Das Reafferenzprinzip eine wichtige Voraussetzung für das Bewegungslernen?


Hausarbeit (Hauptseminar), 2006

16 Seiten, Note: Gut


Leseprobe


Inhaltsverzeichnis

1. Einleitung

2. Das Reafferenzprinzip
2.1 Das Reafferenzprinzip am Beispiel des Fliegenexperiments
2.2 Das Reafferenzprinzip am Beispiel von Bewegungen

3. Das Reafferenzprinzip für das Bewegungslernen?
3.1 Was ist Bewegungslernen?
3.2 Wie wichtig ist das Reafferenzprinzip für das Bewegungslernen
3.3 Welche Rolle spielt die Efferenzkopie?

4. Schlussfolgerungen

5. Zusammenfassung

6. Quellenverzeichnis

1. Einleitung

Die Verhaltensforscher von Holst & Mittelstaedt (1950) leiteten mit ihrem Artikel über das Reafferenzprinzip in der Zeitung Naturwissenschaften im Jahre 1950, einen Umbruch in der Erklärung über die Bewegungssteuerung ein. Mit ihrem wohl bekanntesten Experiment, dem Fliegenexperiment, widerlegten von Holst & Mittelstaedt (1950) die vorher weit verbreitete Reflextheorie. Sie besagt, dass jede Bewegung einem Reiz-Reaktions-Schema zugrunde liegt, d.h. also die Reaktion ist gleichzeitig wieder der Reiz für eine neue Bewegung. Durch ihre Entdeckung des Reafferenzprinzips wurden laut Pöhlmann (1986) andere Forscher, wie Adams, Anochin und Hacker, dazu angeregt von Holst & Mittelstaedt’s Theorie weiter zu entwickeln (Pöhlmann, 1986, 167).

Somit haben von Holst & Mittelstaedt (1950) mit dem Reafferenzprinzip den Grundstein für Adams „Closed-loop-theorie des motorischen Lernens“ (Adams, J. A., 1989, 71) gelegt.

Ziel dieser Arbeit ist es, zu bestimmen wie wichtig das Reafferenzprinzip für die Sportpraxis ist. Dazu wird im Verlauf dieser Arbeit zuerst erläutert, auf welchen experimentellen Entdeckungen dieses Prinzip basiert und wie das Reafferenzprinzip bei Bewegung seine Anwendung findet. Des Weiteren soll untersucht werden, welche Rolle dieses Prinzip beim Bewegungslernen einnimmt.

2. Das Reafferenzprinzip

Der Grundgedanke des Reafferenzprinzips besteht darin, dass von jeder durchgeführten Bewegung eine Efferenzkopie in dem niedrigsten Zentrum angelegt wird, mit dessen Hilfe die Ist-Soll-Differenz der Bewegungsausführung bestimmt wird. Die Ist-Soll-Differenz von der durchgeführten Bewegung und der bereits gespeicherten Kopie entscheidet über Erfolg und Misserfolg der Bewegung. Die Efferenzkopie besteht aus vielen verschiedenen Informationen wie „Trägheits-, Elastizität-, Reibekräfte und Rezeptorenreizungen“ (Ennenbach, 1994, 47).

Von Holst & Mittelstaedt (1950) haben ihre Erkenntnisse aus einer Reihe von Experimenten mit Fliegen gewonnen, die im weiteren Verlauf kurz beschrieben werden sollen.

2.1 Das Reafferenzprinzip am Beispiel des Fliegenexperiments

Mit ihrem Fliegenexperiment, veranschaulichen die beiden Biologen das Reafferenzprinzip: Eine Stubenfliege (Eristalis) befindet sich in einem schwarzweiß gestreiften Zylinder, der von den Versuchsleitern gedreht wird. Dabei versucht die Fliege den Blick zu halten, auch bekannt als optomotorischer Reflex.

Als der Fliege dann im Vergleichsversuch der Kopf um 180° um die Längsachse gedreht und mit einem Leimtropfen fixiert wird, ändern sich auch die Beobachtungen. Durch die veränderten Versuchsbedingungen reagiert die Fliege bei einer Rechtsdrehung des Zylinders mit einer Gegenbewegung nach links und bei einer Linksdrehung mit einer Bewegung nach rechts, bis die Fliege nach kurzen heftigen rechts-links Wendungen artuntypisch erstarrt stehen bleibt. Nach einer Rückdrehung des Kopfes ist das Verhalten der Fliege wieder normal (Holst & Mittelstaedt, 1950, 464f).

Die Versuche zeigen, dass die Fliege eine bestimmte Bildverschiebung auf der Retina erwartet und darauf mit dem optomotorischen Reflex antwortet. Da bei der Kopfdrehung die erwartete Bildverschiebung nicht der tatsächlichen gleicht, ist die Fliege optisch hin und her gerissen und reagiert mit kurzen Wendungen bis sie erstarrt (Holst & Mittelstaedt, 1950, 465).

Unter optomotorischem Reflex wird der automatische Wechsel zwischen Blicksprung und Fixation verstanden, was gleichzeitig den Menschen die Möglichkeit gibt, viele Alltagssituationen, wie das Schreiben und das Lesen, zu bewältigen. Diese Blicksprünge werden nicht bewusst wahrgenommen, sind aber die Voraussetzung für eine einheitliche Wahrnehmung. Die Teilbilder werden zu einem kontinuierlichen Bild zusammengesetzt[1].

Mit dem Fliegenexperiment haben von Holst & Mittelstaedt (1950) die vorher weit verbreitete Reflextheorie bezüglich des Bewegungslernens widerlegt (Ennenbach, 1994, 46). Wenn Bewegungen tatsächlich als Reflexkette ablaufen würden, dann hätte die Fliege sowohl mit der Kopfdrehung um 180° als auch ohne die Kopfdrehung gleich reagieren müssen (Ennenbach, 1994, 46).

Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten

Abb.1: Folgebewegungen und das Reafferenzprinzip[2].

Am Beispiel des Fliegenexperiments kann die Abbildung 1 folgendermaßen erklärt werden: Die Fliege entwickelt bei einer Bewegung eine gewisse Vorstellung bzw. Erwartung des bewegten Bildes auf der Retina. Das erwartete Bild wird mit dem der Retina im Komparator verglichen. Stimmen die beiden Bilder nicht überein, ist die Fliege optisch verwirrt, was dann im Erstarren mündet.

Wie schon im Fliegenexperiment deutlich wurde, ist das Reafferenzprinzip stark an das Auge und somit an die Wahrnehmung gekoppelt. Nachdem das Auge ein Objekt wahrgenommen hat, wird es anschließend mit der vorhandenen Kopie im Komparator verglichen. Wenn die Differenz nahe Null ist, dann wurde das richtige Objekt erkannt.

2.2 Das Reafferenzprinzip am Beispiel von Bewegungen

Bewegungen werden in diesem Kapitel grob in Alltags– und sportliche Bewegungen eingeteilt.

Bei der Wahrnehmung von Bewegungen wird unterschieden zwischen aktiven Eigenbewegungen, passiven Eigenbewegungen oder Bewegungen der Umwelt. So handelt es sich im Fliegenexperiment um eine passive Eigenbewegung, das bedeutet, dass die Fliege sich nicht eigenständig bewegt, sondern durch die Zylinderdrehung entstehende Fliehkraft bewegt wird.

Im weiteren Verlauf wird das Reafferenzprinzip erst anhand einer Alltagsbewegung und dann anhand sportlicher Bewegung erläutert. Bei beiden Bewegungstypen kann davon ausgegangen werden, dass es sich bei der Bewegung um eine aktive Eigenbewegung handelt, die nicht zufällig entsteht, sondern vorher geplant wird. Die folgenden Abbildungen zeigen schematische Darstellungen des Reafferenzprinzips, wobei Abbildung 2 das Prinzip auf einer hohen, allgemeinen Ebene zeigt und bei Abbildung 3 das Reafferenzprinzip auf spezieller (molekularer) Ebene dargestellt wird.

Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten

Abb. 2: Schematische Darstellung des Reafferenzprinzips (nach Loosch, 1999, 59).

Abb. 3: Allgemeines Schema zum Reafferenzprinzip (nach Holst & Mittelstaedt, 1950, 467).

Die höheren Zentren leiten das Kommando K, z. B. den linken Arm nach oben strecken, in das niedrigste Zentrum Z1. An dieser Stelle wird die Efferenzkopie, EK, gespeichert. Über die efferente Bahn erreicht das Kommando den Effektor, der das Kommando dann umsetzt. Anschließend wird die Reafferenz vom Effektor über die afferenten Bahnen zum niedrigsten Zentrum zurückgeleitet. Dort erfolgt dann ein Vergleich zwischen erwünschtem Kommando und tatsächlich ausgeführter Bewegung. Die Differenz von der angestrebten Bewegung und der umgesetzten Bewegung entscheidet darüber, ob das Ergebnis positiv, im Sinne einer Zielerreichung, oder ob das Ergebnis nicht ausreichend ist und somit die Bewegungsausführung mit entsprechenden Veränderungen erneut vorgenommen werden muss. Diese Meldung M wird zu den übergeordneten Zentren geleitet, um die soeben durchgeführte Bewegung zu bewerten, und wenn nötig zu korrigieren und zu wiederholen.

Um das Prinzip mit einem Beispiel zu unterlegen, wurde an dieser Stelle ein Alltagsbeispiel gewählt, da es einfacher nachzuvollziehen ist. Weil Alltagsbewegungen anders als sportliche Bewegungen nicht unter Zeitdruck ablaufen, sind sie weniger komplex. Beim Wechseln einer Glühlampe, sieht das Reafferenzprinzip wie folgt aus:

Um die Glühlampe an einer hohen Decke zu erreichen, muss eine Ganzkörperstreckung erfolgen. Das Augenmerk liegt weniger auf das feinmotorische Zugreifen und Drehen der Glühlampe, sondern darauf sie zu erreichen. So geht es in diesem Fall, um eine Ganzkörperstreckung nach gerade oben. Deshalb wird das Kommando „groß und lang machen“ zu den Zentren geleitet. Eine Efferenzkopie von dieser Bewegung ist schon bei vorherigen Versuchen, sich groß und lang zu machen, abgespeichert. Um das Bewegungsziel zu erreichen, ist es notwendig, sich auf den Ballen zu stellen und den Arm durch aktive Streckung der jeweiligen Schulter mit nach oben zu ziehen. Dabei sind verschiedene Muskelgruppen des gesamten Körpers angespannt (Rückenmuskulatur, Bizeps, großer Gesäßmuskel, Quadrizeps, Wadenmuskulatur). Durch die gespeicherte Efferenzkopie ist der Mensch in der Lage, die optimale Bewegung auszuführen, oder besser: Gespeicherte Efferenzkopien ermöglichen es ihm, relativ schnell ein Bewegungsprogramm auszuwählen, das am ehesten Erfolg versprechend ist.

Der Mensch selbst braucht nicht darüber nachzudenken, welches Bewegungsprogramm er wählen muss, um ein bestimmtes Ziel zu erreichen, weil der Vorgang intuitiv– unbewusst und nicht aufmerksamkeitsgelenkt abläuft.

[...]


[1] http://visor.unibe.ch/ws03/wahrnehmung/arbeiten/Blicksteuerung.pdf

[2] http://www.uni-saarland.de/fak5/excops/download/wa7www05.pdf

Ende der Leseprobe aus 16 Seiten

Details

Titel
Das Reafferenzprinzip eine wichtige Voraussetzung für das Bewegungslernen?
Hochschule
Universität Rostock  (Institut für Sportwissenschaft)
Veranstaltung
Bewegungslehre Hauptseminar
Note
Gut
Autor
Jahr
2006
Seiten
16
Katalognummer
V49047
ISBN (eBook)
9783638455916
Dateigröße
762 KB
Sprache
Deutsch
Anmerkungen
Überarbeitete Version.
Schlagworte
Reafferenzprinzip, Voraussetzung, Bewegungslernen, Bewegungslehre, Hauptseminar
Arbeit zitieren
Anett Senftleben (Autor:in), 2006, Das Reafferenzprinzip eine wichtige Voraussetzung für das Bewegungslernen?, München, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/49047

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