Schaffung eines gemeinsamen europäischen Asylsystems - Schaffung eines gemeinsamen Asylverfahrens?


Masterarbeit, 2005

78 Seiten, Note: 1,5


Leseprobe


Inhaltsverzeichnis

1. Einführung

2. Vergleich der Asylverfahren in den Mitgliedstaaten
2.1. Definition des Begriffes „Asylverfahren“ und Unterscheidungskriterien
2.2. Vergleich des Konzeptes der sicheren Drittstaaten
2.2.1. Belgien
2.2.2. Deutschland
2.2.3. Frankreich
2.2.4. Niederlande
2.3. Vergleich des Konzeptes der sicheren Herkunftsstaaten
2.3.1. Belgien
2.3.2. Deutschland
2.3.3. Frankreich
2.3.4. Niederlande
2.4. Vergleich der Rechtsmittel im Normalverfahren
2.4.1. Belgien
2.4.2. Deutschland
2.4.3. Frankreich
2.4.4. Niederlande
2.5. Schlussfolgerungen des Vergleichs

3. Entwicklung der europäischen Kooperation auf dem Gebiet des Asylrechts bis zum Vertrag von Amsterdam
3.1. Gründungsverträge der Europäischen Gemeinschaften
3.2. Erste Entwicklungen im Bereich der gemeinsamen Asylpolitik
3.2.1. Weißbuch über die Vollendung des Binnenmarktes
3.2.2. Das Schengener Abkommen
3.2.3. Das Schengener Durchführungsabkommen
3.2.4. Einheitliche Europäische Akte
3.3. Das Dubliner Übereinkommen (DÜ)
3.4. Beschlüsse des Europäischen Rates von Maastricht
3.4.1. Asylpolitik im Vertrag über die Gründung der Europäischen Union (Vertrag von Maastricht)
3.4.2. Arbeitsprogramm von Maastricht
3.5. Londoner Entschließungen
3.6. Resolution des Europäischen Rates über „Mindestgarantien für Asylverfahren“

4. Asylpolitik seit dem Vertrag von Amsterdam
4.1. Asylpolitische Regelungen im Vertrag von Amsterdam
4.2. Wiener Aktionsplan
4.3. Europäischer Rat von Tampere und der darauf basierende Prozess
4.3.1. Bericht der Kommission aus dem November 2000
4.3.2. Weitergehende Beschlüsse des Europäischen Rates im Juni 2002 in Sevilla

5. Rechtsakte der Europäischen Gemeinschaft aufgrund von Artikel 63 EGV
5.1. Dublin II und EURODAC-Verordnung
5.1.1. Dublin II
5.1.1.1. Arbeitsdokument zur Bewertung des Dubliner Überein-kommens (DÜ)
5.1.1.2. Bewertungsdokument der Kommission
5.1.1.3. Die Regelungen von Dublin II
5.1.2. EURODAC
5.2. Asylverfahrensrichtlinie
5.2.1. Allgemeines
5.2.2. Anwendungsbereich der Richtlinie
5.2.3. Einzelne Regelungen der Richtlinie
5.2.3.1. Konzept der sicheren Drittstaaten
5.2.3.2. Konzept der sicheren Herkunftsstaaten
5.2.3.3. Rechtsmittel im Normalverfahren
5.2.3.4. Andere Regelungen
5.2.4. Bewertung der Richtlinie

6. Der Europäische Flüchtlingsfonds als sonstige Maßnahme der Europäischen Union zur Harmonisierung des Asylverfahrens
6.1. Darstellung des EFF
6.2. Bewertung des EFF in Hinblick auf die Harmonisierung des Asylverfahrens

7. Maßnahmen und Instrumente in Hinblick auf die Zukunft der Harmonisierung des Asylverfahrens
7.1. EURASIL
7.2. Aktionsprogramm für Verwaltungszusammenarbeit in den Bereichen Außengrenzen, Visa, Asyl und Einwanderung
7.3. Harmonisierung im Lichte zukünftiger EU-Erweiterungen am Beispiel des PHARE-Twinning-Programms für einen osteuropäischen Staat

8. Zusammenfassende Bewertung und Ausblick
8.1. Bewertung des bisherigen Prozesses der Asylverfahrensharmonisierung
8.2. Perspektiven für die Schaffung eines Gemeinsamen Europäischen Asylverfahrens
8.2.1. Rechtliche Aspekte
8.2.1.1. Perspektiven aufgrund des derzeit geltenden europäischen Primärrechts
8.2.1.2. Perspektiven aufgrund der künftigen Europäischen Verfassung
8.2.1.3. Anwendung des Subsidiaritätsprinzips und Begründung der Notwendigkeit eines Gemeinsamen Europäischen Asylverfahrens
8.2.2. Der Weg zu einem Gemeinsamen Europäischen Asylverfahren
8.2.2.1. Zeitrahmen
8.2.2.2. Mittel
8.2.2.3. Verbleibende Aufgaben der Harmonisierung des Asylverfahrensrechts
8.2.3. Organisatorische Gestaltung eines Gemeinsamen Europäisches Asylverfahrens

9. Schlusswort

10. Literaturverzeichnis
10.1. Monografien
10.2. Aufsätze/Artikel
10.3. Lehrbücher/Studienbriefe
10.4. Amtliche Dokumente/Publikationen
10.5. Internet-Seiten
10.6. Sonstiges

1. Einführung

Diese Arbeit behandelt die Harmonisierung des Asylverfahrensrechts innerhalb der Europäischen Union. Ziel dieser Arbeit ist es, einen Beitrag zu der Frage, wie ein Gemeinsames Europäisches Asylverfahren gestaltet sein kann, zu leisten.

Um über die Schaffung eines Gemeinsamen Europäischen Asylverfahrens diskutieren zu können, muss zunächst die Frage geklärt werden, welche Regelungen vom Begriff des „Asylverfahrensrechts“ umfasst sind. Dazu werde ich zunächst eine Definition des Begriffs „Asylverfahrensrecht“ vorlegen, auf der auch die Bearbeitung des Themas in dieser Arbeit basieren wird.

Das Ziel, ein Gemeinsames Europäisches Asylverfahren zu schaffen, wirft das Problem auf, dass die Asylverfahren in den Mitgliedstaaten höchst unterschiedlich sind. Es ist also zunächst angebracht, die bestehenden Asylverfahren zu vergleichen und grundlegende Unterschiede darzustellen. Obwohl ich hier nicht die Asylverfahren aller 25 EU-Mitgliedstaaten miteinander vergleichen kann, wird anhand dieses Vergleiches deutlich, dass die europäische Politik aufgrund unterschiedlicher Regelungen in den einzelnen Mitgliedstaaten vor großen Herausforderungen steht, will sie ein Gemeinsames Europäisches Asylverfahren schaffen.

Nach diesem einleitenden Vergleich wird die historische Entwicklung der Asylpolitik auf europäischer Ebene dargestellt. Während die Asylpolitik anfänglich keine Rolle in der europäischen Politik spielte, hat sich dies in den letzten Jahren grundlegend verändert. Anhand der aktuellen Bedeutung des Themas auf europäischer Ebene wird deutlich gemacht, warum die Asylrechtspolitik überhaupt ein Thema ist, welches im Sinne der Subsidiarität in der Europäischen Union[1] auf europäischer Ebene relevant sein kann. Einen Einschnitt in der historischen Betrachtung stellt der Vertrag von Amsterdam dar. Infolge des Amsterdamer Vertrages sind auf europäischer Ebene Maßnahmen beschlossen worden (oder stehen kurz vor ihrer Verabschiedung), die auf eine Harmonisierung des Asylverfahrens abzielen. An dieser Stelle werde ich die aufgrund des Amsterdamer Vertrages beschlossenen Maßnahmen darstellen, soweit sie das Verfahrensrecht betreffen, und in Hinblick auf deren Gehalt für die Asylverfahrensharmonisierung kritisch beleuchten.

Neben den rechtlichen Instrumenten Verordnungen und Richtlinien gibt es auch ein weiteres Instrument, das in Folge der neuen Aufgabe der Asyl(verfahrens)rechtsharmonisierung von der Europäischen Union eingesetzt wird und das die Harmonisierung der Asylverfahrenspraxis positiv beeinflussen soll. Dabei handelt es sich um die Gemeinschaftsinitiative „Europäischer Flüchtlingsfonds“. Da die Europäische Union auch diesen als Mittel zur Asylverfahrensharmonisierung ansieht, soll dieser Fonds kurz beleuchtet und dessen tatsächliche Wirkung auf die Asylverfahrenspraxis bewertet werden.

Nach diesen in die Vergangenheit und die Gegenwart gewandten Betrachtungen soll im letzten Teil zur der Frage Stellung bezogen werden, wie die weitere Asylverfahrensrechtsharmonisierung gestaltet werden soll. Zunächst werde ich spzielle Maßnahmen bzw. Arbeitsgruppen mit jeweils spezifischen Zielen (EURASIL, ARGO, PHARE), die auf die künftige Harmonisierungsarbeit angelegt sind, beleuchtuen, um danach Perspektiven für ein Gemeinsames Asylverfahren aufzuzeigen, ebenso die Herangehensweise an ein Gemeinsames Asylverfahren. Mit diesem letzten Teil soll die vorliegende Arbeit einen Beitrag für künftige Diskussionen über den Nutzen, die Risiken und die Möglichkeiten eines Gemeinsamen Europäischen Asylverfahrens leisten.

2. Vergleich der Asylverfahren in den Mitgliedstaaten

2.1. Definition des Begriffes „Asylverfahren“ und Unterscheidungskriterien

Um die verschiedenen Asylverfahren vergleichen zu können, muss zunächst festgelegt werden, welche Regelungen im europäischen Harmonisierungsprozess als Bestandteile des Asylverfahrensrechts gelten. Teilweise wird die Auffassung vertreten, dass zum Bereich des harmonisierungsbedürftigen Asylverfahrensrechts drei Bereiche gehören: das Konzept der sicheren Herkunfts- und Drittstaaten, Regelungen über verkürzte und vereinfachte Verfahren sowie rechtsstaatlich-institutionelle Garantien.[2]

Diese Definition ist meiner Meinung nach aber in Hinblick auf ein wirklich integriertes europäisches Asylverfahren zu eng. Zum formellen Asylrecht (= Asylverfahrensrecht) gehören vielmehr sämtliche Regelungen über den Verfahrensablauf von der Einreise angefangen, über die Antragstellung, die Prüfung der Zuständigkeit durch den Mitgliedstaat, die Prüfung, ob der Antragsteller aus einem sicheren Drittstaat oder einem sicheren Herkunftsstaat eingereist ist, das eigentliche Asylverfahren bei der zuständigen (nationalen) Behörde bis hin zur gerichtlichen Überprüfung der Entscheidung der zuständigen Behörde, sowie gegebenenfalls der Ausweisung und Rückführung im Falle einer für den Asylsuchenden negativen Entscheidung.[3] Von einem Gemeinsamen Europäischen Asylverfahren kann also erst dann gesprochen werden, wenn alle diese Bereiche harmonisiert worden sind. Für ein Asylverfahren ist es zwar zumindest auch von Bedeutung, welcher Status einem Asylsuchenden in dem Aufnahmeland zukommt, welche Rechte er in Anspruch nehmen kann und welchen Pflichten er nachkommen muss, diese Bereiche zähle ich aber nicht mehr zum Asylverfahrensrecht, sondern sind meiner Ansicht nach Bestandteile des materiellen Asylrechts. Diese Aspekte sind daher nicht Gegenstand dieser Arbeit.

Der Vergleich der Asylverfahren in allen 25 Mitgliedstaaten wäre sehr umfangreich und daher in dieser Arbeit nicht zu leisten. Da in diesem Kapitel lediglich gezeigt werden soll, dass es zwischen den Asylverfahren der Mitgliedstaaten Unterschiede gibt, die es anzugleichen gilt, halte ich es für ausreichend, den Vergleich an vier Beispielstaaten durchzuführen. Daher werde ich meinen Vergleich auf Deutschland, Belgien, die Niederlande und Frankreich stützen. Den Vergleich werde ich zwischen diesen Staaten durchführen, weil diese im letzten Jahrzehnt die meisten Zugänge von Asylbewerbern in der Europäischen Union (EU-15) hatten.[4] [5]

Ebenso halte ich es – um dieses Kapitel vom Umfang her zu beschränken – für erforderlich, aber auch für gerechtfertigt, hier nicht alle möglichen Kriterien, nach denen sich Asylverfahren untereinander unterscheiden können, miteinander zu vergleichen. Stattdessen werde ich hier beispielhaft für die Unterschiedlichkeit der Asylverfahren nur auf ausgewählte Kriterien eingehen. Daher werde ich an dieser Stelle den Vergleich am Konzept der sicheren Drittstaaten, am Konzept der sicheren Herkunftsstaaten und an der Gewährung von Rechtsmitteln durchführen.

2.2. Vergleich des Konzeptes der sicheren Drittstaaten

Nach der Londoner Entschließung des Ministerrates über Aufnahme-drittländer[6] kann bei Einreise aus einem sicheren Aufnahmedrittstaat die Einreise in den EU-Mitgliedstaat verweigert werden.[7] Die Prüfung eines Asylbegehrens kann in einem solchen Fall in einem beschleunigten Verfahren erfolgen, auch im Rahmen einer Zulässigkeitsprüfung, bei deren negativem Ausgang der Asylbewerber nicht zum Asylverfahren mit inhaltlicher Prüfung des Asylbegehrens zugelassen wird.[8]

2.2.1. Belgien

In Belgien gibt es keine Liste „sicherer Drittstaaten“. Dennoch macht Belgien insofern von der Möglichkeit des Konzeptes der „sicheren Drittstaaten“ Gebrauch, als dass der längere Aufenthalt in einem anderen Land, in dem der Betreffende nicht verfolgt wurde, als weiterer Grund für eine Ablehnung gewertet wird. Ein Asylbewerber, der aus einem Land vor Verfolgung geflohen ist, sich danach länger in einem dritten Staat aufgehalten hat und aus diesem nach Belgien gekommen ist, kann sich nicht mehr auf Verfolgung in seinem

ursprünglichen Herkunftsland berufen, da er ja bereits in dem dritten Staat vor Verfolgung sicher war. Ein solcher Umstand führt jedoch nicht zur Unzulässigkeit des Asylantrages. Es muss in jedem Fall eine Einzelfallprüfung vorgenommen werden. Bei dieser Prüfung wird der Umstand des Aufenthalts in dem dritten (sicheren) Staat immer nur als Ergänzung zu anderen Ablehnungsgründen, nie als einziger Grund, angegeben. Der vorherige Aufenthalt in einem „sicheren Drittstaat“ ist also ein materieller Ablehnungsgrund.[9]

2.2.2. Deutschland

Das deutsche Asylrecht kennt das Konzept der „sicheren Drittstaaten“. Nach Art. 16a Abs. 2 GG i.V.m. § 26a AsylVfG werden Asylbewerber, die aus einem „sicheren Drittstaat“ einreisen, nicht als Asylberechtigte anerkannt. Als „sichere Drittstaaten“ gelten nach Art. 16a Abs. 2 Satz 1 GG die Mitgliedstaaten der Europäischen Union. Durch Gesetz können weitere Staaten zu „sicheren Drittstaaten“ erklärt werden. Entsprechend Anlage I zum Asylverfahrensgesetz sind dies nach der EU-Osterweiterung nur noch die Schweiz und Norwegen. Reist ein Asylbewerber aus einem „sicheren Drittstaat“ ein, wird ein Asylverfahren nur dann durchgeführt, wenn dessen Rückführung nicht innerhalb von drei Monaten möglich ist (§ 29 AsylVfG). Generell jedoch werden Asylbewerber, die aus einem „sicheren Drittstaat“ einreisen, an der Grenze zurückgewiesen, ihnen steht das reguläre Asylverfahren nicht offen.[10]

2.2.3. Frankreich

Frankreich macht auch nach der Asylrechtsreform ab 1.1.2004 vom Konzept der „sicheren Drittstaaten“ keinen Gebrauch.[11]

2.2.4. Niederlande

Aufgrund des niederländischen Asylgesetzes ist der Antrag auf Asyl von einem Asylbewerber, der aus einem „sicheren Drittstaat“ eingereist ist, unzulässig.[12]

2.3. Vergleich des Konzeptes der sicheren Herkunftsstaaten

Das Konzept der sicheren Herkunftsstaaten sieht vor, dass Personen, die ursprünglich aus solchen Staaten geflohen sind, nicht als Flüchtlinge anzuerkennen sind, sondern stattdessen sofort wieder oder aber nach einem verkürzten Verfahren in ihr Herkunftsland zurückzuschicken sind.[13]

2.3.1. Belgien

Belgien macht vom Konzept der sicheren Herkunftsstaaten keinen Ge-brauch.[14]

2.3.2. Deutschland

Das deutsche Grundgesetz sieht das Konzept der „sicheren Herkunftsstaaten“ im Asylrecht vor. Nach Art. 16 a Abs. 3 können durch Bundesgesetz Staaten bestimmt werden, bei denen es auf Grund der Rechtslage, der Rechtsanwendung und der allgemeinen politischen Verhältnisse gewährleistet erscheint, dass dort weder politische Verfolgung noch unmenschliche oder erniedrigende Bestrafung oder Behandlung stattfindet. Nach § 29 a (1) AsylVfG ist der Asylantrag eines Ausländers aus einem „sicheren Herkunftsstaat“ als offensichtlich unbegründet abzulehnen, es sei denn, die von dem Ausländer angegebenen Tatsachen oder Beweismittel begründen die Annahme, dass ihm abweichend von der allgemeinen Lage im Herkunftsstaat politische Verfolgung droht. Die „sicheren Herkunftsstaaten“ werden durch Anlage II zum Asylverfahrensgesetz bestimmt.[15]

2.3.3. Frankreich

Mit der Reform des Asylrechts wurde das Konzept der „sicheren Herkunftsstaaten“ in Frankreich eingeführt. Art. 3 des französischen Asylgesetzes sieht eine Liste „sicherer Herkunftsstaaten“ vor, die derzeit von der französischen Asylbehörde erarbeitet wird. Dabei wird ein Staat als „sicherer Herkunftsstaat“ eingestuft, wenn in diesem die Prinzipien der Freiheit, der Demokratie und der Rechtsstaatlichkeit sowie die Menschenrechte beachtet werden. Die Herkunft eines Asylbewerbers aus einem „sicheren Herkunftsstaat“ führt zu einem verkürzten Verfahren.[16]

2.3.4. Niederlande

Asylanträge von Asylsuchenden aus „sicheren Herkunftsstaaten“ werden als offensichtlich unbegründet angesehen und im verkürzten Verfahren entschieden. Grundlage für diese Entscheidung ist eine Liste „sicherer Herkunftsstaaten“.[17]

2.4. Vergleich der Rechtsmittel im Normalverfahren

Alle Staaten der Europäischen Union sind Vertragsparteien der Genfer Flüchtlingskonvention (GK). Nach Art. 16 GK hat jeder Flüchtling in dem Gebiet der Vertragsstaaten freien und ungehinderten Zugang zu den Gerichten. In diesem Abschnitt soll die unterschiedliche Praxis der vier Beispielstaaten hinsichtlich des Zugangs zu den Gerichten im Asylverfahren (Normalverfahren, nicht im verkürzten Verfahren) dargestellt werden.

2.4.1. Belgien

Ein Asylbewerber, der beim belgischen Ausländeramt einen Asylantrag gestellt hat und dessen Antrag für "nicht zulässig" erklärt wurde, kann dagegen beim Generalkommissar Berufung einlegen (Dringlichkeitsverfahren mit aufschiebender Wirkung). Dieser kann entweder die Entscheidung des Ausländeramtes bestätigen (Der Antrag bleibt unzulässig, keine weitere Berufungsmöglichkeit[18] ) oder den Antrag für zulässig erklären. In letzterem Fall erfolgt anschließend die materielle Prüfung des Antrages wie bei allen anderen Anträgen auch durch das Generalkommissariat.

Gegen einen negativen Bescheid des Generalkommissariats kann der Asylbewerber eine Berufung bei der Ständigen Berufungskommission einlegen (mit aufschiebender Wirkung). Diese kann den Bescheid des Generalkommissariats bestätigen (= negativ) oder aufheben und eine Anerkennung aussprechen. Letzteres erfolgt relativ selten.

Der Beschwerdeführer kann in Begleitung eines Anwalts auftreten. Die Beweislast trägt der Beschwerdeführer.[19]

Gegen einen negativen Bescheid bei der Ständigen Berufungskommission gibt es nur noch die Möglichkeit, den Staatsrat anzurufen (keine aufschiebende Wirkung, allerdings wird die Abschiebung nur sehr selten vollzogen). Hier kann zunächst die Aufhebung der Abschiebungsandrohung beantragt werden, wie auch die Prüfung des Bescheides. Allerdings prüft der Staatsrat nur, ob Verfahrensfehler vorliegen. Er kann keine Anerkennung aussprechen, sondern nur das Verfahren an die entsprechende Instanz zurückverweisen.[20]

2.4.2. Deutschland

Nach § 11 AsylVfG steht dem Asylbewerber gegen Entscheidungen über seinen Asylantrag kein Widerspruchsrecht zu. Stattdessen hat er nach § 74 AsylVfG die Möglichkeit einer Klage vor dem Verwaltungsgericht. Die Klage ist in der Regel innerhalb von zwei Wochen nach der Zustellung der Ent-scheidung durch das Bundesamt für Migration und Flüchtlinge einzureichen. Die Klage hat nach § 75 AsylVfG im Normalverfahren bzw. bei Widerruf und Rücknahme der Anerkennung als Asylberechtigter aufschiebende Wirkung. Das Verwaltungsgericht erforscht den Sachverhalt von Amts wegen, dem Asylbewerber werden die gewonnenen Erkenntnisse zur Kenntnis gegeben.[21] In den Fällen, in denen die Klage eines Asylbewerbers nicht als unzulässig oder offensichtlich unbegründet abgewiesen wird, steht dem Asylbewerber die Berufung gegen das Urteil des Verwaltungsgerichts zu, sofern sie vom Oberverwaltungsgericht zugelassen wird. (§ 78 Abs. 2 AsylVfG) Eine Berufung ist allerdings nur dann zuzulassen, wenn die Rechtssache grundsätzliche Bedeutung hat (§ 78 Abs. 3 Nr. 1 AsylVfG), das Urteil von einer Entscheidung des Oberverwaltungsgerichts, des Bundesverwaltungsgerichts, des Gemeinsamen Senats der obersten Gerichtshöfe des Bundes oder des Bundesverfassungsgerichts abweicht und auf dieser Abweichung beruht (§ 78 Abs. 3 Nr. 2 AsylVfG) oder ein absoluter Revisionsgrund nach § 138 Verwaltungsgerichtsordnung, der stets auf formalen Verfahrensmängeln beruht, vorliegt (§ 78 Abs. 3 Nr. 3 AsylVfG). Mit der Ablehnung des Antrags auf Berufung wird das Urteil des Verwaltungsgerichts rechtskräftig. (§ 78 Abs. 5 AsylVfG). Wird die Berufung nicht zugelassen, muss das Oberwaltungsgericht gleichzeitig darüber entscheiden, ob die Revision zum Bundesverwaltungsgericht zugelassen wird. Die Revision vor dem Bundesverwaltungsgericht ist allerdings keine Tatsacheninstanz mehr, es werden hier nur noch in dem Verfahren relevante Rechtsfragen behandelt.[22] Sind alle Rechtsmittel erschöpft, steht dem Asylbewerber die Verfassungsbeschwerde vor dem Bundesverfassungsgericht zu.[23]

2.4.3. Frankreich

Gegen die Asylentscheidung des OFPRA (Französische Asylbehörde) kann der Asylbewerber vor der Flüchtlingsbeschwerdekommission Bescchwerde einlegen. Bei dieser Kommission handelt es sich um eine besondere Verwaltungsgerichtsbarkeit, die für ganz Frankreich einzigartig ist. Diese Kammern bestehen nicht nur aus Richtern, sondern auch aus einem Vertreter des OFPRA, der allerdings von diesem unabhängig ist, sowie einem Beisitzer, der den UNHCR vertritt. Die Beschwerde vor der Flüchtlingsbeschwerdekommission hat aufschiebende Wirkung.[24]

2.4.4. Niederlande

Eine Entscheidung der Asylbehörden in einem Asylverfahren kann in den Niederlanden mit dem Rechtsmittel der Klage angegriffen werden. Eine Klage hat grundsätzlich keine aufschiebende Wirkung. Auf Antrag des Asyl-bewerbers kann diese jedoch angeordnet werden. Über die Klage entscheiden die Ausländerkammern (Vreemdelingen Kamer). Eine Berufung hiergegen ist möglich (hoger beroep). Die Berufungsinstanz ist der Raad van Staat (Staatsrat).[25]

2.5. Schlussfolgerungen des Vergleichs

Allein der Vergleich zwischen den vier Mitgliedstaaten – bezogen auf drei Vergleichskriterien – zeigt, dass es erhebliche Unterschiede im Asylver-fahrensrecht gibt. Während einige Länder von dem Konzept der „sicheren Drittstaaten“ überhaupt keinen Gebrauch machen, gibt es andere, die zwar das Konzept, nicht aber eine Liste „sicherer Drittstaaten“ in ihr Recht eingeführt haben und wiederum andere, die über eine feste Liste „sicherer Drittstaaten“ verfügen. Unter denjenigen Staaten, die das Konzept „sicherer Drittstaaten“ kennen, existieren Staaten, Staaten, in denen die Einreise aus einem „sicheren Drittstaat“ zur Unzulässigkeit des Antrags führt, während in anderen Staaten die Einreise aus einem „sicheren Drittstaat“ einen materiellen Ablehnungsgrund darstellt.

Auch im Bereich der „sicheren Herkunftsstaaten“ gibt es Unterschiede. Es gibt sowohl Staaten, in denen das Konzept der „sicheren Herkunftsstaaten“ überhaupt nicht zur Anwendung kommt, als auch Staaten, die es mit Hilfe einer feststehenden Staatenlisten anwenden sowie Staaten, die zwar das Konzept der „sicheren Herkunftsstaaten“ anwenden, in denen es aber keine Staatenliste, sondern nur eine allgemeine Definition gibt.

In diesen wichtigen Verfahrensfragen kommen also in den unterschiedlichen Mitgliedstaaten völlig verschiedene Konzepte zur Anwendung.

Die Einlegung von Rechtsmitteln ist in allen untersuchten Staaten vor nationalen Gerichten möglich. Unterschiede gibt es in bezug auf den Instanzenweg und auf die aufschiebende Wirkung von Rechtsmitteln. Aufzuwerfen ist hier die Frage, ob es im Rahmen eines Gemeinsamen Europäischen Asylverfahrens auch eine gemeinsame letzte gerichtliche Instanz (EuGH) geben soll, vor der Asylentscheidungen überprüft werden können. Dies hätte den Vorteil, dass nicht nur die behördliche Entscheidungsfindung über Asylanträge, sondern auch deren gerichtliche Überprüfung harmonisiert wird. Auf der anderen Seite würde dies zu einer Verlängerung der Asylverfahren führen.

3. Entwicklung der europäischen Kooperation auf dem Gebiet des Asylrechts bis zum Vertrag von Amsterdam

3.1. Gründungsverträge der Europäischen Gemeinschaften

Der EWG-Vertrag aus dem Jahre 1957 enthielt keine Zuständigkeiten der Gemeinschaft auf dem Gebiet des Asylrechts.[26]

3.2. Erste Entwicklungen im Bereich der gemeinsamen Asylpolitik

3.2.1. Weißbuch über die Vollendung des Binnenmarktes

Erstmals wurde die Asylpolitik auf Gemeinschaftsebene im „Weißbuch über die Vollendung des Binnenmarktes“ erwähnt. Mit diesem am 14.6.1985 von der Kommission vorgelegten Weißbuch erhob sie die Forderung nach Abschaffung aller Personenkontrollen an den Binnengrenzen. Die Asylpolitik stellte hier kein eigenes Politikfeld auf europäischer Ebene dar, sondern war Teil eines Bündels von Ausgleichsmaßnahmen zum geplanten Binnenmarkt, mit dem Zweck, trotz geöffneter Binnengrenzen die innere Sicherheit zu gewährleisten.[27] Dem Weißbuch folgend entwarf die Kommission eine „Richtlinie für die Koordinierung der Vorschriften betreffend das Asylrecht und den Flüchtlingsstatus“. Diese sah allerdings keine vollständige Harmonisierung der Asylverfahren vor, sondern sollte nur die nationalen Anerkennungsverfahren koordinieren. Schwerpunkt des Entwurfs war die Bestimmung der Zuständigkeit eines Staates für die Durchführung des Asylverfahrens. Nur ein einziger Staat sollte für die Prüfung eines Asylantrages zuständig sein. Aufgrund des damaligen Widerstandes der Mitgliedstaaten wurde der Richtlinienentwurf von der Kommission zurückgezogen.[28] Der Grund für diesen Rückzug lag wohl darin, dass die Kompetenz der EG, asylrechtliche Fragen zu regeln, umstritten war.[29]

3.2.2. Das Schengener Abkommen

Da es Mitte der achtziger Jahre mangels einer Rechtssetzungskompetenz der Europäischen Gemeinschaften nicht möglich war, eine Harmonisierung des Asylrechts auf Gemeinschaftsebene zu erreichen, versuchten die Staaten auf völkerrechtlicher Ebene die Rechtsfragen, die mit der Schaffung eines Binnenmarktes mit offenen Grenzen zusammenhingen, zu lösen. Aus der Gruppe aller damaligen Mitgliedstaaten lösten sich fünf (Deutschland, Frankreich, Belgien, Niederlande, Luxemburg) heraus und schlossen am 14.6.1985 das Schengener Abkommen, durch das die Kontrollen an den Binnengrenzen abgeschafft werden sollten, das allerdings selber noch keine asylrechtlichen Regelungen enthielt. Erst das darauf aufbauende Schengener Durchführungsabkommen (SDÜ) vom 19.6.1990[30] traf auch Regelungen zum Asylrecht.

3.2.3. Das Schengener Durchführungsabkommen

Das Schengener Durchführungsabkommen enthält in Kapitel 7 (Art. 28-38) Regelungen über die Zuständigkeit für die Behandlung von Asylbegehren. Nach Art. 29 SDÜ wird jedes Asylbegehren, das von einem Drittstaatsangehörigen im Hoheitsgebiet der Vertragsparteien des SDÜ gestellt wird, behandelt. Dies führt aber nicht zu einem subjektiven Recht des Antragstellers, sich im Hoheitsgebiet der Vertragsparteien aufzuhalten. Generell soll nur ein Vertragsstaat für die Bearbeitung eines Asylbegehrens zuständig sein. Wenn sich nicht eine Vertragspartei von sich aus für die Bearbeitung eines Asylbegehrens zuständig erklärt, gelten die in Artikel 30 SDÜ niedergelegten Zuständigkeitskriterien. Hiernach ist für die Bearbeitung eines Asylbegehrens der Vertragsstaat zuständig, der dem Asylbegehrenden einen Sichtvermerk oder eine Aufenthaltserlaubnis erteilt hat, bzw. wenn mehrere Vertragsstaaten einen Sichtvermerk erteilt haben, der Staat, dessen Sichtvermerk zuletzt erlischt. Benötigte der Drittstaatsangehörige für seine Einreise keinen Sichtvermerk, oder ist er ohne gültige Papiere eingereist, ist der Staat zuständig, über dessen Grenze der Asylsuchende eingereist ist. Diese Regelung, an der nur die sechs Schengen-Staaten beteiligt waren, stellte einen Vorgriff auf das spätere Dubliner Übereinkommen, an dem alle damaligen Mitgliedstaaten der Europäischen Union beteiligt waren, dar und zeigt somit, dass auch im Bereich der Asylpolitik ein „Europa der zwei Geschwindigkeiten“ möglich ist.

Außerdem wurde durch Artikel 37 SDÜ vereinbart, dass sich die Vertragsstaaten gegenseitig über neue Regelungen oder Maßnahmen auf dem Gebiet des Asylrechts, statistische Daten über das Asylverfahren sowie das Auftreten oder eine erhebliche Zunahme bestimmter Gruppen von Asylbegehrenden informieren.

Aufgrund des sogenannten Bonner Protokolls vom 26.4.1994 zum Schengener Folgeübereinkommen[31] wurden die Bestimmungen des SDÜ, welche die Zuständigkeit für das Asylverfahren betreffen, mit Inkrafttreten des Dubliner Übereinkommens durch die entsprechenden Bestimmungen des Dubliner Übereinkommens ersetzt.[32]

3.2.4. Einheitliche Europäische Akte

Die am 1.7.1987 in Kraft getretene Einheitliche Europäische Akte (EEA) reformierte den damaligen EWG-Vertrag in Richtung verstärkter Integration.[33] Durch Artikel 13 EEA wurde das Ziel eines europäischen Binnenmarktes in den EWG-Vertrag (Artikel 8a) eingeführt. Dieser europäische Binnenmarkt und der damit verbundene freie Personenverkehr ohne Grenzkontrollen waren Ursache für die Entstehung von asylrelevanten Maßnahmen im Rahmen der EG. Bereits im Jahre 1986 wurde auf britische Initiative hin die ad hoc-Gruppe Einwanderung mit dem Auftrag eingerichtet, Ausgleichsmaßnahmen zur Verlagerung der Grenzkontrollen an die Außengrenzen vorzubereiten. Eine Untergruppe beschäftigte sich mit Fragen des materiellen und formellen Asylrechts.[34] Diese Untergruppe erkannte an, dass die Gewährung von Personenfreizügigkeit eine verstärkte Überwachung der Einreise von Drittstaatsangehörigen bedinge. Als Folge dessen wurde die Notwendigkeit zur Zusammenarbeit im Bereich der Asylpolitik erkannt, da das Asylverfahren von Drittstaatsangehörigen teilweise missbraucht wurde, um sich Zugang zum europäischen Binnenmarkt zu verschaffen.[35]

3.3. Das Dubliner Übereinkommen (DÜ)

Das zentrale Ergebnis, welches in dieser Untergruppe erarbeitet wurde, war das „Übereinkommen über die Bestimmung des zuständigen Staates für die Prüfung eines in einem Mitgliedstaat der Europäischen Gemeinschaften gestellten Asylantrages“ (Dublin I), welches am 15.6.1990 als völkerrechtlicher Vertrag von allen damaligen EG-Mitgliedstaaten (mit Ausnahme von Dänemark, das dem Abkommen später beitrat) unterzeichnet wurde und nach einem langwierigen Ratifizierungsprozess am 1.9.1997 in Kraft trat. Diese lange Zeitdauer, die der Ratifizierungsprozess in Anspruch nahm, macht deutlich, wie schwer sich die Vertragsstaaten mit einer europäischen Zusammenarbeit in asylrechtlichen Angelegenheiten taten.[36] Das Dubliner Übereinkommen kann als Grundstein für den heute bestehenden EU-Asylaquis angesehen werden.[37] So ergibt sich aus der Präambel des Dubliner Übereinkommens, dass dieses als wesentlicher Baustein gilt, um das vom Europäischen Rat bereits auf seiner Straßburger Tagung vom Dezember 1989 gesetzte „Ziel einer Harmonisierung der Asylpolitiken zu erreichen“.[38] In Artikel 3 Absatz 1 des Dubliner Übereinkommens verpflichteten sich die Vertragsstaaten, jedes Asylbegehren, das im Hoheitsgebiet oder an der Grenze eines Vertragsstaates gestellt wird, zu bearbeiten, und zwar nur von einem einzigen Vertragsstaat. In seinem Kern sah das Dubliner Übereinkommen eine klare Verteilung der Zuständigkeiten der Vertragsstaaten für gestellte Asylbegehren vor. Für die Bearbeitung eines Asylantrages, der an den Grenzen oder im Hoheitsgebiet eines Mitgliedstaates gestellt wird, ist immer nur ein Mitgliedstaat zuständig.[39] Danach war immer der Staat für die Behandlung eines Asylbegehrens zuständig (in der Reihenfolge der nachfolgenden Aufzählung),

- der sich unter bestimmten Umständen freiwillig für diesen Antrag zuständig erklärt hat (Artikel 3 Absatz 4 DÜ),
- der bereits einem Familienangehörigen des Antragsstellers den Flüchtlingsstaaten zuerkannt und den Aufenthalt gewährt hat (Artikel 4 DÜ),
- der dem Antragsteller eine Aufenthaltserlaubnis erteilt hat (Artikel 5 Absatz 1 DÜ),
- der die Ausstellung eines Einreisevisums für den Antragsteller genehmigt hat (Artikel 5 Absatz 2 DÜ),
- über dessen Außengrenzen der Antragsteller ohne Erlaubnis eingereist ist (Artikel 6 DÜ),
- über dessen Außengrenzen der Antragsteller eingereist ist, ohne für diesen Staat ein Visum zu benötigen (Artikel 7 DÜ),
- der Staat, in dem der Asylbewerber seinen ersten Asylantrag stellt (Artikel 8 DÜ, Auffangnorm)

Mit dem Dubliner Übereinkommen sollte erstens sichergestellt werden, dass jeder Asylantrag, der in einem Vertragsstaat (Mitgliedstaat der Europäischen Gemeinschaft) gestellt wird, bearbeitet werden und zweitens sollte eine klare Zuständigkeitsregelung getroffen werden, so dass jeder Asylbewerber nur einen einzigen Antrag in der Europäischen Gemeinschaft stellen konnte. Der Zweck des Dubliner Übereinkommens war es, ein „System geteilter Verantwortung“, nicht aber individuelle Rechte zu schaffen[40]. Dabei ging das Dubliner Übereinkommen davon aus, dass der Staat, der die größte Verantwortung dafür trägt, dass sich der Asylsuchende im Gebiet der Vertragsstaaten aufhielt, für die Bearbeitung des Asylbegehrens verantwortlich sein soll.[41] Aufgrund dieser Zuständigkeitskriterien wurde das Dubliner Übereinkommen häufig kritisiert. Danach liege die Zuständigkeit für die Bearbeitung eines Asylantrages häufig bei dem Staat, dessen Außengrenze der Asylsuchende zuerst passiert hat. Dies belaste vor allem die Mitgliedstaaten, die EU-Außengrenzen nach Süden oder Osten haben. Damit wird das Ziel einer gerechten Lastenverteilung innerhalb der EU verfehlt.[42] Hinsichtlich anderer Möglichkeiten einer Zuständigkeitsverteilung verweise ich auf den späteren Text dieser Arbeit, in denen ich sowohl Alternativvorschläge der Kommission als auch meine eigenen Gedanken zu einer gerechten Lastenverteilung innerhalb eines Gemeinsamen Europäischen Asylsystems darlegen werde.

Unabhängig von der Frage der gerechten Lastenverteilung sind mit dem Dubliner Übereinkommen häufig Beweisschwierigkeiten verbunden. Die effek-tive Anwendung der durch das Dubliner Übereinkommen festgelegten Zuständigkeitskriterien und vor allem das Prinzip, dass jeder Asylantrag nur einmal behandelt wird, setzt voraus, dass der jeweilige Asylbewerber identifiziert werden kann, auch wenn er keine Personaldokumente vorlegen kann.

Eine erfolgversprechende Lösung dieser Problematik bietet die Speicherung und der Vergleich von Fingerabdrücken in einer EU-weiten Datenbank (EURODAC). Da es sich bei der EURODAC-Verordnung[43] um den ersten Rechtsakt handelte, der aufgrund des Amsterdamer Vertrages im Bereich der Asylpolitik (namentlich auf Artikel 63 Absatz 1 lit. a) beschlossen wurde, werde ich die EURODAC-Verordnung unter Kapitel 5.1.2. dieser Arbeit behandeln.

[...]


[1] Vgl. Artikel 5 des Vertrages zur Gründung der Europäischen Gemeinschaften vom 7.2.1992 i.d.F. vom 26.2.2001

[2] Weber, Zur Entwicklung des europäischen Asylrechts, aus: Zuwanderung und Asyl, Schriftenreihe des Bundesamtes für die Anerkennung ausländischer Flüchtlinge, Band 8, 1. Aufl. 2001, S. 110 ff.

[3] vgl. auch Informationsverbund Asyl, ZDWF e.V., im Internet: http://www.asyl.net/Tips/10_Wissenswertes.htm, 20.10.2004

[4] Bundesamt für die Anerkennung ausländischer Flüchtlinge, „Migration und Asyl in Zahlen“, 9. Aufl., 2003, S. 38

[5] Nur das Vereinigte Königreich hatte noch höhere Zugänge von Asylbewerbern. Da sich das Vereinigte Königreich aber aufgrund eines Protokolls zum EU-Vertrag bei jeder Maßnahme, die im Bereich des Asylrechts zur Beschlussfassung vorgelegt wird, zur Teilnahme oder Nichtteilnahme entschließen kann, habe ich das Vereinigte Königreich aus dieser Betrachtung ausgeklammert.

[6] Entschließung des Ministerrates vom 30. November 1992 zu einem einheitlichen Konzept in bezug auf Aufnahmedrittländer

[7] im Internet: http://www.bafl.de/template/asylrecht/content_asyl_begriffe.htm#Sichere Drittstaaten, 15.10.2004

[8] Innenministerium des Landes Nordrhein-Westfalen, Gleichwertiges Asylrecht für Europa – Europäische Harmonisierung und nationales Asylrecht in 17 Staaten, Oktober 1995

[9] Auskunft des Bundesamtes für Migration und Flüchtlinge, Nürnberg, September 2004

[10] Weber, Zur Entwicklung des europäischen Asylrechts, aus: Bundesamt für die Anerkennung ausländischer Flüchtlinge, Asylpraxis Band 8, Nürnberg, S. 118

[11] Auskunft des Bundesamtes für Migration und Flüchtlinge, Nürnberg, September 2004

[12] Weber, Zur Entwicklung des europäischen Asylrechts, aus: Bundesamt für die Anerkennung ausländischer Flüchtlinge, Asylpraxis Band 8, S. 118

[13] Nuscheler, Internationale Migration, Leverkusen-Opladen, 1995, S. 161

[14] Weber, Zur Entwicklung des europäischen Asylrechts, aus: Bundesamt für die Anerkennung ausländischer Flüchtlinge, Asylpraxis Band 8, S. 119

[15] Es handelt sich hierbei um Bulgarien, Ghana, Polen, Rumänien, Senegal, Slowakische Republik, Tschechische Republik und Ungarn

[16] Französische Asylbehörde OFPRA, im Internet: http://vosdroits.service-public.fr/particuliers/F10344.html?n=Etrangers%20en%20France&l=N8&n=Etrangers%3A%20demandeur%20d%26%23x27%3Basile%2C%20r%E9fugi%E9%2C%20apatride&l=N106#titreN10079, 21.11.2004

[17] Weber, Asylmigration in Europa, aus: Bundesamt für Migration und Flüchtlinge, Asylmigration in Europa (Band 12 der Schriftenreihe „Migration, Flüchtlinge und Integration), 1. Aufl., Nürnberg, 2004, S. 109

[18] Allerdingsrufen viele Antragsteller auch an dieser Stelle den Staatsratan undbeantragen eine Aufhebung der Abschiebung. Dies führte zueiner Überlastung des Staatsrates und man beabsichtigt spezielleKammern beim Staatsrat einzurichten, die sich nur mit der Bearbeitung solcher Anträge beschäftigt.

[19] Informationszentrum Asyl beim Bundesamt für Migration und Flüchlinge (Hrsg.), Nürnberg, Kurzdarstellungen der Verfahren bei den Gerichten bzw. Überprüfungsinstanzen, ohne Ausgabedatum

[20] Ministerium des Innern, Asyl in Belgien, November 2000 (Regelungen sind so immer noch gültig.)

[21] Informationszentrum Asyl beim Bundesamt für Migration und Flüchlinge, Nürnberg, Kurzdarstellungen der Verfahren bei den Gerichten bzw. Überprüfungsinstanzen, ohne Ausgabedatum

[22] Informationsverbund Asyl/ZDWF e.V., im Internet: http://www.asyl.net/Tips/10_Wissenswertes.htm, 13.11.2004

[23] Informationszentrum Asyl beim Bundesamt für Migration und Flüchlinge, Nürnberg, Kurzdarstellungen der Verfahren bei den Gerichten bzw. Überprüfungsinstanzen, ohne Ausgabedatum

[24] Auskunft des Bundesamtes für Migration und Flüchtlinge, Nürnberg

[25] Auskunft des Bundesamtes für Migration und Flüchtlinge, Nürnberg

[26] vgl. Schmid/Frank, Europäisches Asylrecht, 2001, S. 15

[27] Hummer/Obwexer, Österreich in der Europäischen Union, 5. Aufl., 1995

[28] Schröder, Das Dubliner Übereinkommen, 2004, S. 46 f

[29] Vgl. dazu Huber, in: Barwig/Lörcher/Schumacher (Hrsg.), Asylrecht im Binnenmarkt, 1989, S. 43, zitiert in: Huber, Das europäische Asylrecht nach Inkrafttreten des Amsterdamer Vertrages, aus: Informationdienst Ausländerrecht 6/2000, S. 302

[30] Übereinkommen zur Durchführung des Übereinkommens vom 14. Juni 1985 zwischen den Regierungen der Staaten der Benelux-Wirtschaftsunion, der Bundesrepublik Deutschland und der Französischen Republik betreffend den schrittweisen Abbau der Kontrollen an den gemeinsamen Grenzen (Schengener Durchführungsabkommen)

[31] BGBl. II 1995, S. 739, Das Protokoll ist für Belgien, die Bundesrepublik Deutschland, Frankreich, Italien, Luxemburg, die Niederlande, Portugal und Spanien am 1.8.1997 in Kraft getreten.

[32] Zimmermann, Der Vertrag von Amsterdam und das deutsche Asylrecht, in: NVwZ1998, Heft 5, S.451

[33] Fischer/Köck, Europarecht, 3. Aufl., S. 103

[34] Schmid/Frank, Europäisches Asylrecht, 2001, S. 16

[35] Garry, Harmonisation of Asylum Law and Policy within the European Union: A human rights perspektive, aus Netherlands Quaterly of Human Rights, Vol. 20 No. 2, June 2002

[36] amnesty international, Sektion der Bundesrepublik Deutschland e.V. (Hrsg.), Asylpolitik in der Europäischen Union, 1. Aufl. 1999, S. 23

[37] Schmid/Frank, Europäisches Asylrecht, 2001, S. 17

[38] Huber, Das Dubliner Übereinkommen, aus: NVwZ 1998, Heft 2, S. 150

[39] Löper, Das Dubliner Übereinkommen über die Zuständigkeiten für das Asylverfahren, aus: ZAR 1/2000, S. 16 ff.

[40] Hailbronner, Immigration and Asylum Law and Policy of the European Union, 2000, S. 393 (Originaltext in Englisch)

[41] Hailbronner, Immigration and Asylum Law and Policy of the European Union, 2000, S. 385 (Originaltext in Englisch)

[42] Gallagher, Towards a Common European Asylum System, aus: International Journal, Summer 2002, S. 385 (Originaltext in Englisch)

[43] Verordnung (EG) Nr. 2725/2000 des Rates vom 11.12.2000

Ende der Leseprobe aus 78 Seiten

Details

Titel
Schaffung eines gemeinsamen europäischen Asylsystems - Schaffung eines gemeinsamen Asylverfahrens?
Hochschule
Hochschule für Wirtschaft und Recht Berlin
Note
1,5
Autor
Jahr
2005
Seiten
78
Katalognummer
V49097
ISBN (eBook)
9783638456302
ISBN (Buch)
9783638708531
Dateigröße
723 KB
Sprache
Deutsch
Schlagworte
Schaffung, Asylsystems, Schaffung, Asylverfahrens
Arbeit zitieren
Ulrich Wokulat (Autor:in), 2005, Schaffung eines gemeinsamen europäischen Asylsystems - Schaffung eines gemeinsamen Asylverfahrens?, München, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/49097

Kommentare

  • Noch keine Kommentare.
Blick ins Buch
Titel: Schaffung eines gemeinsamen europäischen Asylsystems - Schaffung eines gemeinsamen Asylverfahrens?



Ihre Arbeit hochladen

Ihre Hausarbeit / Abschlussarbeit:

- Publikation als eBook und Buch
- Hohes Honorar auf die Verkäufe
- Für Sie komplett kostenlos – mit ISBN
- Es dauert nur 5 Minuten
- Jede Arbeit findet Leser

Kostenlos Autor werden