellungen, Werte und Normen, Persönlichkeitsvariablen, Informationen und Sachzwänge, sowie Organisationsstrukturen und -systeme können generelle Konflikte zwischen Haupt- und Ehrenamtlichen auslösen.[10] Zusätzlich unterscheiden sich Hauptamtliche und Ehrenamtliche durch ihre Antriebsfelder. So steht bei den Hauptamtlichen die Einkommenserzielung im Vordergrund, bei Ehrenamtlichen vor allem „die Nutzenstiftung auf Basis einer intrinsischen Motivation“[11]. Aus diesem Grund, und auf Grund unterschiedlicher Qualifikationen und Einsatzmöglichkeiten können zusätzliche, spezifische Konflikte entstehen.[12] Die effiziente Zusammenarbeit gewinnt im Konkurrenzkampf um ehrenamtliche Ressourcen im Nonprofit-Sektor immer mehr an Bedeutung.[13] Es ist deshalb elementar, die Unterschiede der beiden Arbeitsformen in der Organisation zu kennen. Die besondere Herausforderung, und zugleich auch Chance, liegt in der Gestaltung einer effizienten Zusammenarbeit zwischen haupt- und ehrenamtlichen Mitarbeiter/innen.
1.2 Zielsetzungen
Die Beziehung zwischen Haupt- und Ehrenamtlichen stellt das Personalmanagement vor grosse Herausforderungen, welche nur mit fundiertem Wissen über die Eigenarten der beiden Beschäftigungsarten und deren Interaktionen gemeistert werden können. In der Literatur fehlt jedoch der Überblick über die bestehenden Erkenntnisse.
Für diese Arbeit lassen sich somit die folgenden vier Zielsetzungen definieren:
Diese Arbeit soll die Unterschiede zwischen Haupt- und Ehrenamtlichen bezüglich Motivation, Entlohnung, Einstellung, Verfügbarkeit und Einsatzmöglichkeiten aufzeigen.
Sie versucht dabei, einen möglichst umfassenden Überblick über die bestehende Literatur im Bereich Zusammenarbeit zwischen Haupt- und Ehrenamt zu geben.
Die Chancen und Konflikte in der Beziehung zwischen Haupt- und Ehrenamtlichen sollen erläutert werden.
Das Aufzeigen von Möglichkeiten zur Gestaltung der Beziehung zwischen den beiden Gruppen, stellt die vierte Zielsetzung dar.
1.3 Aufbau der Arbeit
Die vorliegende Arbeit baut sich wie folgt auf:
In Kapitel zwei erfolgen die Definitionen der für diese Arbeit relevanten Begriffe. Das Kapitel drei ist dem aktuellen Stand der Forschung gewidmet und zeigt die zu diesem Thema vorhandene Literatur. Im anschliessenden Kapitel vier folgen Ausführungen zu ausgewählten Motivationstheorien und die Gegenüberstellung von Haupt- und Ehrenamt bezüglich Motivation, Entlohnung und Einsatzgebiet. Kapitel fünf beinhaltet den Kern der Arbeit: Unter Verwendung der bisherigen Ausführungen wird das Verhältnis zwischen haupt- und ehrenamtlichen Mitarbeitern ausführlich dargestellt und erklärt. Die Chancen und Konfliktfelder in der Beziehung zwischen Haupt- und Ehrenamt werden dabei in unterschiedlichen Unterkapiteln genauer untersucht. Kapitel 5.3 präsentiert einige Lösungsvorschläge für das Konfliktmanagement. Kapitel sechs zeigt weitere Forschungsmöglichkeiten auf und mit den Schlussfolgerungen in Kapitel sieben wird die Arbeit abgerundet.
Im Sinne einer höheren Leserfreundlichkeit werden in der vorliegenden Arbeit die weiblichen Endformen jeweils weggelassen. Selbstverständlich sind jedoch in allen Fällen sowohl männliche als auch weibliche Personen gemeint.
2 Begriffsabgrenzung
In der Literatur werden dieselben Begriffe oft mit unterschiedlichen Deutungen versehen oder unterschiedliche Begriffe für die gleichen Eigenschaften verwendet. Für den Bereich der (weitgehend) unbezahlten, freiwilligen Tätigkeit z.B., existieren eine Fülle von unterschiedlichen Begriffen und uneinheitlichen Definitionen.[14] Deshalb scheint eine Begriffsabgrenzung sinnvoll und unumgänglich.
2.1 Definition Nonprofit-Organisation
Die Bezeichnung Nonprofit-Organisation wird für Organisationen verwendet, welche nicht profitorientiert sind. Sie unterscheiden sich vom dritten Sektor vor allem durch die Beschäftigung von unbezahlten, freiwilligen Mitarbeitern.[15] Im Folgenden werden in Anlehnung an SCHWARZ, PURTSCHERT und GIROUD, Organisationen als private NPO bezeichnet, welche
eine private Trägerschaft (z.B. ein Verein oder eine Stiftung) und
eine mitgliedschaftliche Struktur haben,
bedarfswirtschaftliche Ziele verfolgen,
die Interessen der Mitglieder oder Klienten gegenüber dem Staat oder anderen Organisationen vertreten,
Dienstleistungen für einzelne Personen und die Gesellschaft erbringen und
ehrenamtliche Mitarbeiter in ihren Reihen beschäftigen.[16]
2.2 Definition Ehrenamt
Im Gegensatz zur Definition der NPO, erweist sich eine eindeutige Definierung des Begriffes Ehrenamt als schwierig. Auch BEHER, LIEBIG und RAUSCHENBACH fanden weder in theoretischer, noch in empirischer Literatur eine allgemein anerkannte Definition für den Begriff Ehrenamt.[17] Grundsätzlich erfolgt die Definition des Ehrenamtes aus der Unterordnung zur Freiwilligenarbeit (siehe Anhang Abb. 6).[18] Trotzdem entstehen beim Versuch einer klaren Zuordnung Problemzonen und Überschneidungen (siehe Anhang Abb. 9). Abb. 1 zeigt eine ausführliche Unterteilung der Formen gemeinwohlorientierten Engagements und den, mit einer Hervorhebung markierten, für diese Arbeit relevanten Bereich.
Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten
Abbildung 1: Formen gemeinwohlorientierten Engagements
Quelle: BEHER/LIEBIG/RAUSCHENBACH (1999) S. 146
BEHER, LIEBIG und RAUSCHENBACH definieren den Begriff des Ehrenamtes anhand verschiedener Dimensionen. Er positioniert sich zwischen:
Unbezahlter und bezahlter Arbeit
Geringem und erheblichem zeitlichen Engagement
Engagement für sich und für andere
Engagement innerhalb und ausserhalb des sozialen Nahraums
Arbeit mit oder ohne organisatorische Anbindung
Selbstbestimmtes Engagement und Übertragung von hoheitlichen Aufgaben
Arbeit mit und ohne Qualifikation
Personen- und sachbezogener Arbeit
Einfacher Mitgliedschaft und tätigem Engagement
Formal und nicht formal legitimierten Funktionen.[19]
Diese sehr breite Definition wird in den meisten Publikationen in diversen Dimension stärker eingeschränkt. Als eine Zusammenfassung der am häufigsten verwendeten Definitionen soll das Ehrenamt fortan als konkrete Tätigkeit definiert sein, die
freiwillig und
ohne regelmässiges Einkommen
für einen externen Nutzen für Dritte oder die Gesellschaft,
im Rahmen einer Organisation,
häufig mit zeitlich beschränktem Einsatz und
ohne zwingend fachspezifische Ausbildung
erbracht wird.[20]
Dabei ist der freie Wille des Individuums zur Ausübung und Aufrechterhaltung der Tätigkeit von besonderer Bedeutung. Die Person darf weder beruflich zu dem Engagement verpflichtet, noch durch einen monetären Geldfluss motiviert werden, der ihren Aufwand kompensiert und ein regelmässiges Einkommen garantiert.[21] So bezeichnet GOLL Ehrenamtliche als nebenberufliche Nicht-Arbeitnehmer, da kein rechtlicher Arbeitsvertrag zwischen der Person und der Organisation besteht.[22]
Der Begriff Ehrenamt lässt auf ein Amt schliessen, in das man gewählt oder dafür ernennt werden muss.[23] In der Literatur wird sehr oft nicht zwischen Ehrenamt und Freiwilligen unterschieden, weil Ehrenamtliche immer auch Freiwillige sind.[24] So versteht z.B. auch BADELT ehrenamtliche Arbeit in erster Line als Arbeitsleitung, „der kein monetärer Gegenfluss gegenübersteht, die also nicht mit Geld bezahlt wird“[25]. Gemäss WINKLER und einer Studie von WENG bestehen jedoch durchaus gewisse Unterschiede zwischen Ehrenamtlichen und Freiwilligen (siehe Anhang Tab. 4).[26] So erhalten Ehrenamtliche z.B. durch eine Wahl ihr Amt und führen z. T. eine Führungsfunktion aus, während Freiwillige ohne offizielle Wahl für die Leistungsebene engagiert werden.[27].
In dieser Arbeit werden im Folgenden die spezifischen Eigenschaften des Amtes nur dann ausgeführt, wenn dadurch eine andere Betrachtungsmöglichkeit entsteht.
2.3 Definition Hauptamt
Das Hauptamt grenzt sich vom Ehrenamt durch eine vertragliche Vereinbarung zwischen der Organisation und der Person und durch den Aspekt der Einkommenserzielung ab.[28] Hauptamtliche müssen mit ihrer Tätigkeit Einkommen erzielen, um ihren Lebensunterhalt sichern zu können.[29]
Gemäss dem Schweizerischen Obligationenrecht sind die Voraussetzungen für die Entstehungen eines Einzelarbeitsvertrages die Verpflichtung zur Entrichtung eines Lohnes seitens des Arbeitgebers und zur Leistung von Arbeit seitens des Arbeitnehmers.[30] Personen, die freiwillig Leistungen erbringen, ohne sich vertraglich dazu verpflichtet zu haben, sind somit nicht Hauptamtliche.
3 State of the art
Für diese Arbeit wurden zuerst zwölf wissenschaftliche Zeitschriften untersucht. Mit dem Einbezug von gegen 50 Büchern und einer umfassenden Internet-Recherche wurde versucht, die dünne Literaturbasis entsprechend zu ergänzen. Es kann nun gesagt werden, dass fundierte empirische Studien über die Problemfelder zwischen Haupt- und Ehrenamt weitgehend fehlen. Der Grossteil der Aussagen in der Literatur basieren nicht auf eigenen, sondern auf wenigen fremden Studien.
Bisher wurde vor allem die Motivation von Ehrenamtlichen in der Literatur ausführlich diskutiert. Häufig konzentrierte sich die Forschung auf spezifische NPO-Bereiche mit z. T. widersprüchlichen Ergebnissen. Eine Verallgemeinerung erweist sich unter diesen Umständen als schwierig, ein globaler Überblick über die bisherigen Studien fehlt. Behindert wird ein Überblick durch die unterschiedlichen Charakteristika der verschiedenen NPO-Typen und der schon angedeuteten Begriffsproblematik. Dies kritisieren auch BEHER, LIEBIG und RAUSCHENBACH in ihrem sekundäranalytischen Vergleich zum Begriff des Ehrenamtes.[31] Als weiteres Hindernis für eine Verallgemeinerung kommt die Parteinahme vieler Autoren für oder gegen die Beschäftigung Hauptamtlicher hinzu. Zudem wurden häufig die Ausführungen und Empfehlungen aus Sicht eines Ehrenamtlichen oder eines Hauptamtlichen geschrieben. Es fällt auf, dass dieses Thema von vielen Autoren ausschliesslich literarisch behandelt wurde. Die Artikel wurden häufig für eine praktische Anwendung geschrieben. In deutschsprachiger Literatur wurde die Beziehung zwischen Haupt- und Ehrenamt häufiger direkt untersucht, während in englischsprachiger Literatur die Erkenntnisse vor allem indirekt als Nebenprodukte anderer Untersuchungsziele entstanden.
In dieser Arbeit wird trotzdem versucht, eine Verallgemeinerung zu erzielen. Tabelle 1 stellt einen Überblick über die gefundene Literatur zum Verhältnis zwischen Haupt- und Ehrenamt in NPO her und wagt eine literarische Einordnung. Viele der aufgeführten Quellen enthalten jedoch nur in untergeordneten Kapiteln Ausführungen, welche für diese Arbeit von Relevanz sind.
Tabelle 1: Literatur zum Verhältnis zwischen HA und EA
Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten
Quelle: Eigene Zusammenstellung
4 Hauptamt vs. Ehrenamt
NPO haben ein „hohes Ausmass an Personalintensität“[32]. Die Handlungsfähigkeit, die Leistungsqualität, die Wettbewerbsposition und der Zielerreichungsgrad sind stark von den Fähigkeiten und Zielen der haupt- und ehrenamtlichen Mitarbeitern abhängig.[33] Die Fähigkeiten und Ziele der Mitarbeiter werden jedoch von der „Dualität von Ehrenamtlichen und Hauptamtlichen"[34] gestört, da gemäss ZAUNER und SIMSA der Unterschied zwischen den beiden Gruppen ein „Wesensunterschied, ein notwendiger Widerspruch“[35] ist. Die Unterschiede zwischen den beiden Gruppen, deren spezifischen Eigenschaften, sowie die daraus resultierende Personalstruktur gilt es u. a. beim Personalmanagement zu berücksichtigen.
Haupt- und Ehrenamt können jedoch auf Grund von Verwischungen nicht immer klar voneinander unterschieden werden: Aufwandsentschädigungen und Arbeitsentgelte für „Ehrenamtliche“ und zusätzliche, „ehrenamtliche“ Tätigkeit von Hauptamtlichen verhindern das Ziehen einer scharfen Trennlinie. Verschiedene Autoren beobachten daher einen zunehmend fliessenden Übergang von Profi- zu Laienarbeit, von bezahlter zu unbezahlter Arbeit und umgekehrt.[36]
In verschiedenen Studien wurde trotz der obgenannten Erschwernisse versucht, die beiden Gruppen statistisch zu erfassen. Durchschnittlich gesehen sind, laut einer Untersuchung der ehrenamtlichen Tätigkeit in 35 Staaten, 43 % ehrenamtlich und 57 % hauptamtlich in einer NPO tätig (siehe Abb. 2).[37] Der Anteil der NPO, welche bezahlte Angestellte beschäftigen, beträgt je nach Untersuchung zwischen 57 und 75 %.[38] Der Prozentsatz variiert stark zwischen den verschiedenen NPO-Bereichen (siehe Anhang Abb. 7).[39] BLANDOW stellte in einer anderen Studie fest, dass 60 % aller Arbeitsleistungen in einer sozialen Organisation von Hauptamtlichen erbracht werden.[40] Auf der anderen Seite beschäftigen, gemäss einer Studie von ZIMMER, PRILLER und HALLMANN, 93 % aller befragten NPO Ehrenamtliche.[41]
Abbildung 2: Anteil Haupt- und Ehrenamtlichen in NPO (Durchschnitt von 35 Staaten)
Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten
Quelle: Übersetzt nach SALAMON/SOKOLOWSKI/LIST (2003), S. 16
4.1 Motivation und Entlohnung
Übereinstimmende Ziele zwischen Ehrenamtlichen und NPO stellen eine Voraussetzung dar, damit Ehrenamtliche im Sinne der Organisation handeln.[42] Um Handlungen von Haupt- und Ehrenamt bewusst lenken zu können, müssen deren Motivationsgründe genauer betrachtet werden: Motivation entsteht aus den Anreizen, die eine Person von einer bestimmten Situation erfährt, und die sie dazu bringt, bestimmte Ziele zu verfolgen.[43] Die Literatur kennt viele verschiedene Motivationstheorien. An dieser Stelle sollen jedoch nur für diese Arbeit relevante Aspekte der Motivation betrachtet werden.
Individuelles Verhalten, sei es gewohnheitsbedingt, impulsiv oder das Resultat eines kognitiven Prozesses, kann sowohl extrinsisch, als auch intrinsisch motiviert sein.[44] Extrinsische Motivation ist das Resultat externer Belohnungen oder Sanktionen, intrinsische Motivation wird hingegen ohne externe Anregungen generiert. Die einzige Gegenleistung für intrinsisch motiviertes Handeln ist die Aktivität selbst und hat somit Selbstzweck-Charakter.[45] Intrinsische und extrinsische Motivation können neutral, positiv oder negativ korreliert sein. Bei einer positiven Korrelation kann eine materielle Belohnung die intrinsische Motivation verstärken. Kritiker warnen jedoch vor einer Überschätzung der Möglichkeit, mit der Aussicht auf Belohnung oder der Furcht durch Bestrafung eine Leistungssteigerung zu unterstützen.[46] Zum Beispiel hat DECI gezeigt, dass externe Entschädigungen nicht nur die extrinsische Motivation fördern, sondern auch gleichzeitig die intrinsische Motivation reduzieren können.[47] Dieser Verdrängungseffekt durch eine negative Korrelation, wird als so genannter Crowding-Out-Effekt bezeichnet. Gemäss FREY tritt er in Situationen auf, in denen das Individuum die Entschädigung als Verstärkung externer Kontrolle und Bestimmung oder als Anzeichen der Unzufriedenheit über die geleistete Arbeit wahrnimmt. Zudem verdrängt extrinsische Entschädigung intrinsische Motivation, wenn die Entschädigungen im Vergleich zur sozialen Referenzgruppe als unfair betrachtet werden. Werden intrinsisch motivierte Handlungen extrinsisch entschädigt, erwarten Individuen mit der Zeit, dass weitere, bisher intrinsisch motivierte Handlungen, entschädigt werden.[48] Vor allem in NPO sind die Mitarbeiter stark intrinsisch motiviert. Das Crowding-Out-Potential ist dementsprechend gross.[49] So können z.B. Prämien und Belohnungen für Ehrenamtlichen das Helfen-wollen oder die Freude an der Arbeit selbst verdrängen. Die meisten Motivationsinstrumente lassen sich jedoch in eine extrinische, als auch in eine intrinsische Komponente zerlegen. So können z.B. die erwähnten Prämien und Belohnungen auch als Anerkennung aufgefasst werden.[50] Zu beachten ist jedoch immer auch der Glaube an Abmachungen und Erwartungen über gegenseitige Verpflichtungen. Dies wird als psychologischer Vertrag bezeichnet und entsteht in Bereichen ohne ausdrückliche Vereinbarungen.[51] Vor allem Anreizsysteme können als psychologische Verträge angesehen werden. Verletzt eine Partei einen psychologischen Vertrag, vermindert sich die intrinsische Motivation der Gegenpartei.[52] Im Extremfall kann dies sogar zu einer negativen Einstellung gegenüber der Organisation führen.[53] Eine spezielle Form der Motivation ist der Altruismus, welcher die Motivation aus dem Geben erfährt.[54]
In einem anderen Ansatz unterschieden HERZBERG, HAUSNER und SNYDERMAN in der so genannten Zweifaktoren-Theorie zwischen Hygienefaktoren und Motivatoren. Dieser Theorie zufolge können z.B. gute Arbeitsbedingungen als Hygienefaktoren eine Unzufriedenheit verhindern, aber nur die intrinsischen Motivatoren sind in der Lage, Zufriedenheit herzustellen. Motivatoren sind direkt mit der Arbeit selbst verknüpft, wie z.B. Anerkennung der Leistung, herausfordernde Tätigkeit, vermehrte Verantwortung und Möglichkeiten zum Aufstieg, zu Wachstum und zur Entfaltung.[55]
Als weitere relevante Motivationstheorien sollten auch die Prozesstheorien betrachtet werden, bei denen die Nutzenmaximierung im Vordergrund steht.[56] Zu diesen Theorien gehört u. a. das Instrumentalitätskonzept von VROOM. Gemäss dieser Theorie multipliziert jedes Individuum vor der Entscheidung über das Ausführen oder Unterlassung einer Aktivität, die möglichen (intrinsischen und extrinsischen) Outputs mit der Wahrscheinlichkeit, dass die Outputs ihm tatsächlich zugute kommen.[57] Die Handlung wird entsprechend den Prozesstheorien nur dann ausgeführt, wenn das Individuum erwartet, dass es sich in irgend einer Form lohnt.
LICHTMANNECKER untersuchte den Stellenwert von Motivationsinstrumenten bei Haupt- und Ehrenamt aus Sicht von Verbandsführungen (siehe Abb. 3). Bei den Hauptamtlichen wird der Eigenverantwortung und der Entscheidungsfreiheit, sowie dem Sinn der Arbeit der höchste Stellenwert eingeräumt. Die finanziellen Anreize finden sich in diesem Ranking erst auf Platz fünf. Bei den Ehrenamtlichen zeigt sich ein leicht anderes Bild: Der Sinn der Arbeit, der Führungsstil und die Ehrungen sind die häufigsten Nennungen. Die geringere Ausprägung bei der Eigenverantwortung und der Entscheidungsfreiheit zeigt, dass der Verbandsführung eine Führung der Ehrenamtlichen notwendig erscheint.[58] Diese Ergebnisse lassen auf Unterschiede in der Motivation von Haupt- und Ehrenamt schliessen (siehe auch Anhang Tab. 7).
Abbildung 3: Stellenwert des Einsatzes von Motivationsinstrumenten aus Sicht der Verbandsführung
Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten
Quelle: WITT et Al. (1998), S. 26
In einer Studie von BIERHOFF wurde die altruistische und die egoistische Komponente von Haupt- und von Ehrenamtlichen untersucht. Die Ergebnisse zeigen, dass Ehrenamtliche im Durchschnitt fast zu gleichen Teilen sowohl eine altruistische, wie auch eine egoistische Motivation haben, während bei den Hauptamtlichen die egoistische Einstellung etwas überwiegt (siehe Anhang Abb. 8).[59] Die unterschiedlichen Ergebnisse bei Haupt- und Ehrenamtlichen bei den erwähnten Studien scheinen eine separate Betrachtung der Motivation der beiden Gruppen notwendig zu machen.
[...]
[1] Vgl. NADAI (2004), S. 28
[2] Vgl. SCHMID/SOUSA-POZA/WIDMER (1999), S. 50 ff.; SCHÖN-BÜHLMANN (2004), S. 28
[3] Vgl. SALAMON/SOKOLOWSKI/LIST (2003), S. 42
[4] Vgl. NEUMANN (2004), S. 2 ff.
[5] Vgl. VON ECKARDSTEIN (2002), S. 310
[6] Vgl. BOVAY (1998), S. 37
[7] Vgl. SCHÜTTE (2000), S. 134
[8] Vgl. z.B. HEINEMANN/SCHUBERT (1992), S. 21 ff.; SAUER (2000), S. 20 f.; SCHÜTTE (2000), S. 129 ff.
[9] Vgl. VON ECKARDSTEIN (2002), S.323
[10] Vgl. REGNET (2001), S. 26 ff.
[11] LICHTMANNECKER (2002), S. 56
[12] Vgl. SCHWARZ (1993), S. 6 f.
[13] Vgl. GRAEFF/WEIFFEN (2001), S. 368
[14] Für eine Übersicht vgl. BEHER/LIEBIG/RASCHENBACH (1999), S. 104 f.
[15] Vgl. VON ECKARDSTEIN/BRANDL (2004), S. 299 f.
[16] Vgl. SCHWARZ/PURTSCHERT/GIROUD (2002), S. 19 f.
[17] Vgl. BEHER/LIEBIG/RAUSCHENBACH (1999), S. 101 ff.
[18] Vgl. HANHART et Al. (2000), S. 17
[19] Vgl. BEHER/LIEBIG/RAUSCHENBACH (1999), S. 106
[20] Vgl. GOLL (1991), S. 151 ff.; WESSELS (1994), S. 13 f.; HÖFLACHER (1999),S. 52;
BACHSTEIN (1997), S. 2; HANHART et al. (2000), S. 17 ff.; VON ROSENBLADT (2000), S. 16; MAYERHOFER (2001), S. 266; WENG (2002), S. 27
[21] Vgl. WINKLER (1988), S. 46; LICHTSTEINER (1995), S. 32; HÖFLACHER (1999), S. 53;
BADELT (2002), S. 574 ff.
[22] Vgl. GOLL (1991), S. 144 ff.
[23] Vgl. WINKLER (1988), S. 41 f.
[24] Vgl. HANHART et Al. (2000), S. 19 f.
[25] BADELT (2002), S. 573
[26] Vgl. WINKLER (1988), S. 46; WENG (2002), S. 202 ff.
[27] Vgl. SCHMID/SOUSA-POZA/WIDMER (1999), S. 40 ff.; HANHART et Al. (2000), S. 93 f.
[28] Vgl. GOLL (1991), S. 135 ff.
[29] Vgl. SCHÜTTE (2000), S. 129
[30] Vgl. AEPPLI (1997), OR Art. 319 Abs. 1
[31] Vgl. BEHER/LIEBIG/RAUSCHENBACH (1999), S. 175 ff.
[32] EPKENHANS (2004), S. 167 f.
[33] Vgl. WITT/STURM (1998), S. 305 ff.; VON ECKARDSTEIN (2002), S. 16 f.;
ZAUNER/SIMA (2002), S. 452; LICHTMANNECKER (2002), S. 19
[34] RIDDER/NEUMANN (2003), S. 120
[35] ZAUNER/SIMA (2002), S. 448
[36] Vgl. BENDELE (1988), S. 72; RAUSCHENBACH/MÜLLER/OTTO (1988), S. 233; BEHER/LIEBIG/RAUSCHENBACH (1999), S. 147; SCHÜTTE (2000), S. 130 f.;
MOTSCH (2002), S. 150 ff.
[37] Vgl. SALAMON/SOKOLOWSKI/LIST (2003), S. 16
[38] Vgl. SAUER (2000), S. 67; RÜCKERT-JOHN (2000), S. 38;
ZIMMER/PRILLER/HALLMANN (2003), S. 42; SALAMON/SOKOLOWSKI/LIST (2003), S. 15;
[39] Vgl. z.B. RÜCKERT-JOHN (2000), S. 38; SALAMON/SOKOLOWSKI/LIST (2003), S. 24
[40] Vgl. BLANDOW (1988), S. 146
[41] Vgl. ZIMMER/PRILLER/HALLMANN (2003), S. 43
[42] Vgl. VON ECKARDSTEIN/MAYERHOFER (2003), S. 78
[43] Vgl. LINDNER (1998), S. 2; VON ROSENSTIEL (2000), S. 206
[44] Vgl. FISCHER/WISWEDE (2002), S. 40 ff.
[45] Vgl. DECI (1975), S. 23 ff.
[46] Vgl. FREY/OSTERLOH (1997), S. 313 ff.
[47] Vgl. DECI (1975), S. 129 ff.
[48] Vgl. FREY (1997), S. 431 ff.
[49] Vgl. VON ECKARDSTEIN/BRANDL (2004), S. 300
[50] Vgl. FISCHER/WISWEDE (2002), S. 102
[51] Vgl. FARMER/FEDOR (1999), S. 350 ff.
[52] Vgl. FREY/OSTERLOH (1997), S. 309
[53] Vgl. LIAO-TROTH (2001), S. 437
[54] Vgl. FISCHER/WISWEDE (2002), S. 139 ff.
[55] Vgl. HERZBERG/HAUSNER/SNYDERMAN (1959), S. 113 ff.
[56] Vgl. VON ROSENSTIEL (2000), S. 371 f.
[57] Vgl. VROOM (1964), S. 18
[58] Vgl. LICHTMANNECKER (2002), S. 88 f.
[59] Vgl. BIERHOFF (2002), S. 29
- Arbeit zitieren
- BA Thomas Küng (Autor:in), 2005, Das Verhältnis zwischen ehrenamtlichen und hauptamtlichen Mitarbeitern in Nonprofit-Organisationen, München, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/49002
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